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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Oktober 1952 10709 234. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 22. Oktober 1952. Nachruf auf den verstorbenen Abg. Dr. Povel 10709D Gedenkworte des Präsidenten für die noch nicht zurückgekehrten Kriegs gefangenen 10710A Glückwünsche zum 60. Geburtstag des Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg . 10710A Glückwünsche zum 64. Geburtstag des Abg. Morgenthaler und zum 71. Geburtstag des Abg. Dr. Kleindinst . . 10710B Geschäftliche Mitteilungen 10710B, 10718C, 10750C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betr. die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern 10710C Güterkraftverkehrsgesetz 10710C Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr 10710C Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften 107100 Kleine Anfrage Nr. 292 der Fraktion der DP betr. Fremdrentengesetz (Nrn. 3682, 3772 der Drucksachen) 10710C Kleine Anfrage Nr. 294 der Fraktion der CDU/CSU betr. Brasilianisches Clearing (Nrn. 3699, 3771 der Drucksachen) 10710C Kleine Anfrage Nr. 295 der Fraktion der DP betr. Ergänzung zum Umstellungsgesetz (Nrn. 3719, 3784 der Drucksachen) 10710D Vorlage des Wirtschaftsplans der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1952 nebst Stellenplan und Genehmigungsbeschluß des Bundesministers für Verkehr und des Bundesministers der Finanzen 10710D Mitteilung des Bundesministers für Wohnungsbau über die Absendung des Antrags auf Erstattung eines Rechtsgutachtens über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 10710D Vorlage des Gutachtens über die Kosten- und Ertragslage der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft 10710D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Landtagswahlen im Saargebiet (Nr. 3621 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Undemokratische Verhältnisse an der Saar (Nr. 3627 der Drucksachen) 10710D Dr. Mommer (SPD), Anfragender 10711A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 10713C Mayer (Stuttgart) (FDP) 10714B Niebergall (KPD) 10714C Eichler (SPD) 10716A Dr. Bertram (FU) 10718C von Thadden (Fraktionslos) . . . 10719C Beschlußfassung 10720A Beratung des Schriftlichen Berichts des Untersuchungsausschusses (47. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktion der SPD betr. Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 3465, 2680 der Drucksachen, Umdruck Nr. 670; Änderungsantrag Umdruck Nr. 669, Entschließung Umdruck Nr. 676) 10720B Dr. Brill (SPD): als Berichterstatter 10720B, 10727B, 10740A schriftlicher Bericht 10751 Dr. Adenauer, Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen 10722B, 10734A Dr. von Merkatz (DP): zur Sache 10725B persönliche Bemerkung 10747D, 10749B Erler (SPD) 10728B, 10748A Dr. Gerstenmaier (CDU) 107360, 10749B Renner (KPD) 10740C Dr. Reismann (FU) 10742B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . 10744C Abstimmungen 10749D Nächste Sitzung 10750C Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 234. Sitzung Schriftlicher Bericht des Untersuchungsausschusses (47. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktion der SPD betreffend Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 2680, 3465 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Brill Inhalt Seite I. Allgemeiner Teil 10752A II. Die einzelnen Fälle 10753D von Bargen 10753D Blankenhorn 10755C Dittmann 10756D von Etzdorf 10760A von Grundherr 10761D Haas 10762C Heinburg 10765C Herwarth von Bittenfeld 10766A von Kamphoevener 10766B von Keller 10766D von Kessel 10767D Theo Kordt 10769C von Marchtaler 10770D Melchers 10771A von Nostitz 10772D Peter Pfeiffer 10774D Schwarz 10776A Schwarzmann 10776D Simonis 10778C Tichy 10778D Trützschler von Falkenstein 10779B III. Zusammenfassung 10780D IV. Empfehlungen 10781C (Dr. Brill) I. Allgemeiner Teil Der Untersuchungsausschuß ist durch Beschluß des Bundestages vom 24. Oktober 1951 in der 170. Sitzung (Stenographischer Bericht Seite 7035C bis 7036D) gebildet worden. Er bestand aus sieben Mitgliedern, nämlich den Herren Abgeordneten Fürst Fugger von Glött, Dr. Gerstenmaier, Dr. Köhler (CDU/CSU), Dr. Arndt, Dr. Brill, Erler (SPD), Dr. Becker (Hersfeld) (FDP). Im Laufe der Verhandlungen ist der Abgeordnete Dr. Arndt aus dem Ausschuß ausgeschieden und durch den Abgeordneten Birkelbach ersetzt worden. Außerdem hat der Abgeordnete Onnen den Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld) während dessen Erkrankung, der Abgeordnete Dr. Vogel den Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und der Abgeordnete Freiherr v. Fürstenberg den Abgeordneten Fürsten Fugger v. Glött zeitweise vertreten. Der Ausschuß wählte den Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld) zum Vorsitzenden, den Abgeordneten Dr. Köhler zu seinem Stellvertreter und den Abgeordneten Dr. Brill zum Berichterstatter; die Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld) und Erler sind zeitweise als Teilberichterstatter tätig gewesen. Nach dem Antrag der Fraktion der SPD vom 12. Oktober 1951, Drucksache Nr. 2680, sollte der Ausschuß prüfen: 1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden? 2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen? 3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren? Zur Erfüllung dieser Aufgabe beschloß der Untersuchungsausschuß am 16. November 1951, an den Herrn Bundesaußenminister folgendes Schreiben zu richten: „Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! In Ihrer Eigenschaft als Bundesaußenminister beehren wir uns, Ihnen Kenntnis zu geben von den Beschlüssen, die der Untersuchungsausschuß Nr. 47 zur Erledigung der Drucksache Nr. 2680 heute einstimmig gefaßt hat. Der Untersuchungsausschuß hat beschlossen, zur Durchführung seiner Aufgabe Sie um Übersendung einer Liste aller im Dienst des Auswärtigen Amtes stehenden Personen des höheren, gehobenen und mittleren Dienstes zu ersuchen, und zwar mit folgenden Angaben: 1. Vor- und Zuname, 2. Geburtstag und -ort, 3. derzeitige Beschäftigung, 4. Eintritt in das jetzige Auswärtige Amt, 5. letzte Beschäftigung vor dem 8. 5. 45, 6. Mitgliedschaft bei der NSDAP oder deren Gliederungen, 7. Mitteilung, welche Angaben der Betreffende zu Punkt 6 in seiner Bewerbung gemacht hat und ob und welche Feststellungen an Hand des Document Center gemacht sind und welche Angaben der Betroffene zur Aufklärung etwa hierbei festgestellter Widersprüche gemacht hat. Der Ausschuß hat ferner einstimmig beschlossen, die Personalakten der in der Anlage dieses Schreibens aufgeführten Personen, die in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" genannt waren, sicherzustellen in der Form, daß diese Akten zu Händen des Vorsitzenden dieses Ausschusses übergeben werden. Der Ausschuß wird sich mit Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Schetter in Verbindung setzen, damit durch die Führung der Untersuchung von beiden Seiten keine Verzögerungen entstehen. Wir bitten, zu veranlassen, daß bis zum 22. 11. 1951, vormittags, sowohl diese Akten wie die vorher genannte Liste ausgehändigt werden. Der Ausschuß hat ferner einstimmig der Auffassung Ausdruck gegeben, daß jede neue Etatisierung der in der Anlage genannten Personen bis zum Abschluß seiner Untersuchungen unterbleiben soll. Dabei bleibt vorbehalten, weitere Personen im Laufe der Untersuchung zu benennen. Es darf der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß Ihrerseits danach verfahren wird. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener (gez.) Dr. Becker" Weiter hat der Ausschuß am 23. November 1951 in Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Schetter über die bisherigen Maßnahmen zur Klärung der gegen den Auswärtigen Dienst erhobenen Vorwürfe gehört. Da der Leiter der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes, Dr. Dittmann, in das Verfahren einbezogen werden sollte, wurden die Herren Dr. Wilde und Dr. Schwarz als Vertreter des Auswärtigen Amtes zu den Sitzungen zugelassen. Endlich wurde beschlossen, grundsätzlich nicht öffentlich zu tagen. Nur die Vernehmung des Journalisten Michael Heinze-Mansfeld sollte öffentlich durchgeführt werden. Der Untersuchungsausschuß hielt es für praktisch, seiner Tätigkeit die von Herrn Heinze-Mansfeld in der „Frankfurter Rundschau" am 1., 3., 4., 5. und 6. September 1951 veröffentlichten Artikel, die insgesamt die Überschrift tragen: „Ihr naht euch wieder . . . Einblicke in die Personalpolitik des Bonner Auswärtigen Amtes", zugrunde zu legen. Diese Artikel sind im Dokumententeil dieses Berichtes (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 41, Anlage 2, I) enthalten. Das Auswärtige Amt hat die in dem vorstehenden Schreiben vom 16. November 1951 erbetenen Akten dem Ausschuß übergeben. In der Vernehmung von Herrn Heinze-Mansfeld, die am 18. Dezember 1951 in öffentlicher Sitzung erfolgte, wurden dem Ausschuß diejenigen Protokolle und Dokumente des sogenannten WilhelmstraßenProzesses bezeichnet, auf denen die Darstellung der in der „Frankfurter Rundschau" veröffentlichten Artikel beruht. Die Bände sind aus dem Archiv des (Dr. Brill) Institutes für Zeitgeschichte in München beschafft worden. Vollständig war das allerdings nicht möglich, da in mehreren Fällen bestimmte Dokumenten-Nummern nicht aufgefunden werden konnten. Am 10. Januar 1952 hat der Berichterstatter einen 36 Seiten umfassenden Vorbericht erstattet, der sich ausschließlich auf die Personalakten des Ribbentropschen Auswärtigen Amts und des neuen Auswärtigen Amts stützte. Angesichts des Zustandes dieser Akten konnte jener Bericht jedoch von vornherein nicht als erschöpfend betrachtet werden. Die Personalakten des alten Auswärtigen Amts sind im Jahre 1943 durch einen Bombenangriff vernichtet worden. Sie konnten nur zum Teil rekonstruiert werden, weshalb die benutzten Akten eines echten urkundlichen Wertes entbehren. Aber auch die Personalakten des neuen Auswärtigen Amts sind in einigen Fällen — z. B. Dr. v. Etzdorf und Dr. Schwarzmann — nur bedingt beweiskräftig. Die neuen Personalakten Dr. v. Etzdorfs können noch nicht einmal eine Loseblattsammlung genannt werden. Sie bestehen aus einem Hefter, aus dem nach Belieben jedes Stück entfernt werden könnte. Außerdem fehlt den Personalakten das Inhaltsverzeichnis. Die Personalakten Dr. Schwarzmann sind in einem ähnlichen Zustande; die Aktenblätter sind nicht numeriert. In anderen Fällen sind die Personalakten des neuen Auswärtigen Amts in tadelloser Ordnung. Der Zustand der Akten läßt im allgemeinen nicht den Eindruck aufkommen, daß im Auswärtigen Amt eine zentrale Stelle vorhanden ist, die die Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Fachministerien kennt oder die diese Vorschriften durchführt. Der Ausschuß hält es für seine Pflicht, vorab auf diesen Zustand aufmerksam zu machen und Abhilfe zu fordern. Für alle Vernehmungen sind sodann aus den Nürnberger Prozeßmaterialien (in der Folge kurz „Nürnberger Dokumente" genannt) diejenigen Stücke gruppiert worden, die sich auf eine einzelne Person des jetzigen Auswärtigen Dienstes beziehen. Nicht der Sachzusammenhang des Nürnberger Prozesses und auch nicht das Vorbringen jener Personen bei den Vernehmungen durch die Gerichtskommission oder bei Spruchkammerverhandlungen war für die Verwendung der Nürnberger Dokumente durch den Ausschuß maßgebend, sondern lediglich das Interesse, das durch Ziffer 1 des Bundestagsbeschlusses vom 24. Oktober 1951 umschrieben worden ist. Schließlich hat es der Untersuchungsausschuß für richtig gehalten, zur Ermittlung der Sachverhalte einige Literatur herauszuziehen. „Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß", herausgegeben von Dr. Kempner und Dr. Haensel unter Mitwirkung von Rechtsanwalt Tuerck, Schwäbisch Gmünd 1950, hat allen Mitgliedern des Ausschusses vorgelegen. Die Bücher von Dr. Erich Kordt, „Wahn und Wirklichkeit", Stuttgart 1948, und „Nicht aus den Akten", Stuttgart 1950, sind beim Vortrage des Berichterstatters teilweise verwendet worden. Auszüge aus dem Buch „Die deutsche Opposition gegen Hitler", von Hans Rothfels, Krefeld 1949, sind verlesen worden. Die Kenntnis der Bücher „Verschwörung in Deutschland" von Allen W. Dulles, Kassel 1949, „Vom anderen Deutschland" von Ulrich von Hassel, Zürich 1946, „Nürnberger Tagebuchnotizen" des Frhr. v. d. Lippe, Frankfurt a. M. 1951, und „Erinnerungen" von Ernst v. Weizsäcker, München 1950, ist, wie bereits im Bericht Dr. Schetters vom 24. November 1951 geschehen, vom Ausschuß vorausgesetzt worden. Auf diese Literatur wurde jedoch kein entscheidender Wert gelegt; sie wurde nur zur Ergänzung der Beweisaufnahme herangezogen. Auskünfte des Document Center hat der Ausschuß nicht eingeholt. Im Verlaufe seiner Verhandlungen über den Rademacher-Prozeß, die einen Teil des Komplexes v. Bargen bildeten, erhielt der Ausschuß Kenntnis davon, daß außer den alten Personalakten noch sogenannte Geldakten des Ribbentropschen Auswärtigen Amts vorhanden sind. Diese Geldakten sind nicht beigezogen worden, weil anzunehmen war, daß sich darin für die vom Ausschuß verhandelten Fälle wirklich interessante Einzelheiten nicht befinden. Die einzelnen Untersuchungshandlungen sind in sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung durchgeführt worden. Das gilt insbesondere für die Vernehmungen. Alle Zeugen wurden vor der Vernehmung auf die Bedeutung des Eides hingewiesen. Der Ausschuß hat in allen Fällen und aus verschiedenen Gründen davon abgesehen, die Zeugen zu vereidigen. Nach Abschluß der Beweisaufnahme hat der Ausschuß ein Votum abgegeben, das den Vertretern des Auswärtigen Amts unmittelbar nach der Beschlußfassung mündlich mitgeteilt wurde. Eine Zusammenstellung der Voten in der Form zweier Schreiben an den Herrn Bundesaußenminister findet sich als Anlage 1 am Schluß dieses Berichtes. Alle Beschlüsse des Ausschusses sind in der jeweiligen Besetzung einstimmig gefaßt worden. II. Die einzelnen Fälle Vorbemerkung: Um dem Plenum des Deutschen Bundestages eine völlig freie Urteilsfindung zu ermöglichen, werden die vom Ausschuß untersuchten einzelnen Fälle in alphabetischer Ordnung dargestellt. 1. Werner v. Bargen Geboren am 14. Februar 1898 in Wischhafen, Kr. Stade/Niederelbe, evangelisch-lutherisch, verheiratet, drei Kinder. — Abitur in Schulpforta, Referendarexamen im ganzen gut, Gerichtsassessorexamen befriedigend, Dr. jur. cum laude. Laufbahn: 1925/26 Attaché Konsulat Thorn, 1926/28 Auswärtiges Amt (Rechtsabteilung), 1928/32 Gesandtschaft Riga, 1932/34 AA (Rechtsabteilung), 1934/36 persönlicher Referent von Staatssekretär v. Bülow, 1937/40 Botschaft Brüssel, 1940/43 Vertreter des AA beim Militärbefehlshaber in Belgien, 1943/44 AA (Leiter des Referats Westeuropa in der Politischen Abteilung), 1944 Geschäftsträger in Paris, 1945 Wehrmacht (Hauptmann). Bis September 1946 in amerikanischer Internierung, danach Verwaltungsrechtsrat in Niedersachsen, 2. April 1951 Berufung in das Auswärtige Amt. 1928 Legationssekretär, 1935 Legationsrat, 1938 Botschaftsrat, 1941 Gesandter, VLR z. Wv. Pg. vom 1. Mai 1933, Mitglieds-Nr. 2 579 492. Entlastet und in Gruppe V eingereiht durch den Entnazifizierungshauptausschuß in Stade am 7. Oktober 1947. (Dr. Brill) Ergebnis der Ermittlungen von Dr. Schetter: Artikel der Dienstliche Äußerung Würdigung „Frankfurter Rundschau" (Ausführliche schriftliche Stellungnahme in der Anlage) 1. v. B. war Pg., Botschaftsrat, Angaben treffen zu. Keine unrichtige Angabe der FR. hatte Gesandtenrang, war Vertreter des Auswärtigen Amts beim Militärbefehlshaber in Brüssel. 2. 1933/34 war v. B. FrankreichReferent im Auswärtigen Amt. Trifft nicht zu. Angabe der FR ist unrichtig. 3. v. B. hat energisch bestritten, daß das Auswärtige Amt mit Deportationen etwas zu tun v. B. hat tatsächlich bestritten, Behauptung der FR entstellt den wahren Sachverhalt. gehabt habe. Er ist auch nach Vorlage seiner eigenen Berichte bei dieser Meinung verblieben. daß das AA mit Deportationen etwas zu tun gehabt habe. Es ist jedoch nicht richtig, daß durch seine eigenen Berichte das Gegenteil' bewiesen worden ist. 4. v. B. scheint den Begriff „Beihilfe zum Mord" nicht zu Ist keine Tatsache, sondern nur Keine Tatsachenfeststellung. kennen. Meinungsäußerung der FR, die für v. Bargen nicht wichtig ist. 5. Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung kann v. B. zunächst nicht mit ja oder nein beantworten und muß sie Angabe der FR ist richtig. Keine unrichtige Angabe der FR. schließlich verneinen. Frage der Beteiligung am Wider-stand könnte dargetan werden. 6. Behauptung v. B. s, er habe Ein Protest ist tatsächlich erfolgt. Dokumente standen und stehen mir nicht zur Verfügung. Die Angaben der FR können gegen Deportation und Geiselerschießungen protestiert, konnte nicht durch Dokumente in einem Verhör bewiesen. werden. Befragt, sagte nicht als direkt falsch bezeichnet werden. v. B.: „Ich weiß nicht, ob meine Berichte vollständig vorhanden sind". Weitere Frage: „Gibt es Berichte, in denen Sie nicht dagegen protestiert haben?!" Antwort v. B.: „Daran kann ich mich nicht erinnern". Dr. v. Bargen ist in der 16. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 19. März 1952 vernommen worden. Außerdem hat der Ausschuß die Bandaufnahme seiner Zeugenaussage im Rademacher-Prozeß gehört. Dr. v. Bargen wird beschuldigt, von der Deportation belgischer Juden gewußt und nichts dagegen unternommen zu haben. Um die Schwere der Beschuldigung deutlich zu machen, sei noch einmal hervorgehoben, daß Dr. v. Bargen von 1937 bis 1940 als Gesandtschaftsrat (ab 1938 als Botschaftsrat) bei der Deutschen Botschaft in Brüssel tätig gewesen ist; der Krieg gegen Belgien unterbrach seine Tätigkeit nur für kurze Zeit, von 1940 bis 1943 war er der Vertreter des AA beim Militärbefehlshaber in Belgien. Bei seiner Vernehmung durch Dr. Schetter hat Dr. v. Bargen am 5. Oktober 1951 mit Bezug auf die Deportationen der Juden aus Belgien wörtlich folgendes gesagt: „Weder die Gesandtenstelle in Brüssel noch ich hatten mit den Deportationen etwas zu tun". Verantwortlich gewesen sei die Gestapoleitstelle in Brüssel; er habe nur von Dritten über die Maßnahmen dieser Dienststelle etwas gehört (Sonderakten Nr. 3 zu I Org 100-14, Vernehmungsniederschrift S. 2 u. 3). Diese Angabe steht in Widerspruch zu der Aussage, die Dr. v. Bargen am 17. Juli 1948 vor der Kommission I des Militärgerichtshofes Nr. IV, Fall XI, Dokumente S. 16 490 ff., gemacht hat, wo er zugegeben hat, als Vertreter des AA beim Militärbefehlshaber an einzelnen Deportationshandlungen mitgewirkt zu haben. Außerdem sind dem Zeugen Dr. v. Bargen in der Verhandlung des Untersuchungsausschusses eine Anzahl von Dokumenten vorgelegt worden, die sich auf die Zeit zwischen Juli und Dezember 1942 beziehen; durch sie wird im einzelnen das Ausmaß des Anteils, den Dr. v. Bargen an den Deportationen der Juden gehabt hat, bewiesen. Dr. v. Bargen hat dabei sogar das AA darauf aufmerksam gemacht, daß die vorhandenen Polizeikräfte nicht ausreichten, was nach Auffassung des Ausschusses auf eine Anforderung von Polizeieinheiten zur Durchführung der Deportationen hinausläuft. Erst der Vorhalt der Dokumente hat Dr. v. Bargen dazu bringen können, mit vielen Vorbehalten die Behauptung, er könne sich nicht erinnern usw., durch eine ungefähr wahrheitsgemäße Aussage über die Rolle, die er bei den belgischen Judendeportationen gespielt hat, zu ersetzen. Die Dokumente sind in Anlage 2, Nm. II bis IV, wiedergegeben (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 48). (Dr. Brill) Weiter wird Dr. v. Bargen beschuldigt, Geiselerschießungen in Frankreich nicht verhindert zu haben. Dr. v. Bargen war von 1943 bis 1944 Leiter des Referates Westeuropa in der Politischen Abteilung des AA und 1944 Geschäftsträger in Paris. Dr. v. Bargen stellte auch in Abrede, mit Geiselerschießungen etwas zu tun gehabt zu haben. In der Verhandlung des Untersuchungsausschusses hat er jedoch ein von ihm unterzeichnetes Telegramm vom 6. April 1944 zugegeben, in dem von Geiselerschießungen die Rede ist. Außerdem hat er zugegeben, bei Laval vorstellig geworden zu sein, um für den Fall, daß ein französischer Legionär (Hauptmann Christophini), der in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten war, erschossen werden sollte, Repressalien zu verlangen. Dr. v. Bargen hat mitgeteilt, einmal mit General Stülpnagel in Paris für den Fall des Gelingens des Attentats auf Hitler abgesprochen zu haben, als Parlamentär verwendet zu werden, und weitere Angaben über seine Verbindung zu Widerstandskreisen gemacht. Schließlich hat der Ausschuß einen Brief Dr. v. Bargens aus Gerardmer vom 16. August 1944 an den Gesandten v. Bergmann zur Kenntnis genommen. In diesem Brief teilt Dr. v. Bargen mit, daß Paris „allmählich" von den deutschen Dienststellen geräumt werden soll. Da Paris bereits am 23. August 1944 von den Alliierten eingenommen wurde, erschien dem Ausschuß dieses Schreiben des Gesandten Dr. v. Bargen in bezug auf seine Urteilsfähigkeit in politischen Dingen besonders bedeutungsvoll. Das gleiche gilt für seine Aussage, daß er nie etwas von der Existenz der Konzentrationslager Auschwitz und Natzweiler gehört habe. Votum Der Ausschuß hält Dr. v. Bargen in jeder Beziehung für nicht geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gegen eine Verwendung in einer anderen Bundesbehörde bestehen keine Bedenken. Gründe: Seine Behauptungen, a) daß sein Bericht nicht kausal für die Deportierung der Juden gewesen sei, weil diese schon anderweitig beschlossen worden sei, b) daß er an der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 teilgenommen habe, werden als richtig unterstellt. Gleichwohl ist der Ausschuß einstimmig der Auffassung, daß allein schon die Tatsache des Vorhandenseins der von Dr. v. Bargen verfaßten und unterzeichneten Aktenstücke ihn für die Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst untragbar erscheinen läßt. Der Ausschuß vertritt den Standpunkt, daß es nicht seine Sache, sondern Sache der vorgesetzten Behörde Dr. v. Bargens ist, zu prüfen, ob und wieweit er in bezug auf Art und Inhalt seiner Aussagen straf- oder disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll. 2. Herbert Blankenhorn Geboren am 15. Dezember 1904 in Mühlhausen/ Elsaß, evangelisch, verheiratet, zwei Kinder. Laufbahn: März 1928 badischer Gerichtsreferendar, Juni 1929 Attaché im AA, August 1932 Gesandtschaft Athen, Dezember 1935 Botschaft Washington, September 1939 Gesandtschaft Helsinki, Dezember 1939 kurze Tätigkeit im AA, Mai 1940 bis 1943 Gesandtschaft Bern, 1943/45 AA (Protokoll). 6 Monate automatischer Arrest, März 1946 bis April 1948 stellvertretender Generalsekretär des Zonenbeirates für die britische Zone, dann Generalsekretär der CDU für die britische Zone in Köln und persönlicher Referent des Präsidenten des Parlamentarischen Rates, Dr. Adenauer, seit 21. September 1949 persönlicher Referent des Bundeskanzlers, 1950 Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, seit 1951 Leiter der politischen Abteilung des AA. Juni 1936 Legationssekretär, 16. Mai 1940 Gesandtschaftsrat, 28. September 1943 Legationsrat I. Kl., 1950 Ministerialdirektor. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Dezember 1938; Mitglieds-Nr. 6 977 147. Ein erster Antrag ist im Jahre 1934 wegen eines Zusammenstoßes mit dem mecklenburgischen Gauleiter Hildebrandt, bei dem Blankenhorn die Stellung der NSDAP zur Judenfrage grundsätzlich abgelehnt hatte, zurückgewiesen worden. Blankenhorn hat den Aufnahmeantrag 1937 auf Vorschlag des Vertreters der Parteiinteressen in Washington, SS-Standartenführer Scholz, erneuert. Durch Bescheid des Entnazifizierungsausschusses Hamburg in Gruppe V eingereiht. Blankenhorn hat an einer Reise von Beamten des AA, die im September 1941 an die Ostfront stattfand, teilgenommen. Er war in Witebsk, Smolensk und im Warschauer Ghetto. Der Ausschuß hat zwei Fotografien dieser Reisegesellschaft gesehen; eine zeigt sie auf freiem Felde vor einem D-Zug, die andere vor einer griechisch-orthodoxen Kirche in der Nähe von Witebsk. Auf beiden Bildern ist der Zeuge in Zivil erkennbar. Nach der Aussage von Blankenhorn sollte diese Besichtigungsfahrt den in Auslandsmissionen tätigen deutschen Beamten Gelegenheit geben, auf Grund ihrer an der Front gewonnenen Eindrücke die Militärpolitik des Dritten Reiches zu vertreten. Der Zeuge gibt an, daß bei einigen Reiseteilnehmern das Gegenteil erreicht wurde, da das Gesehene sie erschüttert hat. Dr. Schetter faßt Beschuldigung, Äußerung und Würdigung in bezug auf Blankenhorn wie folgt zusammen: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. B. sei SCer und Pg. gewesen. Während des Studiums weder Angabe der FR ist unrichtig. dem SC noch irgendeiner studentischen Verbindung angehört. 2. B. sei der erste ex-Pg.-Ministerialdirektor der Bundesregierung 1950 und habe sich dessen gerühmt. B. hat sich dessen nie gerühmt. Angabe der FR sei eine böswillige, jeder Tatsache entbehrende Unterstellung. Angabe der FR ist unrichtig. (Dr. Brill) Blankenhorn ist in der 31. