Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 234. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir wiederum die Pflicht,
eines heimgegangenen Kollegen zu gedenken. Am 21. Oktober ist im Alter von 55 Jahren der Abgeordnete der CDU-Fraktion dieses Hauses Herr Dr. Bernhard Povel nach einer Operation in München heimgerufen worden. Herr Dr. Povel ist am 28. August 1897 in Amsterdam geboren. Er hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert und hat 1922 an der Kölner Universität promoviert. Er ist dann in der Wirtschaft tätig gewesen und war Teilhaber der Kommanditgesellschaft Povel,
Nordhorn. Er war im Grenzlandkreis Bentheim Mitbegründer der CDU und wurde 1948 Mitglied des Kreistags. 1949 wurde er als Vertreter des niedersächsischen Wahlkreises 4 in den Deutschen Bundestag gewählt. Hier war er stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Sozialpolitik.
Meine Damen und Herren! Wir stehen mit Erschütterung wieder am Grabe eines Kollegen, der in den besten Lebensjahren aus unserem Kreise abberufen worden ist. — Sie haben sich zu seinen Ehren von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich darf weiterhin an die Tatsache erinnern, daß in dieser Woche das deutsche Volk aller seiner Kriegsgefangenen
und aller derjenigen, die noch nicht heimgekehrt sind, gedenkt. Wir wissen, daß sehr viele Menschen in Deutschland in dieser Woche mit Trauer und Sehnsucht an die Menschen denken, denen es sieben Jahre nach Beendigung des Krieges noch nicht geschenkt ist, in die Heimat und zu den ihren zurückzukehren. Wir wissen, daß aus den Gefängnissen und Lagern diese gleichen Gedanken in die Heimat gehen. Der Deutsche Bundestag tut recht daran, wenn er sich als Repräsentanz des deutschen Volkes in diese Gemeinschaft des Mitfühlens und der Verbundenheit hineinstellt. — Das haben Sie durch Ihr Erheben von den Plätzen bekundet. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Freiherr von Rechenberg,
den ich im Augenblick noch nicht in unserem Kreise sehe, feiert heute seinen 60. Geburtstag. Ich darf ihm unsere herzlichen Glückwünsche zum Ausdruck bringen.
Nachträglich darf ich Herrn Abgeordneten Morgenthaler zu seinem 64. Geburtstag,
den er am 18. Oktober gefeiert hat, und Herrn Abgeordneten Dr. Kleindinst zu seinem 71. Geburtstag,
den er am 20. Oktober gefeiert hat, unsere herzlichsten Glückwünsche zum Ausdruck bringen.
Ich bitte um freundliche Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längeren Zeitraum um Urlaub nach die Abgeordneten Stech für drei Wochen wegen Krankheit, Jacobs für drei Wochen wegen Krankheit, Sander für zwei Wochen wegen Krankheit und Dr. Laforet für weitere zwei Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Bauereisen, Frau Hütter, Frühwald, Schmitz, Wönner, Kahn, Lemmer, Dr. Nölting, Harig, Reimann, Lausen, Dr. von Brentano, Höfler, Etzel , Frau Dr. Steinbiss, Löfflad, Mauk.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Orth, Junglas, Hoppe, Frau Meyer-Laule, Dr. Pfleiderer, Tenhagen, Dr, Wuermeling, Gockeln, Frau Dr. Rehling, Agatz, Dr. Keller.
Ich darf annehmen, daß der Urlaub, soweit er über eine Woche hinausgeht, von Ihnen genehmigt ist. — Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. Oktober 1952 beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betreffend die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern,
Güterkraftverkehrsgesetz,
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer
des Gesetzes über den Kapitalverkehr.
Er hat weiter beschlossen, zum Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 16. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 292 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Fremdrentengesetz — Drucksache Nr. 3682 -
beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3772 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 10. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 294 der Fraktion der CDU/CSU betreffend Brasilianisches Clearing —Drucksache Nr. 3699 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3771 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 20. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 295 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Ergänzung zum Umstellungsgesetz — Drucksache Nr. 3719 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3784 vervielfältigt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 3. Oktober 1952 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1952 nebst Stellenplan und Genehmigungsbeschluß der Bundesminister für Verkehr und der Finanzen mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Ein Exemplar des Wirtschaftsplans liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 6. Oktober 1952 mitgeteilt, daß der in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages beschlossene Antrag auf Erstattung eines Rechtsgutachtens über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgesandt worden ist.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 14. Oktober 1952 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 116. Sitzung das Gutachten über die Kosten- und Ertragslage der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft übersandt. Ein Exemplar des Gutachtens liegt im Archiv zur Kenntnisnahme auf.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Landtagswahlen im Saargebiet ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Undemokratische Verhältnisse an der Saar .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Große Anfrage und den Antrag eine Begründungszeit von höchstens 30 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von höchstens 120 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung der Großen Anfrage und des Antrags hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Dr. Mommer Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Saargebiet ist nach Geschichte und Volkstum deutsches Gebiet. Das wird heute selbst in Frankreich kaum bestritten. Weil die Amerikaner und die Engländer dieser Überzeugung waren, widersetzten sie sich bei den Friedensverhandlungen in Versailles sowohl wie nach 1945 der jedesmal von Frankreich geforderten Annexion des Saargebietes. Beide Male mußte sich Frankreich mit Geringerem zufrieden geben, mit dem Völkerbundregime damals, mit der sogenannten Autonomie jetzt. Mit dem Versailler Friedensvertrag trat das Saargebiet zum erstenmal auf die Bühne der Weltgeschichte. Es ist also eine ganz junge Schöpfung der französischen Politik. Im Jahre 1945 wollten de Gaulle und Bidault ein Super-Versailles. Sie wollten die Saar annektieren, das Rheinland von Deutschland separieren, das Ruhrgebiet wirtschaftlich und politisch internationalisieren. Heute würde man für „internationalisieren" das modischere Wort „europäisieren" gebrauchen. Die Kraft Frankreichs stand nicht im Verhältnis zu seinen Ambitionen, und so blieben von diesem Programm nur die wirtschaftliche Europäisierung der Rohstoffe der Ruhr und die Verwandlung des Saargebiets in ein französisches Protektorat. Aber Kraft ist ein relativer Begriff, nämlich im Verhältnis zu den Gegenkräften, und die gegenwärtigen Verhandlungen über eine Änderung des Status der Saar haben ihren Grund in der Verschiebung des Kräfteverhältnisses. Zeuge dafür ist mir niemand anders als der französische Außenminister Robert Schuman, dessen Äußerung vor dem Auswärtigen Ausschuß der französischen Nationalversammlung am 20. August dieses Jahres ich aus der Zeitung „Le Monde" übersetze. Der Minister erinnerte die Abgeordneten an die Bemühungen Frankreichs, dem Saargebiet zu helfen, sich als nationale Einheit, als Nation durchzusetzen.
Aber von jetzt an
— fuhr der Minister fort —
besteht die Gefahr, daß die Zeit gegen uns arbeitet. Angesichts des Wiederaufstiegs Deutschlands erinnert sich die öffentliche Meinung an der Saar an den Ablauf der Ereignisse von 1920 bis 1935. Andererseits werden 1953 in Deutschland neue Wahlen stattfinden, und wir wissen nicht, wer dann unser Gesprächspartner sein wird und welches seine Einstellung sein wird. Schließlich ist die Tatsache, daß die Ratifikation des Generalvertrags und des Vertrags über die Verteidigungsgemeinschaft, die von Deutschland gewünscht wird,
noch in der Schwebe ist, günstig für die Ausarbeitung eines neuen provisorischen Statuts.
Herr Schuman gestattet uns noch einen weiteren Einblick in die französische Saarstrategie. Wenn der Friedensvertrag kommt, sagte er, muß das endgültige Saarstatut die einstimmige, also auch die deutsche Billigung finden. Deshalb sucht er ein Übergangsstatut, das Deutschland schon jetzt an einer andern Lösung als einer brutalen Wahl zwischen der einen und der andern Nation interessieren soll. Es sei wesentlich, den Menschen an der Saar nicht noch einmal die Frage „Frankreich oder Deutschland?" vorzulegen. In Übereinstimmung mit Bonn soll ihnen die Frage vorgelegt werden: „Seid ihr für das europäische Statut, über das wir uns in Bonn und in Paris einig sind?".
Diese Äußerungen des Initiators der gegenwärtigen Saarverhandlungen waren sicher nicht für das deutsche Publikum bestimmt. Mit aller nur wünschenswerten Klarheit ist hier gesagt: es geht darum, das auf die Dauer zum Sinken verurteilte Saarschiff durch zeitiges Abwerfen von überflüssigem Ballast und durch geschicktes Ausnutzen der europäischen Winde wieder zum Schwimmen zu bringen. Es ist nur von französischen Interessen die Rede. Es wird nicht einmal der Versuch gemacht, dem vorgeschlagenen Statut eine notwendige oder auch nur eine nützliche Funktion bei der sogenannten Integration Europas zu geben. Nach der gescheiterten Annexionspolitik und der zum Scheitern verurteilten Protektoratspolitik ist die Europäisierung die dritte Form zur Sicherstellung der wesentlichen Elemente der französischen Saarpolitik: der Lostrennung von Deutschland und der Wirtschaftsunion mit Frankreich.
Auch die Verweigerung der demokratischen Freiheiten soll unter dem neuen Regime weitergehen; auch das europäisierte Gebiet soll ein Polizeistaat sein. Aus den uns zugänglichen Äußerungen von Minister Schuman, von Herrn Grandval und ihren separatistischen Gehilfen geht klar hervor, daß sie nicht daran denken, der unverzichtbaren deutschen Forderung zu entsprechen, daß jede Änderung des derzeitigen Zustandes an der Saar, ja eigentlich doch schon jede Diskussion darüber mit der Einführung der Parteien-, der Presse- und der Versammlungsfreiheit beginnen müßte. Wir bitten den Herrn Bundeskanzler, hier zu bestätigen, daß dies auch seine Überzeugung ist.
Statt dessen haben die Männer in Paris und Saarbrücken, die bisher jede Volksabstimmung für antidemokratisch und die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland vergiftend ablehnten, entdeckt, daß die Polizei- und Diktaturstaaten dieses und des vergangenen Jahrhunderts sich des Plebiszits mit Erfolg bedient hatten, wenn zweckmäßige Ja-oder-Nein-Fragen gestellt wurden und auf diese Weise der Schein demokratischer Legitimation ihres Regimes zu erlangen war. So soll auch jetzt die Frage gestellt werden: Bist du für die Europäisierung, ja oder nein?
Klar scheint auch folgendes zu sein, und der Herr Bundeskanzler wird sich dazu äußern müssen. Nach dem Plan soll zuerst das Plebiszit kommen. Vorher sollen die unterdrückten Parteien nicht zugelassen werden, weil man ja im Plebiszit die Europäisierung zur Annahme bringen will und diese Parteien doch Neigung zum Verbleiben der Saar bei Deutschland hätten. Nach einem für den Separatismus günstigen Plebiszit aber beruft man sich auf die sogenannte Europäisierung als das Kernstück der staatlichen Ordnung. Und Parteien,
die dann noch eine andere Lösung erstrebten, blieben als verfassungswidrig verboten.
Ich kann hier nur sehr kurz auf die sogenannten Verfassungsargumente eingehen, mit denen Herr Schuman und die Saarbrücker Machthaber die Unterdrückung der deutschen Parteien rechtfertigen. Nur soviel sei gesagt: Durch eine kürzlich erschienene Arbeit über die Saarverfassung und ihre Entstehung ist eindeutig nachgewiesen worden, wie sehr das Parteiengesetz und seine Handhabung im Widerspruch zu der Saarverfassung stehen, deren Entstehungsgeschichte im übrigen gar nicht dazu angetan ist, freien Menschen auch nur einen Funken Respekt abzunötigen. Der Herr Hoffmann stolpert nach seiner eigenen Versicherung nicht über vorhandene Zwirnsfäden der Verfassung; aber bei Bedarf stolpert er auch über solche, die er eigens hineininterpretiert.
Als man 1947 über diese Verfassung beriet, gab man der sogenannten Bewegung für den politischen Anschluß an Frankreich noch eine Chance. Darum hat man die einschlägigen Artikel der Verfassung so gefaßt, daß ein Eintreten für den Anschluß an ein demokratisches Land verfassungsmäßig zulässig war. Daß nun das demokratische Land auch Deutschland sein könnte, haben die kurzsichtigen Verfassungsmacher nicht bedacht, und sie müssen jetzt ihre Zuflucht zu einer gewaltsamen Interpretation nehmen. Im übrigen wird es den Herren immer sehr schwerfallen, glaubhaft zu machen, daß es in einem Gebiet, das selbst nach französischer These wenigstens bis zum Friedensvertrag staats- und völkerrechtlich zu Deutschland gehört, verfassungsmäßig unmöglich sein soll, für den Verbleib des Gebiets bei Deutschland einzutreten.
Zu diesem Treiben darf ich eines sagen. Das Spiel, das an der Saar mit der politischen Freiheit der Deutschen getrieben wird. wird immer mehr eine ganz unerträgliche Beleidigung und eine Verhöhnung des demokratischen Kernstücks des Europagedankens.
Herr Schuman war sich sicher im klaren darüber, wie unannehmbar sein Europäisierungsvorschlag für uns sein mußte. Er hat deshalb auch ein Pressionsmittel bereitgehalten.
Die deutsche Regierung
— hat er vor dem Parlamentsausschuß gesagt — darf sich keine Illusion über das Schicksal des Verteidigungsvertrags machen, wenn sie sich weigerte, einer zufriedenstellenden Saarregelung zuzustimmen.
Dieses neue Junktim ist für die Beurteilung der Führung der Saar- und Vertragspolitik der Bundesregierung .überaus aufschlußreich.
Wir werden in der Aussprache darauf zurückkommen.
Hier darf ich noch einige Bemerkungen zum Gang der Verhandlungen machen, die in Paris am 23. Juli mit dem überraschenden Vorschlag Schumans ihren Anfang nahmen. Es haben seitdem eine Reihe von Verhandlungen stattgefunden, es sind Briefe und Memoranden gewechselt worden. Die deutsche Volksvertretung ist nicht unterrichtet worden. Der Herr Bundeskanzler hat der sozialdemokratischen Opposition von dem Brief an Herrn Schuman vom 1. Oktober vertraulich Kenntnis gegeben. Vom weiteren Gang der Ereignisse hat niemand etwas Authentisches erfahren.
Wir haben andererseits mit Genugtuung festgestellt, daß der Herr Bundeskanzler schließlich die Sprecher der kämpfenden Parteien an der Saar mehrmals zu Beratungen empfangen hat. Wir wünschen, daß diese Beratungen vor jedem wichtigen Schritt in der Saarpolitik stattfinden. Wir möchten auch den sehr dringenden Wunsch aussprechen, daß die Führung der Einheitsgewerkschaft, der größten Organisation des Saargebiets, in diese Gespräche mit eingeschaltet wird. Man kann nicht über die Saar verhandeln, ohne über die Saarwirtschaft und insbesondere die Saargruben zu sprechen. Wir möchten sichergestellt wissen, daß die Interessen der Arbeiterschaft, die am meisten unter dem derzeitigen Zustand leidet und seine Änderung wünscht, immer berücksichtigt werden. Alle unsere Schritte müssen eine Verbesserung der Lage der Arbeiter und der übrigen sozialen Schichten der Saarbevölkerung zum Ziel haben . und so die niedrige Propaganda der Separatisten Lügen strafen, die jedes Bekenntnis zu Deutschland als einen Verlust für das Portemonnaie darzustellen versucht.
Ich will die Saarbeschwerde beim Europarat nur kurz erwähnen. Um nicht über die Beschwerde sprechen zu müssen, haben die Minister diesmal vor der Tagung der Beratenden Versammlung entgegen der Tradition keine Sitzung abgehalten.
