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    Deutscher Bundestag — 235. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1952 10783 235. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1952. Geschäftliche Mitteilungen 10785A Verteilung der Entschließung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 10785B Kleine Anfrage Nr. 296 der Fraktion der FDP betr. Rückgabe deutscher Vermögenswerte (Nrn. 3728, 3787 der Drucksachen) 10785B Kleine Anfrage Nr. 298 der Fraktion der SPD betr. Hamburger Filmproduzent Walter Koppel (Nrn. 3742, 3788 der Drucksachen) 10785B Kleine Anfrage Nr. 290 der Fraktion der SPD betr. Werbungskosten (Nrn. 3678, 3798 der Drucksachen) 10785C Umstellung von Punkten der Tagesordnung 10785C Fragestunde (Nr. 3770 der Drucksachen): 1. betr. Parken von Kraftwagen in engen Straßen auf nur einer Straßenseite: Dr. Mommer (SPD), Anfragender 10785C, D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10785C, D 2. betr. Äußerung des Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm am Abend des Unglücks beim Autorennen auf dem Grenzlandring am 31. August 1952: Renner (KPD), Anfragender 10785D, 10786B, C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10786A, B 3. betr. Bundesmittel für Errichtung von Neubauten für Besatzungsgeschädigte bzw. Rückgabe der Häuser oder Wohnungen: Euler (FDP), Anfragender . . . 10786C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10786C 4. betr. Verwendung des Gebäudes des ehemaligen Generalkommandos in Kassel: Euler (FDP), Anfragender . . . 10787A, B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10787A 5. betr. Verluste an Grunderwerbsteuer durch Angabe zu niedriger Kaufpreise bei Grundstücksveräußerungen bzw. Aufhebung der Preisstoppbestimmungen: Euler (FDP), Anfragender 10787B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10787C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 10787C 6. betr. Bericht über den Fall „Real-Film/ Koppel Hamburg": Rademacher (FDP), Anfragender 10787D, 10788A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10788A 7. betr. Aktion der „Bunkerentschrottung" im Gebiet des früheren Westwalls: Niebergall (KPD), Anfragender 10788B, C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10788B, C 8. betr. Entlassungen im Eisenbahnbetriebswerk Hermeskeil: Niebergall (KPD), Anfragender . . 10788C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10788C 9. betr. Rechtsgültigkeit der Verordnung des ehemaligen Reichsforstamts vom 1. April 1936 über die Ausformung, Messung und Sortenbildung des Holzes in den deutschen Forsten: Dr. Atzenroth (FDP), Anfragender 10788D Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10788D 10. betr. Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen in Nordrhein-Westfalen bzw. Beihilfe für die Errichtung von Flüchtlingswohnungen: Dr. Henn (FDP), Anfragender . . 10789A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10789B 11. betr. Leistungen aus dem Härtefonds gemäß § 301 des Lastenausgleichsgesetzes an Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone: Dr. Henn (FDP), Anfragender . . 10789D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10789D 12. betr. Unterbringung heimatvertriebener und kriegssachgeschädigter Werksangehöriger der Bayerischen Motorenwerke Allach in der Siedlung für heimatlose Ausländer in Ludwigsfeld bei München: Reitzner (SPD), Anfragender 10789D, 10790A, B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10790A, B, C 13. betr. Entschädigung bzw. Übergangsbeihilfe an ehemalige Siedler auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Hohenfels: Kohl (Stuttgart) (KPD), Anfragender 10790C, D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10790C, D 14. betr. gesetzliche Vorarbeiten für die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen: Dr. Schellenberg (SPD), Anfragender 10791A Storch, Bundesminister für Arbeit . 10791A 15. betr. Dauer der Entscheidung über Klagen bei den Landesverwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten: Jahn (SPD), Anfragender 10791A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10791B 16. betr. Verspätungen von D- und FZügen: Dr. Mende (FDP), Anfragender . . . 10791C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10791C 17. betr. Entfernung der Schuttmassen zerstörter bundeseigener Bunker: Morgenthaler (CDU), Anfragender . 