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. Mai 1952 nachmittags vernommen worden. Der Ausschuß hat dabei keinen Wert auf die persönliche Seite gelegt, sondern die Rolle untersucht, die Blankenhorn in den verschiedenen Phasen der Personalpolitik der Bundesregierung gespielt hat. Aus der Vernehmung Blankenhorns, weiteren Zeugenvernehmungen (Hummelsheim, Dr. Haas, Dr. Melcher, Dr. Schwarz u. a.) und aus den Personalakten Dr. von March-taler, Dr. Trützschler v. Falkenstein, Dr. v. Bargen, v. Kamphoevener und v. Kessel ergibt sich folgendes: a) Mindestens seit März 1949 haben in Abteilung V des Direktors der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes die Herren v. Maltzahn, Holzhausen und v. Fries eine anscheinend nicht autorisierte eigene Tätigkeit in bezug auf den Aufbau des Auswärtigen Dienstes entwickelt. Zu diesem Zwecke korrespondierten sie mit Bewerbern, stellten einen Organisationsplan sowohl für ein Auswärtiges Amt wie für Missionen im Auslande auf und merkten auch für die Besetzung einzelner Stellen die Namen bestimmter Personen vor. b) Am 20. Juni 1949 wurde Landrat Walter Hummelsheim vom Oberdirektor des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Dr. Pünder, beauftragt, die personalpolitischen Vorbereitungen für die Besetzung der ECA-Vertretungen in Paris und Washington zu treffen. Als Grundsatz galt dabei, daß frühere NS-Funktionäre und Mitglieder der NSDAP mit einem bestimmten Eintrittstermin als Bewerber nicht in Frage kamen. Hummelsheim hinterließ nach der Erledigung seines Auftrages, d. h. nachdem die genannten ECA-Vertretungen geschaffen worden waren, 140 entscheidungsreife Bewerbungen, die durch einen seiner Mitarbeiter, Freiherrn v. Buddenbrock, im Februar oder März 1950 dem Organisationsbüro für die konsularisch-wirtschaftlichen Vertretungen, das innerhalb des Bundeskanzleramtes eingerichtet worden war, übergeben wurden. Außerdem hatten die Herren Ministerialdirektor Dr. Krautwig und Dr. Martini von der Dienststelle des Oberdirektors auf Veranlassung von Dr. Pünder einen Organisationsplan für ein Auswärtiges Amt ausgearbeitet, der von Dr. Krautwig dem Organisationsbüro zugeleitet worden ist. e) Nach der Errichtung der' Bundesregierung wurde unter der Leitung des jetzigen Botschafters in Brüssel und damaligen bayerischen Staatsministers Dr. Anton Pfeiffer ein Arbeitsstab gebildet, der die Aufgabe hatte, eine Denkschrift für den Auswärtigen Dienst auszuarbeiten. Zu diesem Arbeitsstab gehörten auch die Herren D. Dittmann, Dr. Schwarzmann, Holzhausen und Dr. Haas. Diese Denkschrift enthielt u. a. schematische Darstellungen; Personen waren in ihr nach der Erinnerung von Blankenhorn nicht genannt. Die Tätigkeit dieses Arbeitsstabes endete, nachdem entschieden worden war, vorläufig ein Auswärtiges Amt nicht zu bilden. d) Blankenhorn war in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der CDU für die britische Zone auch Geschäftsführer des außenpolitischen Ausschusses dieser Partei. Beamte der britischen Militärregierung hatten die Anregung gegeben, eine Verbindungsstelle zwischen der künftigen deutschen Bundesregierung und der Militärregierung zu schaffen und sich Gedanken über die Zusammensetzung einer solchen Verbindungsstelle zu machen. So hat Blankenhorn mit früheren Kollegen aus dem Auswärtigen Dienst korrespondiert und diesen eine Übernahme in Aussicht gestellt. e) Im September 1950 hat dann Dr. Melchers einen größeren Plan für die Errichtung und Besetzung von Auslandsmissionen vorgelegt, der auch die Besetzung der einzelnen Referate in den Auslandsmissionen einschloß. Als Ganzes ist dieser Plan nicht zur Durchführung gekommen. f) Über das Ernennungsverfahren im Bundeskanzleramt bzw. im AA hat der Ausschuß nach Befragung des Zeugen erfahren, daß diese Dienststellen neben dem eigentlichen Vorschlag ein Formular benutzen, das im Dritten Reich üblich war; nur die Spalten über die Zugehörigkeit zur NSDAP usw. sind weggelassen worden. Im Einverständnis mit dem Zeugen wurde festgestellt, daß dieses Formular als unvollständig betrachtet werden muß, da es über die politische Zuverlässigkeit des Bewerbers keine Angaben enthält. Nur bei der Ernennung von Missionschefs werden Ausführungen über den politischen Werdegang der Kandidaten beigefügt. g) Bis zur Ernennung eines Staatssekretärs für das AA war Blankenhorn insofern an den Ernennungen beteiligt, als die Vorschläge durch ihn dem Herrn Bundeskanzler zur Entscheidung vorgelegt wurden. Nach mündlich erteilten Richtlinien des Herrn Bundeskanzlers ist dabei die Entnazifizierung mit besonderem Ernst geprüft worden. Herr Dr. Adenauer war der Auffassung, daß bei der Entnazifizierung der höheren Beamten nicht immer mit der nötigen Strenge vorgegangen worden sei. Wenn ihm eine Ernennung nicht durchsetzbar erschien, hat Blankenhorn gegenüber Dr. Haas vorher abgewinkt. Votum: Der Ausschuß hält Blankenhorn für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Blankenhorns Mitgliedschaft in der NSDAP war rein formal und besitzt gegenüber der in den Vernehmungen anderer Zeugen, insbesondere von Dr. Melchers, festgestellten Tatsache, daß Blankenhorn zu den treibenden Kräften in der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 gehörte, kein Gewicht. Übrigens war er nicht Mitglied eines SC. Bei Würdigung der Umstände, unter denen Blankenhorn am 21. September 1949 seine Tätigkeit in der Bundesregierung begonnen hat, ist rechtlich gegen die Führung seiner Dienstgeschäfte in Personalsachen nichts einzuwenden. 3. Herbert Dittmann Geboren am 3. Januar 1904 in Langenberg, Kr. Wiedenbrück/Westf., katholisch, verheiratet, keine Kinder. — Referendar- und Assessorprüfung befriedigend, Doktorprüfung rite. Laufbahn: 1929/32 Attaché im AA. 1933/36 Botschaft Moskau, 1936/1938 Vizekonsul in Jerusalem, 1939/40 AA (Tätigkeit in der Rechts- und Personalabteilung), 1940/41 Gesandtschaft Teheran, 1941/43 AA (1941 Personalabteilung, dann bis 1943 Arbeitsgruppe Graf v. d. Schulenburg und Aushilfe in der Personalabteilung), 1943/44 Generalkonsul in Izmir. 1946/48 beauftragter Richter beim Landgericht Dortmund, Juli 1948 Oberlandesgerichtsrat beim OLG Hamm, 1. Oktober 1949 Bundeskanzleramt (Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kornmission), 1951 AA. (Dr. Brill) 1932 Legationssekretär, 1939 Legationsrat, 1940 Gesandschaftsrat, 1941 Legationsrat I. Kl., 1943 Generalkonsul, 10. Oktober 1950 Vortragender Legationsrat. Durch Ernennungsvorschlag vom 19. Juli 1951 für die Beförderung zum Ministerialdirigenten vorgesehen und mit der Leitung der Personalabteilung des AA beauftragt. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Dezember 1937, Mitglieds-Nr. 4 789 472. Durch Bescheid der Denazifizierungskammer Wiedenbrück vom 27. Juni 1947 unter den Bestimmungen der Britischen Militärregierungsverordnung Nr. 79 entlastet (Gruppe V). In der Vernehmung, die Dr. Schetter am 3. Oktober 1951 vorgenommen hat, ist die Behauptung der Artikel der „Frankfurter Rundschau", Dr. Dittmann sei der einzige Pg., der in einer Bundesbehörde die Stellung eines Personalchefs erreicht habe, von Dr. Dittmann selbst als zutreffend bezeichnet worden. Er machte jedoch geltend, daß er ein Gegner des Nationalsozialismus und nur formell Mitglied der NSDAP gewesen sei. Sodann legte Dr. Dittmann Wert auf die Feststellung, an den Nürnberger Prozessen in keiner Weise beteiligt gewesen zu sein. Die Angabe der „Frankfurter Rundschau", daß Dr. Dittmann SCer gewesen sei, trifft zu. Die Tatsache, daß Dr. Dittmann während des Dritten Reiches, und zwar im Verlaufe des Krieges zweimal, in der Personalabteilung des Ribbentrop-AA tätig gewesen ist und jetzt wieder als Chef der Personalabteilung des neuen AA verwendet werden sollte, hat den Untersuchungsausschuß zu einer besonders eingehenden Nachprüfung veranlaßt. Während seiner Untersuchungen im Falle Dr. Dittmann fand der Prozeß gegen den ehemaligen Legationsrat Rademacher statt, der zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. An diesem Prozeß nahm ein Vertreter des AA, Dr. v. Keller, als Beobachter teil. Dr. Dittmann ist darüber in der 10. Sitzung am 21. Februar und in der 13. Sitzung am 11. März 1952 eingehend vernommen worden. Über diesen Komplex erstattet der Vorsitzende des Ausschusses folgenden Sonderbericht: I. Dr. Dittmann ist Chef der Personalabteilung des AA. Er war unter Ribbentrop in der Personalabteilung des damaligen AA tätig. Er war Pg., ist aber entlastet. Wenn auch formal-juristisch gesehen die Pg.-Eigenschaft Dr. Dittmanns, da er entlastet ist, nicht mehr ins Gewicht fällt, so ist es doch nicht angängig, daß er heute Chef der Personalabteilung des AA ist, nachdem er bereits unter Ribbentrop in der Personalabteilung des damaligen AA tätig war. Er verweist zwar (vergl. 13. Sitzung, Seite 18 des stenographischen Protokolls) darauf, daß die NSDAP zweimal gegen seine Verwendung in der Personalabteilung des damaligen AA Bedenken erhoben habe und daß er zweimal die Personalabteilung habe verlassen müssen. Da aber dem Ausschuß bekannt ist, daß grundsätzlich in keinem Ministerium zum Chef der Personalabteilung eine Persönlichkeit ernannt ist, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in einer Personalabteilung der damaligen Reichsministerien tätig war, so erachtet der Ausschuß es für richtig, daß Dr. Dittmann nicht als Chef der Personalabteilung verbleibt. II. Der Unterausschuß des Ausschusses Nr. 7 (für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten), der zur Prüfung der Personalangelegenheiten im AA eingesetzt war, hatte empfohlen, Herrn Hecker nicht wieder einzustellen. Es ist festgestellt worden, daß Dr. Hecker gleichwohl wieder eingestellt worden ist. Dr. Dittmann hat bei seiner Vernehmung vor dem Ausschuß erklärt, daß er erst vor kurzem von der Empfehlung der Nichteinstellung Kenntnis erhalten habe und daß die Einstellung des Dr. Hecker schon in die Wege geleitet gewesen sei, als er Chef der Personalabteilung geworden sei. Diese Angaben sind nicht zu widerlegen. Es kann also keine Feststellung getroffen werden, daß Dr. Dittmann persönlich eine Schuld daran trifft, daß entgegen der Empfehlung des Unterausschusses gehandelt worden ist. Es bleibt aber festzustellen, daß diejenigen Herren des AA, welche als dessen Vertreter den Verhandlungen des Unterausschusses gefolgt sind, es nicht für nötig gehalten haben, in einem Bericht diese Tatsachen festzuhalten, die entsprechenden Notizen daraus der Personalabteilung für die Generalakten zu überweisen und eine entsprechende Notiz den Spezialakten des Dr. Hecker beizufügen. Der Ausschuß stellt, ausdrücklich fest, daß die hier gerügte Handlungsweise nicht nur einen formalen Mangel in der geschäftsmäßigen Behandlung, sondern eine Mißachtung des Beschlusses eines parlamentarischen Ausschusses darstellt. III. Die bisherige Beweisaufnahme hat ergeben, daß bei der Einstellung des Herrn Damerau Dr. Dittmann dessen Entnazifizierungsakten lediglich in der Privatwohnung von Damerau eingesehen hat. Sie befinden sich nicht bei den Personalakten des Herrn Damerau. Der Ausschuß ist der Meinung, daß — selbst wenn man hieraus nicht den Schluß einer Begünstigung des Herrn Damerau ziehen will, wofür nicht genügend Unterlagen vorhanden sind — man doch die Bearbeitung einer Personalangelegenheit in dieser Form als ungewöhnlich und auffallend bezeichnen muß, und zwar um so mehr, als bei der Wiedereinstellung im AA die Entscheidung der Spruchkammer sowohl nach Tenor wie nach Begründung von Bedeutung erscheint. IV. In der „Frankfurter Rundschau" vom 8. März 1952 heißt es in einem Artikel mit der Überschrift „Die immer oben schwimmen" von Karl Gerold wie folgt: „... Dazu gehört zunächst einmal die Frage nach der Rolle, die der „Beobachter" vom Auswärtigen Amt, Rupprecht v. Keller, im Rademacher-Prozeß gespielt hat .... Er hat, wie nachgewiesen, in den ersten Tagen des Prozesses als alter AA-Mann sowohl mit dem Gerichtsvorsitzenden wie auch mit Staatsanwalt und Verteidiger geprochen. Was er mit dem Gerichtsvorsitzenden und dem Staatsanwalt besprochen hat, ist nicht bekannt. Der Verteidiger aber teilt mit, daß Dr. v. Keller auch ihm gegenüber die „Meinung" vertrat - selbstverständlich ohne auf den Verlauf des Prozesses Einfluß nehmen zu wollen —, er, v. Keller und das Auswärtige Amt, würden es als gut befinden, wenn der Prozeß keine „Ausweitung" erfahren würde! Und (Dr. Brill) zwar: keine Ausweitung auf heute in Bonn tätige Beamte des Auswärtigen Amtes!! ..." A. In der 13. Sitzung des Unterausschusses vom 11. März 1952 ist Dr. Dittmann sehr ausführlich darüber befragt worden, ob und mit welchem Auftrag er Dr. v. Keller nach Nürnberg als Beobachter geschickt habe, was Dr. v. Keller ihm daraufhin berichtet habe, insbesondere ob Dr. v. Keller die zuvor zitierte Besprechung mit dem Verteidiger gehabt habe, was er darüber berichtet habe und was das AA, also Dr. Dittmann, daraufhin veranlaßt habe. Dr. Dittmann hat (vgl. Seite 7 ff. des Protokolls der 13. Sitzung) dazu folgende Aussagen gemacht: a) Dr. v. Keller habe die Weisung bekommen, dort zu beobachten und zu berichten. Diese Weisung sei ihm mündlich erteilt worden; eine Aktennotiz sei nicht gefertigt. b) Dr. v. Keller habe berichtet, daß er mit dem Vorsitzenden gesprochen habe, daß er auch mit dem Staatsanwalt und dem Verteidiger mal gesprochen habe; was er gesprochen habe, wisse er, Dr. Dittmann, im einzelnen nicht. c) Dr. v. Keller habe ihm eine Besprechung mit dem Verteidiger in der zuvor zitierten Form zugegeben. Er, Dr. Dittmann, habe auf diese Bemerkung keinen großen Wert gelegt, und er wisse daher nicht, was Dr. v. Keller dem Verteidiger bei dieser Besprechung gesagt habe. Irgendwelche konkreten Angaben hat Dr. Dittmann — trotz eingehender Befragung — nicht gemacht. — Das war also am 11. März 1952. B. In der 14. Sitzung des Ausschusses, am 12. März 1952, ist dann der vorgenannte Dr. v. Keller vernommen worden. Aus seiner Darlegung (vergl. Seite 19 ff. der 14. Sitzung) ist folgendes festzustellen: a) Er ist von dem Zeugen v. Welck, Bearbeiter der Personalien der höheren Beamten in der Personalabteilung des AA, beauftragt worden, als Beobachter nach Nürnberg zu gehen. Eine von Dr. Dittmann unterzeichnete schriftliche Erklärung ist ihm, als Ausweis gegenüber dem Gericht, mitgegeben worden (vergl. Seite 19 ff.). b) Dr. v. Keller hat das, was nach seiner Meinung als Zweck seiner Entsendung anzusehen war, dahin formuliert (vergl. Seite 21): Es könnten sich Belastungen des AA ergeben 1. hinsichtlich solcher Herren, die sich bereits im Dienst befinden, 2. hinsichtlich solcher Herren, die sich bewerben und über die man im Rademacher-Prozeß mehr als aus ihren Bewerbungsschreiben erfährt. Solchen Belastungen sei dann nachzugehen. c) Der Verteidiger Rademachers, Rechtsanwalt Tipp, ist Dr. v. Keller aus dem Nürnberger OKW-Prozeß bekannt, in welchem beide als Verteidiger amtiert haben. In einem Gespräch Dr. v. Kellers mit Herrn Tipp ist nach Dr. v. Kellers Darstellung (vergl. Seite 26) die Frage der möglichen Ausweitung des Prozesses auf andere Personen, die im AA beschäftigt sind oder beschäftigt waren, berührt worden. Tipp habe, so sagt Dr. v. Keller aus, gesagt, dieser Prozeß könne diesen oder jenen Seitenblick bringen mit diesem oder jenem Namen in einer Urkunde, sei es eine Mitzeichnung, Kenntnisnahme, ein „zugeleitet über" oder sonst irgendeine Annäherung an den Prozeßgegenstand; die Presse würde eine solche Sache mit großer Freude aufgreifen und dergleichen. Dr. v. Keller hat bei seiner Rückkehr nach Bonn Dr. Dittmann in etwa gleicher Weise über dieses Gespräch berichtet. C. Aus Seite 31 des Protokolls der Sitzung vom 12. März 1952 und aus der erneuten Vernehmung Dr. v. Kellers am 27. März 1952 ergibt sich, daß Dr. v. Keller durch Mitteilung des Verteidigers wußte, daß er, Tipp, vielleicht die Herren Blankenhorn und Seelos als Zeugen benennen müsse und daß der Name Dr. Dittmann in den Gerichtsakten genannt sei, auch die Photokopie eines von Dr. Dittmann mit „Kenntnis genommen" oder so ähnlich abgezeichneten Berichts, des sogenannten Ostberichts, bei den Gerichtsakten sei. Am 27. März 1952 hat Dr. v. Keller ausgesagt, daß er Dr. Dittmann in der zweiten Hälfte Februar 1952 hiervon Kenntnis gegeben und mit seinem Einverständnis eine weitere Kopie in Nürnberg bestellt habe. Diese sei kurz nach dem 1. März 1952 in Bonn bei ihm, Dr. v. Keller, eingetroffen und am 8. März 1952 anläßlich seiner Aussprache mit Dr. Dittmann über den an diesem Tage in der „Frankfurter Rundschau" erschienenen Artikel, diesem, Dr. Dittmann, ausgehändigt worden. D. Hier sei nun aus der 13. Sitzung vom 11. März 1952, also am Tage vor der ersten Vernehmung des Dr. v. Keller, folgendes eingeschaltet. Als in jener Sitzung (11. März 1952) Dr. Dittmann vernommen worden war (vergl. IV A), hat er am Schluß dieser Sitzung mit einer Einleitung, so als wenn er auf eine ganz neue, mit diesen Dingen nicht in Zusammenhang stehende Sache zu sprechen kommen wollte, folgendes gesagt (vergl. Seite 19 ff. des Protokolls vom 11. März 1952): „Dann habe ich noch eine zweite Sache, Herr Vorsitzender, die mir sehr am Herzen liegt. Mir ist das Gerücht zu Ohren gekommen, daß angeblich Herr Mansfeld noch weiteres Material das mich belasten soll, haben soll — als Gerücht —, und zwar hat sich das Gerücht dahin verdichtet, daß ein Bericht über Einsatzgruppenkommandos im Osten (Dr. Brill) vorliegen soll, den ich abgezeichnet hätte. Ich habe mich sehr stark bemüht, dieses Urkundenmaterial zu bekommen, und ich habe jetzt dieses Dokument aus dem Nürnberger Archiv in Photokopie hier vor mir liegen. Da ich mit der Möglichkeit rechne, daß diese Dinge vielleicht auch noch in der Presse veröffentlicht werden, möchte ich gern heute eine kurze Erklärung hierzu abgeben, damit die Dinge klargestellt werden. Der Vorsitzende Abgeordneter Dr. Köhler, hat. erstaunt hierüber, erklärt, er höre zum erstenmal aus dem Munde des Zeugen, daß solche Behauptungen aufgegestellt würden. Dr. Dittmann hat dann Gelegenheit bekommen, sich zur Sache zu äußern, und hat auch die betreffenden Photokopien dem Ausschuß vorgelegt. Auf die Frage, ob dieses Dokument ein fertiger Bericht gewesen sei, den er nur nachträglich zur Kenntnisnahme vorgelegt bekommen habe, oder ob es sich um einen noch nicht endgültig fertiggestellten Bericht gehandelt habe, den er zu dem Zweck erhalten habe, um sich gegebenenfalls über die Zweckmäßigkeit des Berichtes und seine Ausgestaltung zu äußern, hat er eine völlig klare und eindeutige Aufklärung nicht gegeben. E. Nach der ersten Vernehmung des Dr. v. Keller vom 12. März 1952 ist der Zeuge Dr. Dittmann nochmal und zwar am 14. März 1952, in der 15. Sitzung des Ausschusses vernommen worden. Auf Vorhalt (vergl. Seiten 25 ff. des stenographischen Protokolls der 15. Sitzung) hat er wie folgt Stellung genommen. Er hat zugegeben, daß er Dr. v. Keller eine Bescheinigung ausgestellt habe, die dieser dem Vorsitzenden des Gerichts habe übergeben sollen. Diese Tatsache sei ihm bei der ersten Vernehmung entfallen gewesen. Dr. v. Keller sei während der Prozeßdauer zwischenzeitlich nach Bonn gekommen und habe ihm auch zwischenzeitlich mündlich berichtet. Im ersten Zwischenbericht habe ihm Dr. v. Keller mitgeteilt, daß die Herren Blankenhorn und Seelos mit in das Verfahren hineingezogen werden könnten. Sein, Dr. Dittmanns, Name sei bei der Gelegenheit „noch" nicht genannt worden. Er, Dr. Dittmann, habe bei diesem ersten Zwischenbericht zu Dr. v. Keller sinngemäß gesagt: was denn das mit dieser Anklage (Rademacher) zu tun habe, wenn jemand in die besetzten Ostgebiete gefahren sei. Er habe Dr. v. Keller gebeten, Herrn Blankenhorn darüber zu unterrichten. F. Die Aussage des Dr. v. Keller bei seiner zweiten Vernehmung vom 27. März 1952 ergibt ganz deutlich, daß 1. Dr. Dittmann in der zweiten Hälfte Februar durch Dr. v. Keller Kenntnis von dem Vorhandensein der Dr. Dittmann betreffenden Photokopie in den Gerichtsakten erhalten hat, 2. daß Dr. Dittmann die Anregung Dr. v. Kellers, für ihn, Dr. Dittmann, eine Kopie zu besorgen, angenommen hat, 3. daß Dr. v. Keller diese Kopie am 8. März 1952 ausgehändigt hat. Dr. Dittmann mußte aber aus seiner Vernehmung vom 11. März 1952 wissen, daß es dem Ausschuß darauf ankam, a) ob Herren im AA die Befürchtung hatten und haben mußten, in den Rademacher-Prozeß hineingezogen oder in ihm genannt zu werden; b) ob mit Rücksicht hierauf die Einwirkung des Dr. v. Keller auf den Verteidiger erfolgt ist oder nicht. G. Es kann dahingestellt bleiben, ob Dr. Dittmann im Zeitpunkt der Entsendung des Dr. v. Keller schon von der Tatsache des Vorhandenseins der ihn betreffenden Urkunde in den Akten der Nürnberger Gerichte Kenntnis gehabt hat. Jedenfalls steht fest: a) Am 11. März 1952, bei seiner ersten Vernehmung, wußte er, daß sich diese Urkunde bei den Akten des Rademacher-Prozesses in Nürnberg befand; eine Photokopie hat er durch Dr. v. Keller im Nürnberger Archiv bestellt und am 8. März 1952 erhalten; b) gleichwohl hat er bei seiner Vernehmung am 11. März 1952 diesen klaren Tatbestand übergangen durch Vorlage dieser Photokopie mit der Einleitung: „Darin habe ich noch eine zweite Sache ...." und durch die wissentlich unwahre Behauptung, es gehe ein Gerücht, daß mit dieser photokopierten Urkunde gegen ihn vorgegangen werden solle, und hat einen ihm genau bekannten Tatbestand — dessen genaue Bekanntgabe Dr. Dittmann, dem früheren Oberlandesgerichtsrat, bei seiner Vernehmung als notwendig klar war und vom Ausschuß erwartet werden konnte — nach einstimmiger Auffassung des Ausschusses durch eine absichtlich verschleierte Darstellung vorenthalten. Votum Der Ausschuß ist der Auffassung, daß Dr. Dittmann nicht in der Personalabteilung, aber wegen seines Verhaltens vor dem Ausschuß hinsichtlich des Rademacher-Prozesses auch nicht im Auswärtigen Amt weiter beschäftigt werden soll. Gegen seine Verwendung in einer anderen Bundesverwaltung bestehen keine Bedenken. Gründe: Dr. Dittmann nimmt für sich selbst nicht in Anspruch, an irgendeiner Widerstandshandlung während des Dritten Reiches beteiligt gewesen zu sein. Er hat im Gegenteil zweimal während des zweiten Weltkrieges in der Personalabteilung des Ribbentrop-AA gearbeitet. Es muß höchst bedenklich erscheinen, daß ein solcher Mann als Chef der Personalabteilung des AA der Bundesrepublik tätig sein konnte. Das würde, abgesehen von der persönlichen Seite des Falles, unter objektiven Gesichtspunkten zu einer Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik und des Auswärtigen Dienstes führen. Auch in diesem Falle betrachtet es der Ausschuß nicht als seine Aufgabe, in eine straf- oder (Dr. Brill) disziplinarrechtliche Würdigung des Verhaltens eines Beamten vor dem Untersuchungsausschuß einzutreten; das ist Sache der vorgesetzten Dienstbehörde. Das Verhalten von Dr. Dittmann in der 13. und 15. Sitzung läßt den begründeten Verdacht entstehen, daß er falsche uneidliche Aussagen gemacht hat und sich eine Verletzung der Dienstpflichten des Beamten in bezug auf ein achtungswürdiges Verhalten, insbesondere auch der dienstlichen Wahrheitspflicht zuschulden kommen ließ. Er erscheint deshalb für die Verwendung im Auswärtigen Dienst nicht geeignet. 4. Hasso v. Etzdorf Geboren am 2. März 1900 in Elbing, evangelisch, verheiratet, keine Kinder. — Referendar- und Gerichtsassessorprüfung ausreichend, Dr. jur. rite. Laufbahn: 1928/31 Attaché im AA, 1931/34 Botschaft Tokio, 1934/1936 Sekretär des Reichsaußenministers Frhr. v. Neurath, 1937/38 Botschaft Rom, 1938 Konsul in Palermo, 1938/39 AA, 1939/44 Vertreter des AA beim Oberkommando des Heeres, 1945 Generalkonsul in Genua, 1. Oktober 1948 bis 30. Juni 1950 Deutsches Büro für Friedensfragen, 1. Juli 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), stellvertretender Leiter der Länderabteilung im AA. 1934 Legationssekretär, 1938 Legationsrat, 1939 Vortragender Legationsrat, als Vertreter des AA beim OKH zuletzt im Range eines Majors d. R., VLR z. Wv. 1919 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, 1924/33 Mitglied des Stahlhelms. 1. Juni 1933 Mitglied der NSDAP; Mitglieds-Nr. 3 286 356. Seit dem 30. Juni 1938 Sturmbannführer, später Obersturmbannführer der SA (Angleichungsrang entsprechend seiner Beamtenstellung). Durch Spruch der Spruchkammer Kaufbeuren vom 28. Mai 1948 entlastet. Ergebnis der Ermittlungen von Dr. Schetter: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. E. war Pg. Wird nicht bestritten. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. v. E. sei SA-Standartenführer gewesen und am 30. Januar 1933 in die SA eingetreten. Nicht SA-Standartenführer gewesen, nicht am 30. Januar Die Behauptung der FR könnte als eine Halbwahrheit angesehen werden und ist zumindest entstellt. 1933 eingetreten. Richtig, daß er seit 1938 einen Angleichungsrang, zuletzt als Obersturmbannführer, besaß. 3. Verbindungsoffizier vom AA zum OKH. Wird zugegeben. Keine Unrichtigkeit der FR. 4. v. E. war im Juli 1940 im Hauptquartier in Fontainebleau am organisatorischen Einsatz Unrichtig, daß v. E. im Juli Artikel der FR über Beteiligung am organisatorischen Einsatz des Kommandos Künsberg in Fontainebleau ist unrichtig. Richtig ist, daß v. E. Beziehungen zur Gruppe Künsberg erst mit dem Rußlandfeldzug erhalten und ihre organisatorischen Wünsche zu vertreten hatte. des Kommandos Künsberg beteiligt. 