Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung zu dem Verhalten und zu den Darlegungen der kommunistischen Gruppe dieses Hauses. Herr Fisch hat seine Ausführungen mit den Worten geschlossen: Wir wollen keine Fememorde wieder! Er hat vergessen, etwas hinzuzufügen: Wir wollen in Deutschland auch kein totalitäres System, das keine Achtung vor Menschenleben und Menschenwürde hat.
Die Verfechter eines Systems, das in Rußland Hunderttausende von Menschen in Kriegsgefangenenlagern umkommen ließ, haben gar keine Veranlassung, hier moralische oder politische Entrüstung zu spielen.
Meine Damen und Herren! Es ist hier verschiedentlich beklagt worden, daß jetzt noch nicht der geeignete Zeitpunkt sei, diese Dinge zu erörtern. Es ist unverständlich, daß in einer parlamentarischen Demokratie von der Tribüne des Parlaments überhaupt so etwas gesagt werden kann.
Es gehört sich, daß die Regierung aus besonderen Anlässen vor das Parlament tritt und sagt: das und das ist vorgefallen, und die und die Maßnahmen werden jetzt ergriffen.
Meine Herren Minister, wenn Sie sich einmal etwas mehr daran gewöhnen möchten, daß zum Parlament ein anderes Verhältnis notwendig ist, dann werden sehr viele Schwierigkeiten nicht auftauchen. Was hinderte den Herrn Innenminister daran, bereits gestern an das Pult zu gehen und zu sagen, daß das vorgekommen ist? Sie sagten, man solle nicht vorher darüber reden. Aber in Hamburg oder sonstwo können Sie darüber reden und versuchen, die Sache zu verniedlichen. Damit schaden Sie erst recht der ganzen Angelegenheit.
Sie sagten, eine zu frühe Erörterung könne dem deutschen Ansehen schädlich sein. Sie haben diese Wendung zwei- oder dreimal gebraucht. Herr Minister, ich möchte Ihnen mal in aller Offenheit et-
was sagen. Ein Bundesminister, der glaubte, aus Anlaß der Unterzeichnung der Verträge hier einen Fackelzug veranstalten zu müssen und sich nachher belehren lassen mußte, daß das politisch wohl nicht gut möglich sei, sollte sich nicht an dieses Pult stellen und von deutschem Ansehen und deutscher Würde sprechen.
Ein weiteres Wort zu den verschiedenen Versuchen — der Herr Bundeskanzler hat das unternommen, der Herr Vizepräsident Schäfer hat es getan, und so etwas hat das auch bei Herrn Friedensburg angeklungen —, die Dinge in Verbindung zu bringen mit den Verträgen und so zu tun, als wenn mit der Verabschiedung der Vertragswerke so etwas nicht wieder vorkäme. Meine Damen und Herren, kennen Sie denn den Inhalt des Vertragswerkes so wenig, daß Sie es wagen, sich auf die Tribüne dieses Hauses zu stellen und so etwas zu behaupten?
Sie sollten doch etwas vorsichtig sein!
Das Verhalten der Bundesregierung erklärt sich natürlich aus der Schwierigkeit, in der sie sich angesichts dieser Lage befand. Der BDJ war ihr lieb Kind. Man wollte diesen BDJ vor allen Dingen im kommenden Wahlkampf benutzen, um Propaganda für die Bundesregierung zu machen.
Das war ja letzten Endes auch der Grund dafür, daß man dieser Vereinigung das Geld gegeben hat. Herr Lehr hat dann am Schluß die ganze Geschichte damit etwas abzubiegen versucht, daß er auf die
große kommunistische Gefahr hinwies und sagte, man müsse alle Kräfte unterstützen, die sich im Kampf gegen diese kommunistische Gefahr einsetzten. Es scheint danach so, Herr Innenminister, als wenn der BDJ auch trotz der Dinge, die vorgekommen sind, bei Ihnen immer noch das liebe Kind bleiben solle.