10792A Schäffer, Bundesminister- der Finanzen 10792A 18. betr. Freigabe des Predigtstuhlhotels in Bad Reichenhall: Parzinger (FU), Anfragender . . 10792B, C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10792C 19. betr. Mißbräuche bei der Subventionierung für das Konsumbrot: Dr. Mende (FDP), Anfragender . . 10792C Dr. Sonnemann, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 10792D 20. betr. Aufbringung der Mehraufwendungen der Rentenversicherung zur Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz: Dr. Schellenberg (SPD), Anfragender 10792D, 10793A Storch, Bundesminister für Arbeit . 10793A 21. betr. Förderung der Durchführung der Investitionsvorhaben des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie durch steuerliche Maßnahmen: Willenberg (FU), Anfragender . . 10793A, C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 10793B, C 22. betr. Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung: Willenberg (FU), Anfragender . . . 10793C Storch, Bundesminister für Arbeit . 10793C 23. betr. Maßnahmen zur Besserung der Verkehrssicherheit des Straßenzustandes: Dr. Reismann (FU),* Anfragender 10793D, 10794A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10793D 24. betr. Unfälle auf der Bundesstraße 55 bei Ehreshofen (Rhein-Bergischer Kreis) infolge Beseitigung der Bahnschranken: Hoffmann (Lindlar) (FU), Anfragender 10794B, C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 10794B, C 25. betr. Erlaß der Ausführungsbestimmungen zum Lastenausgleichsgesetz und 26. betr. Übergangslösung für die Schaffung von Wohnraum nach dem Auslaufen des Soforthilfegesetzes: Dr. Keller (Fraktionslos), Anfragender 10794C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 10794D 27. betr. Abzug der Teuerungszulage zur Unterhaltshilfe durch das Soforthilfeamt Hamburg: Renner (KPD), Anfragender 10794D, 10795A Storch, Bundesminister für Arbeit 10795A, B 28. betr. Pläne für die Errichtung eines sogenannten „Rhein-Walls" bzw. für die Evakuierung der Bevölkerung von Rheinland-Pfalz nach Südfrankreich: Niebergall (KPD), Anfragender . 10795B, C Schäffer, Bundesminister der. Finanzen 10795B, C 29. betr. Räumung bzw. Verwendung des ehemaligen Heereszeugamts in Glinde, Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) und 30. betr. Räumung und Wiederverwendung der Werksanlagen der Firma Krupp in Glinde, Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) : Wegen Fristablaufs der Fragestunde abgesetzt 10795C Nächste Fragestunde, Frist zur Einreichung der Fragen 10795C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik vom 11. Juni 1952 (Nr. 3726 der Drucksachen) 10795D Frau Strohbach (KPD) 10795D Blachstein (SPD) 10796C Dr. Vogel (CDU) 10798A Dr. Mende (FDP) 10798D von Thadden (Fraktionslos) . . . 10799B Ausschußüberweisung 10799D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Geheimorganisation „Technischer Dienst des BDJ" in Hessen (Nr. 3745 der Drucksachen) 10799D Dr. Menzel (SPD), Anfragender . 10800A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10804A, 10828B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 10810B Zinn, Ministerpräsident des Landes Hessen 10811A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 10815B Fisch (KPD) 10817B Dr. Schäfer (FDP) 10818D Birkelbach (SPD) 10820D Dr. Friedensburg (CDU) 10823A Mellies (SPD) 10824C Freiherr von Aretin (FU) . . . 10826C Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 10827C Ewers (DP) 10828D Renner (KPD) 10829C Euler (FDP) 10830D von Thadden (Fraktionslos) . . . 10831D Meitmann (SPD) 10832B Beschlußfassung 10834D Zweite und dritte Beratung des von den Abg. Gibbert, Schmitt (Mainz), Junglas, Kemper, Dr. Weber (Koblenz), Jacobs, , Dr. Preusker, Dr. Atzenroth, Dr. Mühlenfeld, Freiherr von Aretin u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Steuer auf Schaum- wein (Schaumweinsteuergesetz) Nr. 3593 [neu] der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 3727 [neu] der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 679) 10834D Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter 10835D Dr. Bertram (FU) 10838A Abstimmungen 10838A, 10839B Nächste Sitzung 10839D Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich hätte gerne geschwiegen; denn an sich ist es vollkommen untunlich, sich jetzt im Stadium der Erhebungen über die materiellen Fragen oder über die Verfahrensfragen in aller Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.