1940 in Fontainebleau am organisatorischen Einsatz des Kommandos Künsberg beteiligt gewesen sei und daß er seine Mittäterschaft an dem Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung zugegeben habe. Nach Dr. Kempner in Nürnberg übergebener Aussage hat v. E. erklärt, daß er erst mit dem Rußlandfeldzug nähere Beziehungen zur Gruppe Künsberg erhalten habe und daß er angewiesen gewesen sei, ihre organisatorischen Wünsche gegenüber der hierfür zuständigen Organisationsabteilung im Generalstab zu vertreten, bei der der bekannte Oberst Graf Stauffenberg federführend war. 5. Überbringer eines Handschreibens von Weizsäckers an die Generale im Jahre 1942 mit der Aufforderung, „ja nicht v. E. hat niemals ein Handschreiben von Weizsäckers „an die Generale" übergeben, nur gelegentlich einen Brief an unmittelbaren Dienstvorgesetzten Generaloberst Halder übergeben. Nicht erinnerlich, ob im Brief die Wendung verzeichnet war, „ja nicht militärisch zu erlahmen". Artikel ist unrichtig. Richtig militärisch zu erlahmen". allein ist, daß einmal ein Handschreiben v. Weizsäckers an Generaloberst Halder durch v. E. übermittelt worden ist. Die Behauptungen der FR sind zumindest entstellt und übertrieben. (Dr. Brill) Der Ausschuß hat zunächst die Entnazifizierungsangelegenheit des Dr. v. Etzdorf geprüft. Nach Art. 13 des Befreiungsgesetzes vom 5. März 1946 muß erwiesen sein, daß der Betroffene nach Maßgabe seiger Kräfte aktiven Widerstand geleistet u n d dadurch Nachteile erlitten hat. Die Spruchkammer hat ausgeführt, v. Etzdorf habe dadurch Nachteile erlitten, daß er seelisch dauernd unter Druck gestanden habe und von allem sonst üblichen Gunstbezeugungen, Auszeichnungen und Beförderungen ausgeschlossen gewesen sei. Worin dieser Ausschluß konkret gesehen worden ist, konnte nicht geklärt werden. Sicher ist nur, daß diese Phrase auf die Äußerung eines v. Etzdorf nahestehenden früheren AA-Beamten (Legationsrat Steg) zurückgeht und dann in den Akten immer wiederholt worden ist. Weiter hat der Ausschuß festgestellt, daß der SA-Rang Dr. v. Etzdorfs tatsächlich nur ein Angleichungsrang gewesen ist; er wurde ihm während seiner Zugehörigkeit zur Botschaft in Rom verliehen, damit er bei den zahlreichen Besuchen von Parteigrößen der NSDAP, dem politischen Stile jener Zeit entsprechend, in Uniform auftreten konnte. Nach der Vorlage von Dokumenten durch den Zeugen wie von Dokumenten, die der Ausschuß beschafft hatte, ist festgestellt worden, daß Dr. v. Etzdorf keinerlei Verantwortung für die Tätigkeit des Kommandos Künsberg trägt und seine Vermerke bloße geschäftsleitende Verfügungen ohne sachliche Bedeutung gewesen sind. Daß sich Dr. v. Etzdorf bei Mitteilungen an das OKW oder an das OKH, die eine ausgesprochen nationalsozialistische Politik zum Inhalt hatten, stets nur auf einige Büronotizen beschränkte, geht u. a. aus der Mitteilung des kolonialen Weltverteilungsplanes des von Ritter v. Epp geleiteten Kolonialministeriums hervor, der in Anlage 2 als Dokument Nr. V abgedruckt ist (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 50). Auch die Frage jener Bemerkung in einem Handschreiben v. Weizsäckers „ja militärisch nicht zu erlahmen" ist vom Ausschuß geprüft worden. Es ist sicher, daß diese Auffassung nicht durch eine Rundreise Dr. v. Etzdorfs bei den höheren Truppenführern verbreitet worden ist, sondern nur in einem Brief an Halder stand. Sie hatte den Sinn, Deutschland verhandlungsfähig zu erhalten. Weizsäcker selbst und ein Teil seiner Anhänger vertraten die Ansicht, daß Deutschland auch nach der Beseitigung Hitlers in der Lage sein müsse, in einer günstigen Situation zu verhandeln; ein anderer Teil der Verschwörer war dagegen bereit, eine militärische Niederlage in Kauf zu nehmen. Der fragliche Brief v. Weizsäckers ist nicht erhalten. Das sogenannte Kriegstagebuch Dr. v. Etzdorfs, das in Wirklichkeit eine Sammlung von Notizen und für die politische und strategische Kriegführung bedeutsamen Materialien war, befindet sich seit April 1945 in alliiertem Besitz. Das vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg als Dokument anerkannte Kriegstagebuch des Generalobersten Franz Halder enthält keine Eintragungen zu dieser Sache. Fest steht jedenfalls, daß Dr. v. Etzdorf nur an Halder in einem Brief die Auffassung eines Teiles der Weizsäcker-Leute überbracht hat. Von besonderer Bedeutung erschien dem Ausschuß die Widerstandstätigkeit, die Dr. v. Etzdorf tatsächlich ausgeübt hat. Sehr bald ein Gegner des Nationalsozialismus, verfaßte er ire Oktober 1939 im Hauptquartier von Zossen eine Denkschrift, ließ sie im Hauptquartier kursieren und verbreitete sie auch selbst bei den höheren Truppenführern und an der Front; Oberstleutnant Großkurth war ihm bei der Verbreitung an die Truppe behilflich. Das Original dieser Denkschrift ist heute im State Department in Washington; es ist 1945 auf einem holsteinischen Gute,, wo es versteckt war, erbeutet worden. Aus einer Erklärung des ehemaligen Generalobersten Franz Halder vom 26. Juni 1948 geht hervor, daß er diese Denkschrift kannte und mit Dr. v. Etzdorf darüber gesprochen hat. Außerdem war sie im Januar 1940 Gegenstand einer Unterhaltung zwischen Halder und Generaloberst Beck. Der Ausschuß hat danach festgestellt, daß Dr. v. Etzdorf selbständig einen Widerstand entwickelt hat, der ihm, wenn er entdeckt worden wäre, sicher das Leben gekostet hätte. Die Denkschrift ist in Anlage 2 als Dokument Nr. VI abgedruckt (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 52); um ihre Bedeutung zu beleuchten, ist als Dokument Nr. VII eine Erklärung des ehemaligen Generalobersten Franz Halder vom 8. März 1952 beigegeben (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 55). Votum Der Ausschuß hält Dr. v. Etzdorf für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Dr. v. Etzdorf war nicht an den verbrecherischen Handlungen des Kommandos Künsberg beteiligt. Dr. v. Etzdorf hat eine politisch vertretbare Anschauung über die Notwendigkeit einer guten militärischen Lage für den Fall eines Umsturzes weitergegeben. Dr. v. Etzdorf war nur formal Mitglied der NSDAP; sein SA-Rang war ein nach der Spruchkammerpraxis im amerikanischen Besatzungsgebiet bedeutungsloser Angleichungsrang. Dr. v. Etzdorf hat unter Einsatz seines Lebens Widerstand geleistet. Es kann dahingestellt bleiben, aus welcher politischen Haltung heraus dieser Widerstand erfolgte. Die Tatsache, daß er gerade in der Periode sensationeller militärischer Siege daran ging, einen militärischen Umsturz gegen Hitler ins Werk zu setzen, und einen konkreten Plan dafür entwickelte, spricht ihn von jeder Verantwortung für das nationalsozialistische Regime frei. Der Ausschuß hat gegen Dr. v. Etzdorf nicht nur keine Bedenken, sondern erklärt ausdrücklich, daß er ihn für geeignet zur Weiterverwendung hält. 5. Werner v. Grundherr zu Altenthann und Weiherhaus Geboren am 20. Januar 1888 in Nürnberg, evangelisch, ledig, keine Kinder. — Erziehung im Kadettenhaus, aktiver Offizier beim landgräflichen Husarenregiment Nr. 14 in Kassel, 1910/13 staatswissenschaftliches Studium, 1913 Dr. phil. magna cum laude (Greifswald), sonst keine Prüfungen. Laufbahn: 1918/20 Attaché im AA (1920 Balkanreferat), 1921/23 Gesandtschaft Bukarest, 1923/25 AA, 1924 neun Monate Gesandtschaft Athen, 1925/34 Gesandtschaft Helsinki, 1934/45 AA (Politische Abteilung — Referent für die skandinavischen und baltischen Länder). Mai 1945 bis März 1947 automatischer Arrest, ab 25. Januar 1950 Bundeskanzleramt (Referent in der Dienststelle für aus- (Dr. Brill) wärtige Angelegenheiten), 1. November 1950 Generalkonsul in Athen, 26. Juni 1951 Botschafter in Athen. 1921 Legationssekretär, 1926 Titel Gesandtschaftsrat, 1928 Gesandtschaftsrat II. Kl., 1932 Gesandtschaftsrat I. Kl., 1940 Titel Gesandter, 29. November 1950 Generalkonsul I. Kl., 26. Juni 1951 Botschafter. Dr. v. Grundherr war nicht Mitglied der NSDAP. Ein vom ihm 1940 gestellter Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, er könne als Junker nicht aufgenommen werden. Der Ausschuß hat im Falle Dr. v. Grundherr mit Hilfe der Nürnberger Dokumente eine sehr eingehende Untersuchung durchgeführt. Er ist dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen, als es Dr. Schetter mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material erzielen konnte. In Anbetracht des Alters des Botschafters Dr. v. Grundherr hat der Ausschuß dem Herrn Bundesaußenminister durch seinen Vorsitzenden mündlich mitgeteilt, daß es im Interesse der Bundesrepublik liege, wenn Dr. v. Grundherr, auch mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand, mit dem Erreichen der Altersgrenze aus dem Auswärtigen Dienst ausscheidet. Nachdem der Bundesaußenminister die Einleitung entsprechender Maßnahmen in Aussicht gestellt hatte, beschloß der Ausschuß wiederum einstimmig, im Interesse des deutschen Ansehens von einer Berichterstattung im Falle Dr. v. Grundherr abzusehen. In Anlage 2 wird jedoch als Dokument Nr. VIII ein Telegramm des AA vom 17. September 1943 an den Reichsbevollmächtigten für Dänemark mitgeteilt, zu dem Dr. v. Grundherr in der 24. Sitzung des Ausschusses am 4. April 1952 aus eigener Veranlassung erklärt hat, der Text dieses Telegramms sei von ihm einer Schreibdame diktiert worden (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 58). Votum Der Ausschuß verweist auf die mündlich getroffene Absprache und bittet um Mitteilung, sobald Dr. v. Grundherr das in Aussicht genommene Gesuch eingereicht hat. Es ist dringend erwünscht, daß es vor Abschluß des Ausschußberichtes eingeht. Anmerkung: Durch Schreiben des Staatssekretärs des AA vom 26. Mai 1952 ist dem Ausschuß mitgeteilt worden, daß das Abschiedsgesuch des Botschafters Dr. v. Grundherr am 23. Mai 1952 eingegangen ist. 6. Wilhelm Haas Geboren am 4. September 1896 in Bremen, evangelisch, verheiratet, vier Kinder. — Promotion zum Dr. jur. cum laude. Laufbahn: 1922/24 Attaché im AA, 1924/25 Botschaft Paris, 1925/27 Gesandtschaft Addis Abeba, 1927/28 Generalkonsulat Shanghai, 1929 Gesandtschaft Peking, 1930/31 AA (ständiger Sekretär der deutschen Völkerbundsdelegation), 1934/37 Botschaft Tokio; durch Verfügung vom 13. Mai 1937 gemäß § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 in den dauernden Ruhestand versetzt. 1938/45 Wirtschaftsberater der IG-Farbenindustrie für China, 1947/49 Chef der Präsidialkanzlei des Bremer Senats, 25. November 1949 Bundeskanzleramt (Organisationsbüro), anschließend AA. 1926 Legationssekretär, 9. Dezember 1947 Staatsrat (Bremen), 16. März 1951 Ministerialdirektor, inzwischen zum Botschafter (Ankara) ernannt. Nicht Mitglied der NSDAP, vom Befreiungsgesetz nicht betroffen. Die Untersuchungen von Dr. Schetter haben zu folgendem Ergebnis geführt: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. H. sei SCer. Objektiv unrichtig, da H. vor Die Behauptung der FR, daß H. SCer sei, ist halbwahr, nachdem er vor 18 Jahren ausgeschieden ist. 18 Jahren aus dem „Altherrenverband" eines Corps im Kösener SC ausgeschieden ist und nach der Nazi-Zeit wiederholt an ihn gerichtete Aufforderungen zum Wiederbeitritt zu dem überlebten studentischen Verbindungswesen eindeutig abgelehnt hat. Der implicite erhobene Vorwurf, er habe Bewerbungen von SCern bevorzugt, entbehrt mithin der Grundlage. 2. Schied 1937 aus dem AA aus, übernahm hochdotierten Posten als politischer Beobachter der von der IG finanzierten Als Mitarbeiter der Zentralfinanzverwaltung der IG war H. selbstverständlicher- und üblicherweise politischer Beobachter wegen kaufmännischer Dispositionen. Dotation war üblich und ausreichend, um Unterhalt seiner Familie und emigrierter Schwiegereltern zu bestreiten. Mit seiner Familie mittellos nach Deutschland zurückgekehrt. Angabe der FR entstellt. DEFAG in Ostasien. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 3. Bohle hat die erforderliche Hat ein ganzes Jahr gedauert, bis es IG gelang, den Widerspruch der Auslandsorganisation der NSDAP gegen die Verwendung von H. als Mitarbeiter zu beseitigen. H.s ursprünglich für Japan vorgesehene Mitarbeit wurde von Bohle überhaupt abgelehnt. Zurücknahme des Einspruchs gegen Tätigkeit in China erfolgte mit der Auflage, eine Reisetätigkeit von China Angabe der FR entstellt. Genehmigung der NSDAP zur nach Japan werde ausdrücklich Übernahme des Postens erteilt. untersagt. 4. H. hatte engsten Kontakt mit Botschaft in Peking. Behauptung ist unrichtig. Kontakt beschränkte sich auf unerläßliche Wahrnehmung der Aufgaben gegenüber deutschen Behörden, war auf wenige Fälle beschränkt. An nationalsozialistischen Veranstaltungen der Botschaft hat H. niemals teilgenommen, war dort auch nicht erwünscht. Behauptung der FR ist stark entstellt. 5. H. ließ sich als DP erklären H. hat von UNRRA einen Identitätsausweis als DP erhalten. Er wurde von chinesischen und amerikanischen Stellen nicht zu dem Kreis der Deutschen gerechnet, die durch den Nationalsozialismus kompromittiert waren, war von einer Zwangsrepatriierung auf amerikanische Staatskosten ausgeschlossen. Bedurfte in Ermangelung eines Behauptung, daß H. als DP erklärt wurde, ist entstellt. und auf Kosten der IRO nach Europa zurücktransportieren. gültigen Passes eines UNRRA- Behauptung der FR, daß er auf Kosten der IRO heimgekehrt sei, ist unrichtig. Ausweises zur Heimreise. Hat darüber hinaus von UNRRA keine Hilfe in Anspruch genommen. Seine und seiner Familie Heimreise wurde ausschließlich aus eigenen Mitteln bestritten. 6. Vorwurf, H. habe sich bei Schroeder ist von einzelnen Referenten des AA gelegentlich wegen Auskünften über frühere Beamte in Anspruch genommen worden. H. habe sich in keinem Falle durch Schroeder beraten lassen. Unrichtige Behauptung der FR. seiner Tätigkeit in Bonn inoffiziell vom Heß-Protégé Hans Schroeder beraten lassen, offensichtlich nicht unberechtigt. Der Untersuchungsausschuß hat Dr. Haas in der 4. Sitzung am 18. Januar, in der 9. Sitzung am 20. Februar und in der 26. Sitzung am 22. April 1952 eingehend vernommen. In der erstgenannten Sitzung hat. sich der Ausschuß vor allem mit der Klärung der Vorwürfe, die die „Frankfurter Rundschau" gegen die Person von Dr. Haas erhoben hat, beschäftigt. Es ist dabei festgestellt worden, daß Dr. Haas wegen sogenannter jüdischer Versippung 1937 entlassen wurde, große Schwierigkeiten hatte, um die Erlaubnis zur Ausübung einer kaufmännischen Tätigkeit in Ostasien zu bekommen, und daß kein Beweis für die Annahme vorliegt, er sei in jenem Teile der Welt als Agent der NSDAP, ihrer Auslandsorganisation oder des Ribbentropschen AA tätig gewesen. Auch die Umstände seiner Rückkehr nach Deutschland sind durch den Ausschuß aufgeklärt worden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme deckt sich in diesem Punkte mit den von Dr. Schetter getroffenen Feststellungen. Haas besaß also einen von der UNRRA ausgestellten DP-Ausweis, hat aber seine Heimreise nach Deutschland selbst bezahlt. In der zweiten Vernehmung hat sich der Untersuchungsausschuß mit der Tätigkeit von Dr. Haas hinsichtlich der Zusammenstellung seines ersten Arbeitsstabes befaßt und dabei die Einberufung von Dr. Melchers, Dr. v. Grundherr und Frau Simonis geprüft. Der Untersuchungsausschuß hat dabei festgestellt, daß sich Dr. Haas im ersten Falle nahezu ausschließlich auf seine eigene Kenntnis der Persönlichkeit von Dr. Melchers verlassen hat. Im zweiten Falle hat Dr. Haas darauf vertraut, daß der Gesandte Dr. v. Grundherr im Entnazifizierungs- (Dr. Brill) verfahren als „vom Gesetz nicht betroffen" bezeichnet worden ist, und deshalb keine weiteren Untersuchungen über die amtliche Wirksamkeit Dr. v. Grundherrs im Ribbentropschen AA angestellt. Wichtige Tatsachen darüber sind Dr. Haas erst während der Verhandlungen des Untersuchungsausschusses durch den Berichterstatter bekannt geworden. Auch im dritten Falle hat Dr. Haas — diesmal zutreffenderweise — sein Urteil über Frau Simonis, das auf langer persönlicher Bekanntschaft beruht, als ausreichend angesehen. Weiter hat der Untersuchungsausschuß in der zweiten Vernehmung die Umstände, unter denen das Organisationsbüro seine Arbeit begann, geprüft. Er hat dabei festgestellt, daß das Büro zu wenig Räume, zu wenig Arbeitsmaterialien und anfangs auch zu wenig Arbeitskräfte besaß, so daß es dem Ansturm von Bewerbungen (etwa 20 000) nicht gewachsen war. Die vom Vereinigten Wirtschaftsgebiet angefallenen Materialien sind nicht anders behandelt worden als die übrigen Eingänge. Schließlich hat der Untersuchungssausschuß eingehend die Einstellungsrichtlinien erörtert, nach denen die Personalpolitik gemacht worden ist. Der Untersuchungsausschuß bezieht sich in diesem Punkte auf die Mitteilungen, die der Zeuge bereits dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und dem von diesem zur Nachprüfung der Personalpolitik im Auswärtigen Dienst eingesetzten Unterkomitee im Jahre 1950 gemacht hat. Danach steht fest, daß Dr. Haas dem Herrn Bundeskanzler schriftlich nicht fixierte Vorschläge mündlich vorgetragen hat und diese die Billigung des Herrn Bundeskanzlers gefunden haben. Endlich hat sich der Untersuchungsausschuß mit dem Vorwurf beschäftigt, daß durch die Tätigkeit von Himke, Loeper, Papenfuß und Dr. Kreutzwald bei den oberen (gehobenen mittleren) Beamten das Korps der Politischen Leiter wieder versammelt sei. Der Ausschuß hat festgestellt, daß die Tätigkeit der Genannten tatsächlich eine dahingehende Wirkung gehabt hat. Durch das Einschalten von Oberregierungsrat Dr. Gördes sind diese Bestrebungen jedoch zum Teil vereitelt, zum Teil rückgängig gemacht worden. In der 26. Sitzung am 22. April 1952 ist die Frage des Schicksals der Vorarbeiten des Personalbüros des Beraters für den Marshall-Plan beim Oberdirektor für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet durch folgende Erklärung des Freiherrn von Buddenbrock vom 19. April 1952 aufgeklärt worden: „Ich trat im Sommer 1949 meinen Dienst beim Berater für den Marshall-Plan, einer Dienststelle des Verwaltungsrates in Frankfuxt/M., an. Der Personalreferent des Beraters für den Marshall-Plan war zu jener Zeit Landrat Hummelsheim. Ihm oblag die Aufgabe, geeignetes Personal für die beiden ersten deutschen Vertretungen im Ausland, die Deutsche Vertretung bei der OEEC in Paris und die Deutsche Vertretung bei der ECA in Washington, auszusuchen. Der Eingang der Bewerbungen für alle Vergütungsgruppen der TOA überstieg bei weitem die für den Aufbau dieser Vertretungen erforderliche Zahl von Angestellten. Eine größere Anzahl von Bewerbern vermutete außerdem, daß diese Dienststelle auch mit der Eröffnung weiterer Vertretungen im Ausland befaßt würde. Da es zu jener Zeit noch für möglich gehalten wurde, daß weitere Wirtschaftsvertretungen in Marshall-Plan-Ländern eröffnet werden könnten, und da es keine andere Behörde gab, die mehr legitimiert erschien, um die eingegangenen Bewerbungen auszuwerten, wurden alle Gesuche, denen nicht sofort entsprochen werden konnte, einstweilen archiviert. Planungen über eine eventuelle Verwendung der Bewerber wurden nicht durchgeführt. außer daß auf den Bewerbungsakten gelegentlich vermerkt wurde, für welche Tätigkeit oder für welches Land sich der Bewerber besonders interessierte. Das Personal der Dienststelle „Der Berater für den Marshall-Plan" wurde nach der Konstituierung der Bundesrepublik zum großen Teil vom Bundesministerium für die Angelegenheiten des Marshall-Plans übernommen. Mit der Auflösung des Verwaltungsrats schied Herr Hummelsheim aus der Dienststelle aus. Die Bewerbungen wurden noch einige Monate vom ERP-Ministerium, das sie zuständigkeitshalber übernahm, weitergeführt und dann allmählich zwischen Februar und März 1950 an das Organisationsbüro für die wirtschaftlichen und konsularischen Vertretungen im Ausland nach entsprechender Mitteilung an die Bewerber abgegeben. Meiner Erinnerung nach behielt das ERP-Ministerium diejenigen Bewerbungen zurück, an denen es selbst noch interessiert war oder aus denen klar hervorging, daß die Bewerber sich ausschließlich für eine Tätigkeit in Paris, Washington oder beim ERP-Ministerium selbst bewerben wollten. Nachweislich der im ERP-Ministerium noch vorhandenen Konzepte der Begleitschreiben, mit denen die Bewerbungen an das Organisationsbüro abgegeben wurden, sind dem Organisationsbüro insgesamt etwa 180 Bewerbungen zugegangen. Da ich selbst am 1. Mai 1950 vom Organisationsbüro übernommen und mit Personalangelegenheiten befaßt wurde, ist mir aus eigener Erfahrung bekannt, daß diese Bewerbungen im Organisationsbüro weiter bearbeitet wurden. Auf Grund dieser Bewerbungen sind, soweit mir bekannt, bisher 39 Einberufungen, ergangen, das sind fast 22 % der übernommenen Gesuche. Zu den einberufenen Bewerbern gehören die Herren: Wienholt R. Wolff Girndt Schmelcher Terdenge Tiedt Traut Türk Vacano Schulze P. M. Weber v. Plehwe Reuschenbach H. Richter Rosen Noebel Obermaler Blomer Brandt Allardt Opfermann Pfisterer (Pfeffermann) v. Haeften Keller Keppler Krebs, H. Krebs, K. Lemke Liebrecht Helmolt Hofmann Koenig Frings Fritsching Gräf H. U. Mayer Bottler Degen." (Dr. Brill) Der Zeuge Dr. Haas blieb angesichts dieses Dokumentes bei der Erklärung, daß bei diesem Material „eine Vorbereitung im Sinne des AA" nicht vorgelegen habe und es deshalb nicht anders als andere Bewerbungen habe behandelt werden können. In bezug auf die Behandlung von Einzelfällen hat der Ausschuß festgestellt, daß Dr. Haas die Verantwortung für die Einberufung von Dr. Melchers, Dr. v. Grundherr, Dr. v. Bargen u. a. trägt; außerdem fällt unter seine Verantwortlichkeit die Anstellung von Dr. Hecker entgegen den Empfehlungen des Unterausschusses „Auswärtiger Dienst" (vgl. Seite 10757 C). Schließlich hat der Ausschuß in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen, daß nach der Auffassung von Dr. Haas der Aufbau des Auswärtigen Amtes ohne eine erhebliche Anzahl von Fachbeamten des alten AA nicht möglich gewesen wäre. Der Ausschuß ist der Meinung, daß die Überspannung dieses Prinzips künftig das Vertrauen des Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik hätte gefährden können. Alsdann ist die Frage der Grundsätze der Personalpolitik noch einmal behandelt worden. Der Untersuchungsausschuß beschloß, die Beantwortung der Fragen 8 und 10 des Unterkomitees des Auswärtigen Ausschusses durch das AA im Jahre 1950 in die Dokumentensammlung dieses Berichts aufzunehmen (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 59, Anlage 2 IX). Nach der Besprechung von Einzelfällen (Hummelsheim, Hegewisch, Prinzhorn) hat der Ausschuß dann die beiden grundsätzlichen Fragen, welche Methoden für die Personalpolitik des Auswärtigen Dienstes anzuwenden sind und welche Verantwortung bestanden hat, geprüft. Zu der ersten Frage ist festgestellt worden, daß Dr. Haas Herrn Blankenhorn den Vorschlag gemacht hat, einen aus sieben Personen bestehenden Aufnahmeausschuß für den Auswärtigen Dienst einzusetzen. Dieser sollte aus je einem Vertreter der großen Bundestagsfraktionen, einem anerkannten Vertreter der deutschen Wissenschaft, einem Vertreter der Außenhandelswirtschaft, einem Vertreter der industriellen Wirtschaft und einem Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes bestehen und die Befugnis haben, Personen als geeignet oder ungeeignet für den Auswärtigen Dienst zu erklären. Dieser Vorschlag ist ebensowenig wie die Einstellungsrichtlinien schriftlich fixiert worden. Blankenhorn hat dazu erklärt, daß „nach Auffassung des Bundeskanzlers dem Vorschlag nicht oder noch nicht stattgegeben werden sollte". Der Vorschlag bezweckte, dem Auswärtigen Dienst insgesamt im In- und Auslande das notwendige Vertrauen zu erwerben. Zur Frage der Verantwortlichkeit hat der Ausschuß festgestellt, daß Dr. Haas während seiner Amtszeit von einem Jahr und acht Monaten dem Bundesaußenminister fünfmal Vortrag gehalten hat. Bestimmte Vortragstage mit Besprechungszeiten und eine Bezeichnung bestimmter Beschlüsse, die mündlichen Vortrag erfordern, gab es nicht. Votum Gegen die Weiterverwendung von Dr. Haas, im Auswärtigen Dienst bestehen keine Bedenken; jedoch spricht sich der Ausschuß gegen seine Wiederverwendung in der Personalverwaltung aus. Gründe: Der Untersuchungsausschuß hat an der persönlichen Integrität von Dr. Haas keine Zweifel. Unter den von November 1949 bis Sommer 1951 herrschenden Verhältnissen im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt hat sich Dr. Haas bemüht, den Anforderungen eines Auswärtigen Dienstes, so wie er ihn sah, Rechnung zu tragen. Trotz dieser Bemühungen ist unter der Verantwortlichkeit von Dr. Haas eine Zusammensetzung des AA zustandegekommen, die, wie die im Bericht vorgetragenen Einzelfälle beweisen, nicht aufrechterhalten werden konnte. Die Auffassungen, die Dr. Haas von den Notwendigkeiten der Personalpolitik im Auswärtigen Dienst gehabt hat, entsprechen nicht der tatsächlichen außenpolitischen Lage der Bundesrepublik. Das berührt nicht seine Eignung für den Auslandsdienst. 