Unser Antrag in der Drucksache Nr. 3627, der die Verfolgung der Beschwerde verlangt, wird mit der notwendigen Terminänderung voll aufrechterhalten. Wir können es dem Europarat nicht ersparen, daß er sich mit den Zuständen an der Saar befaßt, die mit seinem Statut nicht vereinbar sind. Inzwischen ist auch die Beratende Versammlung mit der Saarfrage befaßt worden. Sie will tief einsteigen in die gesamte Problematik. Wir Deutsche vertreten eine gerechte Sache und begrüßen jede Behandlung der Saarfrage um so mehr, je gründlicher sie ist. Die deutschen Delegierten aller Fraktionen sind bei dieser Gelegenheit als eine geschlossene Einheit aufgetreten. Möge es auch hier in Bonn gelingen, uns zu einer solchen geschlossenen Haltung zusammenzufinden.
Meine Damen und Herren, die französische Zeitung „Le Monde" hat jüngst einen ungewöhnlich scharfen Artikel gegen den Vorschlag der Bundesregierung veröffentlicht, der eine auf fünf Jahre befristete Übergangslösung vorsah. Die Zeitung schreibt, daß in Frankreich die vorn Bundeskanzler vorgeschlagene provisorische Europäisierung als ein Dummenfang aufgefaßt werde.
Ich habe unter Berufung auf den Leiter der französischen Politik die Genesis und das Wesen des französischen Europäisierungsvorschlags auseinanderzulegen versucht. Kann es unter diesen Umständen Wunder nehmen, wenn der Europäisierungsvorschlag bei uns als ein Dummenfang aufgefaßt wird, und versteht man es vielleicht, daß es uns ein wenig empört, daß die Saarseparatisten, diese sehr schlechten Deutschen, bei dieser Gelegenheit zu Mustereuropäern befördert werden sollen?
Die Bundesregierung ist sicher nicht in Gefahr, auf Dummenfang hereinzufallen; aber was uns in den vergangenen Monaten oft schwere Sorgen gemacht hat und noch macht, ist dies: Wird die Bundesregierung nicht durch ihre falsch begonnene Saarpolitik, ihre Politik der Vorleistungen und durch die Begierde nach Ratifikation des Verteidigungsvertrags gedrängt, so zu tun, als sähe sie die Falle nicht, und schließlich den Deutschen den französischen Plan als europäische Großtat anzupreisen? Unsere Befürchtungen sind durch den Brief vom 1. Oktober kaum geringer geworden. Aber was dann an Beteuerungen über Mißverständnisse und andere Übergangsfristen gefolgt ist — schließlich auch der Saarzwischenfall auf dem Parteitag der CDU —, hat uns Anlaß zu größter Besorgnis gegeben. Wir fürchten, daß die Bundesregierung die guten Rechtsgrundsätze, auf die die deutsche Saarpolitik gegründet sein muß, aufgibt und sich auf die Ebene des Aushandelns von Erstgeburtsrechten gegen Linsengerichte begibt.
Die SPD-Fraktion hat in einem Antrag zur Saarfrage vom Juni des vorigen Jahres, der immer noch im Auswärtigen Ausschuß liegt, gefordert, daß bei der Behandlung der Saarfrage von folgenden Grundsätzen auszugehen sei: Das Saargebiet ist nach deutschem und internationalem Recht ein Teil Deutschlands und der französischen Besatzungszone. Die gegenwärtigen Gewalten im Saargebiet sind Besatzungsgewalten. Bei Verhandlungen über das Saargebiet muß das Recht wiederhergestellt werden. Die demokratischen Freiheiten müssen garantiert und der de-facto-Abtrennung muß ein Ende gesetzt werden. Diese unsere auch heule noch unveränderte Haltung schließt nicht aus, daß über wirtschaftliche Fragen weitgehende Abmachungen mit weitgehendem Entgegenkommen an französische Interessen getroffen werden können. Auf diesen Punkt werden wir auch in der Aussprache zurückkommen.
Eine generelle Kritik an der gesamten Methode der Saargespräche drängt sich uns auf. Von Frankreich, wo nach der Feststellung des Kanzlers im April an dieser Stelle der europäische Geist noch nicht weit genug durchgedrungen war, um positive Saarverhandlungen zu ermöglichen, wird drei Monate später ein Vorschlag zur Europäisierung der Saar gemacht. Die Bundesregierung tut dann so, als hätte der europäische Geist rapide Fortschritte gemacht. Sie verhandelt erneut. Werden ihr gelegentlich nationale Motive unterstellt, so erklärt sie, daß sie völlig mißverstanden sei, und beteuert in neuen Briefen ihre europäische Gesinnung. Meine Damen und Herren, bei der Überwindung des Gegensatzes in der Saarfrage geht es um große und grundsätzliche Dinge. Dem wird man nicht gerecht, wenn man versucht, mit den kleinen Mitteln der diplomatischen Schläue durchzukommen.
Wenn es nicht möglich ist, mit Geradheit und Grundsatztreue zur Verständigung zu gelangen, dann ist es besser, vorläufig auf Verhandlungen zu verzichten. Wir Sozialdemokraten sind der Überzeugung, daß die Schaffung einer engeren Gemeinschaft zwischen den Nationen nicht durch einseitige Opfer vorwärtsgebracht werden kann, am wenigsten durch einseitigen Verzicht auf Jahrhunderte altes nationales Gebiet. Eine dauerhafte europäische Gemeinschaft kann nur in Gleichheit
aller Partner unter Wahrung ihrer nationalen Einheit erstehen.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundeskanzler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wie Sie wissen, schweben zur Zeit zwischen dem französischen Außenminister und mir als Vertreter der Bundesregierung Verhandlungen.
Diese Verhandlungen sind nicht aussichtslos.
Ich bitte Sie daher, Verständnis dafür zu haben, wenn ich mir im gegenwärtigen Augenblick größte Zurückhaltung auferlege.
Das liegt auch durchaus im deutschen Interesse,
damit es nicht etwa — nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern — so aussieht, als erfolgten von hier aus Störungen.
Ich werde aber, meine Damen und Herren, Vertreter des Parlaments von jeder Wendung, die in den Verhandlungen eintritt, unterrichten.
Zu den einzelnen Fragen möchte ich, soweit sie sich noch nicht erledigt haben, folgendes erklären.
Wenn bis zur nächsten Sitzung des Ministerrats des Europarats keine Verständigung erfolgt ist, wird selbstverständlich von meiner Seite aus darauf bestanden werden, daß die Frage dort erörtert wird. Die Sitzung des Ministerrats im September - das hat mein Herr Vorredner schon gesagt - ist gegen meine Stimme vertagt worden
Die Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, eine Abschrift ihrer Saar-Beschwerdeschrift der Organisation der Vereinten Nationen zur Kenntnisnahme zu übersenden, kann ich erst dann beantworten, wenn die etwaige Verhandlung im Ministerrat des Europarats stattgefunden hat.
Die weitere Frage, welche Rückwirkungen die Unterdrückung der Deutschen an der Saar auf das Bestreben der Bundesregierung, den Generalvertrag und den Vertrag Tiber die Europäische Verteidigungsgemeinschaft möglichst bald zu ratifizieren, habe, beantworte ich wie folgt.
Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß im Interesse der Bundesrepublik und auch der Sowjetzone und im Interesse des Friedens in Europa und in der Welt eine möglichst baldige Ratifizierung notwendig ist. Weiter bin ich der Auffassung, daß, wenn diese Ratifizierung erfolgt ist und his dahin eine Lösung der Saarangelegenheit noch nicht eingetreten ist. sie durch die Ratifizierung nicht erschwert, sondern erleichtert wird.
— Ich bin nicht dafür verantwortlich, was französische Politiker tun.
Die weitere Frage, ob die Bundesregierung bereit sei, sich zu dem Kampf der unterdrückten deutschen Parteien an der Saar zu bekennen!
Der Begründer der Großen Anfrage hat schon hervorgehoben, daß mehrere Besprechungen zwischen den Vertretern der nicht zugelassenen Parteien und mir stattgefunden haben. Diese Besprechungen werden fortgesetzt werden, und ich bin auch .gern bereit. mit der Leitung der Einheitsgewerkschaft in Verbindung zu treten.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage: Wird eine Besprechung der Großen Anfrage gewünscht?
— Sie wird von einer hinreichenden Anzahl von Abgeordneten gewünscht; die Besprechung findet statt.
Ich eröffne die Besprechung über diese Große Anfrage und über den Antrag auf Drucksache Nr. 3627 im Rahmen der vereinbarten Redezeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Mayer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens und im Auftrage der CDU/CSU, der FDP und der DP habe ich zu erklären:
Die Parteien sind sich einig in dem Bestreben, das an der Saar herrrschende Unrecht zu beseitigen und seine Verewigung — auf geradem oder ungeradem Wege — zu verhindern. Im Hinblick auf die schwebenden Verhandlungen zwischen den Außenministern Deutschlands und Frankreichs begnügen sie sich heute mit folgenden Feststellungen.
Weder die Alliierten noch die deutsche Bundesregierung sind berechtigt, vor Abschluß eines Friedensvertrages an der Saar eine endgültige Regelung zu treffen.
Die durch einseitigen Akt dort geschaffenen und mit allen Mitteln des Gesinnungszwangs und der wirtschaftlichen Bedrohung aufrechterhaltenen Zustände erfordern im Interesse der betroffenen Bevölkerung und der europäischen Befriedung eine sofortige Revision.
Diese muß nach Auffassung der drei Parteien die Wiederherstellung der demokratischen Freiheiten, insbesondere die völlige Betätigungsfreiheit demokratischer Parteien und die Revision der für Volk und Wirtschaft an der Saar untragbaren einseitigen politischen und wirtschaftlichen Bindungen an Frankreich zum Inhalt haben.
Ein Votum des gegenwärtigen saarländischen Landtags oder eines unter den gegenwärtigen Bedingungen gewählten Nachfolgers kann ebensowenig als eine Meinungsäußerung des Volkes an der Saar gewertet werden wie eine etwa unter Gesinnungszwang und einseitiger Fragestellung in Szene gesetzte Volksabstimmung.
Die drei Parteien hoffen immer noch, daß eine deutsch-französische Einigung auf dieser Basis gefunden wird, die geschaffenes Unrecht beseitigt und eine konstruktive Lösung aus dem Willen zum gerechten Ausgleich und zur Verständigung einleitet.
Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.
— Herr Abgeordneter Niebergall, ich kann das gegen das Licht sehr schwer sehen; sonst kenne ich Sie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten verhandelt Herr Dr. Adenauer hinter verschlossenen Türen, ohne den Bundestag und das deutsche Volk zu fragen oder zu unterrichten. Auch heute hat er uns hier nicht das letzte über seine wahren Absichten und Hintergründe der Verhandlungen gesagt. Dieses Spiel wurde leider durch die Fraktionsführung der SPD erleichtert. Viermal war sie mit der Vertagung der Behandlung ihrer Anträge einverstanden. Auch gestern hat man erneut versucht, die heutige Diskussion zu vertagen. Wenn es anders gekommen ist, dann nur wegen des Druckes von außen. Unser Volk will endlich wissen, über was verhandelt wird. Die Wege des Herrn Dr. Adenauer in der Saarfrage sind voller Winkelzüge. Es bedarf deshalb der Beleuchtung des Weges.
Seitdem die amerikanischen Imperialisten zur Verwirklichung ihrer Pläne die deutschen Monopolisten in Westdeutschland wieder in den Sattel gehoben haben und diese fleißig in Rüstungsgeschäften machen, ist der alte traditionelle Streit zwischen dem Comité des Forges und den Herren an der Ruhr in vollem Gange. Wohl sitzt man einträchtig in der Hohen Behörde zusammen, — nach außen hin, aber in Wirklichkeit wird dort ein Kampf um die Quote geführt. In dieser MontanUnion vertreten die deutschen Monopolisten 51 % der Kohle und 38 % des Stahls und die Herren des Comité des Forges 23 % der Kohle und 27 % des Stahls. Durch die gewaltsame Abtrennung des Saargebiets verfügen die französischen Monopolisten zusätzlich über weitere 7 % Kohle und 6 % Stahl. Um diesen Anteil geht der Streit. Würde der Anteil der Saar den deutschen Monopolisten zufallen, dann könnten sie die erste Geige in der Schumanplanbehörde spielen. Dagegen wehren sich allerdings die französischen Imperialisten. Sie pochen auf das Recht, das ihnen die Amerikaner gegeben haben.
Um was gehen die Verhandlungen zwischen Bonn und Paris? Die Saar soll erstens entgegen dem Willen der Bevölkerung europäisiert und dem Ministerrat des Schumanplans unterstellt werden. Dabei sollen zweitens die von dem Separatisten Hoffmann mit Frankreich abgeschlossenen Konventionen in ihrem Kern weiter in Kraft bleiben. Was aber bedeutet das? Entgegen der geschichtlichen Überlieferung, entgegen den Bestimmungen des
Potsdamer Abkommens und den Erklärungen der Regierung der Sowjetunion und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik soll die Saar endgültig von Deutschland abgetrennt werden. Dr. Adenauer maßt sich dabei Rechte an, die ihm das deutsche Volk niemals zugestanden hat oder jemals zugestehen wird.
Weder die Bevölkerung an der Saar noch die in ganz Deutschland wird je anerkennen, was Dr. Adenauer gegen ihren Willen festlegen will.
Einen der Europäisierung der Saar vergleichbaren Zustand hatten wir schon einmal an der Saar. Ich erinnere an die Zeit von 1918 his 1935. 1918 war die Saar ohne Befragung des deutschen Volkes 15 Jahre vorn Heimatland abgetrennt und einer internationalen Verwaltung unter der Kontrolle des Völkerbundes unterstellt worden. Die Bevölkerung wurde damals national unterdrückt und sozial doppelt ausgebeutet, nämlich von Herrn Röchling und dem Comité des Forges. Der einzige Unterschied gegen damals ist, daß damals die Abtrennung dem deutschen Volke gewaltsam aufgezwungen wurde, während heute Herr Dr. Adenauer die Preisgabe der Saar freiwillig anbietet, denn das ist der Sinn der Europäisierung.
Was bedeutet denn die Europäisierung der Saar und die Unterstellung unter den Ministerrat der Montan-Union? Die von den Separatisten ausgeübte Regierung würde weiterbestehen; damit würden die nationale Unterdrückung und demokratische Entrechtung der Bevölkerung und die rücksichtslose Ausplünderung unserer Naturschätze, der Bergwerke, der Kohlenreserven, der Wälder usw. für die französischen Imperialisten ungestört fortgesetzt werden. Es bliebe der Zustand, daß die französischen Industriebarone pro Tonne geforderter Kohle 40 Franks Pacht bezahlen und die Separatistenclique um Hoffmann aus Steuergeldern der Bevölkerung 500 Franks je Tonne für allgemeine Kosten daraufzahlen müßte. Die Menschen an der Saar aber verlangen, daß die Ausplünderung unserer Naturschätze durch die französischen Imperialisten schnellstens ein Ende finde, daß die Saarkonventionen verschwinden. Aufhören muß die Ausplünderung der Reservekohlenfelder an der Saar. Dem Raubbau an den Menschen, der Zerstörung der Dörfer und Straßen durch die Bergschäden
muß Einhalt geboten werden. — Das ist ja Ihr altes Sprüchlein: „Sowjetzone!" ; sonst haben Sie ja nichts im Kopf!
Wie steht es mit der Zulassung der deutschen Parteien? Die Bevölkerung an der Saar fordert unmißverständlich, daß der separatistische, antidemokratische und antinationale Terror an der Saar gebrochen wird, daß das antidemokratische Parteiengesetz verschwindet und endlich alle Parteien ungehindert ihre Tätigkeit ausüben können.
Endlich muß die Presse- und Versammlungsfreiheit an der Saar hergestellt werden.