    (Beifall rechts.)

    Viel ungeschickter kann man sich im Interesse der Erhebungen und der Klärung des Sachverhalts nicht benehmen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Für mich ist es etwas peinlich, daß der mir unterstellte Herr Oberbundesanwalt und seine Behörde sowohl von Herrn Kollegen Menzel als auch von Herrn Kollegen Zinn einer Kritik unterzogen wurden und der Eindruck entsteht, es sei nicht das Erforderliche geschehen; im Gegenteil, es seien auf Weisung des Herrn Oberbundesanwalts hinreichend verdächtige Personen, die sogar unter schwerem Verdacht gestanden hätten, auf freien Fuß gesetzt worden. So sind nun die Dinge nicht, das muß ich wohl hier klarstellen.

    (Zuruf von der KPD: Was denn nun eigentlich?)

    Angesichts der Debatte will ich nur einige kleine Streiflichter auf den Sachverhalt fallen lassen.
    Der Herr Oberstaatsanwalt in Frankfurt ist am 18. September beim Herrn Oberbundesanwalt in Karlsruhe erschienen und hat einen Bericht vom 17. September mitgebracht. In diesem Bericht — das ist das Entscheidende, meine Damen und ,Herren — steht keine Silbe davon, daß dieser Technische Dienst neben der Partisanentätigkeit die Tendenz habe, innenpolitisch zu wirken.

    (Hört! Hört! bei der CDU.)

    In dem Bericht ist vielmehr nur davon die Rede, daß sich innenpolitisch die Aufgaben dieser Einrichtung auf die Bekämpfung der KPD und gewisse mit der Frage der Remilitarisierung zusammenhängende Maßnahmen der SPD erstrecken sollten.

    (Aha! bei der SPD. — Unruhe links.)

    Das war der Tatbestand, Was hat der Herr Oberbundesanwalt getan? Oder richtiger: was war das Problem, das vor ihm stand, insofern als der Bestand dieser Partisanenorganisation von der amerikanischen Besatzungsmacht veranlaßt war? Die Frage war für ihn: Hat er die Möglichkeit des Einschreitens? Besteht überhaupt eine rechtliche Chance für ihn, ein Strafverfahren einzuleiten? Für ihn gilt leider immer noch das Gesetz 62 — in diesem Hause übel berüchtigt als die lex Kemritz. Nach diesem Gesetz findet weder das deutsche Strafgesetzbuch noch sonst irgendein Strafgesetz des Bundes oder eines Landes Anwendung auf die Aufnahme oder Unterhaltung von Beziehungen zu den Regierungen der Besatzungsmächte. Das ist maßgebend gewesen. Daß mußte geklärt werden, und der Herr Oberbundesanwalt hat das nicht etwa in der Schwebe gelassen, sondern seinen Sachbearbeiter am nächsten Tag nach Köln zum Bundesamt für Verfassungsschutz geschickt. Dieser hat dort versucht, die Frage zu klären. Es ergab sich die Notwendigkeit der Rücksprache mit den maßgebenden amerikanischen Stellen. Als das nun geklärt war, als vom Bundesamt für Verfassungsschutz die Erklärung abgegeben worden war: „Hier liegen Maßnahmen vor, die von der Besatzungsmacht, von den Vereinigten Staaten gedeckt werden", mußte die Freilassung verfügt werden.
    Es ist also nicht richtig, wenn der Herr Kollege Menzel meint, die Entlassung sei erfolgt, weil das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen die Täter gedeckt hätte. Es ist richtig, daß das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen auch befragt worden ist. Dieses hat keine Erklärung abgegeben, sondern die maßgebende Entscheidung erfolgte von dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
    Es ist auch nicht richtig, was Herr Ministerpräsident Zinn annimmt, daß die Entlassung erst am 1. Oktober erfolgt sei. Die Anordnung der Haftent-