Aber sehen Sie, es gibt j a Menschen, die aus der Vergangenheit wenig lernen. Ich fürchte beinahe, Sie gehören auch zu diesen. Vor 1933 sind Sie mit ihren politischen Freunden doch deshalb in die Habsburger Front gegangen, weil die Nationalsozialisten sagten: Jetzt vernichten wir den Marxismus,
und erst nachher mußten Sie feststellen, daß Sie dabei selber mit vernichtet wurden. Ein Mann, der in seinem Leben einen solchen politischen Irrtum einmal ausgekostet hat, sollte nicht wieder darauf hereinfallen, wenn jetzt eine Organisation kommt und sagt: wir helfen euch im Kampf gegen den Kommunismus, und er sollte diesen Leuten kein Geld geben, ohne genauestens überprüft zu haben, was denn hinter einer solchen Organisation tatsächlich steckt.
Meine Damen und Herren, die Darlegungen des Herrn Ministers waren wirklich weiter nichts als der Bericht — entschuldigen Sie den Ausdruck — eines kleinen Beamten, der sorgfältig eins ans andere reiht, um zu zeigen, daß verwaltungsmäßig nichts verpatzt worden ist. Herr Innenminister — auch Ihnen, Herr Justizminister, muß ich das sagen —, mit dieser verwaltungsmäßigen Betrachtung und Darstellung der Dinge kommen Sie weiß ' Gott in dieser ganzen Angelegenheit doch nicht weiter.
Der Herr Innenminister hat uns erklärt, es bestehe ein Unterschied zwischen BDJ und dem Technischen Dienst. Ich hoffe, daß Sie sich in dieses Material sehr vertiefen werden. Bis jetzt haben Sie es offenbar nicht getan, Herr Innenminister; sonst hätten Sie diese Behauptung nicht aufgestellt.
Der Herr Minister hat weiter gesagt, beim Pfingsttreffen 1952 habe man deshalb Geld gegeben, weil im Jahre 1951 mal in Hessen vom Amt für Verfassungsschutz gesagt worden sei: Der BDJ ist bis jetzt wenigstens eine verfassungsmäßige oder verfassungstreue Organisation. Herr Bundesinnenminister, inzwischen ist immerhin ein Jahr verflossen. Ich glaube, da hätte wohl Veranlassung bestanden, wieder mal nachzufragen. Außerdem haben Sie in Ihrem Haus so etwas wie das Kuratorium für den Bundesjugendplan. Schließlich hätten Sie, Herr Minister, da doch auch mal anfragen können. Sie hätten dann festgestellt, daß sich dieses Kuratorium für den Bundesjugendplan immer entschieden dagegen gewehrt hat, daß der BDJ irgendwelche Gelder bekommt.
Sie scheinen in Ihrem eigenen Hause nicht sehr viel Bescheid zu wissen.
Denn wenn das Kuratorium diese Stellung einnimmt, können Sie doch nicht einen solchen Betrag für das Pfingsttreffen zur Verfügung stellen.
Der Herr Minister sagte weiter: ja, die Waffen, die gefunden wurden, waren alles amerikanische Waffen, also es hatte keine deutsche Stelle etwas damit zu tun. Herr Minister, ist Ihnen aus der Zeit der schwarzen Reichswehr nicht bekannt, daß die damals bestehenden Waffenlager auch alle Lager der Reichswehr waren und — von Ihrem Standpunkt aus gesehen — die Waffen alle legale Waffen waren? Sie wissen ja, was damit beabsichtigt war und welcher Schaden durch diese Dinge entstanden ist. Behandeln Sie bitte das Parlament nicht wie kleine Jungen, die nicht wissen, was im politischen Leben los ist, wenn Sie solche Behauptungen hier aufstellen.