Die Bevölkerung an der Saar denkt nicht daran, sich zum Schacherobjekt machen zu lassen. Die Bevölkerung will nicht Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich sein.
Aber um was geht es Herrn Dr. Adenauer? Das ganze Gerede von der Verletzung der demokratischen Rechte an der Saar ist ja nichts anderes als eine Verschleierung seiner wahren Pläne. Denn das, was Dr. Adenauer seinem Gesinnungsfreund Hoffmann alles vorwirft, tut er genau so rücksichtslos hier in der Bundesrepublik. Er benutzt nur die berechtigte Empörung der Saarbevölkerung gegenüber den antinationalen, antidemokratischen Zuständen an der Saar als Druckmittel gegenüber den französischen Imperialisten, um das größere Geschäft zu machen. Er will dadurch von den Franzosen die Zustimmung zur Aufstellung neuer deutscher militärischer Verbände erzwingen, seinem Freund Dr. Pferdmenges
die notwendigen Rüstungsgewinne verschaffen und gleichzeitig den Amerikanern den geforderten Blutzoll liefern. Das wird aber vom deutschen Volk in seiner überwältigenden Mehrheit abgelehnt. Das Saargebiet ist seit jeher deutsches Land. Alle dort von den Separatisten getroffenen Maßnahmen verstoßen gegen das deutsche und gegen das Völkerrecht. Das deutsche Volk gestattet keinem, irgendwelche Verhandlungen zu führen, die zur Sanktionierung der von den Separatisten im Auftrage der französischen Imperialisten im Saargebiet geschaffenen Zustände führen.
— Wer das aufgeschrieben hat? Das geht Sie einen Dreck an!
Die Bevölkerung an der Saar will keine Europäisierung der Saar; denn Europäisierung der Saar wäre nichts anderes als eine Tarnkappe über die derzeitigen Zustände an der Saar. Die deutsche Bevölkerung an der Saar will aber auch nicht jene Zustände, wie sie in der Bundesrepublik herrschen. Sie will nicht aus dem Regen in die Traufe kommen. Die Bevölkerung an der Saar will wie alle wahren Deutschen den Frieden und die Einheit unseres Vaterlandes einschließlich der Saar.
Ich wende mich deshalb von dieser Stelle aus an meine Landsleute im Saargebiet: Deutsche an der Saar, denkt an die Erfahrungen von 1918 bis 1935. Fallt deshalb nicht auf den Europäisierungsschwindel herein. Laßt euch von niemand ablenken, vertrösten und zersplittern. Handelt einig und geschlossener denn je; denn mit euch ist das Völkerrecht, mit euch sind alle friedliebenden Menschen der Welt.
Ich wende mich besonders an die Sozialdemokraten und Kommunisten an der Saar. In dieser Stunde der nationalen Bedrängnis haben sie eine hohe Verantwortung. Stellt alles Kleinliche, alles Trennende zurück. Handelt gemeinsam und geschlossen gegen Separatismus, antidemokratische, antisoziale und antinationale Maßnahmen. Sowenig wie wir alle diese antidemokratischen und antinationalen Zustände an der Saar wollen, so wenig will sie das französische Volk. Alle aufrechten Deutschen, ganz gleich, ob an der Saar, in West-
deutschland oder in der Deutschen Demokratischen Republik, fordern mit Nachdruck, daß sich entsprechend den Vorschlägen der Deutschen Volkskammer Deutsche aus Ost und West an einen Tisch setzen, um über die Einheit unseres Vaterlandes zu verhandeln und alle Voraussetzungen für die Einheit zu schaffen. Dadurch wird der Weg frei für Viermächteverhandlungen. Darüber hinaus fordern alle aufrechten Deutschen Viermächteverhandlungen zum Abschluß eines Friedensvertrags und zur Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes, einschließlich der deutschen Saar. Das ist unsere Auffassung zu dem Problem des Saargebiets. In diesem Sinne rufen wir alle Saarländer auf, zu kämpfen.
— Das ist die alte Walze. Sie können nur Zwischenrufe machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Eichler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion ist die Behandlung der Saarfrage, so wie sie heute durch den Herrn Bundeskanzler erfolgte und wie sie sich auch in der Erklärung der drei Parteien, die Herr Kollege Mayer abgegeben hat, zeigte, doch nicht ausreichend, wenn wir die gefährliche Entwicklung an der Saar und die Entwicklung der jüngsten Verhandlungen bedenken. Gewiß, die Erklärungen, die Herr Kollege Mayer abgegeben hat, werden wir alle unterstreichen. Wir sind uns über diese Prinzipien einig.
Das haben wir schon oft erklärt. Aber wir haben ebensooft erlebt, daß trotz der Einigkeit im Grundsätzlichen bisher an der Saar im Faktischen nicht das geschieht, was in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen steht, sondern daß sich die andere Seite, unbeschadet unserer Proteste — und mögen sie rechtlich noch so klar begründet, eindrucksvoll und richtig sein —, doch nicht daran hält. Ich glaube, es ist an der Zeit, wenigstens jetzt, so spät es auch ist, zu versuchen, ein Stopplicht einzuschalten.
Im Juli, in der Pariser Außenministerkonferenz und an ihrem Ende, haben die Außenminister auf Anregung des französischen Außenministers erklärt, die Saarfrage müßte jetzt geregelt werden, da sie „wie ein Alpdruck auf dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland laste"; dieses Verhältnis würde mehr und mehr getrübt. Sie befürworteten eine Regelung der Saarfrage, da ein gutes Zusammengehen zwischen Deutschland und Frankreich die Vorbedingung für die Schaffung eines neuen Europa und damit ,,eine Frage von allergrößter europäischer Tragweite" sei.
Nun, meine Damen und Herren, das ist sie in der Tat. Es rächt sich jetzt, worauf wir bereits wiederholt hier und anderswo hingewiesen haben, daß der Bundestag dem Eintritt der Bundesrepublik in denn Europarat und dem Abschluß des Paktes über die Montan-Union zugestimmt hat, ehe diese in der Tat europäische Frage geklärt worden ist.
Denn es zeigt sich, daß diese Frage nicht dadurch gelöst wird, daß man eine Weile so tut, als ob sie
nicht existiere, und daß es auch nicht ausreicht, daß die beiden Außenminister Frankreichs und Deutschlands, wie beim Abschluß des Montanpaktes, gegenseitig versicherten, daß sich an ihrem Standpunkt über die Saarfrage nichts geändert hätte. Es zeigt sich, daß an einer bestimmten Stelle der Entwicklung die Karten wirklich auf den Tisch gelegt werden müssen, daß man wirklich einmal pfeifen muß, weil das bloße Mundspitzen nicht mehr genügt,
und zwar auf keiner Seite.
Wenn die Saarfrage in dem Lichte gesehen wird, daß sie wirklich die Grundlage für eine europäische Einigung sein soll, dann ist es in der Tat vordringlich, sie zu lösen. Es ist sicher richtig, daß nicht ganz Europa nur um die Saar kreist. Aber die Saarfrage und ihre Lösung ist für uns ein Modell für den Geist, in dem Europa nach der Meinung der Mächte modelliert werden sollte.
Wir haben den Eindruck — und ich glaube, darüber herrscht in diesem Hause gar keine große Meinungsverschiedenheit —, daß dieses Modell ein höchst unerfreuliches ist.
Wir brauchen uns gar nicht gegenseitig davon zu überzeugen, wie wenig schön das ist. Die Frage aber, in der wir uns unterscheiden, ist: wie liquidiert man diesen unerfreulichen Zustand?
Nach unserer Meinung ist es nötig, wenn wirklich hier ehrlich eine Lösung angestrebt werden soll, alle bisherigen Pläne neu zu prüfen, alle Rücksichten auf das bisherige Prestige, alle Vorurteile nationaler Autarkiewünsche aus dieser Frage endgültig auszuscheiden
und sich daranzumachen, dieses Problem einfach von seiner rechtlich-politischen und seiner menschlichen Seite aus zu lösen.
Dazu genügt zunächst einmal das Argument, daß die Deutschen den Krieg verloren haben, nicht nur nicht, sondern es gehört überhaupt nicht dahin. Wir wissen, daß wir ihn verloren haben. Aber das kann keine Entschuldigung dafür sein, in irgendeinem Teil Deutschlands politische Willkürakte vorzunehmen.
Die Mächte haben sich in der Atlantik-Charta zu einer bestimmten Lösung verpflichtet. Sie sind zur Gewinnung des Friedens moralisch und politisch verpflichtet. Von dieser Verpflichtung wollen wir sie nicht freisprechen.
Über die Verhandlungen, die über das Saargebiet stattgefunden haben, ließe sich beinahe, wenn man besonders begabt dazu wäre, ein Lustspiel schreiben, obwohl der Gegenstand in der Tat sehr wenig geeignet ist, gerade in einem Lustspiel behandelt zu werden. Wir haben in dem ständigen Hin und Her der Verhandlungen den Herrn Bundeskanzler im wesentlichen optimistisch gesehen. Nur einmal
ist er von dem Himmelhochjauchzen der erfolgversprechenden Verhandlungen herabgesunken in das Zu-Tode-Betrübtsein, als er vor einigen Monaten hier erklärte, daß es ihm so schiene, als wenn auf der andern Seite noch ein gewisser Mangel an europäischem Geiste vorhanden wäre. Er hat heute deshalb die Verhandlungen auch etwas vorsichtiger nur als „nicht aussichtslos" bezeichnet. Nun, aussichtslos ist wahrscheinlich keine einzige Verhandlung, solange man sich nicht gegenseitig erschossen hat. Die Frage, auf die es uns ankommt, und zwar sehr ernst ankommt, ist: Der Herr Bundeskanzler hat damals weder zugestimmt — und der Bundestag hat ihm darin sogar beigepflichtet —, ein Weißbuch über die Verhandlungen in der Saarfrage noch den Briefwechsel mit dem Außenminister Schuman herauszugeben, ja er hat praktisch dem Bundestag überhaupt die Möglichkeit der eindeutigen Informierung, des eindeutigen Mitgehens oder des eindeutigen Widersprechens genommen, indem er nicht einmal die Tatsachen unterbreitet hat. So, meine Damen und Herren, geht es einfach nicht. Es ist ganz ausgeschlossen, daß der Bundestag immer erst im Nachhinein oder aus der Presse, aus gelegentlichen Indiskretionen einiger Journalisten erfährt, was die Bundesregierung mit Herrn Schuman über das Saargebiet abgehandelt hat.
Wir dürfen doch folgendes nicht vergessen. Vom Herrn Bundeskanzler wurde mir vor einigen Monaten in der Saardebatte ausgeredet, daß eine Europäisierung gemeint sei. Er sagte, ich hätte ihn nicht richtig verstanden, er hätte von einem europäischen „Territorium" an der Saar gesprochen, während ich von einer Europäisierung geredet hätte. Nun, das war in der Tat so; aber die Sache war sehr einfach: es gehörte keine große prophetische Gabe dazu, um im voraus zu wissen, daß man sich in Frankreich auf die Europäisierung konzentrieren würde. Einige Optimisten glaubten, man könne darunter etwa verstehen, daß Frankreich einen Teil seines eigenen Gebietes zum Saargebiet hinzuschlagen sollte, und man würde dann daraus irgendein europäisches Gebiet machen. Das lehnte der Außenminister Schuman ab. Er nannte das einen deutschen Versuchsballon und sagte klar und deutlich: Bei der Europäisierung handelt es sich selbstverständlich um das bisherige Saargebiet, d. h. um das bisher und früher immer deutsch gewesene.
Mit dem Begriff „Europäisierung" ist nicht nur ein neues Wort, sondern eine neue Sache entstanden. Es geht hier doch um eine neue Politik, d. h. um eine neue Methode, auf Umwegen das zu erreichen, was bisher zu erreichen noch nicht ganz möglich gewesen ist. Da scheint Minister Schuman eine größere Eile zu haben als bisher, und er hat offenbar Grund, solche Eile an den Tag zu legen; denn er hat im Außenpolitischen Ausschuß seines Parlaments, der bei der Äußerung von Bitten und Informationen weniger zurückhaltend ist als der Deutsche Bundestag,
folgendes deutlich erklärt: „Es besteht jetzt die Gefahr, daß die Zeit gegen uns arbeitet". Man begreift also in Frankreich, daß eine andere Politik an der Saar gewünscht, gefordert und vertreten wird. Minister Schuman sagte weiter: „Die öffentliche Meinung an der Saar erinnert sich jetzt an den Ablauf der Ereignisse zwischen 1920 und 1935. Andererseits werden 1953 im Bundesgebiet Wahlen
stattfinden; wir wissen ja nicht, wer dann unser Gesprächspartner sein wird und welches seine politischen Vorstellungen sein werden."
Damit, meine Damen und Herren, komme ich auf die beiden entscheidenden Gefahrenpunkte, von denen wir in der Diskussion bisher gar nichts gehört haben, nämlich auf das neue Junktim und das Plebiszit über die Europäisierung. Das Junktim hat Minister Schuman sehr deutlich formuliert, indem er sagte: „Schließlich ist die Tatsache, daß die Ratifizierung des Generalvertrags und der Verträge über die Verteidigungsgemeinschaft, die von Deutschland gewünscht wird, noch in der Schwebe ist, jetzt günstig für die Ausarbeitung eines neuen provisorischen Statuts".
Nun hat ja der Kollege Mayer irgendwelche endgültigen Regelungen vor einem Friedensvertrag mit der wünschenswerten Deutlichkeit abgelehnt. Es scheint so, als wenn, da ja nur ein neues provisorisches Statut gewünscht wird, dieser Forderung entsprochen würde. In Wirklichkeit ist in Frankreich sofort Sturm gelaufen worden gegen die Fünfjahresfrist, die ja schon erheblich lang ist. Man hält dort eine Regelung mit einer Lauffrist von fünfzig Jahren offenbar für den Inbegriff dessen, was ein zeitgemäßes Provisorium ist.
Daß man die Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und des Generalvertrags durch das französische Parlament mit der Bedingung verknüpft, daß Deutschland eine die Franzosen besser befriedigende Saarregelung vornimmt, zeigt doch klar, daß man auf die Bereitwilligkeit der Deutschen einen Druck ausüben will, in der Saarfrage nachzugeben. Dabei hat gerade eben an dieser Stelle der Herr Bundeskanzler auf unsere Frage, ob seine Bereitwilligkeit zur Ratifizierung der Verträge von den Zuständen im Saargebiet und der Behandlung der dortigen Bevölkerung irgendwie beeinflußt würde, erwidert, das sei nicht der Fall, er sei dafür, daß die Ratifizierung so schnell wie möglich erfolgt. Auf einen Zwischenruf: „Aber die anderen arbeiten inzwischen!", erklärte er, er sei nicht für die anderen verantwortlich. Das ist richtig. Aber er ist von den anderen abhängig. Ich glaube, wir sollten auch bedenken, daß die anderen auch von uns abhängig sind, und entsprechend unsere eigenen Forderungen mit dem nötigen Nachdruck anmelden. Wir sollten uns also ebenfalls mit der Behandlung der Ratifizierung dieses Vertragssystems einige Zeit lassen und uns wenigstens in keiner Weise beeilen. Wir haben gerade in diesem Zusammenhang am allerwenigsten Grund dazu.
Nun zur zweiten Tatsache, dem Plebiszit über die Europäisierung. Was hier gespielt wird, ist, glaube ich, nicht zu hart beurteilt, wenn wir es als einen Taschenspielertrick bezeichnen. Man ist heute auf der andern Seite bereit, ein Plebiszit über die Frage zu veranstalten: „Wünschen Sie eine Europäisierung des Saargebiets oder nicht?". Was diese Europäisierung bedeutet, hat bisher noch keiner gesagt. Der Abgeordnete Kirn im saarländischen Landtag hat vor einer Woche darüber gesprochen und hat auch bedauert, daß man nicht wüßte, was die Europäisierung bedeute. Aber in seinem Verhältnis zu der andern Seite hat ihm das nicht viel ausgemacht; er war trotzdem für die Europäisierung.