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    lassung geschah vielmehr am 30. September. Am 1. Oktober kamen die Bedenken. Am 30. September nachts hatte nämlich die Unterredung zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten Zinn und dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz in Wiesbaden stattgefunden, durch die der Verdacht einer Proskription, d. h. des Planes verbrecherischer Handlungen gegen Deutsche, entstanden war.
    Dann ist die Angelegenheit an sich auf den Herrn Oberbundesanwalt übergegangen gewesen, ohne daß ihm allerdings das Material zunächst zugänglich war. Jetzt die Schuldfrage hier vor dem Bundestag zu klären, ist wohl schwer. Da das Verfahren auf den Oberbundesanwalt übergegangen ist, wäre es selbstverständlich gewesen, das gesamte Material, das j a zu den Akten gehört, auch dem Oberbundesanwalt zuzuleiten. Das ist nicht geschehen. Daher die Unklarheit der Verhältnisse.
    Sobald die Dinge für mich etwas deutlicher waren, habe ich eingegriffen. Ich habe eine eingehende Besprechung der Dinge mit dem Herrn Ministerpräsidenten und mit seinen zuständigen Beamten, besonders auch der Staatsanwaltschaft in Frankfurt, durchgeführt. Wir haben uns dann am 13. Oktober entschlossen, daß angesichts der vermuteten Belastungen die besonders verdächtigen Personen wieder in Haft genommen werden müssen. Mit diesem Entschluß ist der Herr Oberbundesanwalt nach Hause gefahren. Am nächsten Tage ist bei mir freiwillig der Herr Peters zusammen mit dem Herrn Riet d o r f, der den als Proskriptionsliste bezeichneten Ordner geführt hat, erschienen. Ich habe veranlaßt, daß der Herr Peters mit seinem Begleiter sofort nach Karlsruhe fuhr und dort vernommen wurde. So benehmen sich an
    sich nicht Personen, die ein schlechtes Gewissen haben.

    (Abg. Arnholz: Heilige Einfalt!)

    Er hat das getan und sich tagelang der Oberbundesanwaltschaft zur Verfügung gestellt.

    (Weitere Zurufe von der SPD.)

    Der Beauftragte des Oberbundesanwalts hat versucht, beim Ermittlungsrichter in Frankfurt gegen weitere Beschuldigte Haftbefehle zu erwirken. Diese sind ihm nicht gegeben worden. Die Dinge sind dann in Karlsruhe ganz eingehend und sorgfältig erneut geprüft worden. Der Oberbundesanwalt stand vor der Frage, ob ein dringender Verdacht einer strafbaren Handlung, der die Wiederverhaftung ermöglichte, vorlag. Ich muß sagen: nach ganz gewissenhafter Prüfung ist dieser dringende Tatverdacht verneint worden. Ich habe persönlich nach Rücksprache mit dem Herrn Oberbundesanwalt dieses Ergebnis gebilligt.

    (Unruhe.)

    Inzwischen ist neues Material aufgetaucht, das der Untersuchung auch neue Aufgaben stellt. Meine Damen und Herren, wir können ja die Dinge wegen der Gefahr, daß Beteiligte oder Zeugen an den Lautsprechern mithören oder sonst die Dinge erfahren, hier nicht erörtern.

    (Fortgesetzte Zurufe links.)

    Nur um Ihnen ein Bild zu geben, worum es sich handelt: Also da ist die Proskriptionsliste.

    (Abg. Dr. Bucerius: Ist die so bezeichnet?)

    — Ja, und zwar — um das nach dem, der sie geführt hat, zu motivieren — in Anlehnung an Vorgänge in der Ostzone. In der Ostzone, so sagte er
    aus eigener Erfahrung, werden die Verdächtigen auf eine Proskriptionsliste gesetzt.

    (Zurufe links.)

    Ich nehme nicht an, daß der Führer dieser Liste humanistisch gebildet ist

    (Abg. Renner: Er braucht ja doch nur morden zu können!)

    und sich diesen Begriff aus den römischen Verhältnissen genommen hat. In dieser Liste sind nur KPD-Leute enthalten. Es ist einmal ein ganz aufschlußreicher Monatsbericht vorhanden, in dem es heißt: Folgende Leute müssen im X-Fall sichergestellt. werden.

    (Lebhafte Zurufe links.)

