Rede von: Unbekanntinfo_outline
ich habe Ihnen gegenüber und auch in meiner Erklärung in Hessen niemals von „Listen" gesprochen, sondern ich habe von „Karteiblättern" gesprochen.
— Da ist ein Unterschied. Sie werden das gleich hören.
Am 14. Oktober 1952 ist bei der Besprechung zwischen dem Herrn Bundesjustizminister, dem Herrn Oberbundesanwalt, mir und vier weiteren hessischen Vertretern erneut angeboten worden, das Material durch Kraftwagen nach Karlsruhe zu überführen. Es ist dann aber vereinbart worden, daß das Material mit Rücksicht auf die zu erwartende Wiederaufnahme der Vernehmungen durch den deutsch-amerikanischen Untersuchungsausschuß, der seine Tätigkeit am 10. Oktober 1952 unterbrochen hatte, in Frankfurt am Main verbleiben sollte.
Am 15. Oktober hat dann der Sachbearbeiter der Bundesanwaltschaft in Frankfurt einen Teil des beschlagnahmten Aktenmaterials, das, was ihm wesentlich erschien — darunter die von mir in meiner Erklärung vor dem Hessischen Landtag als Karteiblätter bezeichneten 95. Unterlagen über SPD- und KPD-Politiker —, an sich genommen. Die von der amerikanischen Nachrichten-Agentur UP verbreitete Meldung, daß eine zuständige Bundesbehörde — angeblich soll es ein Angehöriger des Bundesverfassungsschutzamtes gewesen sein — erklärt habe, daß die Tagung dieses amerikanisch-
deutschen Ausschusses nicht unterbrochen sei, ist unwahr. Der deutsch-amerikanische Ausschuß hat seit dem 10. Oktober nicht mehr getagt,
aber nicht etwa deshalb, weil wir dem amerikanischen Mitglied die Einsicht in die beschlagnahmten Akten verweigert hätten. Vielmehr ist folgendes vorgefallen. Der Leiter dieser Geheimorganisation hat einen Teil des vorhandenen Geheimmaterials — etwa 20 Ordner — vor der hessischen Aktion beseitigt.
Weitere Teile des Materials hat er der in Frage
kommenden amerikanischen Dienststelle übergeben.
Der Leiter des Untersuchungsausschusses hat mir dann am Abend des 10. Oktober mitgeteilt, daß die Amerikaner nicht nur Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen haben sollten, sie vielmehr zur Einsicht mitnehmen wollten.
Dagegen hatten wir allerdings Bedenken,
um so mehr, als das mir gegebene Versprechen, das nun im Besitz der Amerikaner befindliche Geheimmaterial vorzulegen, bis dahin nicht gehalten worden war.
Der Vertreter der Hohen Kommission teilte mit, er hoffe, daß wir es noch bekämen, aber wahrscheinlich sei ein Teil vernichtet.
Außerdem wurde mir mitgeteilt, man wolle die Sitzungen unterbrechen, weil ein Jurist aus Washington, Mr. Gaines, nach Deutschland geflogen werden solle und weil man über das weitere Verfahren mit mir noch sprechen wolle. Wir nahmen an, daß der Ausschuß dann am Montag, dem 13. Oktober, seine Tätigkeit fortsetzen werde. Bis heute hat er seine Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können. D'as zu der Erklärung des Herrn Hohen Kommissars Donnelly, der insoweit eben nicht richtig unterrichtet worden ist.
Der Leiter der Geheimorganisation war von einer amerikanischen Dienststelle nach der Durchführung der Polizeiaktion in Hessen in einem beschlagnahmten und deutscher Polizei nicht zugänglichen Hause in Sicherheit gebracht worden.
— Genau nach dem Vorbild Kemritz!
Erst als ich mit aller Entschiedenheit verlangte, daß er der deutschen Polizei zur Verfügung gestellt würde, wurde am 3. Oktober über das Bundesverfassungsschutzamt mitgeteilt, daß sich der Herr Peters stellen werde.
Das war, nachdem die übrigen freigelassen worden waren, also sich alle Hauptbeteiligten verabreden und abstimmen konnten. Am 4. Oktober hat er sich bei der Polizei in Frankfurt gemeldet. Er hat es abgelehnt, zunächst unter Berufung auf sein Ehrenwort den Amerikanern gegenüber, irgendeine Aussage zu machen.
Es hat mehr als sechs Stunden gedauert, bis er endlich wenigstens über den militärischen Komplex der Angelegenheit etwas ausgesagt hat. Darüber hinaus hat er in bezug auf den innenpolitischen Komplex keine Aussagen gemacht. Erst nachdem die in Frankfurt am Main Inhaftierten — nämlich am 1. Oktober — freigelassen worden waren und ich am 2. Oktober dem Vertreter der Hohen Kommission und dem Adjutanten des zuständigen amerikanischen Generals erklärt hatte: ich verlange, daß sich Peters stellt, — erst dann also, das muß mit Nachdruck betont werden — ist er zur Verfügung gestellt worden, nach Freilassung der übrigen, so daß also jede Möglichkeit der Abstimmung und Verdunklung bestand.
Unabhängig von der in Hessen laufenden Aktion führten eigene Feststellungen der Hamburger Staatsanwaltschaft in der Zeit vom 11. Oktober bis 13. Oktober 1952 zur Festnahme von insgesamt sieben Angehörigen der Geheimorganisation, gegen die auch richterliche Haftbefehle erlassen wurden. Von diesen befinden sich sechs in Haft. Während eine Person entlassen worden ist, ist nunmehr eine andere hinzugekommen.