Wenn wir sehen, was man in Frankreich darunter versteht, dann ist auch wieder aufschluß-
reich, was der französische Außenminister dazu erklärt hat. Er meint, die Frage, ob das Saargebiet zu Deutschland oder zu Frankreich kommen solle, sei in Zukunft nicht mehr interessant. Daß es nicht zu Frankreich kommen soll, ist, wenn man sich auf ein Plebiszit verläßt, ohnehin kein Entgegenkommen mehr; denn darauf kommen heute im Saargebiet nicht mehr sehr viele.
Das Plebiszit und die Europäisierung bedeuten aber, daß neue Parteien vor den Wahlen nicht mehr zugelassen werden. Sie bedeuten, daß in der Europäisierung der Saar die Frage „Deutschland oder Frankreich" ausgeklammert werden soll. Nach der Annahme des Plebiszits über die Europäisierung wird es deshalb auch klar sein, daß keine neuen Parteien — etwa wie die, die heute einen Antrag gestellt haben und die sich für eine deutsche Lösung einsetzen — mehr zugelassen werden, weil es dann nach dem Statut über die Europäisierung statutenwidrig und also verfassungswidrig sein würde. Das heißt: die Frage der Zulassung dieser Parteien soll auf kaltem Wege beantwortet und liquidiert werden.
Schließlich, meine Damen und Herren, scheint es uns, daß der Bundestag sich zu einigen klaren Forderungen entschließen sollte. Wir sind einverstanden mit der wiederholten Erklärung, die auch heute wieder abgegeben worden ist: Da die Saar ihrer Kultur, ihrer Geschichte und ihrer rechtlichen Situation nach deutsch ist, muß heute jede politische Maßnahme abgelehnt werden, durch die die Autonomie des Saargebiets festgelegt werden soll. Das heißt: praktisch ist, soweit bisher überhaupt über die Europäisierung etwas zustande gekommen und an die Offentlichkeit gedrungen ist, alles abzulehnen, was bisher dort drüben versucht worden ist, um eine solche Entwicklung zu stabilisieren.
Zweitens: Die Aufhebung des politischen Terrors im Saargebiet darf nicht an irgendeine Bedingung geknüpft werden. Es geht nicht darum, daß über diese Fragen Kompromisse geschlossen werden können. Die Einführung der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit und die Zulassung demokratischer Parteien muß erreicht werden durch die Beschwerde im Ministerrat ohne Rücksicht auf irgendwelche laufenden Verhandlungen, die dieses Ziel etwa begünstigen oder hemmen könnten. Hier handelt es sich einfach um ein Recht, das wir von Deutschland aus nicht mit irgendeinem Entgegenkommen zu bezahlen haben.
Drittens muß klar sein — was immer wieder von Frankreich betont wird —, daß von seiten Deutschlands durchaus die Bereitschaft besteht, berechtigte französische wirtschaftliche Interessen an der Saar zu schützen und durch Verhandlungen zu sichern. Das ist nie ein Problem gewesen. Wir haben schon seit Jahren erklärt: Wirkliche berechtigte Interessen Frankreichs, die begreiflich sind und die man uns begreiflich machen könnte, sollen geschützt werden. — Das könnte aber nur dann verwirklicht werden, wenn die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland nicht bestritten wird.
Schließlich scheint es, daß trotz der „nicht aussichtslosen" Verhandlungen, die der Herr Bundeskanzler im Auge hat, am 30. November im Saargebiet gewählt werden wird. Wir meinen, daß der Bundestag das nicht einfach als eine Tatsache zur Kenntnis nehmen sollte. Wir meinen, daß der Bundestag zusammen mit der Bundesregierung ein aktives Saar-Programm entwickeln sollte, um dem Volk an der Saar zu erklären, daß das, was dort geschieht, in Deutschland nicht einfach hingenommen wird. Wenn man sich dort über alle Begriffe der Menschlichkeit und der politischen Sauberkeit hinwegsetzt, sollte das Saarvolk von hier aus so unterstützt werden, wie es das verdient und wie es uns möglich ist.
Niemand hat das Recht, einen Teil Deutschlands zu opfern, weder im Osten, noch im Westen.
Ein Verzicht auf das Saargebiet zugunsten einer Integration, die nie reibungslos erfolgen wird, solange diese Wunden am europäischen Volkskörper vorhanden sind, scheint uns ein so grober Verstoß gegen die Menschlichkeit und auch gegen den europäischen Geist zu sein, daß wir auf das schärfste dagegen protestieren.
Bevor ich das Wort weiter erteile, bitte ich, bekanntgeben zu dürfen, daß der Unterausschuß des Finanzausschusses um 15 Uhr 15 im Zimmer 201 zusammentritt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Darf ich die Zeit des Anmarsches des Herrn Abgeordneten Dr. Bertram dazu benutzen, Sie zu bitten, sich ein Bild zu verschaffen, ob die neuen Mikrofone, die wir heute probeweise verwenden, eine Verbesserung oder Verschlechterung darstellen. Ich bitte, das zu überprüfen und es vielleicht gelegentlich im Ältestenrat zur Sprache zu bringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalistische Union — Bayernpartei und Zentrum — begrüßt es, daß es heute im 1 Plenum zu einer Saardebatte gekommen ist. Wir glauben, daß hierdurch den Interessen des deutsch Volkes ein Dienst erwiesen wird. Die Außenpolitik darf nicht unter Ausschluß der Offentlichkeit behandelt werden. Die Bildung der öffentlichen Meinung und ihre Mitwirkung im außenpolitischen Spiel der Kräfte ist ein wesentlicher Faktor der Politik. Das gilt insbesondere von der Meinung des Bundestages als des berufenen Vertreters der deutschen Öffentlichkeit. Gerade zu diesem Punkt haben wir dem Herrn Bundeskanzler schon häufiger zu verstehen gegeben, daß er die Zusammenarbeit mit dem Bundestag suchen müßte und daß eine solche Zusammenarbeit den gesamtdeutschen Interessen nur dienlich sein könnte. Einsame Entschlüsse entsprechen den Methoden einer Geheimpolitik. Es ist verständlich, daß die Regierung nicht über jede Einzelheit ihrer beabsichtigten und im Fluß befindlichen Verhandlungen dem Bundestag genaue Berichte erstatten kann. Die Richtlinien der Politik jedoch bestimmt der Bundestag und nicht der Bundeskanzler. Nach dem Grundgesetz hat der Bundeskanzler die Richtlinien seines Kabinetts, nicht jedoch die Richtlinien der Politik des Bundes zu bestimmen. Der Bundestag hat nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, als Spiegelbild der deutschen öffentlichen Meinung Richtung zu weisen und der Bundesregierung entsprechende Richtlinien zu erteilen. Wenn der Bundeskanzler Rückschläge, insbesondere auch im Vertrauen auf ausländische Zusagen, gehabt hat, so mag das an der Überschätzung von einzelnen Menschen und an der Unterschätzung der öffentlichen politischen Kräfte und Strömungen im In-
und Ausland liegen, die hierdurch gefördert worden sind.
Wir sind uns mit dem ganzen deutschen Volke einig, daß ein vordringliches Ziel unserer deutschen Außenpolitk die definitive Niederreißung der Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich sein muß und daß es die Aufgabe des derzeitigen Bundestages ist, eine europäische Föderation in ihren Grundzügen mit zu schaffen. Das Kernstück dazu ist die dauerhafte und echte Verständigung mit Frankreich. Gegenseitiges Mißtrauen, Ressentiments und Vorurteile können und müssen überwunden werden. Territoriale Ambitionen haben nichts mehr in einem neuen Europa zu suchen. Eine weitsichtige Politik wird die Lösung dieses Problems nur föderalistischen Prinzip her anpacken können. Wenn auch rechtliche Einwendungen gegen territoriale Verabredungen begründet sein mögen, so darf das doch eine echte europäische Integrationspolitik nicht hindern.
Diese europäische Föderationspolitik darf nicht zweierlei Maß gegenüber Ost und West kennen. Das Maß ist folgendes: die Notwendigkeit einer inneren freiheitlichen Ordnung und die Ablehnung eines äußeren Abhängigkeitsverhältnisses, die gleich sein muß für Ost und West. Es sollte deshalb das Ziel eines jeden guten Deutschen und Franzosen sein, auch um den Preis von Opfern einen europäischen Staatenbund zu begründen. Deshalb ist die Aufgabe der französischen Hegemonie an der Saar, die ja unstreitig deutsches Land ist, zwar ein Zugeständnis Frankreichs, das man aber von Frankreich im Interesse einer europäischen Politik erwarten muß. Die französische Hegemonie über das Saargebiet als ein rein deutsches Gebiet verträgt sich nicht mit dem Gedanken einer europäischen Föderation, dem Glauben daran und dem Streben danach.
Eine europäische Föderation kann nur werden aus dem freiwilligen Zusammenschluß aller beteiligten Völker. Deshalb muß auch dem Saargebiet die Möglichkeit freier Wahlen gegeben werden. Die derzeitigen Verhältnisse an der Saar sind offensichtlich undemokratisch und stellen eine Vernachlässigung des Volkes an der Saar durch die Schutzmacht dar. Keine Pressefreiheit, keine Freiheit für Parteibildungen, keine freie Meinungsäußerung! Wir stellen mit Bedauern insbesondere die Untätigkeit des Ministerrats in dieser Frage fest. Das deutsche Volk und, wie ich glaube, die gesamte öffentliche Meinung Europas sind unzufrieden mit dem Ministerrat, der. sich als eine Bremse der europäischen Entwicklung zeigt.
Es bleibt jetzt nur der Weg direkter Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich übrig. Wenn wir nun von Frankreich eine geänderte Haltung erwarten, so sollten auch wir nicht einen streng formaljuristischen Standpunkt einnehmen, sondern versuchen, mit Frankreich zu einem Übereinkommen zu gelangen. Das starre Festhalten Frankreichs an seiner bisherigen Saarpolitik wird in Deutschland eine nationalistische Welle hervorrufen. Wir können die Verantwortung für eine Politik der Verständigung nur dann auf uns nehmen, wenn nicht zuviel von Deutschland verlangt wird und wenn die europäische Föderation vor jedem endgültigen Saarabkommen sich wenigstens in den Grundzügen abzeichnet. Ein anderer zeitlicher Ablauf würde die Gefahr neuer deutscher Vorleistungen mit sich bringen.
Präsident Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Thomas Carlyle schrieb am 11. November 1870 in der „Times":
Keine Nation hat je einen so schlimmen Nachbarn gehabt wie Deutschland in den letzten 400 Jahren an Frankreich; schlimm auf jegliche Art: frech, räuberisch, unersättlich, unversöhnlich und immer angriffslustig.
1870! — Und der Lordpräsident Morrison erklärte im August 1949, bevor er Außenminister wurde, es sei die Aufgabe der Deutschen, jeweils zu protestieren und laut Lärm zu schlagen, wenn sie der Meinung seien, daß ihnen Unrecht geschehe; „dadurch sollen sie das Weltgewissen wachhalten, auf daß auch an den Machtlosen und Besiegten, wo immer. sie seien, nicht Unrecht verübt wird, von dem niemand weiß".
Meine Damen und Herren, beide Zitate haben ihre Aktualität, und die Saarfrage ist ein Anlaß, im Sinne von Herrn Morrison laut zu protestieren, dagegen nämlich, daß ein Stück deutschen Landes abgetrennt werden soll.
Der Kollege Mommer sprach davon, Herr Außenminister Schuman habe erklärt, daß „die Zeit gegen Frankreich arbeite". Meine Damen und Herren, die Zeit arbeitet vor allen Dingen für das Recht, das sich langsam wieder durchsetzt. Nur: wir sollten unsere Position wahren, und unsere Position ist unseres Erachtens sehr einfach, nämlich die, daß wir an das Ergebnis der Abstimmung von 1935 gebunden sind, in der sich das Saarland mit überwältigender Mehrheit als ein deutsches Land entschieden hat, ein Ergebnis, an dem auch heute nicht zu rütteln ist.
Die Franzosen erklären jetzt, daß die Saarfrage vor der Ratifizierung des EVG-Vertrags geregelt sein müsse. Sie haben ihren guten Grund, dies zu erklären; denn wenn dies nicht geschähe, wie wollten sie sich dann — Herr Tillmanns, Sie schütteln den Kopf — im Sinne der Präambel des Generalvertrags verhalten, wo sie sich ja verpflichten, für eine Wiederherstellung des ganz en Deutschlands mit uns zusammenzuarbeiten? Deswegen wollen sie vorher die Ernte in die Scheuer einfahren.
Es ist bereits von allen Vorrednern gesagt worden, daß ein Verzicht auf das Saargebiet — und auch eine „Europäisierung" wäre ein Verzicht — einen Verzicht auf die deutschen Ostgebiete nach sich ziehen würde. Dann könnten die anderen ja auch kommen und sagen: Wir europäisieren die Ostgebiete. Es wäre ja denkbar, daß ein solcher Vorschlag käme.
— Ich würde es ihnen nicht glauben. Ich würde es ihnen genau so wenig glauben, wie ich den Franzosen glaube, daß sie europäisieren wollen. Sie wollen nämlich gar nichts anderes als das Saargebiet an Frankreich anschließen und von uns abtrennen.
Es gibt nur eine Endlösung, nämlich daß das Saargebiet wieder das wird, was es war: ein Teil Deutschlands.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
— Das lassen Sie ihn zweckmäßigerweise selber entscheiden!
Ein Antrag zur Großen Anfrage ist nicht gestellt worden. Der Antrag Drucksache Nr. 3627 bezieht sich auf die Septembertagung des Ministerausschusses. Ein Änderungsantrag ist nicht gestellt worden.
— Soll das heißen, daß dieser Antrag, um ihn der gegenwärtigen Situation anzupassen, dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden soll?
— Es soll also nach Ihrer Meinung heißen: „in der nächsten Tagung des Ministerausschusses". Der Antrag ist insofern abgeändert.
Ein Überweisungsantrag ist nicht gestellt worden. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3627. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Untersuchungsausschusses gemäß Antrag der Fraktion der SPD betreffend Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 3465, 2680 der Drucksachen, Umdruck Nr. 670; Änderungsantrag Umdruck Nr. 669, Entschließung Umdruck Nr. 676).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Besprechung des Berichts eine Zeit von 120 Minuten vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Brill. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Am 24. Oktober 1951 hat der Bundestag in seiner 170. Sitzung die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen und ihn mit der Prüfung der Frage beauftragt, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind. Als Berichterstatter des Ausschusses habe ich Ihnen einen 100 Druckseiten umfassenden Bericht *) vorgelegt. Der eigentliche Bericht umfaßt 36 Seiten, der Rest sind Dokumente.
Angesichts der Ausführlichkeit dieses Berichts glaubte ich zuerst, auf eine Berichterstattung hier im Plenum verzichten zu dürfen. Der Bericht hat auch in der Öffentlichkeit eine Aufmerksamkeit und Behandlung wie kaum eine andere Bundestagsdrucksache gefunden. Wenn ich trotzdem das Wort ergreife, so tue ich es, um dem Wunsche des Ausschusses gemäß einige Punkte besonders hervorzuheben.
Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses erfolgte auf Grund eines Antrags der SPD Nr. 2680
*) siehe Drucksache Nr. 3465; vgl. auch Seite 10751. der Drucksachen. In diesem Antrag wurden folgende Fragen gestellt:
1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslands zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen?
3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren?
Der Untersuchungsausschuß hat geglaubt, diese Fragestellungen zu den Einzelthemen seiner Beweiserhebung machen zu sollen.