7. Curt Heinburg Nachdem vier Mitglieder des Ausschusses in das Protokoll der Vernehmung von Dr. Heinburg durch Dr. Kempner Einsicht genommen hatten und der Berichterstatter den Inhalt der gegen Dr. Heinburg vorliegenden Dokumente vorgetragen hatte, beschloß der Ausschuß in der 31. Sitzung am 5. Mai 1952 vormittags: In der Erwägung, daß Dr. Heinburg 67 Jahre alt und nur als Angestellter tätig ist, kann von einer Überprüfung dieses Falles durch den Untersuchungsausschuß im Rahmen der dem Ausschuß gestellten Aufgabe dann abgesehen werden, wenn feststeht, daß das Angestelltenverhältnis mit Dr. Heinburg seitens des Auswärtigen Amtes spätestens bis zum 1. Juli 1952 gelöst ist. Der Ausschuß wäre dann in der Lage, festzustellen, daß im Augenblick der Abgabe seines Berichtes Dr. Heinburg nicht mehr im Auswärtigen Amt tätig ist. Der Vertreter des AA, VLR Dr. Wilde, hat Herrn Staatssekretär Dr. Hallstein von diesem Beschluß Kenntnis gegeben. Wenig später wurde dem Ausschuß mitgeteilt, daß Dr. Heinburg den Staatssekretär des AA gebeten hat, sein Anstellungsverhältnis zum 31. Mai 1952 zu lösen. Daraufhin beschloß der Ausschuß folgendes Votum Nachdem das Anstellungsverhältnis von Dr. Heinburg zum 31. Mai 1952 beendet sein wird, sieht der Ausschuß von einer Stellungnahme ab unter der Voraussetzung, daß Dr. Heinburg in Personalangelegenheiten nicht weiterbeschäftigt wird. Der Ausschuß hat die berichtete Erledigung des Falles Heinburg ebenso wie im Falle Dr. v. Grundherr im Interesse des Ansehens der Bundesrepublik und zur Wahrung der deutschen Interessen für notwendig gehalten. Um jedoch dem Plenum des Bundestages ein konkretes Motiv für die Ausschußbeschlüsse zu geben, wird in Anlage 2 das Dokument Nr. X abgedruckt (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 60), das sich auf Judenmaßnahmen in einem der Länder bezieht, für die Dr. Heinburg in der Politischen Abteilung des alten AA während des (Dr. Brill) zweiten Weltkrieges als Referent tätig gewesen ist; Dr. Heinburg war der Leiter des in diesem Dokument ständig erwähnten Referates Pol IV. 8. Hans Herwarth v. Bittenfeld Geboren am 14. Juli 1904 in Berlin, evangelisch, verheiratet, ein Kind. — 1926 Referendarprüfung, 1929 diplomatisch-konsularische Fachprüfung. Laufbahn: 1. Mai 1927 Eintritt in das AA, 1930 Attaché, Januar bis Juli 1930 der Pariser Delegation für die Rückgliederung des Saargebietes zugeteilt, 1931/39 Botschaft Paris, dazwischen November 1938 bis April 1939 zum Generalkonsulat in Memel delegiert, 1939 Botschaft Moskau, 1939/45 Wehrmacht. 1945/49 Bayerische Staatskanzlei, seit 6. September 1949 Leiter des Protokolls im Bundeskanzleramt. 1938 Legationssekretär, 1940 Gesandtschaftsrat; 1945 Oberregierungsrat, September 1946 Regierungsdirektor, 1. Oktober 1949 Ministerialrat, 22. November 1950 Ministerialdirigent. Herwarth v. Bittenfeld galt nach den Gesetzen des Dritten Reiches als „Nichtarier"; er war nicht Mitglied der NSDAP und ist nach Mitteilung des öffentlichen Klägers bei der Spruchkammer München X vom 29. April 1947 vom Befreiungsgesetz nicht betroffen. Die „Frankfurter Rundschau" hat ihm zum Vorwurf gemacht, er sei von den Brüdern Anton und Peter Pfeiffer in die Bayerische Staatskanzlei befördert worden und habe Dr. Schwarzmann nachgezogen. Richtig ist, daß Herwarth v. Bittenfeld im November 1945 durch den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hoegner und den Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Dr. Anton Pfeiffer, in den bayerischen Staatsdienst eingestellt worden ist. Mit dem Eintritt Dr. Schwarzmanns hatte er nichts zu tun; Dr. Schwarzmann war persönlicher Referent von Dr. Anton Pfeiffer. Auch Dr. Schwarzmanns Einstellung in die Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten ist ohne Zutun von Herwarths erfolgt. Bei dieser Sachlage war der Ausschuß der Meinung, daß für ihn nichts zu untersuchen übrigbleibt. Votum Gegen die Weiterverwendung von Herwarth v. Bittenfeld bestehen keine Bedenken. Gründe: In dem gesamten Aktenmaterial ist nichts hervorgetreten, was Herwarth v. Bittenfeld in irgendeiner Weise belastet. Nürnberger Dokumente gegen ihn liegen nicht vor. 9. Kurt v. Kamphoevener Geboren am 17. Juli 1887 in Istanbul, evangelisch, verheiratet, ein Kind. — Referendarprüfung ausreichend, Oxforder Diploma Economics "with distinction", Dolmetscherprüfungen in sechs Sprachen. Laufbahn: 1911 Attaché bei der Botschaft in Madrid, 1913 Gesandtschaft Sydney, 1917/18 Gesandtschaft Sofia, 1918/20 Friedensabteilung des AA, 1920/23 Botschaft London, 1923/26 Konsul in Liverpool, 1926/31 Botschaft Madrid, 1931/45 AA (Völkerbundsreferat, zum Teil in Genf tätig), 1942/45 Wehrmacht. Seit 19. Januar 1950 Referent in der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten, Oktober 1950 Generalkonsulat Istanbul. 1917 Legationssekretär, 1923 Gesandtschaftsrat, 1929 Botschaftsrat, 1931 Vortragender Legationsrat, 1950 Generalkonsul I. Kl. Zuerst Demokrat, dann 1930/33 Mitglied der SPD. 1942/44 Mitglied der NSDAP; Mitglieds-Nr. 8 978 435. Durch Bescheid der Spruchkammer Hamburg vom 21. Dezember 1949 entlastet (Gruppe V). Der Vorwurf der „Frankfurter Rundschau", v. Kamphoeveners Aussage in Nürnberg, er sei 1942 in die NSDAP eingetreten, um für seine Abstellung zur Wehrmacht eine politische Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten, stehe im Gegensatz zu einer Angabe in seinem Lebenslauf, wonach er als politisch unzuverlässig abgeschoben worden sei, hat sich dahin aufgeklärt, daß v. Kamphoevener bei Ribbentrop als politisch unzuverlässig galt, zur Wehrmacht jedoch nur dann kommen konnte, wenn diese Bedenken durch seinen Parteieintritt ausgeräumt wurden. Votum Der Ausschuß erhebt gegen eine Weiterverwendung bis zu der am 17. Juli 1952 (Vollendung des 65. Lebensjahres) in Frage kommenden Pensicnierung keine Bedenken. Gründe: v. Kamphoevener war seiner Gesinnung nach nicht Nationalsozialist. Soweit in den Nürnberger Dokumenten sein Name überhaupt vorkommt, stellen diese in keiner Weise eine Belastung für ihn dar. Er ist trotz seines vorgerückten Alters zur Wehrmacht gegangen, um sich nicht an Handlungen des AA beteiligen zu müssen, die für ihn rechtlich und moralisch nicht tragbar gewesen wären. 10. Rupprecht v. Keller Geboren am 19. März 1910 in Berlin-Schöneberg, katholisch, verheiratet, ein Kind. — Assessorexamen gut, Dr. jur. magna cum laude (Erlangen). Laufbahn: 1936/37 AA, 1937/38 Gesandtschaft Helsinki, 1938/40 Auswärtiges Amt (Vorzimmer des Direktors der Politischen Abteilung), 1940/44 Wehrdienst, 1. Oktober 1944 bis 8. Mai 1945 AA (Referat Pol I M). März 1947 bis November 1948 Hilfs-, später Hauptverteidiger im Nürnberger Juristen-, IG-Farben- und Wilhelmstraßen-Prozeß, Dezember 1948 bis Dezember 1949 Sekretär des Zweizonen - IG - Farben - Entflechtungsausschusses (FARDIP). August 1948 bis August 1949 anwaltschaftlicher Probedienst in Bayern, 2. Januar 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 1937 Attaché, 1942 Vizekonsul, 19. Januar 1951 Legationsrat I. Kl. Mitglied der NSDAP seit 1. April 1940; MitgliedsNr. 8 012 248. Vorher 1933/35 Scharführer der SA-Marine, 1936 NSFK. Durch Spruch der Spruchkammer Starnberg am 26. Mai 1948 entlastet, nachdem er zuerst in Gruppe IV (Mitläufer) eingereiht worden war. Die Vernehmung durch Dr. Schetter am 2. Oktober 1951 hat folgendes ergeben: (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. K. ist Pg. gewesen. Trifft zu. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. v. K. gehörte dem SC an. War Mitglied der KV-Verbindung Rheno-Bavaria, München. Unrichtige Angabe der FR. 3. v. K. habe Entnazifizierungsschwierigkeiten gehabt. Im Sammelverfahren als Mitläufer eingestuft, auf Einspruch ohne mündliche Verhandlung entlastet. Angabe der FR entstellt. 4. Dr. Anton Pfeiffer habe über die Entnazifizierungsschwierigkeiten hinweggeholfen. Unrichtig. Unrichtige Angabe der FR. 5. v. K. sei Anklageassistent in Nürnberg gewesen. Unrichtig. Unrichtige Angabe der FR. 6. v. K. war in Nürnberg Assistent der Verteidigung. Richtig. Keine unrichtige Angabe der FR. Der Untersuchungsausschuß hat Dr. v. Keller in der 14. Sitzung am 12. März 1952 über die Behauptungen der „Frankfurter Rundschau" und über seine Tätigkeit im Ribbentropschen AA vernommen. Dabei hat sich die Richtigkeit der von Dr. Schetter getroffenen Feststellungen ergeben. Es liegt kein Beweis dafür vor, daß Dr. v. Keller durch den damaligen bayerischen Staatsminister Dr. Anton Pfeiffer aus Entnazifizierungsschwierigkeiten herausgeholfen worden sei. Die Angabe, Dr. v. Keller sei zuerst Anklageassistent und dann Verteidiger gewesen, beruht offensichtlich auf einem Irrtum; er ist im IG-Farben-Prozeß nur Assistent der Verteidigung und später Hauptverteidiger gewesen. Hinsichtlich der Tätigkeit Dr. v. Kellers im Ribbentropschen AA ist nichts festgestellt worden, was ihn für den Dienst in der Bundesrepublik als ungeeignet erscheinen lassen könnte. Ribbentrop hatte offenbar ein starkes Mißtrauen gegen Dr. v. Keller. So hat Ribbentrop z. B. seinen Vater, der zuletzt Botschafter in Ankara war, bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst noch nicht einmal zu einem Abschiedsbesuch empfangen, obwohl sich dieser mehrere Tage lang zur Abmeldung in Berlin aufhielt. Schließlich hat der Ausschuß in der genannten Sitzung und in der 19. Sitzung am 27. März 1952 Dr. v. Keller über die Erteilung und die Ausführung seines Auftrages, beim Rademacher-Prozeß als Beobachter des AA tätig zu sein, gehört. Diese Angelegenheit ist bereits in dem Bericht über Dr. Dittmann ausführlicher behandelt, so daß hier darauf verwiesen werden kann. Votum Es bestehen keine Bedenken gegen seine Weiterverwendung. Gründe: Die Angaben der „Frankfurter Rundschau" sind zum Teil (SC, Anklageassistent) unrichtig, zum Teil widerlegt. Die Haltung Dr. v. Kellers während des Rademacher-Prozesses hat jedoch nicht die volle Zustimmung des Ausschusses gefunden. Er hat sich dabei nach Auffassung des Ausschusses zumindest nicht sehr diplomatisch benommen. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß davon abgesehen, Dr. v. Keller als ausdrücklich geeignet zu bezeichnen; er erhebt lediglich gegen dessen Weiterverwendung keine Bedenken. Sympathisch hat es den Ausschuß berührt, daß Dr. v. Keller bei der Vernehmung über seine Beobachterrolle im Rademacher-Prozeß von Anfang an die Wahrheit gesagt hat. 11. Albrecht v. Kessel Geboren am 6. November 1902 in Oberglauche/ Schlesien, evangelisch, ledig. — Referendarexamen ausreichend, diplomatisch-konsularische Prüfung gut. Laufbahn: 1927/30 AA, 1930/32 Botschaft beim Vatikan, 1932/34 Generalkonsulat Kattowitz, 1935 Generalkonsulat Memel, 1935/37 Gesandtschaft Bern, 1937/41 AA, 1941/43 Konsulat Genf, 1943/45 Botschaft beim Vatikan. Bis 1950 Herausgeber einer außenpolitischen Korrespondenz, 17. Mai 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), wenige Tage später dem Generalkonsulat in Paris zugeteilt, seit 12. September 1951 stellvertretender Leiter der deutschen Pleven-Plan-Delegation. 1927 Attaché, September 1934 Legationssekretär, März 1939 Legationsrat II. Kl., 1943 Legations-rat I. Kl., 20. Oktober 1950 Vortragender Legationsrat. Nicht Mitglied der NSDAP. Angleichungsrang im NSKK. Durch Spruch der Spruchkammer 6 in Stuttgart am 7. Januar 1948 entlastet. v. Kessels Vernehmung durch Dr. Schetter führte zu nachstehendem Ergebnis: (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. K. hält engen Kontakt mit Kordt und Etzdorf und hat — — Aussage von Erich Kordt gelesen, die unmittelbar vor seiner eigenen Vernehmung protokolliert wurde. 2. v. K. sollte in Nürnberg auf v. K. sind mehrere hundert Fragen vorgelegt worden, wobei es Sachverhalt durch FR entstellt. die Widerstandstätigkeit des sein kann, daß er 49 Fragen Weizsäckerkreises eingehen. ausweichend beantwortet hat. 49 Fragen wurden an v. K. gestellt. v. K. muß sie verneinen, „war nicht anwesend", „kann sich nicht erinnern". Ein Teil der Fragen enthüllte die Ahnungslosigkeit des Richters, wenn v. K. z. B. gefragt wurde, ob die deutsche Widerstandsbewegung ihre Pläne schriftlich niedergelegt habe. 3. Bei der Vernehmung bleibt — — übrig, daß er eine befreundete Jüdin indirekt gewarnt habe. 4. NSKK-Obersturmführer, der v. K. ist vom damaligen Chef Angabe ist im wesentlichen richtig, auch wenn v. K. nicht zweimal versucht habe, in die NSDAP einzutreten. des Protokolls gerufen worden und habe die Mitteilung erhalten, daß er NSKK-Sturmführer geworden sei. Auf seinen Protest habe der Protokollchef lachend erklärt, es sei unvermeidlich, daß v. K. irgendeine Uniform besitze. NSKK-Dienst habe v. K. nicht geleistet, weil er gar nicht Autofahren kann. NSKK-Obersturmführer, sondern nur NSKK-Sturmführer Beim 1. Antrag zur Aufnahme in die NSDAP hat v. K. betont, er sehe sich als Mitglied des Jungstahlhelms dazu veranlaßt. Er sei sich klar gewesen, daß sein Antrag wegen Herausstellung seiner konservativen war. Grundhaltung wahrscheinlich nicht bearbeitet werden würde, was auch der Fall war. - Zum 2. Antrag sei er auf besonderen Druck Ribbentrops veranlaßt Angabe der FR ist an sich richtig, aber Sachverhalt unvollständig wiedergegeben. worden, der von sämtlichen Mitgliedern des AA verlangte, sie müßten nochmals ein Gesuch auf Aufnahme in die NSDAP stellen und der Personalabteilung eine eidesstattliche Versicherung abgeben, diesen Schritt vollzogen zu haben. Er habe Antrag an falsche Ortsgruppe in Berlin gerichtet, um Zeit zu gewinnen. Ehe sein Gesuch an die zuständige Stelle weitergeleitet war, wurde er ins Ausland versetzt. Wegen seines Auslandsaufenthaltes sei sein Gesuch zu den Akten genommen worden. Der Untersuchungsausschuß hat in der 31. Sitzung am 5. Mai 1952 vormittags zunächst die Frage der Entlastung v. Kessels nachgeprüft und festgestellt, daß dieser den Angleichungsrang im NSKK bekommen hat, um anläßlich italienischer Staatsbesuche in Uniform auftreten zu können. Hinsichtlich der Widerstandstätigkeit v. Kessels hatte Dr. Schetter bereits in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß die Erwähnung v. Kessels im Hasselschen Tagebuch und in Allen W. Dulles' ,,Germany's Underground" nicht als voller Beweis angesehen werden kann und dazu grundsätzlich (Dr. Brill) ausgeführt: „Diese literarischen Veröffentlichungen sind mit besonderer Vorsicht zu verwerten. Sie sind nicht als Beweismaterial geschrieben, sondern als historische und literarische Produktion zur Welt gekommen. Immerhin dürfen sie nicht übersehen werden und können zur Ergänzung anderer Beweismittel herangezogen werden". Der Ausschuß hat es deshalb für richtig gehalten, den Zeugen aufzufordern, konkrete Angaben zu machen. Der Zeuge hat daraufhin eine Unterredung, die er mit dem britischen Legations-rat Harrison unmittelbar nach dem Reichsparteitag 1938 im Diplomatenzuge zu dem Zweck hatte, Botschafter Henderson vor der Kriegspolitik Hitlers zu warnen, wiedergegeben. Außerdem hat der Zeuge mitgeteilt, daß er im Sommer 1939 dem in Dresden kommandierenden General v. Falkenhausen einen konkreten Vorschlag gemacht habe, Hitler anläßlich der Besichtigung einer Bunkerlinie zu beseitigen. Außerdem hat der Untersuchungsausschuß von der Aussage Kenntnis genommen, die v. Kessel am 22. Juli 1948 vor dem Militärgerichtshof Nr. IV zu Fall XI in Nürnberg gemacht hat, und die positiven Angaben v. Kessels über die Beteiligung an den Bestrebungen v. Weizsäckers besonders gewürdigt. Er hat dabei festgestellt, daß ausweichend erscheinende Antworten des Zeugen nach der Art der Fragen nichts Außergewöhnliches darstellen. Votum Der Ausschuß erachtet v. Kessel für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Der Untersuchungsausschuß ist der Meinung, daß in Albrecht v. Kessel ein Mann echten Widerstandes zu sehen ist. Gegen die dienstliche Haltung v. Kessels ist nichts Belastendes hervorgetreten. 12. Theo Kordt Geboren am 8. Oktober 1893 in Düsseldorf, katholisch, verheiratet, keine Kinder. — 1921 Referendarprüfung, Dr. jur. (Köln), Dezember 1923 diplomatisch-konsularische Prüfung unter Vorsitz des Reichsministers Dr. Stresemann. Laufbahn: 1922/24 AA, 1925 Vizekonsul in Neapel, 1926/31 Gesandtschaft Bern, 1931/34 AA (Sekretär des Staatssekretärs v. Bülow), 1934 Gesandtschaft Athen, 1938 Botschaft London, 1939/46 Gesandtschaft Bern, 1947 Lehrauftrag der Rechts- und Staatswissenshaftlichen Fakultät der Universität Bonn, August 1948 Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, danach Beobachter des Landes Nordrhein-Westfalen beim Parlamentarischen Rat, 1. Dezember 1948 Leitung des Referats für internationales Recht beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Mai 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 1926 Legationssekretär, 1934 Gesandtschaftsrat, 1938 Botschaftsrat. 1. August 1939 Mitglied der NSDAP; MitgliedsNr. 7 054 874. Die Angaben des Document Center werden von Dr. Kordt bestritten. Er habe niemals einen Antrag gestellt, 1941 vom Landesgruppenleiter der NSDAP in der Schweiz, Reichsfreiherrn v. Bibrach, zwar eine Anwärterkarte erhalten, aber kein Parteibuch; er sei auch nie vereidigt worden. Durch Spruch der Spruchkammer Bonn-Land im Juni 1947 entlastet (Gruppe V). Die Vernehmung von Dr. Kordt durch Dr. Schetter hatte folgendes Ergebnis: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. K. sei Pg. gewesen und habe dies nicht angegeben, als er im April 1950 in der Dienststelle K. hat nie in Abrede gestellt, im Da K. hiernach nicht Pg. gewesen ist, ist die Behauptung für auswärtige Angelegenheiten tätig geworden sei. Besitz einer Parteianwärterkarte der FR, er habe die Parteizugehörigkeit der Dienststelle für gewesen zu sein. Die implicite auswärtige Angelegenheiten aufgestellte Behauptung, er nicht angegeben, unrichtig. hätte Mitgliedsbuch beantragt und erhalten, ist falsch. 2. K. sei als Botschaftsrat in Er habe keine aus der Britischen Botschaft gestohlenen Dokumente für das Ribbentrop-AA angekauft. Die gegenteilige Behauptung im Artikel ist falsch; damit entfallen die daran angeknüpften Kombinationen. Hiernach ist die Behauptung der FR, K. habe gestohlene Dokumente angekauft, unrichtig. Bern am 3. Dezember 1939 nach Mailand gefahren, um aus der Britischen Botschaft gestohlene Dokumente für das Ribbentrop-AA anzukaufen. Dadurch sei Strafdelikt einer soliden Sachhehlerei erfüllt. Vorgang sei im internationalen diplomatischen Corps absolut ungewöhnlich. 3. Weiterleitung von Spionagetelegrammen mit Angaben von Bombenzielen in England sei nicht unbedingt Aufgabe eines Diplomaten. In der Weiterleitung eines Die Behauptung der FR über Weiterleitung von Spionagetelegrammen, die chiffriert weitergegeben worden sind, entstellt die Tatsache. chiffrierten Diensttelegramms, auf die die FR Bezug nimmt, ist keine Unregelmäßigkeit zu erblicken. Die Behauptung sucht einen unrichtigen Sachverhalt vorzutäuschen und entstellt die Tatsache. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 4. Zeugen der britischen Seite Die Behauptung, die gerichtlichen Aussagen K.s über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus seien von britischer Seite nicht bestätigt worden, ist unrichtig. Die Vernehmungsprotokolle betreffend K. ergeben, daß K. mit der britischen Seite in Verbindung gestanden hat; daher ist Artikel unrichtig. für die Verbindung Kordts zum Foreign Office haben nach dem Kriege nichts von sich hören lassen. Der Untersuchungsausschuß hält die Beteiligung von Dr. Kordt an der Widerstandsbewegung für erwiesen. Er unterstellt, daß sie so, wie in dem Buch von Hans Rothfels „Die deutsche Opposition gegen Hitler", 1. Auflage 1949, auf den Seiten 74 bis 76, Seite 158, und in dem Abschnitt „Anmerkungen" auf Seite 219 dargestellt wird, nach Sinn und Tendenz den Tatsachen entspricht (vgl. Anlage 2, XI Seite 72 der Drucksache Nr. 3465). Außerdem hat der Ausschuß den Brief Lord Halifax' vom 9. August 1947 als echt anerkannt und als richtig unterstellt (vergl. Anlage 2, XII Seite 73 der Drucksache Nr. 3465). Der Aufsatz von Hans Rothfels „International aspects of German opposition to Hitler" ist vom Ausschuß nicht geprüft worden, dagegen hat er einen kurzen Vortrag des Berichterstatters über den wesentlichen Inhalt der Aussagen gehört, die Dr. Kordt am 14. und 15. Juli 1948 vor der Kommission I des Militärgerichtshofes Nr. IV zu Fall XI in Nürnberg gemacht hat. Dem Untersuchungsausschuß hat eine beglaubigte Abschrift des Telegramms vorgelegen, durch das der damalige Botschaftsrat bei der Gesandtschaft in Bern, Dr. Kordt, angewiesen worden ist, sich zur Prüfung von Material, das durch den italienischen Heizer aus der Britischen Botschaft in Rom gestohlen und zum Kauf angeboten worden war, nach Mailand zu begeben (vergl. Anlage 2, XIII Seite 74 der Drucksache Nr. 3465). Dr. Kordt hat dazu bei seiner Vernehmung in der 28. Sitzung erklärt, daß er die Echtheit der Dokumente an der ihm bekannten Handschrift von Lord Perth (Sir Eric Drummond) erkannt und nur zweimal je zwanzig Minuten Gelegenheit hatte, Stichproben zu machen. In seinem Bericht habe er es als wünschenswert bezeichnet, das Material in deutsche Hand zu bekommen. Auf Vorhalt hat Dr. Kordt zugegeben, daß eine solche Tätigkeit im allgemeinen nicht zu den Aufgaben eines Diplomaten gehöre, sich jedoch damit verteidigt, daß sich Deutschland damals im Kriege befand. Dem Zeugen sind weiter die dechiffrierten Telegramme des deutschen Gesandten in Dublin, die Nachrichten der Gegenspionage enthalten, vorgelegt worden. Er hat zugegeben, diese Nachrichten an das AA weitergeleitet zu haben, sich aber mit der nicht widerlegbaren Tatsache verteidigt, daß ihm der chiffrierte Inhalt nicht bekannt und eine Dechiffrierung in Bern im übrigen in keiner Weise möglich gewesen sei. Der Umstand, daß alle Telegramme etwa fünf Tage lang in Bern gelegen haben, bevor sie nach Berlin weitergegeben worden sind, ist vom Zeugen mit der Überlastung des Berner Chiffrierbüros erklärt worden. Votum Der Ausschuß hält Dr. Theo Kordt für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Der Ausschuß sieht in Dr. Kordt einen Mann echten Widerstandes. Hinsichtlich der Weitergabe der Telegramme der Gesandtschaft in Dublin trifft ihn kein Vorwurf, da ihm der Inhalt dieser Nachrichten unbekannt war. Sein Verhalten in der Angelegenheit des Dokumentenankaufs in Mailand entspricht nicht normalen diplomatischen Aufgaben und Gepflogenheiten. Der Ausschuß stützt sich bei dieser Beurteilung auf das eigene Urteil des Zeugen. Da aber gerade ein Angehöriger der Widerstandsbewegung verschiedener Meinung darüber sein konnte, bis zu welchem Grade Widerstand gegen ein diktatorisches Regime ohne Verletzung der Interessen seines Vaterlandes ausgedehnt werden darf, hält es der Ausschuß nicht für widerlegbar, daß Dr. Kordt als Politiker und Beamter in gutem Glauben gehandelt hat. 13. Hans Ulrich v. Marchtaler Geboren am 12. Oktober 1906 in Berlin, evangelisch, verheiratet, keine Kinder. — Referendar-, Assessor- und Doktorprüfung mit „ausgezeichnet" (sämtlich in Tübingen); diplomatisch-konsularische Prüfung als einziger mit „vorzüglich". Laufbahn: August 1932 Referent im Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht in Berlin, Februar 1934 Attaché im AA, 1935/36 Gesandtschaft in Budapest, 1936/38 AA (Büro des Reichsaußenministers Freiherrn v. Neurath), 1938 Vertretung des Gesandten in Dublin, September 1938 bis 1945 Botschaft Tokio. Blieb bis April 1948 ohne automatischen Arrest in Japan und kehrte im Dezember 1948 in die Schweiz zurück. 15. Oktober 1949 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), Sommer 1950 bis Mai 1951 deutscher Verhandlungsausschuß für den Schumanplan in Paris, 12. Juni 1951 Botschaft Rio de Janeiro. 1936 Legationssekretär, 1940 Gesandtschaftsrat, 1950 Legationsrat I. Kl. Mitglied der NSDAP seit 1940. Durch Bescheid der Denazifizierungskammer Iserlohn vom 19. August 1948 entlastet (Gruppe V). Die „Frankfurter Rundschau" wirft Dr. v. Marchtaler vor, er habe sich nach der Besetzung Tokios durch die Amerikaner der Besatzungsmacht als Zeuge gegen seine Kollegen angeboten. Am 19. September 1951 hat Dr. v. Marchtaler von Rio de Janeiro aus die dienstliche Erklärung abgegeben, daß er sich niemals angeboten habe, sondern — wie alle Beamten — geholt worden und für seine ehemaligen Kollegen eingetreten sei. (Dr. Brill) Votum Gegen die weitere Verwendung von Dr. v. Marchtaler bestehen keine Bedenken. Gründe: In den zur Verfügung stehenden Akten und in sämtlichen vom Ausschuß geprüften Materialien ist nichts für Dr. v. Marchtaler Nachteiliges hervorgetreten. Auch seine Erklärung über sein Verhalten bei den Verhören durch die amerikanische Besatzungsmacht in Tokio erscheint dem Ausschuß glaubwürdig. 14. Wilhelm Melchers Geboren am 20. Januar 1900 in Bremen, evangelisch-reformiert, ledig. — 1923 Referendarprüfung, Jena 1924 Dr. jur. cum laude, 1927 diplomatisch-konsularische Prüfung genügend. Laufbahn: 1924/25 Zweigstelle für Außenhandel des AA in Bremen, 1925/27 AA, 1927/31 Gesandtschaft Addis Abeba, 1931/34 AA, 1934/35 Botschaft Tokio, 1935/37 Gesandtschaft Teheran, 1938/39 Konsul in Haifa, 26. Oktober bis 10. Dezember 1939 Gesandtschaft Bern, 11. Dezember 1939 bis Mai 1945 AA (Politische Abteilung, Referat Vorderer Orient). 