Ich will mich hier bei dieser Gelegenheit nicht darüber äußern, ob der Untersuchungszweck nicht in entscheidender Weise dadurch gefährdet worden ist, daß
erstens der Oberbundesanwalt die in Frankfurt
festgenommenen Personen in Freiheit gesetzt hat
und daß zweitens eine amerikanische Dienststelle den Leiter der Geheimorganisation zunächst dem Zugriff der deutschen Behörden entzogen hat.
Der Leiter der Geheimorganisation hat selbst zugegeben, daß er — ich erwähnte es schon — 20 mittelstarke Ordner des Aktenmaterials vernichtet, und daß er ferner anderes Material seinem amerikanischen Verbindungsmann übergeben habe, das uns bis heute nicht zur Verfügung gestellt worden ist
und das zum Teil nach Angabe oder Annahme des Vertreters der amerikanischen Hohen Kommission vernichtet worden ist.
Durch die Bundesanwaltschaft wurden dann am
16. und 17. Oktober 1952 einige der Hauptbeteiligten in Karlsruhe vernommen. Darunter befand sich ein früherer Sturmbannführer der Waffen-SS, der das Material für die sogenannten Proskriptionslisten — diese Bezeichnung ist erst später bei der weiteren Sichtung des Materials aufgetaucht — bearbeitet hat. Dieser Mann wurde am Freitag, dem
17. Oktober 1952, von der Bundesanwaltschaft als Zeuge gegen Erstattung der Zeugengebührnisse vernommen.
Nach seiner Rückkehr an seinen Wohnort Bremen wurde er nach eingehender Vernehmung von der Staatsanwaltschaft Bremen festgenommen, dem Richter vorgeführt, der Haftbefehl wegen Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung gegen ihn erließ.
Ein maßgebendes bayerisches Mitglied der Organisation hat sich nach einer Information, die uns
von Bayern gegeben worden ist, dem Zugriff unter Zurücklassung von mehr als 30 000 DM durch eine überstürzte Abreise ins Ausland entzogen.
Nach den Listen der Lehrgangsteilnehmer,
von denen nicht zu übersehen ist, ob sie vollständig sind, hat nicht etwa im Dezember 1951, Herr Bundesinnenminister, wie es in der Presse als eine Mitteilung von Ihnen dargestellt wird, der letzte • Lehrgang stattgefunden, sondern noch vom 27. April bis 3. Mai 1952. Dem Bürgermeister in Waldmichelbach war von dem eben erwähnten geflohenen bayerischen Mitglied der Organisation noch am 7. September 1952 erklärt worden, daß nach dem nunmehrigen Abbruch der Lehrgänge in Waldmichelbach — sehr interessant — diese in Bayern weitergeführt werden sollten. Es sei ein schloßähnlicher Besitz in Bayern für 70 000 DM erworben worden. Die Lehrgänge wurden dem Bürgermeister als Lehrgänge zur Schulung der Jugend des deutschen Ostens bezeichnet.
Es ist vorhin erklärt worden, daß die von mir erwähnten Karteiblätter Material seien, wie sie jede Informationsstelle bei der Presse, bei einer Zeitung oder einer sonstigen Organisation sammle. Mein Generalstaatsanwalt meint, diese Karteiblätter seien wie ein Steckbrief aufgemacht. Ich glaube nicht, daß die Presse Informationen sammelt, bei denen Angaben über die Haarfarbe, Brillenträger usw. gemacht werden.
In diesen Karteiblättern folgt dann ein Lebenslauf
und ein Bericht über die politische Betätigung. Es ist richtig, daß in dieser Kartei eine ganze Reihe von Blättern enthalten sind, in denen keinerlei Belastungen aufgezeichnet sind. Aber Sie finden dann umgekehrt wieder Karteiblätter, in denen völlig falsche Belastungen eingetragen sind und die bis in das Frühjahr und den Sommer 1951 und später datieren.
— Belastungen in folgender Hinsicht: Es wird plötzlich behauptet, daß meinetwegen ein Minister Beziehungen zur KPD habe.
Zum Beispiel heißt es in einem Karteiblatt von einem Minister — wenn Sie den Namen hörten, würden Sie merken, wie unsinnig eine derartige Information ist —: „Auf diese Weise hatte es X verhältnismäßig leicht, die Verbindung unter gleichgesinnten Intellektuellen aufrechtzuerhalten"; eine Mission, die ihn schon damals mit dem kommunistischen Jugendfunktionär und Landtagsabgeordneten von 1945 Emil Carlebach zusammenführte. Den Mann hat dieser betreffende Minister erst nach 1946 als Landtagsabgeordneten kennengelernt.
„Beide haben erst unlängst ihren Schwur, diese gemeinsam erlebte Antifa-Kampffront beizubehalten, komme was da wolle, erneuert."
Nun werden Sie sagen, das ist Unsinn, und da gebe ich Ihnen recht. Aber — und da frage ich Sie — ist es nicht gefährlich, wenn eine Geheimorganisation Informationen über deutsche Politiker sammelt, eine Geheimorganisation, die dieses Material sammelt, um Proskriptionslisten aufzustellen?
— Weil sie gefunden worden sind. Es ist ein Ordner mit der Aufschrift „Proskriptionslisten" gefunden worden.