Es war für den Ausschuß nicht einfach, Beweismaterial heranzuschaffen und zu prüfen. Denn Personalakten, wie sie einer Prüfung der Frage 1 hätten zugrunde gelegt werden müssen, waren so gut wie nicht vorhanden. Die Personalakten des alten Auswärtigen Amts sind durch einen Bombenangriff im Jahre 1943 vernichtet worden. Nur klägliche Reste — so muß ich nach dem Einblick, den der Untersuchungsausschuß gewonnen hat, sagen — blieben erhalten. Die rekonstruierten Personalakten — die Rekonstruktion ist in den Jahren 1944 und auch noch 1945 versucht worden — können natürlich niemals den Beweiswert von Originalakten haben. Was aber an Resten von Originalakten in die rekonstruierten Akten hineingekommen ist, war für die Arbeit des Ausschusses ohne größeren Wert.
Der Ausschuß hat sich deshalb gezwungen gesehen, gleich in seinem ersten Schreiben an den Herrn Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Außenminister um die Zurverfügungstellung der neuen Personalakten des neuen Auswärtigen Amts zu bitten. Der Zustand dieser Personalakten aber hat den Ausschuß außerordentlich enttäuscht. Zum Teil handelt es sich bei diesen neuen Personalakten um Loseblattsammlungen und weniger als das. Zum Teil sind diese Akten nicht numeriert, so daß keine Kontrolle darüber besteht, ob alles das, was in die Personalakten hineingehört, auch tatsächlich in ihnen enthalten ist. Zum Teil enthalten sie entgegen den Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Fachministerien kein Inhaltsverzeichnis. Bei einer Beweiserhebung mußte zudem festgestellt werden, daß für die Beurteilung einer bestimmten Tätigkeit wichtige Aktenstücke in Beiakten geführt werden, die im alten Auswärtigen Amt, im Ribbentropschen Auswärtigen Amt, Geldakten genannt wurden. Vielleicht ist das auch jetzt der Fall. Bei einer anderen noch nicht vollständig abgeschlossenen Beweiserhebung mußte bemerkt werden, daß nach Auskunft des Auswärtigen Amts drei Dokumente verschwunden sind, von denen sich zwei später wiedergefunden haben, so daß also insgesamt auch den neuen Personalakten des Auswärtigen Amts für eine Untersuchung, wie sie dem Untersuchungsausschuß nach Ziffer 1 des SPD-Antrags aufgegeben war, nur ein sehr bedingter Beweiswert beigelegt werden kann. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß sich einzelne Personalakten auch in einem guten Zustand befinden. Ich hebe besonders hervor, daß eine Bei-
akte zu einer Personalakte, die aus der Bayerischen Staatskanzlei stammt, als hervorragend bezeichnet werden muß. Ich tue das, um Ihnen zu zeigen, daß auch bei einer Behörde, die völlig neu aufgebaut werden mußte — auch die Bayerische Staatskanzlei war 1945 eine solche Behörde —, von Anfang an auf die gehörige Ordnung gesehen werden kann.
Der Untersuchungsausschuß hat sich dann bemüht, zur Beurteilung der einzelnen Persönlichkeiten und einzelner Vorgänge in den Besitz von dokumentarischem Material zu kommen. Das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg und das vom Bund und einer Anzahl von Ländern gemeinsam unterhaltene Institut für Zeitgeschichte in München haben freundlicherweise in großem Umfang beglaubigte Abschriften von Dokumenten des früheren Auswärtigen Amts, Protokolle und Fotokopien zur Verfügung gestellt, so daß es dem Ausschuß möglich gewesen ist, weit über den Rahmen einer Beweiserhebung hinaus, die an Hand der Personalakten hätte veranstaltet werden können, Beweise zu erheben. In der loyalsten Weise sind alle diese Dokumente — gleichgültig, in welcher Form sie vorgelegt worden sind — auch den Zeugen zur Verfügung gestellt worden. Es ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, nach ausreichender Information dazu Stellung zu nehmen.
Ich muß in diesem Zusammenhang auf einen Vorgang eingehen, der in der letzten Zeit von einer bestimmten Seite her nach Meinung des Ausschusses ungebührlich aufgebauscht worden ist. Es handelt sich um das Dokument, das in der Anlage 2 des Dokumententeils des Berichts unter IV auf Seite 49 aufgeführt worden ist. Ich werde dieses Dokument alsbald auf den Tisch des Hauses niederlegen oder, da ich einen solchen in diesem Augenblick nicht entdecken kann, dem Herrn Präsidenten zur Verfügung stellen. Das Wort „desgl." im Inhaltsverzeichnis bezieht sich lediglich auf den Ausdruck „Bericht" unter III. Die Überschrift im Dokumententeil ist nicht vom Ausschuß angebracht worden, sondern von einer Hilfskraft — die Sache hat eine etwas humoristische Wendung genommen — der Korrekturabteilung des Bundestags. Das Dokument selbst, das zu einem Teil im Abdruck als unleserlich bezeichnet worden ist, ist tatsächlich wie die Fotokopie, die aus dem Institut für Zeitgeschichte gekommen ist, am Ende völlig unleserlich. Wenn die Herren Kollegen, die an dieser Sache interessiert sind, davon Gebrauch machen wollen, so bitte ich Sie sehr um den Versuch, den von uns beim Abdruck als unleserlich bezeichneten Teil hier im Bundestag vorzulesen. Ich übergebe also das Originaldokument dem Herrn Präsidenten und bitte ihn, es allen interessierten Kollegen zur Verfügung zu stellen.
Schließlich hat der Ausschuß eine Anzahl von literarischen Veröffentlichungen geprüft. Er hat ihnen aber keinen Beweiswert beigemessen, sondern sie nur illustrandi causa herangezogen. Die Prüfung der Veröffentlichungen im einzelnen — soweit es nicht Dokumente sind, zu denen wir auch anderweitig, nämlich durch das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg, schon Zugang hatten — ergab, daß es sich um Memoirenwerke handelte, und es ist ja bekannt, welchen Selbsttäuschungen alle Verfasser von Erinnerungen in der Regel unterliegen.
Den Hauptteil der Ausschußarbeit bildeten die Vernehmungen von Zeugen. Ich bedaure sehr, daß es in der deutschen Volksvertretung noch nicht so wie in den Volksvertretungen der angelsächsischen Länder, insbesondere seit 150 Jahren in England und seit etwa 100 Jahren in den Vereinigten Staaten, üblich ist, auch die Verhandlungsprotokolle der Untersuchungsausschüsse zu drucken und der öffentlichen Kritik zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie diese Verhandlungen im einzelnen durchlesen werden, so werden Sie finden, daß das, was der Bericht bei der Beurteilung von einzelnen Persönlichkeiten in bezug auf den Wert ihrer Zeugenaussagen ausführt, leider nur allzu wahr ist. Nicht nur Unklarheiten in der Aussage zwischen verschiedenen Zeugen, sondern große Unklarheiten in den Aussagen eines einzelnen Zeugen, Widersprüche in den Aussagen eines einzelnen Zeugen und — um mich sehr gelinde auszudrücken — Unvollständigkeiten in der Angabe von Tatsachen haben dem Ausschuß und vor allen Dingen dem Herrn Ausschußvorsitzenden die Arbeit außerordentlich erschwert. Ich will hier im Plenum keine Namen nennen, unterstreiche aber im Auftrage des Ausschusses den Wunsch, das Verhalten der Beamten, die in dieser Art und Weise vor dem Ausschuß als Zeugen aufgetreten sind, der notwendigen Nachprüfung — für die allein die Exekutive zuständig ist — zu unterziehen.
Der Ausschuß ist sich in summa darüber klar gewesen, daß das Ergebnis, das er Ihnen bieten kann, mit all den Mängeln behaftet ist, die ich für das Beweismaterial jetzt im besonderen aufgeführt habe. Der Ausschuß hat sich in keinem Zeitpunkte seiner Untersuchungshandlungen etwa als eine historische Forschungskomrnission gefühlt; er hat auch nicht den Ehrgeiz gehabt, den Wegen zu folgen, auf denen der frühere Untersuchungsausschuß des Reichstags zur Untersuchung der Kriegsursachen gewandelt ist. Er verstand seine Aufgabe vielmehr dahin, ein zeitbedingtes politisches Urteil abzugeben, und er legt besonderen Wert auf die Feststellung, daß dieses Urteil durch weitere Aktenpublikationen, durch wissenschaftliche Untersuchungen usw. korrigiert werden könnte; er glaubt sogar, daß es in einzelnen Punkten korrigiert werden muß.
In mehr als 40 Sitzungen und in der Nachprüfung von mehr als 3000 Seiten gedruckten und ungedruckten Materials ist der Untersuchungsausschuß dann zu dem Ergebnis gekommen, das Sie am Schlusse des Schriftlichen Berichts aufgezeichnet finden.
Die Antwort auf die Frage 1:
Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
wird vom Ausschuß einstimmig mit Ja erteilt.
Die Antwort auf die Frage 2:
Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen?
wird in der Sachdarstellung auf Seite 36 gegeben. Es liegt an Ihnen, daraus Konsequenzen zu ziehen oder nicht zu ziehen.
Frage 3:
Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um
Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken
und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren?
wird vom Ausschuß in der Sachdarstellung ebenfalls auf Seite 36 beantwortet.
Namens des Ausschusses habe ich dabei darauf hinzuweisen, daß sich der Ausschuß einstimmig für befugt gehalten hat, diese Antworten zu geben und Ihnen die Empfehlungen zu unterbreiten, die zu den einzelnen Personalfällen „Voten" und zur sachlichen Seite der ganzen Angelegenheit „Empfehlungen" genannt werden. Der Ausschuß ist der Meinung gewesen, daß die Geschichte des Art. 44 unseres Grundgesetzes ihn berechtigt, so zu verfahren. Ausgenommen den Abs. 4 des Art. 44 des Grundgesetzes, der das Verhältnis von Untersuchungsausschüssen zu den Gerichten regelt, entspricht der Text dieses Art. 44 dem Art. 34 der Weimarer Reichsverfassung. Bei der Beratung der Weimarer Reichsverfassung war der Antrag gestellt worden, die Aufgabe von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen auf die Prüfung der Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungsmaßnahmen und Verwaltungsakten zu beschränken. Dieser Antrag wurde abgelehnt, und das Motiv dieser Ablehnung war, die Zuständigkeit der Untersuchungsausschüsse so weit wie nur irgend denkbar auszudehnen. Wenn also Art. 34 der Weimarer Reichsverfassung und Art. 44 des Grundgesetzes in den wesentlichen hier in Frage kommenden Teilen übereinstimmen, so ist festzustellen, daß es zu den Befugnissen der Untersuchungsausschüsse nach dem Grundgesetz gehört, Gesetzes- oder Verwaltungsenqueten zu veranstalten, die Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungsmaßnahmen und Verwaltungsakten zu prüfen und darüber hinaus jede erforderliche Beweisaufnahme zu veranstalten, die sie für notwendig halten, um die ihnen gestellte Aufgabe zu erledigen. Der Ausdruck „Votum" und der Ausdruck „Empfehlung" ist eine Trennung im sprachlichen Ausdruck in der deutschen Sprache, die wir für die Sache als angemessen erachtet haben. Juristisch ist es ein und dasselbe und nichts weiter als das, was bei den Untersuchungsausschüssen im angelsächsischen Staatsrecht „recommandation" heißt.
Ich bitte also, meine Damen und Herren, auch die Rechtsgrundlage, auf der die Antworten, die Voten und die Empfehlungen vorgenommen worden sind, anzuerkennen, und bitte Sie zusammenfassend, von dem Bericht des Untersuchungsausschusses Kenntnis zu nehmen und von den Empfehlungen nach Ihrem Ermessen Gebrauch zu machen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses — Ausschuß Nr. 47 — habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Aus ihm ergibt sich, daß der Ausschuß den Angriffen gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes mit besonderer Gründlichkeit nachgegangen ist. Das Hohe Haus darf überzeugt sein, daß ich dem Bericht in allen seinen Einzelheiten besondere Aufmerksamkeit zugewandt habe. Die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes war nicht zum
erstenmal Gegenstand einer sorgfältigen Prüfung durch Organe des Bundestages. Schon von Ende 1950 bis Anfang 1951 hat ein Unterausschuß des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten eingehende Untersuchungen in dieser Frage angestellt. Der Untersuchungsausschuß 47 ist jedoch nicht von den Feststellungen dieses Unterausschusses ausgegangen, sondern hat es, wie es auf Seite 4 des Berichts dargelegt ist, für praktisch gehalten, seiner Tätigkeit die Artikel in der „Frankfurter Rundschau" vom 1., 3., 4., 5. und 6. September 1951 zugrunde zu legen, die insgesamt die Überschrift tragen: „Ihr naht euch wieder... Einblick in die Personalpolitik des Bonner Auswärtigen Amtes."
Er hat die Personalakten sowie die Nürnberger Prozeßmaterialien beigezogen. Ferner hat er die in den Angriffen vornehmlich genannten Personen vorgeladen und vernommen.
Ich darf hier betonen, daß das Auswärtige Amt die Untersuchung in jeder von dem Ausschuß angeregten Weise unterstützt hat. Das Amt hat insbesondere dem schwerwiegenden und gegenüber einer obersten Bundesbehörde ungewöhnlichen Ersuchen stattgegeben, die Personalakten der in den vorgenannten Artikeln aufgeführten Personen — ich zitiere — „sicherzustellen in der Form, daß diese Akten zu Händen des Vorsitzenden dieses Ausschusses übergeben werden".
— Bei uns ja!
Das Auswärtige Amt hat weiter der Aufforderung entsprochen, jede Versetzung oder Beförderung der in den Angriffen genannten Personen bis zum Abschluß der Untersuchungen zu unterlassen.
Die Schwierigkeiten, denen der Ausschuß gegenüberstand, waren beträchtlich.
Die Personalakten des früheren Auswärtigen Amts, die über die Haltung der einzelnen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wohl weitgehend hätten Auskunft geben können, sind, wie Sie soeben gehört haben, 1943 verbrannt.
Was heute noch vorhanden ist und dem Ausschuß zur Verfügung stand, sind mehr oder weniger zufällige Mosaikstückchen, aus denen sich nur selten ein zuverlässiges Bild der Gesamthaltung rekonstruieren läßt. Das Aktenmaterial, das der Ausschuß von dritter Seite beschaffen konnte, ist im wesentlichen von der Anklagebehörde in den Nürnberger Prozessen zusammengestellt,
die gemäß dem angelsächsischen Prozeßverfahren das entlastende Material nicht berücksichtigt haben. Bei dem Mangel an zuverlässigen Unterlagen ist es besonders schwierig, zuverlässige Feststellungen zu treffen.
Eine weitere Schwierigkeit lag darin, daß keine festen Verfahrensregeln vorhanden waren. Lassen
Sie mich hier auf Grund der ganzen Untersuchungen eine Anregung aussprechen. — Es dürfte sich vielleicht empfehlen, daß im Rechtsausschuß doch einmal über die Frage gesprochen wird, welche Verfahrensregeln in Zukunft bei Untersuchungen durch einen solchen Ausschuß anzuwenden sind.
Das Grundgesetz enthält in seinem Art. 44 lediglich die Bestimmung, daß auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung finden.
Für das Gesamtverfahren enthält das Grundgesetz keine Regelung. Es hat sich auch keine ständige Übung entwickeln können. Laut Seite 4 des Berichts wurden die einzelnen Untersuchungshandlungen in sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung durchgeführt. Bei näherer Betrachtung erheben sich jedoch Zweifel, ob diese Analogie in dem Verfahren wirklich durchgehend gegeben war. Ich weise nur auf einzelne Punkte hin.
Der Ausschuß hat die in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" angegriffenen Personen vorgeladen und sie als Zeugen vernommen. Da sie sich jedoch fast ausschließlich zu Vorwürfen äußern mußten, die sie selbst betrafen, waren sie tatsächlich in der Rolle von Beschuldigten, die als Zeugen in eigener Sache vernommen wurden. Diese Übung ist bislang im angelsächsischen, aber nicht im deutschen Recht bekannt. Der deutschen Öffentlichkeit ist sie nur aus der Rechtsprechung der alliierten Militärgerichte geläufig. Dem Deutschen ist sie fremd, selbst wenn er Jurist ist.