1946/48 Evangelisches Hilfswerk in Bremen, Juni 1948 bis Dezember 1949 Senat der Hansestadt Bremen, seit 6. Dezember 1949 Bundeskanzleramt (Organisationsbüro, Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), später AA. 1925 Attaché, 1931 Legationssekretär, 1937 Konsul, 1940 Legationsrat I. Kl., 1943 Vortragender Legationsrat, 16. März 1951 erneut VLR. Mitglied der NSDAP seit 1. September 1939, Mitglieds-Nr. 7 077 242. Entlastet durch Bescheid der Spruchkammer Bremen vom 13. April 1948. Die Vernehmungen von Dr. Melchers durch Dr. Schetter haben zu folgendem Ergebnis geführt: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. M. sei Pg. und VLR bis 1945 gewesen. — — 2. M. hat bei Ribbentrop Proteste des Mufti entgegengenommen, der immer nur gekommen sei, „wenn mal ein paar Juden gerettet werden sollten." Es sei richtig, daß der Mufti ihn (M.) als Referenten für den Vorderen Orient aufgesucht hat, um dagegen zu protestieren, daß Behauptung der FR an sich richtig, jedoch entstellt, da durch bulgarischen und rumänischen FR Eindruck erweckt werden Juden freies Geleit über die Türkei nach Palästina gewährt werde. M. hat die Proteste niemals irgendwie gefördert oder unterstützt, so daß der Mufti sie meist schriftlich im Ministerbüro einreichte. soll, als käme es auf einen Juden mehr oder weniger nicht an. 3. Der Name M. erscheint ab 1943 auf dem Verteilerschlüssel für Telegramme des AA. Ist auf Antrag von M. hin auf den Verteilerschlüssel gesetzt worden, um breitere Informationen zu bekommen. Behauptung der FR an sich richtig, jedoch ohne Bedeutung. 4. Es klingt unglaubhaft, daß M. eidlich behauptet, sein Amt Das AA hat in eigener Zuständigkeit mit Terror- und Deportationsmaßnahmen gegenüber Juden nichts zu tun gehabt; es sei lediglich als Nachrichtenmittler zuständiger innerer Stellen an Stellen im besetzten und neutralen Ausland tätig gewesen. Die Angabe der FR enthält nach der Einlassung von M. eine unrichtige Meinungsäußerung. habe mit Terror und Deportation nichts zu tun gehabt. 5. Auf Vorhalt von Dokumenten ist M. eines anderen belehrt worden. M. wurden Dokumente überhaupt nicht vorgelegt. Lediglich ein Telegramm wurde produziert mit einer Randverfügung „Pol. VII z. g. Kts.". Diese Verfügung war mit einem Faktum durchkreuzt ohne seine Paraphe. Kempner habe sich von ihm mit den Worten verabschiedet: „Sie sind ein weißer Rabe". Angabe der FR ist danach unrichtig. 6. M. habe beim Verhör die Die durch das AA gegangenen Angabe der FR entstellt. gleiche Formulierung wie v. Nostitz gebraucht, „er sei nur Postbote gewesen". Dokumente, die sich mit Terror- und Deportationsmaßnahmen beschäftigten, sind nur Übermittlungs- oder sog. Inseraturtelegramme gewesen. (Dr. Brill) Dr. Melchers ist in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 22. Februar, der 12. Sitzung am 29. Februar und der 31. Sitzung am 5. Mai 1952 nachmittags vernommen worden. Der Untersuchungsausschuß hat sich zunächst mit der politischen Tätigkeit Dr. Melchers' während der Kriegszeit beschäftigt. Dabei hat er insbesondere festgestellt, daß die Tatsache, daß Dr. Melchers Proteste des Mufti, die den Abtransport von Judenkindern aus Rumänien nach Palästina betrafen, seinen Dienstvorgesetzten vorgelegt hat, nicht zu beanstanden ist, weil Dr. Melchers a) außer dieser geschäftsleitenden keinerlei sachbearbeitende Tätigkeit ausgeübt hat und b) selbst ein ablehnendes Votum von Melchers an der Judenvernichtung durch die SS nichts hätte ändern können; daß Dr. Melchers in dem neu errichteten Konsulat in Haifa unter den schwierigsten Umständen eine anerkennenswerte Tätigkeit ausgeübt hat; daß Dr. Melchers zum engsten Kreise der Widerstandsgruppe innerhalb des AA gehört hat und sich während des ganzen 20. Juli 1944 im AA bereit hielt, um nach der Beseitigung Hitlers am Aufbau einer neuen Regierungsgewalt in Deutschland mitzuarbeiten; eine von Dr. Melchers am 28. Februar 1946 verfaßte Darstellung seiner Teilnahme an der Widerstandsbewegung wird in Anlage 2 als Dokument Nr. XIV diesem Bericht beigegeben (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 76). In den weiteren Sitzungen hat sich der Untersuchungssausschuß mit der Tätigkeit von Dr. Mel-chers im Organisationsbüro beschäftigt und dabei im wesentlichen die gleichen Feststellungen getroffen, wie sie sich bereits aus der Vernehmung von Dr. Haas ergeben hatten. Insbesondere ist die Frage geprüft worden, warum erst in einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt die Einschaltung des Document Center erfolgt ist. Dabei hat sich herausgestellt, daß der Zeuge von der Existenz des Document Center erst durch den Verkehr mit dem Petersberg erfahren hat und Einzelfälle die Veranlassung zur Heranziehung des Document Center gewesen sind, während man sich im übrigen auf alte Bekanntschaften, das eigene Urteil, formlose kollegiale Besprechungen usw. verlassen hat. Mit Dr. Melchers ist in der zweiten und dritten Vernehmung sodann eine große Anzahl von Einzelfragen besprochen worden, u. a. auch die der oberen (gehobenen mittleren) Beamten. Bei der engen Zusammenarbeit von Dr. Haas und Dr. Melchers ist es verständlich, daß die Vernehmung das gleiche Ergebnis hatte wie die von Dr. Haas, über die oben bereits Mitteilungen gemacht worden sind. In der letzten Vernehmung von Dr. Melchers hat der Ausschuß versucht, der Behandlung der Bewerbung des jetzigen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Otto John, auf den Grund zu gehen. Es steht fest, daß sich Dr. John um die Jahreswende 1949/50 beworben hat, am 7. Januar 1950 auch der Nürnberger Verteidiger Helmut Becker um eine Auskunft über Dr. John gebeten worden ist, die von Becker umgehend gegeben worden ist. Der Untersuchungsausschuß hat ferner festgestellt, daß ein Verwandter des am 20. Juli 1944 getöteten Generalobersten Beck, Rudolf Beck, sich am 3. März 1950 günstig über Dr. John geäußert hat, Dr. John selbst zwischenzeitlich, nämlich im Februar 1950, im AA vorgesprochen hat, daß sich Bundesminister Kaiser später für Dr. John verwendet hat — und trotzdem keine Entscheidung des AA über die Einstellung von Dr. John erfolgt ist. Dr. Melchers erklärte zu dem Komplex Dr. John, daß er sich völlig frei davon fühle, Dr. John bewußt oder unbemußt irgendwelche Nachteile zugefügt zu haben. Votum Der Ausschuß erhebt gegen die Weiterverwendung von Dr. Melchers keine Bedenken, spricht sich jedoch gegen seine Verwendung in der Personalabteilung und gegen jede Einflußnahme auf diese durch ihn aus. Der Ausschuß empfiehlt der Bundesregierung eine genaue Durchsicht des Protokolls vom 5. Mai 1952 über die Vernehmung von Dr. Melchers vor dem Ausschuß. Gründe: Der Untersuchungsausschuß hat über die persönliche Integrität von Dr. Melchers keine Zweifel. Er sieht in seiner Haltung innerhalb des Kreises der Männer des 20. Juli 1944 eine echte Widerstandshandlung. Der Ausschuß hat jedoch den Eindruck, daß sich die amtliche Tätigkeit von Dr. Melchers während des letzten Krieges unter einem außerordentlich eingeengten Horizont abgespielt hat. Auch die Tätigkeit von Dr. Melchers im Organisationsbüro und in der Personalabteilung des AA hat offensichtlich unter einer bestimmten Beschränktheit der Aspekte gelitten. Die Aussagen von Dr. Melchers im Falle Dr. Otto John bedürfen der Nachprüfung unter dem Gesichtspunkt der Dienstpflicht des Beamten, sich bei allen dienstlichen Äußerungen der Wahrheit zu befleißigen. Selbst wenn, wie der Untersuchungsausschuß anzunehmen geneigt ist, Dr. Melchers subjektiv die Wahrheit gesagt hat, bleibt zu untersuchen, welche Schlüsse aus dem mangelnden Erinnerungsvermögen zu ziehen sind. 15. Gottfried v. Nostitz-Drzewiecki Geboren am 19. August 1902 in Dresden, evangelisch-lutherisch, ledig. — 1925 Referendarprüfung gut oder sehr gut (Unterlagen fehlen), Ende 1929 diplomatisch-konsularische Prüfung gut. Laufbahn: 1927/30 AA, 1930/33 Gesandtschaft Belgrad, 1933/34 AA, 1934/38 Gesandtschaft Wien, 1938/40 AA, 1940/45 Konsulat Genf. 1. August 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 1934 Legationssekretär, 1939 Legationsrat II. Kl., 1941 Konsul II. Kl. Mitglied der NSDAP seit 1941; Mitglieds-Nr. 8 156 544. Seit 1938, im NSKK. - v. Nostitz hat dazu folgende Erklärung abgegeben: (Dr. Brill) „1942 erhielt ich die Mitteilung von meiner Annahme als Parteianwärter, 1943 Parteiabzeichen und -karte. Da ich aber weder vereidigt wurde, noch das Mitgliedsbuch erhielt oder beantragte, bin ich nicht Parteimitglied geworden." Durch Bescheid der Spruchkammer Wolfratshausen/Isar vom 21. April 1947 entlastet (Gruppe V). Die Erhebungen von Dr. Schetter haben folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. N. sollte zur Botschaft Paris versetzt werden, französische Der französischerseits geäußerte Artikel erweist sich nach Einlassung von N. als unrichtig. Regierung verweigerte trotz Verdacht, daß v. N. mit SD zusammengearbeitet habe, ist widerlegt. Auf Anweisung des Entnazifizierung Visum mit Begründung, N. habe als Konsul II. Kl. in Genf mit SD zusammengearbeitet. franz. Innenministeriums erhielt v. N. das Einreisevisum. Die Behauptung der Zusammenarbeit mit dem SD ist daher objektiv unrichtig. 2. „Ballettmeister" Erich Kordt Behauptung ist objektiv unrichtig. Behauptung der FR ist objektiv unrichtig. habe v. N. für den Nürnberger Prozeß einstudiert. 3. v. N. hat während der Nürnberger Prozesse dauernd Verbindung mit Kordt, Etzdorf v. N. war im Interesse der Erforschung der Wahrheit darauf Behauptung der FR wird im wesentlichen als nicht unrichtig zu bezeichnen sein, abgesehen davon, daß dieser Behauptung keine besondere Bedeutung beizumessen ist. und Kessel gehabt, Protokolle der anderen eingesehen, die bedacht, sein Gedächtnis über ihm sogar nach Stuttgart geschickt worden sind. v. N. jahrelang zurückliegende Vorgänge aufzufrischen. Mangels schickt seine eigenen Affidavits in mehreren Exemplaren herum. Unterlagen hat er Kontakt mit anderen aufgenommen und Protokolle eingesehen, die ohnehin jedem zugänglich waren. 4. v. N. steht im Tagebuch v. N. hat v. Weizsäcker schon v. Hassell gegenüber verteidigt. v. N. war nach den zahlreichen Notizen v. Hassells einer seiner politischen Vertrauten, wie durch den Sohn v. Hassels, Wolf-Ulrich v. Hassell, bestätigt werden kann. Behauptung der FR ist im wesentlichen zutreffend, enthält v. Hassels und zeigte damals starke Tendenz, Weizsäcker zu verteidigen. aber sonst keine wesentlichen Dinge. 5. v. N. hat Bombardierung der offenen Stadt Warschau befürwortet und vorgeschlagen. Diese Behauptungen sind objektiv unrichtig. v. N. wurde im Referat Pol. I M im Mai 1940 seiner Stellung enthoben, weil er sich mit Erfolg bemüht hat, Brüssel vor einer Bombardierung zu bewahren. Seine Haltung im Falle Brüssel ist in zwei Publikationen erwähnt. Nach Einlassung von N. sind die Behauptungen der FR unrichtig. 6. v. N. habe das Angebot des Die Behauptungen sind objektiv unrichtig. Nach Einlassung von N. sind Behauptungen der FR objektiv unrichtig. Papstes, Weihnachten 1939 eine Waffenruhe zu veranstalten, hinhaltend behandelt, damit es nicht zu einer Waffenruhe kommt. 7. v. N. habe in seinen Vernehmungen zwanzigmal erklärt, Die FR hat übersehen, daß von den 20 Antworten 11 Antworten auf Suggestivfragen Kempners gewesen sind,. dem es im Kreuzverhör darauf ankam, die Person von N. zu diffamieren. Die diesbezüglichen Sätze in dem Artikel entstellten deshalb die Protokollauszüge. Nach Einlassung von N. ist die Darstellung der FR unvollständig und entstellt damit die Tatsachen. er erinnere sich nicht. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 8. v. N. sei Pg. und Konsul II. Kl. gewesen, will aber „nur Postbote" gewesen sein. Diese Bemerkung „nur Postbote" ist nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Genf, sondern mit der Tätigkeit im Referat Pol. I M gemacht worden. Laut Protokoll hat v. N. erklärt, das Referat Pol. I M sei in sehr vielen Dingen ein Postbote, ein Übermittler von Mitteilungen gewesen; das trifft zu. Artikel enthält eine Halbwahrheit und entstellt den Sachverhalt. 9. Wie viele biedere „Postbeamte" waren wohl bei ihrer Entnazifizierung in der Lage, 35 „Persilscheine" vorzulegen, wie sie v. N. nötig zu haben glaubte? Die FR unterläßt, anzugeben, Die Angabe der FR ist unvollständig, vermittelt ein falsches Bild und entstellt damit die Tatsachen. daß sich unter diesen Zeugnissen 7 Zeugnisse von Hinterbliebenen und sonstigen Überlebenden des 20. Juli 1944, 18 Zeugnisse angesehenster Ausländer und nur 5 Zeugnisse von früheren Angehörigen des AA befanden. Der Untersuchungsausschuß hat sich bei der Vernehmung v. Nostitz' in der 19. und 27. Sitzung am 27. März und 23. April 1952 insbesondere mit der Haltung des Zeugen in Bezug auf das Bombardement von Warschau und den Waffenruhe-Vorschlag, den der Papst Weihnachten 1939 gemacht hatte, beschäftigt. Er hat festgestellt, daß diese Beschuldigungen falsch sind. Der Zeuge hat bei der ganzen Frage, ob Warschau bombardiert werden soll, überhaupt nicht mitgewirkt und sich später der Bombardierung der offenen Stadt Brüssel widersetzt. — Bei der Behandlung des vom Papst unterbreiteten Vorschlages einer Waffenruhe Weihnachten 1939 trifft v. Nostitz keine Schuld, da ihm von diesem überhaupt nichts bekannt geworden ist. Es ist richtig, daß die Akten v. Nostitz' eine ungewöhnlich große Zahl von Affidavits enthalten. v. Nostitz hat zugegeben, daß er sich diese zur Stützung und Kontrolle seines Gedächtnisses beschafft habe. Einen besonderen Plan habe er dabei nicht verfolgt. v. Nostitz hat an den Bestrebungen des Widerstandskreises im alten AA teilgenommen. Seine wiederholten Reisen von Genf nach Berlin erklären sich aus dem Wunsch, das Unternehmen zu stützen und religiöse Bedenken der Attentäter zu zerstreuen. So war er am 6. Juli 1944 in Berlin anwesend, als die Umsturzpläne von Graf Peter York, Graf Fritz-Dietloff v. d. Schulenburg, Adam Trott zu Solz, Werner v. Haeften und Graf Berthold Stauffenberg besprochen wurden. Die von der „Frankfurter Rundschau" angegebene Tatsache, daß v. Nostitz im Jahre 1950 durch den Französischen Hohen Kommissar die Einreise nach Frankreich verweigert worden ist, konnte aufgeklärt werden. Zu der in den Akten v. Nostitz' befindlichen Notiz, daß sich Ministerialdirektor Blankenhorn geweigert habe, zugunsten v. Nostitz' zu intervenieren, hat Blankenhorn selbst eine Erklärung abgegeben, die in Anlage 2 als Dokument Nr. XV abgedruckt ist (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 89). Unterdessen hat v. Nostitz auch ein französisches Einreisevisum erhalten. Die Frage, ob sich der Zeuge beim Verhör in Nürnberg unwürdig verhalten habe, wurde vom Untersuchungsausschuß verneint. v. Nostitz mußte 141 Fragen beantworten; auf 20 von ihnen hat er erklärt, sich nicht erinnern zu können, wobei 11 von diesen 20 Fragen Suggestivfragen gewesen sind. Votum Der Ausschuß hält v. Nostitz für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Der Ausschuß sieht in v. Nostitz einen Mann echten Widerstandes. Die Behauptungen über das Bombardement von Warschau und den Vorschlag einer Waffenruhe Weihnachten 1939 durch den Papst haben sich als gegenstandslos erwiesen. Das gleiche gilt für die Verdächtigungen des Französischen Hohen Kommissars. Die Sammlung von Affidavits erscheint zwar bedenklich, ist in der Situation der ersten Nachkriegsjahre jedoch verständlich und entschuldbar. Das gleiche gilt für die Haltung v. Nostitz' bei den Nürnberger Verhören. 16. Peter Pfeiffer Geboren am 3. Februar 1895 in Speyer, katholisch, ledig. — Referendarexamen Mai 1922 „bestanden", Assessorexamen Dezember 1924 gut, diplomatisch-konsularische Prüfung Januar 1928 gut. Laufbahn: 1926/28 AA, Februar bis November 1928 Gesandtschaft Prag, November 1928 bis Februar 1930 AA (Ministerbüro), Februar 1930 bis August 1934 Botschaft Moskau, September 1934 bis September 1938 Botschaft Paris, Oktober 1938 bis Oktober 1940 Botschaft Rom, November 1940 bis November 1941 Gesandschaft Tirana, Februar bis November 1942 Generalkonsulat Algier, November 1942 bis März 1944 interniert, August 1944 bis April 1945 AA. 1945/46 automatischer Arrest, seit 16. November 1949 Bundeskanzleramt (Leiter des Deutschen Büros für Friedensfragen), später Leiter der Ausbildung der Anwärter des Auswärtigen Dienstes. (Dr. Brill) 1929 Legationssekretär, 1938 Gesandtschaftsrat II. Kl., 1941 Generalkonsul, 1942 Generalkonsul I. Kl. Mitglied der NSDAP seit Ende 1941; MitgliedsNr. 8 128 186. In öffentlicher Verhandlung der Spruchkammer München am 4. Mai 1948 entlastet (Gruppe V). Die Vernehmung durch Dr. Schetter führte zu folgendem Ergebnis: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Pf. sei Pg. gewesen. Trifft zu, daß Mitglied laut Mitgliedskarte vom Dez. 1940, die ihm im April 1941 ausgehändigt wurde. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. Pf. ist NS-Generalkonsul in War Deutscher Generalkonsul Kein wesentlich unrichtige Angabe der FR. Algier gewesen. in Algier. 3. Von Pf. stammt der viel belächelte Funkspruch nach der Landung der Alliierten in Telegramm ist unvollständig Unrichtige Angabe der FR wird Nordafrika: wiedergegeben. Den Wortlaut besitzt Pf. nicht mehr. Nach seiner Erinnerung hatte Telegramm folgenden Inhalt und Aufbau: „Ich erfahre, daß zwischen allifierten Landungstruppen und französischem Kommando Waffenstillstand für Algier abgeschlossen worden ist, amerikanische Gefangene sind freigegeben. Die Stadt ist ruhig, lediglich im Hafen brennt durch deutsche Bomber in Brand gesetztes Benzinlager. Haben Geheimsachen verbrannt, werden jetzt Chiffriermaterial und -gerät vernichten." Telegramm kam in Berlin mit dem Schluß an: „Sieg Heil Führer und Deutschland. Pfeiffer". Pf. übernimmt kaum behauptet werden können. Stadt unter Artilleriefeuer. für diese Form und Fassung Dies ist mein letztes Telegramm. Es lebe der Führer. Verantwortung, obwohl sie nicht ganz dem Original in Algier entspricht. Pfeiffer." 4. Peter und Anton Pfeiffer beförderten v. Herwarth in Peter Pf. war nach 1945 mangels jeder amtlichen Stellung nicht in der Lage, irgend jemanden in die Bayerische Staatskanzlei „zu befördern". Angabe der FR ist als unrichtig zu bezeichnen. Bayerische Staatskanzlei. 5. FR spricht von Dozentenposten der Diplomatenschule Es gibt keine ständigen Dozenturen. Es werden von Fall zu Fall nur fachkundige Personen zu Vorträgen eingeladen. Angabe der FR entstellt. für v. Rintelen und Erich Kordt. Der Untersuchungsausschuß hat Peter Pfeiffer in seiner 30. Sitzung am 25. April 1952 gehört. Über die Tatsache seiner auffallend guten Beurteilung durch die Parteistellen der NSDAP befragt, hat der Zeuge erklärt, diese gehe auf den ersten Landesgruppenleiter in Italien, Ehrich, zurück und sei dann in den Akten immer wieder abgeschrieben worden. Daß er, „obwohl praktizierender Katholik", 1944 zum Botschaftsrat in Paris vorgesehen war und auch entsandt werden sollte, hat Pfeiffer erst durch den Untersuchungsausschuß erfahren. Pfeiffer hat sich damals zur Wehrmacht gemeldet; seine Abstellung wurde jedoch abgelehnt. Text und Umstände der Absendung des letzten Telegramms aus Algier hat der Zeuge dem Untersuchungssauschuß genau so dargestellt wie in der früheren Zusammenstellung von Dr. Schetter angegeben. Wegen der Anstellung Herwarth v. Bittenfelds in der Bayerischen Staatskanzlei wird auf den Bericht über diesen verwiesen. Dem Ausschuß war bekannt, daß v. Rintelen nur ein einziges Mal als Dozent in Speyer tätig gewesen ist. Der Untersuchungsausschuß hat anerkennend zur Kenntnis genommen, daß Pfeiffer in keiner Weise zu behaupten versucht, mit den Männern des Widerstandes, denen er seine höchste Achtung bezeugt, in Verbindung gestanden zu haben. (Dr. Brill) Votum Der Ausschuß erhebt gegen die Weiterverwendung von Peter Pfeiffer keine Bedenken, empfiehlt jedoch, im ersten Jahre keine Verwendung im Ausland in Aussicht zu nehmen, zumal der Zeuge dem Ausschuß erklärt hat, daß sein Wunsch zunächst nicht auf eine solche Verwendung gerichtet sei. Gründe: Abgesehen von der nicht restlos aufzuklärenden Absendung des letzten Telegramms aus dem Generalkonsulat in Algier sind keine Umstände zutage getreten, aus denen bewiesen werden könnte, daß sich Pfeiffer während des Dritten Reiches menschlich, moralisch oder juristisch nicht korrekt verhalten habe. Der Ausschuß hat gegen eine Weiterverwendung insbesondere auch deshalb keine Bedenken, weil es sich bei Pfeiffer offensichtlich um einen gut begabten und gebildeten Mann handelt (er beherrscht fünf Fremdsprachen, u. a. Italienisch und Russisch). 17. Werner Schwarz Dr. Schwarz war von 1923 bis 1937 im Auswärtigen Dienst des ehemaligen Deutschen Reiches und wurde 1937 entlassen, weil er mit einer sogenannten Nichtarierin verheiratet war. Dr. Schwarz ist in der 6. Sitzung des Ausschusses am 13. Februar, in der 7. am 14. Februar und in der 11. Sitzung am 22. Februar 1952 vernommen worden. In seiner Vernehmung durch Herrn Dr. Schetter am 30. Oktober 1951 hat Dr. Schwarz bereits gesagt, daß seine Aufgaben, nachdem er im Januar 1950 in die Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten im Bundeskanzleramt eingetreten war, hauptsächlich auf den Gebieten der Verwaltung und der Organisation lagen, er von Dr. Haas aber auch mit zur Beratung von Personalangelegenheiten herangezogen worden ist. Später habe er Nachwuchsfragen bearbeitet. Der Zeuge Dr. Schwarz ist zuerst zu der Frage der oberen (gehobenen mittleren) Beamten vernommen worden. Er hat bestätigt, daß mit seiner Zustimmung der inzwischen verstorbene Himke, Loeper und Papenfuß (Kanzler im früheren Auswärtigen Dienst) berufen worden seien, um den Personalkörper der oberen (gehobenen mittleren) Beamten aufzubauen. Diese haben unter der Verantwortlichkeit von Dr. Kreutzwald und mit Hilfe von Damerau an ehemalige Kollegen privat brieflich die Aufforderung zum Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst gerichtet. Als ihm aufgefallen sei, daß dadurch eine größere Anzahl von Pg.s reaktiviert wurde, habe er die Sache abgestellt. Um neue Kräfte zu gewinnen, seien dann im Dezember 1951 die Landesregierungen aufgefordert worden, jüngere Beamte aus der Regierungsinspektorenlaufbahn zu veranlassen, sich für den Auswärtigen Dienst zu melden. Dr. Schwarz hat es sodann für richtig gehalten, dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses „privat" mitzuteilen, daß der neue Leiter der Personalabteilung, VLR Dr. Wilde, Mitglied der NSDAP gewesen sei. Der Vorsitzende hat darauf gedrungen, daß ihm diese Mitteilung offiziell gemacht wurde. Dr. Wilde ist in der 11. Sitzung am 22. Februar 1952 durch den Ausschuß vernommen worden und hat dabei dem Sinne nach erklärt: Seit meinem 11. Lebensjahre habe ich sehr aktiv an der katholischen Jugendarbeit teilgenommen und diese Tätigkeit, obgleich ich mich im juristischen Vorbereitungsdienst befand, auch im „Dritten Reich" fortgesetzt. Nach einem Zusammenstoß mit der Geheimen Staatspolizei bin ich 1935 nach Genf gegangen und wurde dort, obgleich ich mich mit Emigrantenkreisen angefreundet hatte, vom Ortsgruppenleiter der NSDAP aufgefordert, in die Partei einzutreten. Ich habe dem Mann erklärt, daß ich aus grundsätzlichen weltanschaulichen Gesichtspunkten nicht der NSDAP beitreten könne. Damit ich meinen Vorbereitungsdienst beenden könnte, bot mir der Ortsgruppenleiter an, einen Aufnahmeantrag zu unterschreiben, und versprach mir dabei ausdrücklich in die Hand, daß er diesen Antrag nicht weitergeben werde. Ich bin nach Deutschland zurückgekehrt und habe 1939 den Assessor gemacht. Ich habe niemals eine Mitgliedskarte erhalten, niemals Beiträge gezahlt noch mich sonstwie für die NSDAP betätigt. Im Gegenteil hatte ich im Reichswirtschaftsministerium sofort wieder Schwierigkeiten mit der NSDAP. Als ich zum Regierungsrat ernannt werden sollte, legte der Stab Heß sein Veto ein und erklärte, daß ich weder der Partei noch einer ihrer Gliederungen angehöre und außerdem jedes Interesse an von der Partei betreuten Organisationen vermissen lasse. Ich habe mich dann in die Militärverwaltung geflüchtet. Meine Ernennung zum Regierungsrat hat sich über zwei Jahre verzögert. Der Ausschuß hat nach der Vernehmung von Dr. Wilde beschlossen: Die Darlegungen von Dr. Wilde werden vom Ausschuß als glaubwürdig angesehen. Für den Ausschuß gilt die Angelegenheit als erledigt. Votum Dr. Schwarz ist nicht geeignet zur Weiterverwendung in der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes; im übrigen werden gegen seine Verwendung keine Bedenken erhoben. Gründe: Der Ausschuß möchte die Tatsache, daß Dr. Schwarz zu den aus sogenannten rassischen Gründen Verfolgten gehört, anerkennen und spricht sich deshalb für seine Weiterverwendung aus. Die Art seiner Tätigkeit im Organisationsbüro und die Dr. Wilde zugefügte Belastung lassen Dr. Schwarz jedoch als ungeeignet für eine Tätigkeit in der Personalabteilung erscheinen. 