    - Nun gut, über diese Frage gibt es abweichende Zeugenaussagen. Sie werden nicht erwarten daß ich mich hier zu dieser Frage äußere. Meine Damen und Herren insoweit müssen wir halt Geduld haben. Sie dürfen auch das Vertrauen zur Oberbundesanwaltschaft haben,

    (Beifall in der Mitte — Bewegung links)

    die, meine Damen und Herren, eine ausgezeichnete, objektive Behörde ist.

    (Abg. Arnholz: Nein, das ist sie nicht! — Sie hat nicht rechtzeitig die verfügbaren Akten geprüft! — Weitere Zurufe links.)

    Ich weiß von keinem der Herren dieser Behörde, wozu er sich politisch bekennt; ich weiß nur, daß sie ausgezeichnete und gewissenhafte Beamte sind, daß der Herr Oberbundesanwalt über jeden Verdacht, er könne seine Pflicht nicht erfüllen, erhaben ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Nun gibt es daneben noch eine Liste „Personelles". Darin sind alle möglichen Personen aufgeführt. Ich schlage gerade zufällig auf und finde meinen Freund und Kollegen Dr. Adolf Arndt. Ich weiß nicht, es ist nichts Nachteiliges über ihn enthalten.

    (Heiterkeit. — Zurufe von der SPD.)

    Da heißt es: Geboren in Königsberg. Position — kein Wort, geflüchtet vor den Russen nach Marburg. Durchaus gewissenhaft. — Es gibt teilweise auch böse Dinge. Zum Beispiel die von mir hochverehrte Kollegin — —

    (Zuruf rechts: Größe und Gestalt auch?)

    — Ja, das ist auch festgestellt. Das ist ein Schema, das auch von anderen Seiten verwendet worden ist. Also von der Haarfarbe bis zum Brillenträger. Das erscheint nicht gerade typisch für Liquidationsabsichten.

    (Zuruf von der Mitte: Besondere Kennzeichen?)

    Die so sympathische Frau Kipp-Kaule wird z. B. als Typ der Suffragette bezeichnet.

    (Heiterkeit.)

    Das ist natürlich unerhört.

    (Anhaltende Heiterkeit. — Unruhe links.) Dann z. B. der Herr Kollege — —


    (Zuruf des Abg. Renner — Zurufe von der SPD.)

    — Nein, wir wollen es nicht humoristisch nehmen!

    (Abg. Schoettle: Es wird höchste Zeit!)

    Aber man kann es auch nicht tragisch nehmen.
    Zum Beispiel über den Herrn Minister Halbfell


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    wird gesagt, daß er ein ausgezeichneter Sozialpolitiker ist, Also, ist das die Grundlage für eine Proskription? Oder von meinem Freund Dr. Fritz Koch —

    (Abg. Renner: Warum haben sie denn das Zeug gesammelt, wenn es keinen Sinn haben soll?)

    — Ja, politisches Interesse bestand. Und wenn ich in einer solchen Organisation wäre, würde ich ein Interesse dafür haben, zu erfahren, was hinter dem Herrn Renner steckt.

    (Abg. Renner: Das kann ich Ihnen nachfühlen!)

    Von meinem Freund Fritz Koch, jetzt Staatssekretär im bayerischen Justizministerium, wird gesagt, daß er ein politisch unbeschriebenes Blatt sei, aber er werde es mit seinem Minister, dem Herrn Dr. Josef Müller, wahrscheinlich sehr schwer haben. Er hat es sehr schwer gehabt, nehme ich an. Vielleicht noch netter ist die Kennzeichnung des Staatssekretärs im bayerischen Landwirtschafts- und Ernährungsministerium. Sie wissen ja, daß Bayern eine besondere Einrichtung hat — man ist sehr vorsichtig —, da setzt man neben den CDU-Minister immer einen SPD-Staatssekretär, damit sie sich gegenseitig kontrollieren. Herr Kollege Maag nun von der SPD ist Staatssekretär im Landwirtschafts-
    und Ernährungsministerium; von ihm wird gesagt, daß er ein sehr weinfroher Franke sei.

    (Heiterkeit.)

    Mir sehr sympathisch!
    Meine Damen und Herren, ich habe nicht das Gefühl, daß unsere heutige Aussprache irgendwie sachdienlich ist. Die richtigen Hintergründe sind nicht aufgezeigt worden.