Genau so ist es, wenn Sie sich hinstellen und sagen: ja, der Peters ist ja aus dem BDJ ausgeschieden. Auch da sollten Sie die Zusammenhänge wissen und sollten begreifen, daß die Verhältnisse ganz anders liegen. Es tut mir leid, in dieser Schärfe hier sprechen zu müssen; aber es ist notwendig, wenn von der Bundesregierung aus das Parlament in dieser Weise behandelt und ihm zugemutet wird, derartige Darlegungen entgegenzunehmen.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein paar Worte zu den Darlegungen von Herrn Justizminister Dehler. Sowohl der Herr Innenminister wie der Herr Justizminister haben von den Proskriptionslisten gesprochen und haben das auch so etwas verniedlicht, obwohl es vielleicht eine besondere Geschmacksache ist, wenn man einige Frauen herausgreift und in der Öffentlichkeit mitteilt, was von denen in den Listen steht.
Aber, Herr Justizminister, Ihnen ist ja doch bekannt, daß diese Listen und diese Karteien laufend ergänzt wurden und dann ergänzt wurden, wenn man besondere politische Feststellungen über einzelne Persönlichkeiten gemacht hatte. Oder muß ich Ihnen noch einmal besonders sagen, wie z. B. die Karteikarte und das, was später dazu geschrieben wurde, bei meinem Parteifreund Wehner gelaufen ist? Ich glaube, nachdem Sie das wissen, hätten Sie das hier nicht mehr in dieser Form darstellen sollen.
Dann ist das Verhalten des Oberbundesanwalts vom Herrn Justizminister als vollkommen korrekt hingestellt worden, und es ist der Ausdruck gefallen, bei der Bundesanwaltschaft seien objektive Beamte. Daran zweifelt von uns niemand, Herr Bundesjustizminister.
Aber mit der Korrektheit ist nicht das erste Mal ein Reich zugrunde gegangen, und mit dieser Korrektheit könnte auch diese Bundesrepublik unter Umständen wieder zugrunde gehen. Wir brauchen nicht bei der Oberbundesanwaltschaft Beamte, die rein verwaltungsmäßig die Dinge ansehen, sondern wir brauchen in dem Oberbundesanwalt einen Beamten, der von heißer Leidenschaft für die Demokratie und für die Bundesrepublik erfüllt ist und der dann sofort hart und entschieden eingreift, wenn auch nur Anzeichen für eine Gefährdung vorhanden sind. Es mag Ihnen vielleicht lächerlich vorkommen.
— Es ist hier nur von einem objektiven Beamten gesprochen worden, Herr Schröder.
Wir haben festgestellt, daß es nicht genügt, an dieser Stelle und an dem Platz, an dem ein Oberbundesanwalt steht, ein objektiver Beamter zu sein,
ebensowenig wie es genügt, daß die Herren Minister, ob es nun der Herr Innenminister oder der Herr Justizminister ist, mit rein sachlichen Darstellungen ihre Angelegenheiten bearbeiten und verwalten. Meine Herren Minister, ein Minister in der Demokratie und in der Bundesrepublik, der nicht bereit ist, in einem solchen Augenblick, in dem eine Gefährdung sichtbar wird, unter Umständen über den Rahmen der zunächst einmal rein verwaltungsmäßig gezogenen Befugnisse hinauszugehen, selbst auf die Gefahr hin,
Herr Justizminister Dehler, wenn nachträglich festgestellt werden müßte, daß das Parlament diese Maßnahme nicht billigen kann, ein solcher Minister muß seinen Platz verlassen.
Es kommt zunächst einmal darauf an, daß hier durchgegriffen wird und festgestellt wird: es geschieht etwas. Wenn man von dem rein Verwaltungsmäßigen aus die Dinge betrachten und verwalten will, ist es in der Regel zu spät. Ich weiß ja, daß Ihnen das sehr unangenehm ist, weil Sie immer noch im stillen, wie es auch bei dem Herrn Bundesinnenminister der Fall ist, glauben, daß solche Organisationen in politischer Hinsicht eine
Unterstützung für Sie sein könnten. Aber täuschen Sie sich nicht; das Beispiel von 1933 sollte Sie alle genügend belehrt haben.