18. Hans Schwarzmann Geboren am 16. Februar 1913 in Aschaffenburg, evangelisch, verheiratet, vier Kinder. — 1935 Referendarprüfung gut, 1936 Diplom-Volkswirt fast gut, 1936 Dr. jur. cum laude (Erlangen), keine Berufsprüfung für den Auswärtigen Dienst. (Dr. Brill) Laufbahn: Februar bis April 1940 AA (Wirtschaftsabteilung), 16. April bis Mitte 1940 Gesandtschaft Kopenhagen (nach der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen), 25. August 1940 bis 1. November 1941 AA (Ministerbüro Ribbentrop), 1. November 1941 bis 1. Februar 1942 Generalkonsulat Casablanca, anschließend bis 9. November 1942 Generalkonsulat Algier, November 1942 bis Frühjahr 1944 Internierung, Juni 1944 bis April 1945 Wehrmacht. Dezember 1947 bis 31. Juli 1950 Bayerische Staatskanzlei, 2. August 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 29. Mai 1941 Legationssekretär, 30. April 1944 Legationsrat, 30. November 1949 Regierungsrat auf Widerruf, 27. März 1950 Regierungsrat auf Lebenszeit, jetzt noch aus dem bayerischen Staatsdienst in das AA abgeordnet. Die Frau des Reichsaußenministers v. Ribbentrop ist eine Kusine von Frau Schwarzmann. Zwischen den Frauen hat familiärer Verkehr stattgefunden. Dr. Schwarzmann selbst ist nach seiner Angabe nicht in nähere Berührung mit Ribbentrop gekommen. Mitglied der NSDAP seit 1. Mai 1933; MitgliedsNr. 3 151 913. Durch Bescheid der Spruchkammer Landsberg am Lech vom 22. August 1947 als Mitläufer kategorisiert (Gruppe IV). Die Untersuchungen von Dr. Schetter haben folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Sch. sei Pg. gewesen. Angabe ist zutreffend. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. Sch. sei von Herwarth in die Bayerische Staatskanzlei gezogen worden. Behauptung ist unrichtig. Sch. Angabe der FR ist unrichtig. hat v. Herwarth bis zum Eintritt in die Bayerische Staatskanzlei überhaupt nicht gekannt. 3. Sch. sei Verbindungsmann zu Botschafter Abetz gewesen, Sch. war nicht der Botschaft Angabe der FR ist entstellt. durch dessen Hand der berüchtigte Vorgang über die geplante Ermordung der französischen Minister Mandel und Paris, sondern dem Ministerbüro in Berlin zugeteilt. Unrichtig, daß Sch. mit der geplanten Erschießung der Minister Mandel und Reynaud etwas zu tun gehabt habe. Ein diesbezügliches Telegramm hat Sch. lediglich im Durchdruck zur Kenntnis erhalten. Reynaud gegangen sei. 4. Sch. habe laufend völkerrechtswidrige Aufträge weitergegeben. Angabe der FR ist unrichtig. Angabe der FR ist unrichtig. Sch. hat im Ministerbüro nur Durchdrucke der Berichte der Botschaft erhalten. Völkerrechtswidrige Aufträge sind überhaupt nicht durch seine Hand gegangen. 5. Sch. habe vorerwähnte Tatsachen bei seiner Entnazifizierung verschwiegen. Sch. wurde im schriftlichen Verfahren entnazifiziert. Auf eine Eingabe des Office of Chief of Counsel for War Crimes in Nürnberg hat eine erneute Prüfung zur Bestätigung des Spruches der Spruchkammer geführt. Entscheidende Instanz war der bekannte Staatssekretär a. D. Camille Sachs. Angabe der FR ist unrichtig. Die Untersuchungen des Ausschusses haben sich insbesondere auf die dienstliche Tätigkeit Dr. Schwarzmanns im Ministerbüro von Ribbentrop erstreckt. Nach der Angabe Dr. Schwarzmanns in der 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 24. April 1952 sei er in das Ministerbüro gekommen, weil Ribbentrop einen großen Dienstverkehr mit dem sogenannten Botschafter Abetz in Paris erwartet habe. Um Feststellungen über Art und Umfang seiner Tätigkeit zu treffen, ist dem Zeugen eine Anzahl von Nürnberger Dokumenten über die Judenfrage in Frankreich, den Schutz französischer Kriegsgefangener, die Ausnutzung der französichen Wirtschaftskraft durch Deutschland, die Verwertung französischer Wertpapiere und die Erschießung der früheren französischen Minister Reynaud und Mandel vorgelegt worden. Der Zeuge hat dazu erklärt, daß diese Dokumente von ihm nur mit geschäftsleitenden Verfügungen versehen worden sind, die der Sammlung und Ordnung des Materials zur Vorlage für Ribbentrop und zur Aufbewahrung im Ministerbüro dienten. In keinem Falle habe er eine sachbearbeitende oder vortragende Tätigkeit ausgeübt. In bezug auf das Dokument betreffend den Vorschlag des sogenannten Botschafters Abetz, die ehemaligen französischen Minister Mandel und Reynaud zu erschießen, hat Dr. Schwarzmann erklärt, daß er sich darüber aus Gewissensgründen und Mitteilungsbedürfnis mit seinen Kollegen im Ministerbüro und (Dr. Brill) im Vorzimmer des Staatssekretärs v. Weizsäcker unterhalten habe. Einen dienstlichen Zweck hätten diese Besprechungen schon deshalb nicht haben können, weil Ribbentrop unverzüglich negativ reagiert habe. Dr. Schwarzmann war damals 28 Jahre alt. Votum Der Ausschuß erhebt keine Bedenken gegen die Weiterverwendung von Dr. Schwarzmann, empfiehlt jedoch, zunächst von einer Verwendung im Ausland abzusehen. Gründe: Dr. Schwarzmann hat tatsächlich an keiner Handlung teilgenommen, die ihn belastet. Seine Weiterverwendung kann das Ansehen der Bundesrepublik nicht schädigen. Der Untersuchungsausschuß sieht in Dr. Schwarzmann keinen Fachbeamten. dessen Kenntnisse und dienstliche Erfahrungen für den Aufbau des AA unentbehrlich gewesen wären. Angesichts der besonderen Umstände, unter denen er in das AA eingetreten und verwendet worden ist, hält es der Ausschuß in seinem und im allgemeinen Interesse für geboten, daß er zunächst in der Zentrale und nicht im Auslandsdienst verwendet wird. 19. Susanne Simonis Geboren am 29. Januar 1904 in Berlin-Charlottenburg, katholisch, ledig. — Abitur als Externe, sechs Semester Studium der Rechts- und Staatswissenschaften ohne Abschlußprüfung. 1930/41 Redaktion der Frauenzeitschrift „Fürs Haus", 1941/45 Führung des Haushalts von Dr. Erich Kordt in Tokio. 1. Januar 1950 Deutsches Büro für Friedensfragen, seit 1. April 1950 Bundeskanzleramt (Frauenreferat der Personalabteilung in der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). Mitglied der Frauenschaft der Auslandsdeutschen in Tokio seit etwa 1941. Durch Bescheid der Spruchkammer Stuttgart vom 8. März 1948 vom Befreiungsgesetz nicht betroffen. Die Untersuchungen von Dr. Schetter haben folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Stand in Ostasien der NSFrauenschaft sehr nahe. Besuchte wie alle weiblichen Artikel der FR entstellt Sachverhalt. Botschaftsangehörigen seit Juni 1941 in Tokio die regelmäßigen Arbeitsnachmittage der „auslandsdeutschen Frauenschaft", die ihren früheren Charakter als „Hilfsverein" insofern aufrechterhielt, als vorwiegend Kindersachen genäht wurden. 2. Hielt über Radio Tokio Reden an deutsche Frauen. Radiovortrag in Tokio gehalten. Keine Unrichtigkeit der FR. Auf Wunsch in Tokio Vortrag über Leben im Kriegsdeutschland gehalten. Nationalsozialistische Schlagworte kamen nicht darin vor. Gleicher Vortrag auf Aufforderung auch in Yokohama und Kobe gehalten. 3. Frau S. verlangt für Eintritt des Nachwuchses in das AA abgeschlossenes Hochschulstudium, über das sie selbst Hat Universitätsstudium nicht Insoweit keine Unrichtigkeit des Artikels der FR. nicht verfügt. abgeschlossen. Der Untersuchungsausschuß hat Wert auf die Rekonstruktion der Rede gelegt, die Frau Simonis über Radio Tokio gehalten hat. Das Manuskript hat vorgelegen und keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben. Der Untersuchungsausschuß hat weiter die Tätigkeit von Frau Simonis im Widerstand geprüft und festgestellt, daß sie im Jahre 1938 mit einer wichtigen Nachricht, die zur Durchkreuzung der Kriegspolitik Hitlers bestimmt war, nach London geschickt wurde. Frau Simonis mußte diese Nachricht auswendig lernen und hat sie nach Überschreiten der deutschen Grenze im D-Zug niedergeschrieben und weitergegeben. Votum Gegen die weitere Beschäftigung von Frau Simonis im Auswärtigen Dienst sind keine Bedenken zu erheben. Gründe: Frau Simonis war an einer echten Widerstandshandlung beteiligt. Sie hat sich nicht im nationalsozialistischen Sinne betätigt. 20. Alois Tichy Geboren am 14. Juli 1906 in Antonienhütte (Oberschlesien), katholisch, geschieden, keine Kinder. — Referendarexamen ausreichend, Assessorprüfung voll befriedigend, Promotion zum Dr. jur. cum laude (Breslau), japanische Sprachprüfung mit Auszeichnung, diplomatisch-konsularische Prüfung ausreichend. Laufbahn: 1933 AA, März 1934 bis Juli 1935 Gesandtschaft Kaunas, 1935/45 Botschaft Tokio. 1. November 1949 Deutsches Büro für Friedens- (Dr. Brill) fragen, 1. Juli 1950 Bundeskanzleramt (Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission). 1937 Legationssekretär, 1940 Gesandtschaftsrat. 1934 Parteianwärter, 1937 Mitglied der NSDAP; Mitglieds-Nr. 4 679 248. Durch Sühnebescheid der Spruchkammer Ludwigsburg vom 28. Mai 1948 mit einer Sühne von 50 RM als Mitläufer in Gruppe IV eingereiht. Die Vernehmung durch Dr. Schetter ergab: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Pg. und Parteirichter, daher Niemals Parteirichter gewesen. Keine Unrichtigkeit der FR, daß T. Pg. gewesen. Unrichtig, daß T. Parteirichter gewesen. Richtig, daß T. Schlichter der NSDAP gewesen ist und damit in gewissem Umfange Funktionär. Behauptung der FR enthält insoweit eine nicht sehr wesentliche Abweichung von der Richtigkeit. Funktionär der NSDAP von 1936 bis 1943. Im Nov. 1937 in Partei aufgenommen und Aufgabe eines Schlichters in Tokio übertragen erhalten. Empfiehlt Auskunft beim Document Center. Der Untersuchungsausschuß, der Dr. Tichy in der 20. Sitzung am 28. März 1952 vernommen hat, ist bemüht gewesen, die Frage zu klären, ob die Tätigkeit eines Uschla-Funktionärs in Tokio mit der Tätigkeit eines Parteirichters identisch ist. Die Prüfung hat ergeben, daß innerhalb der Auslandsorganisation die Institution der Uschla auch fortbestand, nachdem sie 1934 in Deutschland selbst durch die Parteirichter ersetzt worden war. Dr. Tichy ist schlichtend zwischen Mitgliedern der NSDAP sowie zwischen solchen und Mitgliedern der deutschen Kolonie in Tokio tätig gewesen. Urteile sind von ihm nicht gefällt worden. Votum Der Ausschuß erhebt keine Bedenken gegen die Weiterverwendung von Dr. Tichy, empfiehlt aber eine Verwendung im internen Dienst des Auswärtigen Amtes. Gründe: Dr. Tichy hat sich nicht im Sinne der NSDAP politisch betätigt, jedoch lassen die Umstände des vorliegenden Falles bei seiner Verwendung im Auslandsdienst Zurückhaltung geboten erscheinen. 21. Heinz Trützschler v. Falkenstein Geboren am 26. November 1902 in Nordhausen, evangelisch, verheiratet, zwei Kinder. — Dr. phil. (Historiker) 1924 in Halle „mit Auszeichnung". Laufbahn: 1929/30 wissenschaftlicher Assistent im Institut für auswärtige Politik an der Universität Hamburg, 1930/33 Sekretariat des Völkerbundes in Genf (Informationsabteilung), 1934 AA, 1935/39 Konsulat Genf, März bis Mai 1939 Gesandtschaft Prag, Mai bis September 1939 Botschaft Warschau, 1939/45 AA (Politische Abteilung). Nach automatischem Arrest 1946/49 im Hessischen Statistischen Landesamt, Ende 1949 Bundeskanzleramt (Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kornmission). 20. November 1934 Attaché, 28. November 1936 Vizekonsul, 10. August 1941 Legationsrat, Februar 1944 Legationsrat I. Kl., 13. August 1949 Oberregierungsrat, 22. November 1950 erneut Legationsrat I. Kl.. Im August 1951 ist eine Kabinettsvorlage betreffend die Ernennung Dr. v. Trützschlers zum Gesandten I. Kl. vorbereitet worden. Am 17. August 1936 hat Dr. v. Trützschler die dienstliche Erklärung abgegeben, daß er sich in seinem beruflichen Werdegang niemals der Vermittlung von Abgeordneten oder führenden Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei bedient hat und daß er insbesondere den Abgeordneten Dr. Breit-scheid nicht persönlich kannte. Ebenso hat Dr. v. Trützschler erklärt, daß seine Tätigkeit in der Informationsabteilung des Genfer Völkerbundes nicht auf Beziehungen zu dem früheren sozialdemokratischen Juristen Dr. Wertheimer zurückzuführen sei; er habe im Völkerbundssekretariat vielmehr in dauerndem Kampf mit Dr. Wertheimer gestanden. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Oktober 1940; Mitglieds-Nr. 8 183 952. Entlastet durch Spruch der Spruchkammer Wiesbaden vom 7. Mai 1948; Hauptgrund der Entlastung: Weigerung, sich in den Führungsstab Ribbentrops eingliedern zu lassen, und angebliches Übergehen bei der Beförderung — siehe oben: 1934 Attaché, 1936 Vizekonsul, 1941 Legationsrat, 1944 Legationsrat I. Kl.! Die Vernehmung Dr. v. Trützschlers durch Dr. Schetter hat folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. T. hat dem SC angehört. Es ist unwahr, daß er dem SC Die Behauptung der FR ist unrichtig. 2. v. T. hatte einst die Aufgabe, die gut gefärbten angehöre oder angehört habe. Behauptung der FR, v. T. sei der Verfasser der Weißbücher, ist unrichtig. Weißbücher für die Ribbentrop-Außenpolitik zu verfassen und Presseinformationen und Propaganda zu bearbeiten. Es ist unwahr, daß er die Aufgabe gehabt habe, die Weißbücher zu verfassen. Wahr ist, daß er bei der technischen Edition verschiedener Weißbücher mitgewirkt habe, aber nicht als Verfasser der Weißbücher ange- Richtig allein ist, daß v. T. an der Edition der Weißbücher mitgewirkt hat. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung sprochen werden könne, da politische Zielsetzung, Aufbau und Gesamtgestaltung nicht von ihm, sondern von anderen Personen bestimmt worden seien. Artikel der FR ist insgesamt Aus der Erinnerung könne er daher mindestens entstellt. sagen, daß selbst Dr. Kempner nicht behauptet habe, daß er die Weißbücher verfaßt, sondern nur, daß er an ihrer Zusammenstellung mitgewirkt habe. Dr. v. Trützschler ist in der 19. und der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 27. März und 23. April 1952 vernommen worden. Dabei hat sich folgendes ergeben: Dr. v. Trützschler hat auf die Frage nach der Art und dem Maß seiner Beteiligung an der Verfassung von Weißbüchern stets ausweichend geantwortet und die Verantwortung für die unwahre Darstellung des Bombardements von Freiburg im Breisgau durch deutsche Flieger sofort auf einen Kollegen geschoben, nachdem er zugegeben hatte, daß ihm und anderen Beamten der Politischen Abteilung Zweifel an der Richtigkeit der deutschen Angaben gekommen sind. Nachdem Dr. v. Trützsc ler ein Schreiben vorgehalten worden war, in dem er das OKW um Mitteilungen für die hitlerische Kriegspropaganda in Spanien und Portugal gebeten hat (vergl. Anlage 2, XVI Seite 89 der Drucksache Nr. 3465), hat er von sich aus dem Ausschuß mitgeteilt, daß er während des ganzen Krieges die „Sprachregelungen", deren sich die deutschen diplomatischen Missionen bedienen sollten, im AA gemacht hat bzw. an ihrer Abfassung beteiligt gewesen ist. Schließlich hat Dr. v. Trützschler bis zuletzt in Abrede gestellt, von seiner Ernennung zum Sekretär für den Europa-Ausschuß des Ribbentropschen AA irgend etwas zu wissen bzw. sich daran zu erinnern. Dem Zeugen wurde das entsprechende Dokument (vergi. Anlage 2, XVII Seite 89 der Drucksache Nr. 3465) vorgelegt, das ihn im Verteiler und in der Liste, die die Zusammensetzung des Komitees enthält und unter Nr. 4 die Aufgaben des Sekretärs bezeichnet, nennt. Auch nach der Vorlage ist Dr. v. Trützschler bei der Behauptung geblieben, daß er sich weder an die Einsetzung des Europa-Ausschusses noch an seine Bestimmung zum Sekretär dieses Ausschusses erinnern könne. Votum Der Untersuchungsausschuß erhebt grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Weiterbeschäftigung im Auswärtigen Amt, empfiehlt aber, bis auf weiteres keine Beförderungen auszusprechen. Der Ausschuß spricht sich gegen eine Verwendung von Dr. Trützschler von Falkenstein im Ausland aus. Gründe: Eine Verwendung des Mannes, der während des ganzen Krieges in der Politischen Abteilung „sprachregelnd" an der Gestaltung der Kriegspropaganda beteiligt gewesen ist, im Ausland würde das Ansehen der Bundesrepublik schädigen. Insbesondere hält es der Untersuchungsausschuß für untragbar, daß Dr. v. Trützschler als Referatsleiter des AA die Europa-Politik der Bundesrepublik repräsentiert. Ebenso ist angesichts der Haltung Dr. v. Trützschlers bei seinen verschiedenen Vernehmungen, insbesondere bei der zweiten, vor dem Ausschuß, wo sich der Zeuge trotz der Vorlage unbezweifelbar echter Dokumente von großer Bedeutung auf das Nicht-erinnern-können zurückzog, seine Beförderung nicht gerechtfertigt. Schließlich empfindet es der Ausschuß als einen Mangel an Wahrheitssinn, daß Dr. v. Trützschler bis jetzt nichts unternommen hat, um sich über die wahren Vorgänge beim Bombardement von Freiburg im Breisgau zu unterrichten, obgleich ihm die Informationsquellen dafür angegeben worden sind. III. Zusammenfassung Der Untersuchungsausschuß kann eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse nur im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten, die ihm gegeben waren, vornehmen. Durch die Erschließung der Nürnberger Materialquellen, bei der sich das Münchner Institut für Zeitgeschichte als eine wertvolle Einrichtung erwiesen hat, war es dem Ausschuß möglich, in der Beweisaufnahme wesentlich über das Ergebnis hinauszukommen, das der Bericht von Dr. Schetter festgestellt hat. Der Untersuchungsausschuß muß jedoch darauf aufmerksam machen, daß durch die Erschließung neuer Materialquellen das Bild, das er durch die Abgabe seiner Voten vom gegenwärtigen Auswärtigen Amt und vorn gegenwärtigen Auswärtigen Dienst gezeichnet hat, ergänzt oder korrigiert werden könnte. Künftige Publikationen der Akten des Ribbentropschen Auswärtigen Amtes, insbesondere der angeblich noch in London lagernden sämtlichen Akten über die Judenpolitik, wären imstande, die Beurteilung einzelner Persönlichkeiten unter Umständen sogar grundlegend zu ändern. Nur unter Beachtung dieser Situation, der sich der Untersuchungsausschuß gegenüber sah, können und dürfen die Voten geprüft und die Zusammenfassung verstanden werden. Der Untersuchungsausschuß ist sich auch in jedem Zeitpunkte seines Verfahrens darüber im klaren gewesen, daß er ein politisches Instrument ist, beauftragt, bestimmte politische Fragen zu beantworten. Er nimmt also für sich nicht den Rang einer historischen Forschungskommission in Anspruch. Bei seiner Methode hat sich der Ausschuß mit den normalen Mitteln der juristischen Logik begnügt, wie sie durch die vom Grundgesetz vorgeschriebene sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung vorherbestimmt sind. So nahe (Dr. Brill) es gelegen hätte, unter strafprozessualen Gesichtspunkten weitere Methoden anzuwenden oder im historischen Interesse andere Methoden zu gebrauchen, hat der Ausschuß doch bewußt darauf verzichtet. Zusammenfassend beantwortet der Untersuchungsausschuß die vom Plenum gestellten Fragen wie folgt: 1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden? Ja. Es wurden einige Personen beschäftigt, deren Verwendung das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung beeinträchtigen konnte. Sie sind zum Teil entfernt, zum Teil sollen die Vorschläge des Untersuchungsausschusses über ihre weitere Verwendung es unmöglich machen, daß fernerhin eine Gefährdung des Ansehens der Bundesrepublik stattfindet. 2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen? Bei den höheren Beamten lassen sich in bestimmten Fällen (Dr. Haas, Dr. Melchers, Blankenhorn, Dr. Schwarz, Dr. Dittmann) kausale Zusammenhänge in bezug auf die Berufung von früheren Mitgliedern des AA nachweisen. Das Verhalten dieser Beamten könnte durch eine fahrlässige Führung der Amtsgeschäfte erklärt werden, die durch guten Glauben und nicht genügende Kenntnis aller Tatsachen zustande gekommen ist. In bezug auf die oberen (gehobenen mittleren) Beamten kann diese Frage kausal eindeutig beantwortet werden. Es steht fest, daß mit Vorwissen und unter Duldung unmittelbarer Vorgesetzter eine Gruppe ehemaliger Nationalsozialisten am Werke gewesen ist, die durch einen außerhalb des Amtes geführten Briefwechsel versucht hat, Personen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durchaus nicht immer ein einwandfreies Verhalten an den Tag gelegt haben, zu reaktivieren. Einer dieser Leute ist verstorben, die anderen waren schon zu Beginn der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses versetzt worden. Es ist Sache des Bundestages, aus dieser Antwort auf die von ihm unter 2) gestellte Frage Folgerungen abzuleiten. 3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren? Der Bundesaußenminister hatte den Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Schetter beauftragt, die Anschuldigungen der „Frankfurter Rundschau" zu untersuchen. Mißgriffe in der Personalpolitik sind durch das Ergebnis der Schetterschen Untersuchungen infolge der angewandten Methode nicht aufgedeckt worden. Der Untersuchungsausschuß mußte — wie der vorliegende Bericht beweist — zu einem anderen Ergebnis kommen. Dem Untersuchungsausschuß ist während seiner Tätigkeit bekannt geworden, daß der Bundesaußenminister in verschiedenen Fällen im Sinne der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses Mißstände abgestellt hat. Welche Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen hat, um Mißgriffe der festgestellten Art in Zukunft zu verhüten, ist dem Untersuchungsausschuß bisher nicht bekannt. Um Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren, hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amts vor der Presse Erklärungen abgegeben, die in Anlage 3 abgedruckt sind (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 93). IV. Empfehlungen Der Untersuchungsausschuß empfiehlt: 1. In der Erwägung, a) daß die dem Bundesaußenminister unmittelbar verantwortlichen leitenden Beamten (Staatssekretär und Leiter der Abteilung II) völlig überlastet sind, b) daß die in den nachstehenden Ziffern 2 bis 6 genannten Zielsetzungen und damit eine Normalisierung der Arbeit des Auswärtigen Amts in sachlicher und demokratischer Beziehung erreicht und die notwendige Verbindung zum Parlament verbessert werden können, wenn die vorgenannten leitenden Beamten von einem Teil der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben entlastet werden, ist im Bundesaußenministerium ein weiterer Staatssekretär zu bestellen, der insonderheit a) unmittelbar verantwortlich dem Bundesaußenminister, ausschließlich die Verwaltung des Auswärtigen Amts leitet; b) die Durchführung der in Ziffer 2 festgelegten personalpolitischen Grundsätze überwacht; c) die Tätigkeit der einzelnen Abteilungen koordiniert; d) für die laufende Unterrichtung der Auslandsmissionen Sorge trägt. 2. Der Posten des Leiters der Personalabteilung im Auswärtigen Amt soll beschleunigt mit einer Persönlichkeit besetzt werden, die nicht als Angehöriger des Ribbentropschen AA der Politik des Dritten Reiches widerstandslos gedient hat und nach jeder Richtung Gewähr bietet, daß die Personalpolitik den Erfordernissen der Demokratie entspricht. Dem Leiter der Personalabteilung müssen die ihm nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Bundesministerien zustehenden Befugnisse, insbesondere das Recht des unmittelbaren Vortrags beim Staatssekretär, tatsächlich eingeräumt werden. 3. Das Bundesgesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 11. Mai 1951 ist innerhalb des Geschäftsbereichs des AA beschleunigt durchzuführen. Besonderer Nachdruck ist auf die Durchführung der Wiedereinstellungsbestimmungen dieses Gesetzes zu legen. Spätestens bis zum 30. September 1952 hat das AA dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und dem Haushaltsausschuß des Bundestages einen Bericht über die Durchführung des Wiedergutmachungsgesetzes zu geben. Dabei ist insbesondere mitzuteilen, wieviele frühere Angehörige des Auswärtigen Dienstes, die durch das Hitlerregime widerrechtlich oder unter Anwen- (Dr. Brill) dung von Zwang entfernt worden oder ausgeschieden sind, wieder eingestellt wurden und aus welchen Gründen bei der restlichen Zahl von Wiedergutmachungsberechtigten von einer Wiedereinstellung abgesehen worden ist. 4. Der Bundestag beauftragt die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Nr. 47 in ihrer Gesamtheit, zwei Personen mit außenpolitischer und juristischer Bildung und Erfahrung mit der Nachprüfung der bisher vorliegenden Beschwerden über die Personalpolitik des AA zu betrauen. Sie haben dem Bundestag in geeigneter Weise über das Ergebnis dieser Prüfung zu berichten. 5. Künftige Aktenpublikationen und andere wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Tätigkeit der Zentralbehörden der nationalsozialistischen Zeit werden unter der Verantwortung des Bundesjustizministeriums daraufhin geprüft, ob sie Aufschlüsse für die Verwendbarkeit der darin erwähnten Personen im Bundesdienst geben. 6. Der Bundestag beauftragt die Bundesregierung, bis zum 31. Dezember 1952 dem Auswärtigen Ausschuß einen umfassenden Bericht über die rechtliche Gestaltung des Auswärtigen Dienstes ausländischer Staaten und die dort für den Auswärtigen Dienst geltenden Anstellungsbedingungen vorzulegen. Der Auswärtige Ausschuß wird zu diesem Bericht Stellung nehmen und sich dazu äußern, ob und nach welchen Richtlinien ein Gesetz über den Auswärtigen Dienst für die Bundesrepublik zu schaffen wäre. Bonn, den 18. Juni 1952 Dr. Brill Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf von Thadden