Auch die Tatsache, daß das untersuchende Gremium wechselnd besetzt war, daß Beweisanträgen in einzelnen Fällen nicht stattgegeben wurde und daß der Gegenstand der Untersuchung den zu Vernehmenden in mehreren Fällen teilweise oder ganz neu war, läßt sich kaum mit den Vorschriften der Strafprozeßordnung vereinbaren. Ich führe diese Umstände an einmal aus dem eben von mir erwähnten Grunde, daß es sich wohl für zukünftige Fälle empfiehlt, diese Dinge einmal im Rechtsausschuß zu erörtern, und ferner, um zu zeigen, daß sich die als Zeugen in eigener Sache vernommenen Herren in einer nicht ganz klaren und nicht einfachen Lage befanden.
Es kommt noch eins hinzu. Nicht jedermann ist es gegeben, Anwalt in eigener Sache zu sein und sich bei der Vertretung seiner eigenen Angelegenheiten im nötigen Umfang und mit der nötigen Kraft zu betätigen.
— Na, Herr Horlacher!
So kann der Eindruck, der sich auf Grund ausgewählter Aktenstücke und einer wenn auch mehrstündigen Vernehmung ergibt, anders und wesentlich ungünstiger sein als das Bild, das der Vorgesetzte oder Kollege in jahrelanger Zusammenarbeit gewonnen hat.
— Sie sind ja wieder sehr munter heute, Herr Renner.
Der Ausschuß hat es dann für richtig befunden, über die Ziffer 1 seines Auftrages hinaus in mehreren Fällen nicht nur das Verhalten der angegriffenen Personen während der nationalsozialistischen Herrschaft zu prüfen, sondern er hat auch das Verhalten vor dem Untersuchungsausschuß zum Gegenstand seiner Beurteilung gemacht.
Die in diesem Zusammenhang von dem Ausschuß in mehreren Fällen angeregte Überprüfung des Verhaltens der Zeugen bei der Vernehmung ist jedoch durch verschiedene Umstände erschwert. In einigen Fällen ist die ganze Vernehmung stenographisch festgehalten worden. In anderen Fällen wurden nur einige Teile in kurzer Zusammenfassung
niedergelegt. Der Bericht selbst enthält auch Feststellungen auf Grund von Aussagen, die im Protokoll nicht einmal andeutungsweise enthalten sind.
Dieser Umstand behindert eine objektive Nachprüfung des Verhaltens der Vernommenen. In mehreren Fällen hat der Ausschuß ausdrücklich das Ergebnis des Entnazifizierungsverfahrens gewürdigt und zur Grundlage seines eigenen Verfahrens gemacht, wobei insbesondere der etwa geleistete Widerstand hervorgehoben wurde. In anderen Fällen ist das Ergebnis der Entnazifizierung und die Frage des Widerstandes nicht geprüft worden. Auch die Frage — ich komme nochmals darauf zurück, weil es sich um so wichtige Dinge handelt — der gleichmäßigen Besetzung, das Recht, Beweisanträge zu stellen und eventuell einen Verteidiger zu wählen, ferner die wichtige Frage der Rechtsmittel sollten in einer Sitzung des Rechtsausschusses nach meiner Meinung einmal besprochen werden.
Ich komm., nun zu dem Ergebnis der Untersuchungen. Die Grundlage bildeten, wie bereits erwähnt, die Artikel der „Frankfurter Rundschau". An dieser Grundlage gemessen ergibt sich aus den Ausführungen und den Feststellungen des Berichts folgendes. Der Ausschuß hat fünf von den insgesamt 21 angegriffenen Personen als Männer echten Widerstandes anerkannt. In einem weiteren Fall iat er die Teilnahme am Widerstand als gegeben erachtet. Drei von den 21 angegriffenen Personen werden wegen ihrer Verstrickung in nationalsozialistische Maßnahmen von dem Ausschuß als ungeeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst bezeichnet. Auch wenn man dieses Urteil, dessen Nachprüfung natürlich mir, als dem verantwortlichen Minister, obliegt, als zutreffend unterstellt, ergibt sich, daß die am Auswärtigen Amt öffentlich in der Presse geübte Kritik über ihr Ziel hinausgegriffen hat.
An dieser Stelle muß ich einen Umstand hervorheben, der, wie es scheint, nicht die Aufmerksamkeit des Ausschusses gefunden hat. Der Beschluß des Bundestages vom 24. Oktober 1951 mißt in Ziffer 1 dem Vertrauen des Auslandes an der Gestaltung des deutschen Auswärtigen Dienstes große Bedeutung bei.
Soweit das Ausland in der Alliierten Hohen Kommission vertreten ist, hat es den Aufbau des Aus-
wärtigen Dienstes von Anfang an auf das genaueste verfolgen können und hat nach der damaligen Rechtslage sehr weitgehende Einspruchsmöglichkeiten gehabt. Außerdem hat jede Regierung, in deren Land ein deutscher diplomatischer oder konsularischer Vertreter entsandt wird, die Möglichkeit, ihm das Agrément bzw. das Exequatur zu versagen, wenn sie gegen die Person Bedenken hat. In keinem einzigen Fall wurde das bisher verweigert, auch nicht von den Regierungen, die das gesamte Aktenmaterial des früheren Auswärtigen Amtes, soweit es eben noch vorhanden ist, in Besitz haben. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, daß das Vertrauen des Auslandes in die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik durch die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes gefährdet war.
Wohl aber muß man heute sagen, daß die übersteigerten Angriffe in der Presse auf das Amt dem Ansehen der Bundesrepublik im Ausland abträglich gewesen sind.
Der Bericht enthält eine große Zahl von Feststellungen, Anregungen und Empfehlungen. Ich bin überzeugt, Sie werden mir darin zustimmen, daß die Empfehlungen mir die verfassungsmäßige Verantwortung nicht abnehmen können.
Obwohl der Bericht vom Bundestag noch nicht behandelt worden ist, — —
— Wir sind in der Bundesrepublik!
— Gott sei Dank nicht Renner!
Obwohl der Bericht vom Bundestag noch nicht behandelt worden war, habe ich alle Hinweise und Feststellungen sorgfältig erwogen, um zu entscheiden, wieweit ihnen entsprochen werden kann. Ich kann Ihnen heute mitteilen, daß ich auf Grund meiner bisherigen Prüfung folgende Maßnahmen getroffen habe. In den Fällen, in denen der Ausschuß eine disziplinar- oder strafrechtliche Würdigung des Verfahrens anheimstellt, ist eine Untersuchung gemäß den Vorschriften der Dienststrafordnung durch eine nicht dem Auswärtigen Amt angehörende Persönlichkeit eingeleitet worden.
Der Ausschuß hat nicht nur das Verhalten der betroffenen Personen während der nationalsozialistischen Zeit geprüft, sondern weiterhin eine politische und fachliche Bewertung sowie darüber hinaus Empfehlungen bezüglich der weiteren Verwendung oder Beförderung ausgesprochen. Diese Werturteile, die für die Ehre und Zukunft der Betroffenen von großer Bedeutung sind, werden durch den Bericht in die Öffentlichkeit gebracht und sind in der Presse zum Teil abgedruckt und kommentiert worden, ohne daß die so beurteilten Beamten selbst Gelegenheit hatten, zu den Ausführungen des Ausschusses Stellung zu nehmen.
Ich habe den Beamten deshalb anheimgestellt, sich ihrerseits zu den Feststellungen des Ausschusses dienstlich zu' äußern. Diese Äußerungen werden bei der Prüfung der einzelnen Fälle berücksichtigt werden.
Zu der Frage 3 des Beschlusses vom 24. Oktober 1951 nach den Maßnahmen, die getroffen wurden, um Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren, erkläre ich, daß ich künftig in größerem Umfang als bisher, wo der Tatbestand dementsprechend liegt, strafrechtlich wegen Beleidigung des Auswärtigen Dienstes vorgehen werde.
Weit mehr aber als mit solchen juristisch-technischen Hilfen wird dem Auswärtigen Amt und allen seinen Angehörigen gedient sein — ich komme jetzt mit einer sehr herzlichen Bitte — mit einem Abbau des Mißtrauens und auch des Unverständnisses,
das diesem Dienst vielfach noch entgegengebracht wird. Es ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in andern Ländern eine Tatsache, daß über den Auswärtigen Dienst weniger Klarheit herrscht als über die anderen Zweige der öffentlichen Verwaltung. In Verkennung der rechtlichen und der tatsächlichen Lage wird dem einzelnen Angehörigen dieses Dienstes eine politische Entscheidungsbefugnis beigelegt und eine Verantwortung zugeschoben, die er in Wirklichkeit gar nicht besitzt. Die Verantwortung für die Außenpolitik trägt in jedem Lande die Regierung allein. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich eine solche Binsenwahrheit noch ausspreche; aber es scheint mir das nötig zu sein: in jedem Staate hat der Beamte eines jeden Ministeriums die Weisungen der allein verantwortlichen Regierung loyal durchzuführen. Das gilt in vollem Umfange auch für das Auswärtige Amt.
Das deutsche Auswärtige Amt war ein vorzügliches Instrument in den Händen der Männer, die in der Zeit bis 1932 Deutschland nach dem Zusammenbruch von 1918 zu einem allseits geachteten Mitglied in der Gemeinschaft der Nationen gemacht haben. Dieses Instrument ist später von der nationalsozialistischen Regierung mißbraucht und zum Teil verdorben worden.
Dem neuen Auswärtigen Amt muß man die Schwierigkeiten zugute halten — ich bitte Sie, das zu tun —, mit denen es zu kämpfen hat. Das Amt trat als letztes Bundesministerium ins Leben, und zwar viel früher, als man im Jahre 1949 erwarten konnte. Erfahrene Beamte aus früherer Zeit standen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Die räumliche Unterbringung und der technische Apparat konnten bisher nicht mit den ständig wachsenden Aufgaben Schritt halten. Diese Schwierigkeiten sind im Abklingen. Mit dem Fort-
schreiten der Zeit wird das Amt und insbesondere der Personalbestand von selbst ein anderes Gesicht erhalten.
Die Zahl der alten Beamten, die zur Wiederverwendung noch zur Verfügung stehen, ist klein. In wenigen Jahren werden die aus den verschiedensten Berufen übernommenen neuen Kräfte und vor allem der im Amt selbst ausgebildete jüngere Nachwuchs in die entscheidenden Stellungen aufgerückt sein.
Als Außenminister darf ich an dieser Stelle sagen, daß das Auswärtige Amt bei der Vorbereitung und bei der Durchführung der schwierigen Verhandlungen des letzten Jahres in steigendem Maße wertvolle Arbeit geleistet hat, für die jeder den Beamten dankbar sein muß. Von der Schwierigkeit und dem Umfang der Arbeit, die da geleistet worden ist, kann sich der Außenstehende einfach keinen Begriff machen. Die Leistungsfähigkeit des Auswärtigen Amtes wird wachsen mit dem Vertrauen, das man ihm gewährt. Die so erfreuliche Entwicklung kann aber nicht gedeihen, wenn das Auswärtige Amt in seiner Aufbauarbeit immer wieder durch solche Angriffe in der Presse gestört wird. Man fragt sich daher, wer eigentlich einen Vorteil davon hat, wenn immer wieder dadurch das Instrument der deutschen Außenpolitik in seiner Wirksamkeit behindert wird. Der Auswärtige Dienst darf die Kritik nicht scheuen. Er darf aber auch Verständnis beanspruchen.
Ich begrüße es — und ich sage das sehr unterstrichen —, wenn die Volksvertretung und die Öffentlichkeit auch künftig den Aufbau und die Tätigkeit des Auswärtigen Amtes mit Aufmerksamkeit verfolgen. Das Grundgesetz gibt reiche Möglichkeiten für eine fruchtbare Mitgestaltung. Es wäre erfreulich, wenn sie aufbauend genützt würden. Auch der Auswärtige Dienst ist ein Dienst des Volkes und ein Dienst am Volke. Er muß, wenn er seiner Aufgabe gerecht werden soll, vor allem von dem Verständnis und dem Vertrauen des eigenen Volkes getragen sein.
Das wird ihm, so hoffe ich, in wenigen Jahren in starkem Maße beschieden sein, wenn . die begabte Jugend aus allen Schichten diesem Dienst zustrebt, damit er wirklich ein Spiegelbild des ganzen Volkes werden kann.
Wenn die Arbeit des Untersuchungsausschusses dazu beigetragen hat, Mißverständnisse zu klären, Irrtümer zu beseitigen, wirkliche Mißstände aufzudecken, die Bahn für eine ungestörte Aufbauarbeit frei zu machen und im deutschen Volke ein tieferes Interesse für diesen Dienst zu wecken, so betrachte ich das Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses trotz der Bedenken, die ich im einzelnen geltend machen mußte, als einen Gewinn für uns alle.
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Redezeit von 120 Minuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat vorhin ausgeführt, daß es die Aufgabe des Ausschusses gewesen sei, ein zeitbedingtes politisches Urteil abzugeben. Ich glaube, in dieser Aufgabenstellung liegt der Fehler. Ein Untersuchungsausschuß im Sinne des Grundgesetzes, auch im Sinne der Weimarer Verfassung, hat nur Tatsachen festzustellen, aber kein Urteil abzugeben.
Meine politischen Freunde erkennen den Grundsatz an, daß es eine der wichtigsten nationalen Aufgaben ist, das Mißtrauen gegenüber unserem Lande zu überwinden, eine Verpflichtung und ein Prinzip, das unsere auswärtige Politik beherrschen muß. Diese Aufgabe wird aber nicht dadurch erfüllt, daß man das eigene Nest fortgesetzt beschmutzt.
Das Beschießen von Beamten durch die Presse dient dem Ziel nicht, im Ausland das Vertrauen in die Bundesrepublik herzustellen. Der Herr Bundeskanzler hat zu diesem Kapitel das Notwendige gesagt.
Auch die Ergebnisse und die Darstellung des Untersuchungsausschusses haben diesem Ziel nicht gedient, sondern erst Unruhe erzeugt. Es handelt sich um Angriffe, die sehr lebhaft an die Polemik und die Presseerzeugnisse unmittelbar nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945/46 erinnern, Betrachtungsweisen, die wir für überwunden hielten und deren Überwindung eine Notwendigkeit im deutschen Leben ist.
Besonders ist uns aufgefallen, daß man sich bei den Untersuchungsergebnissen auf die Beweiswürdigung der Nürnberger Prozesse stützt. Auf der andern Seite ist in Art. 6 des Überleitungsvertrages die Nichtanerkennung dieser Verfahren eine Voraussetzung bei dem Lösungsversuch der Frage der sogenannten Kriegsverbrecher, eine Voraussetzung, die, soviel ich weiß, von allen Parteien dieses Hauses geteilt wird. Hier stützt man sich aber auf dieses einseitige Beweismaterial. In der Propaganda und in Wahlversammlungen lehnt man, wenn es um die Frage der sogenannten Kriegsverbrecher geht, diese Rechtsgrundlagen ab. Man muß da wirklich fragen: „Erkläret mir, Graf Örindur, diesen Zwiespalt der Natur".