    (Abg. Wehner: Ihr vorschnelles Urteilen auch nicht!)

    — Herr Wehner, da haben Sie recht: Auch die vorschnellen Urteile sind so ähnlich zustande gekommen wie die Erklärung meines Herrn Kollegen Lehr in Hamburg: durch eine nicht gutwillige Presse. Es ist nicht wahr, daß ich die Dinge als ,.faulen Zauber" bezeichnet habe. Irgendein junger Pressemann hat mich zwischen Tür und Angel am Rock gefaßt und irgend etwas aus meinen Äußerungen herausgenommen und in seinem Sinne verwertet. In einem gebe ich dem Herrn Ministerpräsidenten Dr. Zinn völlig recht — ob es allerdings richtig war, wie er die Sache behandelt hat, ist eine Frage für sich —, darin nämlich, daß er sie wichtig genommen hat und daß sie wichtig ist; darüber sind wir uns völlig einig. Von mir aus und vom Herrn Oberbundesanwalt aus wird nichts unterlassen werden, um den Fall, der uns heute beschäftigt, restlos zu klären.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon die vor der heutigen Verhandlung bekannt gewesenen Enthüllungen über die Mordorganisation in Hessen haben genügt, im ganzen Lande Erregung und Empörung hervorzurufen. Die bekanntgewordenen Tatsachen haben genügend Anlaß gegeben, die gesamte demokratisch gesinnte Öffentlichkeit zu alarmieren und sie zur entschiedenen Abwehr aufzurufen. Die heute hier geführte Debatte und insbesondere die unerhörten Reden der Herren Minister Lehr und Dehler müßten zu der einen Schlußfolgerung Veranlassung geben: Minister, die sich auf eine solche unerhörte Weise mit den Vorgängen solidarisieren oder sie zu verniedlichen suchen, um die Mörder zu schützen, sollten unverzüglich ihren Rücktritt erklären.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Die Tatsachen sind schwerwiegend genug. Man hat eine gemeine Terrororganisation, vorwiegend aus SS-Offizieren bestehend, geschaffen, ausgebildet an Waffen, an Sprengtoffen, im Gebrauch von Gift, geübt in allen erdenklichen Mordmethoden bis zur unauffälligen Strangulation, gedrillt für den Krieg, gedrillt gegen einen innenpolitischen Gegner, gegen Kommunisten und Sozialdemokraten, ja, gegen alle sonstigen Gegner des Generalvertrages und des sogenannten Verteidigungsvertrages. Eine gewisse Sorte aufgeschreckter Hintermänner hat versucht, diese Dinge als harmlose Lausbubenstreiche oder als den Ausdruck militärischen Dilettantismus hinzustellen.
    Die schmählichen Versuche, solche unerhörten Vorgänge zu bagatellisieren, sind nichts anderes als ein Teil des Vertuschungsmanövers, das von oberster amerikanischer Stelle angeordnet wurde und bis heute planmäßig abrollt, einschließlich der Rede des Herrn Ministers Lehr, die wir heute hier gehört haben. Wir wollen doch folgendes klarstellen. Erstens: Es handelt sich zweifellos um ein amerikanisches Unternehmen. Zweitens: Deutsche Regierungsstellen haben dieses Unternehmen entscheidend gefördert. Drittens: Was bekanntgeworden ist, stellt nur einen winzigen Teil eines gewaltigen Netzes einer militaristisch-faschistischen Geheimorganisation dar, die sich in den verschiedensten Formen und unter den verschiedensten Namen bereits über das ganze Bundesgebiet erstreckt. Diese Schöpfung der Amerikaner, gestützt auf ausgesprochene SS-Typen, ist doch kennzeichnend für die ganze Lage, in der Südwestdeutschland sich gegenwärtig befindet.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Jene Leute, die vorgeben, die Demokratie zu uns
    gebracht zu haben, die vorgeben, hier bei uns zu
    sein, um eine freie demokratische Welt zu verteidigen, stützen sich in erster Linie auf solche ausgesuchte Mordkreaturen, um ihre dunklen politischen und militärischen Pläne vorwärtszutreiben.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Es steht doch fest, es sind Amerikaner, die das Unternehmen technisch geleitet haben, die es mit Geldern und mit Waffen versorgt haben. Es steht doch fest, daß es sich um Verbindungen bis zu den obersten militärischen Stellen im amerikanischen Kriegsministerium handelt. Es steht doch fest, daß Leute der amerikanischen Hohen Kommission, hohe Zivilbeamte, wie Farner und Stone, seit Jahren von diesem Unternehmen gewußt und es gefördert haben. Es steht doch fest — und heute haben wir die dokumentarischen Beweise gehört —, in welcher schamlosen Weise die Belastungsmaterialien einschließlich der Mordkarteien von amerikanischen Stellen beiseite geschafft wurden. Es steht doch fest, daß die Empfehlungen, die Hauptbelasteten ungeschoren zu lassen, sie schnellstens auf freien Fuß zu setzen, von den Amerikanern ausgegangen sind. Es steht fest, daß diese sonderbare Untersuchungskommission in Wiesbaden seit dem 10. Oktober deshalb blockiert ist, weil selbst ihre harmlose Untersuchungstätigkeit von amerikanischer Seite als unerwünscht angesehen wird.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)