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (Fraktionslos)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Thomas Carlyle schrieb am 11. November 1870 in der „Times":
    Keine Nation hat je einen so schlimmen Nachbarn gehabt wie Deutschland in den letzten 400 Jahren an Frankreich; schlimm auf jegliche Art: frech, räuberisch, unersättlich, unversöhnlich und immer angriffslustig.

    (Unruhe und Zurufe.)

    1870! — Und der Lordpräsident Morrison erklärte im August 1949, bevor er Außenminister wurde, es sei die Aufgabe der Deutschen, jeweils zu protestieren und laut Lärm zu schlagen, wenn sie der Meinung seien, daß ihnen Unrecht geschehe; „dadurch sollen sie das Weltgewissen wachhalten, auf daß auch an den Machtlosen und Besiegten, wo immer. sie seien, nicht Unrecht verübt wird, von dem niemand weiß".
    Meine Damen und Herren, beide Zitate haben ihre Aktualität, und die Saarfrage ist ein Anlaß, im Sinne von Herrn Morrison laut zu protestieren, dagegen nämlich, daß ein Stück deutschen Landes abgetrennt werden soll.
    Der Kollege Mommer sprach davon, Herr Außenminister Schuman habe erklärt, daß „die Zeit gegen Frankreich arbeite". Meine Damen und Herren, die Zeit arbeitet vor allen Dingen für das Recht, das sich langsam wieder durchsetzt. Nur: wir sollten unsere Position wahren, und unsere Position ist unseres Erachtens sehr einfach, nämlich die, daß wir an das Ergebnis der Abstimmung von 1935 gebunden sind, in der sich das Saarland mit überwältigender Mehrheit als ein deutsches Land entschieden hat, ein Ergebnis, an dem auch heute nicht zu rütteln ist.
    Die Franzosen erklären jetzt, daß die Saarfrage vor der Ratifizierung des EVG-Vertrags geregelt sein müsse. Sie haben ihren guten Grund, dies zu erklären; denn wenn dies nicht geschähe, wie wollten sie sich dann — Herr Tillmanns, Sie schütteln den Kopf — im Sinne der Präambel des Generalvertrags verhalten, wo sie sich ja verpflichten, für eine Wiederherstellung des ganz en Deutschlands mit uns zusammenzuarbeiten? Deswegen wollen sie vorher die Ernte in die Scheuer einfahren.
    Es ist bereits von allen Vorrednern gesagt worden, daß ein Verzicht auf das Saargebiet — und auch eine „Europäisierung" wäre ein Verzicht — einen Verzicht auf die deutschen Ostgebiete nach sich ziehen würde. Dann könnten die anderen ja auch kommen und sagen: Wir europäisieren die Ostgebiete. Es wäre ja denkbar, daß ein solcher Vorschlag käme.