Ich habe nicht die Absicht, mit meinen Darlegungen irgendeinem der Mitglieder des Ausschusses einen Vorwurf zu machen. Denn ich behaupte, daß die falsche Stellung der Aufgabe, die vom Plenum beschlossen worden ist, einen großen Teil dazu beigetragen hat, daß dieses Verfahren Mängel aufweist. Die Ansicht — ich möchte nun in eine staatsrechtliche Würdigung eintreten —, daß der Untersuchungsausschuß nach dem Grundgesetz nur Tatsachen zu untersuchen und kein Urteil abzugeben hat, ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur auch schon zur Weimarer Zeit eine feststehende Grundauffassung gewesen. In dieser Hinsicht verstößt der vorliegende Bericht in mehrfacher Beziehung gegen die verfassungsrechtliche Kompetenz dieses Hauses. Er enthält außer den Feststellungen noch eine Reihe von Empfehlungen, welche als Anweisungen an die Bundesregierung formuliert sind. Es steht fest, daß der Bundestag gegenüber der Bundesregierung das Interpellationsrecht hat und ihr gegenüber die parlamentarische Kontrolle in Form des Mißtrauensvotums ausübt, daß er ihr aber keine Weisungen für die Führung der Geschäfte im allgemeinen oder auch in einzelnen Angelegenheiten erteilen kann.
Mit dieser Aufgabenstellung stimmt es weiter nicht überein, daß der Ausschuß das als Anlage abgedruckte Schreiben vom 14. Mai 1952 an den Bundesaußenminister gerichtet hat. In diesem Schreiben werden sehr konkret gefaßte Urteile über die zu untersuchenden Beamten abgegeben, welche den Sinn von Anweisungen oder Zustimmungen zu personalrechtlichen Maßnahmen der Bundesregierung haben. Man muß der Bundesregierung sogar den Vorwurf machen, daß sie ein solches Schreiben überhaupt angenommen hat, daß sie sogar mündliche Abmachungen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses getroffen hat, wie im Falle Grundherr, über den im einzelnen noch zu sprechen sein wird.
Denselben unzulässigen Charakter tragen die sogenannten Voten zu den einzelnen Feststellungen. Über die Beibehaltung oder anderweitige Verwendung der Beamten werden ganz bestimmte Vorschläge gemacht, die diesem Hause nicht zustehen. Man kann auch kaum sagen, daß der Ausschuß sich vielleicht im Ausdruck vergriffen hat und selbst nicht eine rechtliche oder politische Verbindlichkeit seiner Empfehlungen und Voten behaupten wollte. Denn in den Vorbemerkungen zu Teil II auf Seite 5 spricht er von einer Urteilsfindung, die dem Bundestag durch den Bericht ermöglicht werden soll. Der Bericht ist also gewissermaßen als Urteilsoder Entscheidungsentwurf gedacht, was über die Befugnisse des Bundestags und erst recht des Ausschusses hinausgeht.
Ganz besonders muß Ziffer 4 der Empfehlungen beanstandet werden, weil darin ein Zweierausschuß zur laufenden Kontrolle des Auswärtigen Amts vorgesehen wird.
Ein Untersuchungsausschuß kann seine Aufgaben nur selbst wahrnehmen. Außerdem ergibt schon die gegenwärtige Verfassungspraxis, daß ein Ausschuß oder Unterausschuß des Bundestags nicht zur laufenden Kontrolle der Verwaltung eingesetzt werden kann. Der Bundestag hat am 2. März 1950 anläßlich der Untersuchung der Auftragsvergebungen beim Ausbau von Bonn einen Antrag der SPD, Drucksache Nr. 443, einen Siebenerausschuß zu einer solchen Überwachung der Vergebung von Aufträgen einzusetzen, abgelehnt.
Schließlich erscheint es nach den Grundsätzen des Berufsbeamtentums — aber dazu hat der Herr Bundeskanzler das Notwendige schon ausgeführt — unzulässig, daß die Personalakten, die geheimzuhalten sind, der Öffentlichkeit in der Form, wie das in dem Bericht geschehen ist, zugänglich gemacht worden sind; das ist ein Verstoß gegen einen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der bereits nach Art. 129 der Weimarer Reichsverfassung galt und heute auch in der Bundesfassung des Beamtengesetzes in § 42 wieder seinen Ausdruck gefunden hat. Gewiß können Gerichte zur Aufklärung eines Sachverhalts die Personalakten anfordern; es ist aber nicht möglich, daß der Ausschuß in dieser Form Veröffentlichungen vornimmt.
Meine Zeit ist beschränkt. Ich unterstreiche das, was der Herr Bundeskanzler hinsichtlich der Einzelheiten des Verfahrens gesagt hat, und brauche dem nichts weiter hinzuzufügen. Ein grober, ein sehr grober Verfahrensverstoß besteht darin, daß Zeugen, die tatsächlich Beschuldigte waren, unter Eideszwang, wie das nur nach der englischen Prozeßordnung möglich ist, vernommen worden sind.
Zusammenfassend möchte ich zum Ausdruck bringen: Der Ausschuß hat unter Überschreitung seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse, allerdings durch den Beschluß des Bundestags dazu verleitet, die Befugnisse eines Tribunals übernommen, hat schwere Verstöße gegen die Verfahrensregeln insbesondere bei der sinngemäßen Anwendung der Strafprozeßordnung begangen, Beschuldigte als Zeugen unter Eideszwang vernommen und schlägt dem Plenum vor, sich die Befugnisse einer Mitregierung auf dem Gebiet der Personalpolitik anzumaßen.
Wir betrachten die Ausführungen und die Wertungen politischer Art, die in diesem Bericht stehen, als eine gefährliche politische Beckmesserei. Für besonders verwerflich halten wir die Beurteilung der Fälle von Bargen, Dittmann und von Grundherr. Im letztgenannten Fall handelt es sich um einen Beamten, der nach langer Dienstzeit unmittelbar vor Erreichung der Altersgrenze diese schwere Enttäuschung hinnehmen mußte, etwas, was man bestimmt hätte vermeiden können, was man auch der Bundesregierung, soweit ich orientiert bin, zugesagt, aber dann nicht gehalten hat; denn am Schluß der Würdigung steht doch das, was diesen Mann diffamiert. Das bedeutet einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Wir halten eine Diffamierung des Auswärtigen Dienstes in dieser Art für einen Fehler. Besonders geht die Diffamierung und damit eine Erschwerung der künftigen Arbeit des Auswärtigen Amts aus dem Text der sogenannten Zusammenfassung hervor.
Wir haben hinsichtlich dieser Frage für die Zukunft einige Wünsche. Bei der Wiedergutmachung
— auch wir treten dafür ein, daß das Wiedergutmachungsgesetz angewendet wird — sollte — und das ist ein Wunsch, den wir hier ausdrücken, nicht eine Empfehlung im Sinne des Ausschusses — auch auf die alten Beamten Rücksicht genommen werden, deren Rückkehr in den Dienst und deren Wiedereinstellung wesentlich erschwert ist.
— Dann würden sie ja nicht unter das Wiedergutmachungsgesetz fallen, Herr Kollege. Sie wissen, welchen Personenkreis ich meine.
Ferner sieht meine Fraktion von dem ausdrücklichen Antrag, eine Mißbilligung gegenüber diesem Bericht auszusprechen, ab,
und zwar aus dem Grund, weil der Hauptfehler in der Aufgabenstellung und weniger in der Durchführung des Verfahrens — außer den Mängeln, die ich bereits erwähnt habe — liegt. Nur dadurch ist es zu einer Beurteilung gekommen, die wir ablehnen. Aber meine Fraktion wird dafür stimmen, daß dieser Bericht wegen seiner fehlerhaften Verfahrensgrundlagen vom Bundestag verworfen werden möge.
Meine Zeit ist um.
— Dieser Bundestag ist dafür da, daß jede politische Meinung und Richtung, die hier vertreten ist, ihren Ausdruck findet. Sie haben Ihren Ausdruck lang und breit gefunden, also haben auch wir das Recht, unsere Meinung zu sagen. Ich betone nochmals: in dem, was ich hierzu sachlich zu bemerken habe, liegt kein Vorwurf gegen irgendeines der Mitglieder dieses Ausschusses. Denn auch die Verfahrensverstöße sind darin begründet, daß vorher keine genaue und richtige Geschäftsordnung gemacht worden ist. Ein dahingehender Antrag, der im Geschäftsordnungsausschuß gestellt war, ist dort abgelehnt worden. Derartige Untersuchungsausschüsse leiden darunter, daß eben diese genauen Verfahrensregeln fehlen. Bei Aufstellung einer Geschäftsordnung wäre die Frage, daß ein Zeuge nicht unter Eideszwang vernommen werden kann, wenn er in Wahrheit Beschuldigter ist, bestimmt aufgetaucht und hätte eine vernünftige Regelung gefunden.
Hinsichtlich der politischen Bewertung der Vergangenheit habe ich vorhin den Ausdruck von der politischen Beckmesserei gebraucht. Wir sind nicht so vermessen, in dem politischen Urteil, das hier ausgesprochen ist, das historische Urteil, d. h. die Findung der Wahrheit zu sehen. Es wird sehr schwer sein, da einen gültigen Maßstab zu finden. Immerhin hat uns sehr gefreut, daß dieser Bericht hinsichtlich der Frage des Widerstands einen sehr klärenden Satz enthält, und zwar an der Stelle, an der der Brief an Halder in der Frage von Etzdorf beurteilt ist. Es ist dort von den beiden Gruppen der Widerstandskämpfer die Rede, von denen die eine Gruppe dafür eintrat, daß Deutschland eine gute Verhandlungsposition behalten müsse, während es von der anderen heißt, daß sie auch eine deutsche Niederlage in Kauf nehmen wollte. Dieser Ausdruck „in Kauf nehmen" schließt die Zusammenarbeit mit dem Feinde aus, die eine Niederlage herbeiführen sollte. Diese Erkenntnis und diese Formulierung, dieses Ziehen einer feinen Grenzlinie ist, glaube ich, ein Beitrag zur Klärung eines sehr schwierigen Problems. Wenn dann festgestellt wird, daß es Personen gibt, die das Mißtrauen in Deutschland auf Grund ihrer Vergangenheit verstärken könnten, so muß ich — und dazu fühle ich mich verpflichtet — im Namen meiner politischen Freunde hinzufügen: auch diejenigen, die mit dem Zweck und dem Ziel, eine militärische Niederlage herbeizuführen — ein großer Unterschied gegenüber „in Kauf zu nehmen"! —, mit dem Feind zusammengearbeitet haben, tragen nicht dazu bei, das Vertrauen in unser Land zu stärken.
Wenn man schon Prinzipien aufstellt, dann soll man sie in eine feine Abwägung untereinander bringen. In allen diesen Punkten hat der Bericht seine schwierige Aufgabe nicht immer voll erfüllt.
Wir beantragen, den Bericht abzulehnen, und zwar um ein Präjudiz zu schaffen, daß solche politischen Parlamentstribunale nicht wieder errichtet werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Brill als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter eine Bemerkung an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers, die, glaube ich, zur Aufklärung dienen kann. Der Herr Bundeskanzler ist der Auffassung, daß das ganze Verfahren mit außerordentlichen Verfahrensmängeln belastet ist. Ich muß dazu berichten, daß sich der Untersuchungsausschuß wiederholt und eingehend mit Verfahrensfragen beschäftigt hat, nicht nur in abstrakter Weise unter Gebrauch der üblichen juristischen Regeln für die Auslegung des Grundgesetzes, sondern auch unter Rückgriff auf die zur Verfügung stehende Literatur. Der Untersuchungsausschuß ist in allen Fällen, in denen Entscheidungen darüber, wie das Verfahren zu gestalten sei, getroffen werden mußten, der Auffassung gewesen, daß die Beschlüsse des Deutschen Juristentages aus dem Jahre 1926, die Rechtsprechung des ehemaligen Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich und die Literatur, wie sie insbesondere in dem großen zweiteiligen Kommentar zur Weimarer Reichsverfassung von Anschütz aufgeführt ist, genügend zuverlässige Unterlagen bieten, um zu einem richtigen Verfahren zu kommen. Zu den weiteren Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers habe ich nichts zu sagen.
Der Herr Abgeordnete von Merkatz hat dann unter anderem das Verfahren des Ausschusses angegriffen, indem er erklärt hat, hier handele es sich um Parlamentsjustiz. Als Berichterstatter des Ausschusses habe ich darzulegen, daß wir in keinem Stadium des Verfahrens an etwas auch nur Ähnliches gedacht haben. Unser Bemühen war immer, die Tatsachen festzustellen und auf Grund der Tatsachen Empfehlungen zu geben; sonst nichts.
Nun hat der Abgeordnete von Merkatz noch gesagt, die Empfehlung, die unter Abschnitt IV Nr. 4 gegeben worden ist, bedeutet eine Verewigung des Untersuchungsausschusses mit dem Ziele, eine parlamentarische Nebenregierung einzusetzen. Ich beziehe mich in diesem Punkte zunächst einmal auf das, was ich vorhin über die Zuständigkeiten eines Untersuchungsausschusses gesagt habe, und füge hinzu, der Ausschuß ist einstimmig der Auffassung, daß mit der Berichterstattung in dieser Sitzung seine Aufgabe erledigt und er damit kraft Gesetzes, nämlich nach dem Grundgesetz, aufgelöst ist. Wenn er Ihnen in Abschnitt IV unter Nr. 4 eine besondere Empfehlung machte, so liegen dazu besondere Gründe vor. Gestatten Sie zunächst einmal, daß ich die Empfehlung vorlese:
Der Bundestag beauftragt die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Nr. 47 in ihrer Gesamtheit,
— ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auf den Ausdruck zu achten: nicht den Untersuchungsausschuß, sondern die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in ihrer Gesamtheit —
zwei Personen mit außenpolitischer und juristischer Bildung und Erfahrung mit der Nachprüfung der bisher vorliegenden Beschwerden über die Personalpolitik des AA zu betrauen. Sie haben dem Bundestag in geeigneter Weise über das Ergebnis dieser Prüfung zu berichten.
Ich will ihnen die Motive erklären, aus denen wir zu dieser Empfehlung gekommen sind. Noch bevor der Untersuchungsausschuß seine Tätigkeit aufgenommen hatte, gingen bei dem Vorsitzenden und bei einzelnen Mitgliedern in großer Zahl Beschwerden gegen die bisherige neue Personalpolitik ein. Sie bezogen sich insbesondere auf die Abweisung von Bewerbern.
Es war nicht die Aufgabe des Untersuchungsausschusses, zu diesen Beschwerden Stellung zu nehmen; denn die Aufgaben waren j a durch die drei Fragen, die ich in meinem Hauptbericht vorgetragen habe, ganz genau umrissen. Die Briefe sind auch in ihrer großen Mehrzahl — sie haben jetzt, glaube ich, die Zahl von 300 erreicht — keine Petitionen an den Bundestag, sondern Schreiben an den Untersuchungsausschuß. Sie müssen aber nach der Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses irgendwie erledigt werden. Der Untersuchungsausschuß hat deshalb diesen Vorschlag gemacht, um eine völlig unparteiische Erledigung zu ermöglichen. Zwei Persönlichkeiten, die in der Außenpolitik bewandert sind und die juristische Kenntnisse besitzen, sollten diese Prüfung als Sachverständige vornehmen. Diese Personen sollen nach der Intention des Ausschusses nicht dem Bundestag angehören.
Was wir vorschlagen, ist absolut nichts Ungewöhnliches. Der in meinem Hauptbericht erwähnte Ausschuß des Reichstags zur Untersuchung der Kriegsursachen hat Sachverständige, die dem Reichstag nicht angehörten, in großer Zahl vernommen und sich von ihnen Prüfungsberichte über Tatbestände, die aktenmäßig festliegen oder die sonst historisch zu erfassen sind, erstatten lassen. Ich erinnere beispielsweise an den Ihnen wahrscheinlich allen bekannten Wehrwissenschaftler und ehemaligen General von Kuhl, an den früheren Reichstagsabgeordneten Dittmann. Der auf Grund eines besonderen Gesetzes eingesetzte sogenannte Enqueteausschuß zur Untersuchung der Produktions- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft hat sogar ständige Sachverständige zur Prüfung bestimmter Tatbestände bestellt. Es ist also kein Vorschlag, der irgendwie aus der Luft gegriffen wird, den wir Ihnen hier machen. Aber ich habe schon in meinem Hauptbericht gesagt, die Empfehlungen sind Ihnen unterbreitet worden, um nach Ihrem Ermessen davon Gebrauch zu machen. Halten Sie es also bitte mit der Empfehlung unter IV, 4 so, wie Sie es für richtig halten. Nur möchte ich betonen, die bei dem Untersuchungsausschuß eingegangenen Beschwerden können nicht unbeachtet bleiben. Sie müssen untersucht und entschieden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege von Merkatz hat in seiner Rede eigentlich, glaube ich, zwei wesentliche Punkte ausgelassen, nachdem er hier ein glühendes Bekenntnis zum Auswärtigen Amt in alten und neuen Tagen abgelegt hat.