    (Fisch)

    Ich frage deshalb: Soll die Strafverfolgung auch weiterhin unterbunden bleiben, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der einmütigen Forderung des ganzen Landes gerecht zu werden, die Mordbrenner unverzüglich festzusetzen? Die Bundesregierung hat sich bis heute schon schwer genug mitschuldig gemacht. Sie hat bis jetzt die Mitwisserschaft, deren sie überführt ist, geleugnet. Sie hat sich der Freilassung der Hauptschuldigen schuldig gemacht, obwohl ihr bekannt war, welche Verbrechen dahinterstehen. Sie will weiterhin. die schützende Hand über das Verbrechertum halten. Es ist Zeit, mit dieser Sabotage Schluß zu machen.
    Um vollständig zu sein, muß noch auf weitere Auswirkungen der ersten Enthüllungen hingewiesen werden. Die in Hessen aufgedeckten Verschwörungen stehen in engstem Zusammenhang mit ähnlichen und noch schwerwiegenderen Entwicklungen in Bayern. Dort hat sich seit längerer Zeit ein sogenannter Heimatschutz mit dem Ziele aufgebaut, dem Amt Blank Kader für die demnächst aufzustellende deutsche Armee im Rahmen der Atlantikpakt-Formationen zuzuführen. Das Amt Blank ist über diese militärische Geheimorganisation ebenso unterrichtet wie das Innenministerium und das Kaiser-Ministerium Diese Geheimorganisation benutzt ein altbewährtes Tarnungsmittel, indem sie vorgibt, dazu dazusein, antibolschewistische Propaganda zu betreiben. Das ist doch ein altes Spiel. Das haben wir doch in der Weimarer Zeit bei den Organisationen des Fememords bereits erlebt. Auch Hitler schuf seine Aggressionsorganisationen, bereitete seine geheime Aufrüstung unter dem Tarntitel der Antikomintern, unter dem Titel des „Schutzes der westlichen Zivilisation" gegenüber der bolschewistischen Bedrohung vor.
    o Wollen Sie denn alle diese Dinge unbeachtet vorübergehen lassen, ohne die Lehren zu ziehen? Soll es wieder so kommen, daß sich unter dem Deckmantel des sogenannten Antibolschewismus die Verschwörung gegen die Menschheit entwickelt, die uns alle, nicht bloß auf europäischem Boden, schließlich in das Unglück eines alles zerstörenden Krieges stürzen würde?

    (Schluß-Rufe rechts.)

    Über diese neuen militärischen Organisationen in Bayern und andernorts sind die höchsten amerikanischen Stellen nicht nur informiert, sondern sie haben sie mit beträchtlichen Geldmitteln unterstützt. Ich möchte den Herrn Justizminister in seiner Eigenschaft als Landesvorsitzenden der bayerischen FDP fragen, ob ihm der Leiter dieser Organisationen in Franken, Herr Dr. Asmus, nicht etwa persönlich bekannt ist, jener Mann, der die Leitung dieser geheimen militärischen Organisation in Personalunion mit der Funktion des Landesvorsitzenden der Jungdemokraten verbindet.