    (Abg. Dr. Tillmanns: Sie würden es ihnen glauben?)

    — Ich würde es ihnen nicht glauben. Ich würde es ihnen genau so wenig glauben, wie ich den Franzosen glaube, daß sie europäisieren wollen. Sie wollen nämlich gar nichts anderes als das Saargebiet an Frankreich anschließen und von uns abtrennen.

    (Abg. Dr. Tillmanns: Der Unterschied ist Ihnen noch nicht aufgegangen!)

    Es gibt nur eine Endlösung, nämlich daß das Saargebiet wieder das wird, was es war: ein Teil Deutschlands.



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.

(Abg. Rische: Der Herr Bundeskanzler hat noch das Wort!)

— Das lassen Sie ihn zweckmäßigerweise selber entscheiden!

(Abg. Fisch: Das wäre sehr gut gewesen!)

Ein Antrag zur Großen Anfrage ist nicht gestellt worden. Der Antrag Drucksache Nr. 3627 bezieht sich auf die Septembertagung des Ministerausschusses. Ein Änderungsantrag ist nicht gestellt worden.

(Abg. Dr. Mommer: Ich habe gesagt: der Termin ist anzupassen; es muß also heißen: „nächsten Tagung"!)

— Soll das heißen, daß dieser Antrag, um ihn der gegenwärtigen Situation anzupassen, dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden soll?

(Abg. Dr. Mommer: „in der nächsten Tagung des Ministerrats"!)

— Es soll also nach Ihrer Meinung heißen: „in der nächsten Tagung des Ministerausschusses". Der Antrag ist insofern abgeändert.
Ein Überweisungsantrag ist nicht gestellt worden. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3627. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Untersuchungsausschusses (47. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktion der SPD betreffend Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 3465, 2680 der Drucksachen, Umdruck Nr. 670; Änderungsantrag Umdruck Nr. 669, Entschließung Umdruck Nr. 676).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Besprechung des Berichts eine Zeit von 120 Minuten vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Brill. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Louis Brill


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Am 24. Oktober 1951 hat der Bundestag in seiner 170. Sitzung die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen und ihn mit der Prüfung der Frage beauftragt, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind. Als Berichterstatter des Ausschusses habe ich Ihnen einen 100 Druckseiten umfassenden Bericht *) vorgelegt. Der eigentliche Bericht umfaßt 36 Seiten, der Rest sind Dokumente.
    Angesichts der Ausführlichkeit dieses Berichts glaubte ich zuerst, auf eine Berichterstattung hier im Plenum verzichten zu dürfen. Der Bericht hat auch in der Öffentlichkeit eine Aufmerksamkeit und Behandlung wie kaum eine andere Bundestagsdrucksache gefunden. Wenn ich trotzdem das Wort ergreife, so tue ich es, um dem Wunsche des Ausschusses gemäß einige Punkte besonders hervorzuheben.
    Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses erfolgte auf Grund eines Antrags der SPD Nr. 2680
    *) siehe Drucksache Nr. 3465; vgl. auch Seite 10751. der Drucksachen. In diesem Antrag wurden folgende Fragen gestellt:
    1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslands zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
    2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen?
    3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren?
    Der Untersuchungsausschuß hat geglaubt, diese Fragestellungen zu den Einzelthemen seiner Beweiserhebung machen zu sollen.
    Es war für den Ausschuß nicht einfach, Beweismaterial heranzuschaffen und zu prüfen. Denn Personalakten, wie sie einer Prüfung der Frage 1 hätten zugrunde gelegt werden müssen, waren so gut wie nicht vorhanden. Die Personalakten des alten Auswärtigen Amts sind durch einen Bombenangriff im Jahre 1943 vernichtet worden. Nur klägliche Reste — so muß ich nach dem Einblick, den der Untersuchungsausschuß gewonnen hat, sagen — blieben erhalten. Die rekonstruierten Personalakten — die Rekonstruktion ist in den Jahren 1944 und auch noch 1945 versucht worden — können natürlich niemals den Beweiswert von Originalakten haben. Was aber an Resten von Originalakten in die rekonstruierten Akten hineingekommen ist, war für die Arbeit des Ausschusses ohne größeren Wert.
    Der Ausschuß hat sich deshalb gezwungen gesehen, gleich in seinem ersten Schreiben an den Herrn Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Außenminister um die Zurverfügungstellung der neuen Personalakten des neuen Auswärtigen Amts zu bitten. Der Zustand dieser Personalakten aber hat den Ausschuß außerordentlich enttäuscht. Zum Teil handelt es sich bei diesen neuen Personalakten um Loseblattsammlungen und weniger als das. Zum Teil sind diese Akten nicht numeriert, so daß keine Kontrolle darüber besteht, ob alles das, was in die Personalakten hineingehört, auch tatsächlich in ihnen enthalten ist. Zum Teil enthalten sie entgegen den Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Fachministerien kein Inhaltsverzeichnis. Bei einer Beweiserhebung mußte zudem festgestellt werden, daß für die Beurteilung einer bestimmten Tätigkeit wichtige Aktenstücke in Beiakten geführt werden, die im alten Auswärtigen Amt, im Ribbentropschen Auswärtigen Amt, Geldakten genannt wurden. Vielleicht ist das auch jetzt der Fall. Bei einer anderen noch nicht vollständig abgeschlossenen Beweiserhebung mußte bemerkt werden, daß nach Auskunft des Auswärtigen Amts drei Dokumente verschwunden sind, von denen sich zwei später wiedergefunden haben, so daß also insgesamt auch den neuen Personalakten des Auswärtigen Amts für eine Untersuchung, wie sie dem Untersuchungsausschuß nach Ziffer 1 des SPD-Antrags aufgegeben war, nur ein sehr bedingter Beweiswert beigelegt werden kann. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß sich einzelne Personalakten auch in einem guten Zustand befinden. Ich hebe besonders hervor, daß eine Bei-


    (Dr. Brill)

    akte zu einer Personalakte, die aus der Bayerischen Staatskanzlei stammt, als hervorragend bezeichnet werden muß. Ich tue das, um Ihnen zu zeigen, daß auch bei einer Behörde, die völlig neu aufgebaut werden mußte — auch die Bayerische Staatskanzlei war 1945 eine solche Behörde —, von Anfang an auf die gehörige Ordnung gesehen werden kann.
    Der Untersuchungsausschuß hat sich dann bemüht, zur Beurteilung der einzelnen Persönlichkeiten und einzelner Vorgänge in den Besitz von dokumentarischem Material zu kommen. Das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg und das vom Bund und einer Anzahl von Ländern gemeinsam unterhaltene Institut für Zeitgeschichte in München haben freundlicherweise in großem Umfang beglaubigte Abschriften von Dokumenten des früheren Auswärtigen Amts, Protokolle und Fotokopien zur Verfügung gestellt, so daß es dem Ausschuß möglich gewesen ist, weit über den Rahmen einer Beweiserhebung hinaus, die an Hand der Personalakten hätte veranstaltet werden können, Beweise zu erheben. In der loyalsten Weise sind alle diese Dokumente — gleichgültig, in welcher Form sie vorgelegt worden sind — auch den Zeugen zur Verfügung gestellt worden. Es ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, nach ausreichender Information dazu Stellung zu nehmen.
    Ich muß in diesem Zusammenhang auf einen Vorgang eingehen, der in der letzten Zeit von einer bestimmten Seite her nach Meinung des Ausschusses ungebührlich aufgebauscht worden ist. Es handelt sich um das Dokument, das in der Anlage 2 des Dokumententeils des Berichts unter IV auf Seite 49 aufgeführt worden ist. Ich werde dieses Dokument alsbald auf den Tisch des Hauses niederlegen oder, da ich einen solchen in diesem Augenblick nicht entdecken kann, dem Herrn Präsidenten zur Verfügung stellen. Das Wort „desgl." im Inhaltsverzeichnis bezieht sich lediglich auf den Ausdruck „Bericht" unter III. Die Überschrift im Dokumententeil ist nicht vom Ausschuß angebracht worden, sondern von einer Hilfskraft — die Sache hat eine etwas humoristische Wendung genommen — der Korrekturabteilung des Bundestags. Das Dokument selbst, das zu einem Teil im Abdruck als unleserlich bezeichnet worden ist, ist tatsächlich wie die Fotokopie, die aus dem Institut für Zeitgeschichte gekommen ist, am Ende völlig unleserlich. Wenn die Herren Kollegen, die an dieser Sache interessiert sind, davon Gebrauch machen wollen, so bitte ich Sie sehr um den Versuch, den von uns beim Abdruck als unleserlich bezeichneten Teil hier im Bundestag vorzulesen. Ich übergebe also das Originaldokument dem Herrn Präsidenten und bitte ihn, es allen interessierten Kollegen zur Verfügung zu stellen.
    Schließlich hat der Ausschuß eine Anzahl von literarischen Veröffentlichungen geprüft. Er hat ihnen aber keinen Beweiswert beigemessen, sondern sie nur illustrandi causa herangezogen. Die Prüfung der Veröffentlichungen im einzelnen — soweit es nicht Dokumente sind, zu denen wir auch anderweitig, nämlich durch das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg, schon Zugang hatten — ergab, daß es sich um Memoirenwerke handelte, und es ist ja bekannt, welchen Selbsttäuschungen alle Verfasser von Erinnerungen in der Regel unterliegen.
    Den Hauptteil der Ausschußarbeit bildeten die Vernehmungen von Zeugen. Ich bedaure sehr, daß es in der deutschen Volksvertretung noch nicht so wie in den Volksvertretungen der angelsächsischen Länder, insbesondere seit 150 Jahren in England und seit etwa 100 Jahren in den Vereinigten Staaten, üblich ist, auch die Verhandlungsprotokolle der Untersuchungsausschüsse zu drucken und der öffentlichen Kritik zur Verfügung zu stellen.
    Wenn Sie diese Verhandlungen im einzelnen durchlesen werden, so werden Sie finden, daß das, was der Bericht bei der Beurteilung von einzelnen Persönlichkeiten in bezug auf den Wert ihrer Zeugenaussagen ausführt, leider nur allzu wahr ist. Nicht nur Unklarheiten in der Aussage zwischen verschiedenen Zeugen, sondern große Unklarheiten in den Aussagen eines einzelnen Zeugen, Widersprüche in den Aussagen eines einzelnen Zeugen und — um mich sehr gelinde auszudrücken — Unvollständigkeiten in der Angabe von Tatsachen haben dem Ausschuß und vor allen Dingen dem Herrn Ausschußvorsitzenden die Arbeit außerordentlich erschwert. Ich will hier im Plenum keine Namen nennen, unterstreiche aber im Auftrage des Ausschusses den Wunsch, das Verhalten der Beamten, die in dieser Art und Weise vor dem Ausschuß als Zeugen aufgetreten sind, der notwendigen Nachprüfung — für die allein die Exekutive zuständig ist — zu unterziehen.
    Der Ausschuß ist sich in summa darüber klar gewesen, daß das Ergebnis, das er Ihnen bieten kann, mit all den Mängeln behaftet ist, die ich für das Beweismaterial jetzt im besonderen aufgeführt habe. Der Ausschuß hat sich in keinem Zeitpunkte seiner Untersuchungshandlungen etwa als eine historische Forschungskomrnission gefühlt; er hat auch nicht den Ehrgeiz gehabt, den Wegen zu folgen, auf denen der frühere Untersuchungsausschuß des Reichstags zur Untersuchung der Kriegsursachen gewandelt ist. Er verstand seine Aufgabe vielmehr dahin, ein zeitbedingtes politisches Urteil abzugeben, und er legt besonderen Wert auf die Feststellung, daß dieses Urteil durch weitere Aktenpublikationen, durch wissenschaftliche Untersuchungen usw. korrigiert werden könnte; er glaubt sogar, daß es in einzelnen Punkten korrigiert werden muß.
    In mehr als 40 Sitzungen und in der Nachprüfung von mehr als 3000 Seiten gedruckten und ungedruckten Materials ist der Untersuchungsausschuß dann zu dem Ergebnis gekommen, das Sie am Schlusse des Schriftlichen Berichts aufgezeichnet finden.
    Die Antwort auf die Frage 1:
    Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
    wird vom Ausschuß einstimmig mit Ja erteilt.
    Die Antwort auf die Frage 2:
    Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen?
    wird in der Sachdarstellung auf Seite 36 gegeben. Es liegt an Ihnen, daraus Konsequenzen zu ziehen oder nicht zu ziehen.
    Frage 3:
    Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um
    Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken


    (Dr. Brill)

    und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren?
    wird vom Ausschuß in der Sachdarstellung ebenfalls auf Seite 36 beantwortet.
    Namens des Ausschusses habe ich dabei darauf hinzuweisen, daß sich der Ausschuß einstimmig für befugt gehalten hat, diese Antworten zu geben und Ihnen die Empfehlungen zu unterbreiten, die zu den einzelnen Personalfällen „Voten" und zur sachlichen Seite der ganzen Angelegenheit „Empfehlungen" genannt werden. Der Ausschuß ist der Meinung gewesen, daß die Geschichte des Art. 44 unseres Grundgesetzes ihn berechtigt, so zu verfahren. Ausgenommen den Abs. 4 des Art. 44 des Grundgesetzes, der das Verhältnis von Untersuchungsausschüssen zu den Gerichten regelt, entspricht der Text dieses Art. 44 dem Art. 34 der Weimarer Reichsverfassung. Bei der Beratung der Weimarer Reichsverfassung war der Antrag gestellt worden, die Aufgabe von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen auf die Prüfung der Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungsmaßnahmen und Verwaltungsakten zu beschränken. Dieser Antrag wurde abgelehnt, und das Motiv dieser Ablehnung war, die Zuständigkeit der Untersuchungsausschüsse so weit wie nur irgend denkbar auszudehnen. Wenn also Art. 34 der Weimarer Reichsverfassung und Art. 44 des Grundgesetzes in den wesentlichen hier in Frage kommenden Teilen übereinstimmen, so ist festzustellen, daß es zu den Befugnissen der Untersuchungsausschüsse nach dem Grundgesetz gehört, Gesetzes- oder Verwaltungsenqueten zu veranstalten, die Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungsmaßnahmen und Verwaltungsakten zu prüfen und darüber hinaus jede erforderliche Beweisaufnahme zu veranstalten, die sie für notwendig halten, um die ihnen gestellte Aufgabe zu erledigen. Der Ausdruck „Votum" und der Ausdruck „Empfehlung" ist eine Trennung im sprachlichen Ausdruck in der deutschen Sprache, die wir für die Sache als angemessen erachtet haben. Juristisch ist es ein und dasselbe und nichts weiter als das, was bei den Untersuchungsausschüssen im angelsächsischen Staatsrecht „recommandation" heißt.
    Ich bitte also, meine Damen und Herren, auch die Rechtsgrundlage, auf der die Antworten, die Voten und die Empfehlungen vorgenommen worden sind, anzuerkennen, und bitte Sie zusammenfassend, von dem Bericht des Untersuchungsausschusses Kenntnis zu nehmen und von den Empfehlungen nach Ihrem Ermessen Gebrauch zu machen.