Es fehlten noch zwei Feststellungen, die erste: Der Bundestag wolle beschließen, die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Nr. 47 samt und sonders in den Anklagezustand zu versetzen.
Das war die erste Feststellung.
Und das zweite, was eigentlich in dieser Rede von
einem anderen Standpunkt aus hätte gesagt werden müssen und was die Rede deshalb so verhängnisvoll macht, weil es nicht in ihr enthalten war, wäre doch immerhin der Versuch gewesen, anzuerkennen, daß das Auswärtige Amt in bestimmten kritischen Perioden seiner Geschichte sich nicht so benommen hat, als daß Demokraten heute nicht darüber nachdenken sollten, wie man es besser machen kann!
Dadurch, daß das fehlt, hat diese Rede einen Akzent bekommen, verehrter Herr Kollege von Merkatz, der gerade das erreicht, was Sie dem Bericht des Untersuchungsausschusses unterschoben haben, nämlich erneut im Ausland Zweifel an der demokratischen Entwicklung unseres Volkes zu wecken.
Denn diese Rede wurde von einem Vertreter der Regierungsparteien gehalten, nicht von einem Vertreter der Opposition. Ich möchte aber die Freunde des demokratischen Deutschland in der Welt bescheiden darauf aufmerksam machen, daß Herr von Merkatz in seine Rede ein Selbstbekenntnis eingeflochten hat.
Und dieses Selbstbekenntnis war der Satz: „Meine Zeit ist um!"
Das wollen wir dem Ausland zur Tröstung mit auf den Weg geben. So, wie er es mit der Redezeit gehalten hat, ist es hoffentlich auch in der Politik. Er ist der Repräsentant einer Anschauung, die sich selbst überlebt hat.
Und nun zur Sache selbst! Der Auswärtige Dienst muß eine fleckenlose Visitenkarte des demokratischen Deutschland sein.
Wer in die Geschichte der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft — ob mit oder ohne eigenes Verschulden — allzu sichtbar verstrickt worden ist, sollte in bestimmten Positionen nicht verwendet werden, um des Ansehens der Bundesrepublik willen.
Auch die Personenauswahl für diesen besonders ins Auge fallenden Dienst muß Vertrauen zum neuen Deutschland und nicht das Gegenteil erreichen. Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten, die beim Aufbau des Auswärtigen Dienstes vorgelegen haben. Es ist erklärlich, daß manches Unbehagen und manche Kritik im In- und Auslande zunächst auch in manchen Punkten über das Ziel hinausgeschossen sein mögen. Sicher sind Fachkräfte erforderlich, um einen Apparat wie den Auswärtigen Dienst aufzubauen; aber das Entscheidende ist doch, ob man von der Konzeption ausgehen muß, daß es zwingend geboten sei, den Apparat der Wilhelmstraße im wesentlichen unversehrt nach der Koblenzer Straße überzuführen. Das ist doch das Problem, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben, oder wenigstens eins der Probleme.
Restaurationstendenzen gibt es gewiß überall; aber mir ist in den drei Jahren meiner Mitarbeit in diesem Hohen Hause keine Behörde zu Gesicht gekommen, die sich in dieser Vollkommenheit als direkten Fortsetzer der Tradition eines Berliner
Ministeriums fühlt und benimmt, wie es beim Auswärtigen Amt der Fall gewesen ist.
Ich möchte mich hier mit einem Satz beschäftigen, der von den Pflichten der Beamten handelte. Selbstverständlich hat jeder Beamte die Pflicht, loyal die Weisungen der Regierung auszuführen, die die politische Verantwortung trägt. Aber ich meine, man kann nicht einfach einen Teil der deutschen Geschichte und die Lehren, die wir aus ihr zu ziehen haben, streichen. Man weiß, daß es in bestimmten Situationen Beamte gegeben hat, die über das Maß des von ihnen Geforderten hinaus Weisungen provoziert haben, und — auch das hat
es gegeben —, daß es Beamte gegeben hat, die an Verbrechen mitgewirkt haben. Ich spreche nicht von denen, die hier Gegenstand der Untersuchungen gewesen sind; aber es hat Prozesse vor deutschen Gerichten gegen solche Beamte gegeben, und wir sind es unserem Volke und unserer Beamtenschaft schuldig, hier einen deutlichen Trennungsstrich zu jenen Elementen zu ziehen, die in ihrer Eigenschaft als Beamte sogar an Verbrechen aktiv mitgewirkt haben.
Und dann gab es den großen Gewissenskonflikt, der in jedem Beamtenherz eigentlich hätte ausgetragen werden müssen: Wie weit der Beamte einer Weisung nachgehen darf, wenn sie seinem Gewissen zuwiderläuft. Ich weiß, daß der unmittelbare Zwang und die unmittelbare Not manchen zur Ausführung von Weisungen gezwungen haben, die ihm gegen das Gewissen gingen. Aber so mancher z. B. gerade im Dienst im Auslande hatte doch die Möglichkeit, der Stimme des Gewissens leichter Ausdruck zu verschaffen, als ein anderer, der hier im Inlande unmittelbar dem nationalsozialistischen Druck ausgesetzt war.
Was hat der Ausschuß — denn das ist nun das Thema, mit dem wir uns zu befassen haben — sachlich festgestellt? Zu welchen bestimmten Ergebnissen können wir kommen? Hat sich die Einsetzung dieses Ausschusses überhaupt gelohnt? Ich meine: j a! Wenn die Frage, ob im Auswärtigen Amte Personen beschäftigt wurden oder werden, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, eindeutig mit einem Ja beantwortet werden mußte, dann ist damit ein Signal für jeden Demokraten gegeben, sich mit diesem Tatbestand im Sinne einer Abkehr von dem, was aufgedeckt worden ist, auseinanderzusetzen.
Wenn der Ausschuß weiter bestimmte Einflüsse ermittelt hat, auf welche die Beschäftigung dieser Personen zurückzuführen ist, und dann meint, daß es Sache des Bundestages sei, aus diesen Antworten Folgerungen abzuleiten, dann würden wir unsere Pflicht versäumen, wenn wir diese Folgerungen nicht zögen, auch wenn diese Folgerungen nicht unbedingt hier vor versammelter Mannschaft gezogen werden müssen. Aber wir müssen nach Mitteln und Wegen suchen, diese Folgerungen zu ziehen.
Wenn weiterhin der Ausschuß auf die Frage, welche Maßnahmen getroffen worden sind, um Mißgriffe in der Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten, zu dem Ergebnis kommt, daß das, was vorher geschehen ist — nämlich das Untersuchungsverfahren, das infolge der Art der Durchführung gar keine Mißgriffe aufdecken konnte —, eben kein Ergebnis brachte, daß die Bundesregierung lediglich zu handeln begann, als der Ausschuß schon bestimmte Mißstände aufgedeckt hatte, dann ist doch damit klargelegt, daß bis zur Einrichtung dieses Ausschusses praktisch eben nichts geschehen war, um den Mißständen zu Leibe zu gehen.
Das ist der Sachverhalt, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.
Wesentlich sind die tatsächlichen Feststellungen des Ausschusses und für die Arbeit des Parlaments die Schlußempfehlungen; nicht die Empfehlungen
zu den einzelnen Personen — da brauchen wir heute kein großes Scherbengericht zu veranstalten —, sondern die Schlußempfehlungen, damit wir zu konstruktiven Vorschlägen für die Zukunft kommen. Das ist die Aufgabe, die das Hohe Haus hier und heute hat.
Nun muß ich zu meiner Bestürzung auch in der Pressekorrespondenz einer der Regierungsparteien lesen, daß dieser Bericht sehr viele dunkle Stellen enthalte. Meine verehrten Damen und Herren, dunkel ist nicht der Bericht, sondern dunkel sind leider Gottes die Tatbestände, mit denen er sich zu befassen hatte
und die trotz großer Mühe nicht hinlänglich aufgeklärt werden konnten.
Es wird dann hier gesagt, der Ausschuß habe die Prärogative, die Vorrechte der Exekutive verletzt. Ich will hier ein offenes Bekenntnis ablegen. Wir befinden uns in unserer verfassungsrechtlichen Entwicklung in Deutschland nicht in einem Zustand, in dem das Parlament in der Gefahr steht, über seine Grenzen hinauszugreifen, sondern in einem Zustand, 'in dem das Parlament als Ganzes sich sogar dagegen wehren muß, daß die Exekutive allzu oft und allzu nachdrücklich die Befugnisse der gewählten Volksvertretung beeinträchtigt.
Das ist der Sachverhalt. Auch von diesem Standpunkt her
erschüttert mich ein wenig die Rede des Kollegen von Merkatz, die eigentlich einer Gedankenwelt des Autoritätsstaates entspricht, der in Deutschland für immer der Vergangenheit angehören sollte.
Was gab eigentlich dem Parlament Anlaß, sich hier einzuschalten? Wir hätten diesen ganzen Ausschuß nicht gebraucht, wenn die Bundesregierung rechtzeitig gehandelt hätte.
Die Bundesregierung, die noch, als der Ausschuß seine Tätigkeit begann, die Mißstände abgeleugnet und beschönigt hat,
statt sie selbst aufzudecken und zu beseitigen, trägt doch die Verantwortung dafür, daß es erst zu dieser öffentlichen Untersuchung kommen mußte.
Das müssen wir hier festhalten. Ich will aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. So viel von den einzelnen Beamten und ihrem mehr oder weniger richtigen Verhalten die Rede ist — für das Parlament gibt es nur einen Verantwortlichen. Das geht gar nicht anders; das ist das System der parlamentarischen Demokratie. Dem Parlament, uns gegenüber, trägt die Verantwortung für das, was geschehen ist und was weiterhin geschieht, der verantwortliche Ressortminister, auch wenn der Minister der Herr Bundeskanzler ist.
Ich nehme es keinem der beteiligten Beamten übel, daß er sich um eine Verwendung in seinem erlernten Beruf bemüht hat. Doch, ein klein wenig! Bei manchem wäre es eine Frage des Taktes gewesen, sich nicht allzu rechtzeitig wieder in den Vordergrund zu drängen.
Aber verantwortlich für die Wiederverwendung dieser Leute, verantwortlich für die Methode der Personalauswahl ist dem Parlament gegenüber — ohne Rücksicht auf die innere Geschäftsverteilung — der Ressortminister, der Bundesminister des Auswärtigen.
Überlastung mit vielen anderen Aufgaben, z. B. dadurch, daß der Ressortminister gleichzeitig noch die nicht kleine Aufgabe des Bundeskanzlers wahrzunehmen hat, ist keine Entschuldigung. Das hat er selbst zu vertreten; das hätte er rechtzeitig ändern können.
Es ist auch keine Entschuldigung, daß es im Auswärtigen Amt in den schwierigen Zeiten des Aufbaues nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig klare
Zuständigkeitsabgrenzungen zu schaffen, damit
derartige Pannen nicht passierten. Der Ressortminister muß sein Amt so organisieren, daß er die Zeit
und daß er die Mitarbeiter hat, um das Vorkommen derartiger Fehlentscheidungen zu verhindern.
Dem Parlament gegenüber haftet gewissermaßen er für die Folgen einer fehlerhaften Organisation, die abzustellen seine Aufgabe gewesen wäre.
Der Herr Kanzler hat uns versichert, er habe den Bericht sehr aufmerksam gelesen, und die Darstellung, die er gegeben hat, zeugt davon. Aber der Geist der Darstellung war doch in manchen Punkten nicht von dem Willen diktiert, aus den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des Bundestags ein Maximum an konkreten positiven Folgerungen für die Zukunft zu ziehen, sondern doch allzusehr auch von dem Bestreben — es mag nicht seines gewesen sein, das mag auch an der Organisation der Behörde liegen —,
zu ergründen, welche schwachen Stellen dieser Bericht hat und wie man sich nach Möglichkeit um die Ausführung dieser Empfehlungen drücken kann. Das ist aber nicht der Sinn der Stellungnahme der Bundesregierung.
Es gibt leider außer dem Herrn Bundeskanzler — aber dafür ist er verantwortlich — im Auswärtigen Dienst noch eine Nebenregierung, und auf diese Nebenregierung muß ich kurz zu sprechen kommen. Der Ausschuß hat es getan, aber der Satz ist leider offenbar der sonst sehr aufmerksamen Lektüre des Herrn Bundeskanzlers entgangen. Auf Seite 36 in Abschnitt IV Nr. 2 letzter Satz heißt es:
Dem Leiter der Personalabteilung müssen die
ihm nach der gemeinsamen Geschäftsordnung
für die Bundesministerien zustehenden Befugnisse, insbesondere das Recht des unmittelbaren
Vortrags beim Staatssekretär, tatsächlich eingeräumt werden.
Das war nun keine übertriebene Genauigkeit irgendwelcher wild gewordenen Bürokraten, sondern das war ein Satz, der sich, bewußt um Abhilfe bittend, gegen einen Sachverhalt richtete, den der Ausschuß nicht für richtig hält. Es gibt nämlich außer der Personalabteilung noch die Mitwirkung eines Mannes, der nach dem Geschäftsverteilungsplan mit Personaldingen überhaupt nichts zu tun hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
das ist Herr Ministerialdirektor Blankenhorn.
Es ist heute nämlich anders, als es in normalen Zeiten in einer Verwaltung üblich ist. Der Personalchef des Auswärtigen Amts hält nicht dem Herrn Staatssekretär Vortrag, der übrigens kein Staatssekretär, sondern ein Reisemarschall ist. Wir brauchten eigentlich noch einen Staatssekretär, der wirklich Behördenchef wird; aber das ist eine Frage, die auch in den Empfehlungen steht. Vielleicht denkt der Herr Bundeskanzler darüber einmal nach. Es gibt außer dem Personalchef heute Herrn Ministerialdirektor Blankenhorn, der laufend von dem offiziellen Personalchef der Bundesregierung für den Auswärtigen Dienst Vortrag entgegennimmt
und die wesentlichen Personalfragen vorab bespricht und zum Teil auch ohne Auftrag vorab entscheidet.
Die Aussage des Herrn Ministerialdirektors vor dem Ausschuß, daß er seit geraumer Zeit nichts mehr mit der Personalpolitik zu tun habe, ist also, gelinde gesagt, überholt. Herr Blankenhorn ist heute in die Personalpolitik stärker als in vergangenen Zeiten eingeschaltet.
Nun hat der Herr Bundeskanzler ausgeführt: ja, aber das Vertrauen des Auslands zu dem Aufbau des Auswärtigen Amts sei doch immer vorhanden gewesen. Vielleicht entsinnt sich der Herr Bundeskanzler, ob ihm nicht von den Vertretern einer Regierung der drei Mächte gerade zu der Person des Herrn Blankenhorn bedeutet wurde, daß er in einem bestimmten Land nicht genehm sei.
Wenn dann dieser Mann gleichzeitig für die Personalpolitik eine entscheidende Mitverantwortung trägt, steht das im klaren Widerspruch zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers vor diesem Hause.
So kann kein taugliches Instrument für die Außenpolitik der Bundesregierung zustande kommen. Das Auswärtige Amt muß ein Instrument für jede demokratische Regierung sein, und zwar ohne Rücksicht auf die jeweiligen Koalitionsverhältnisse.
Es sollte die wechselnden Mehrheiten dieses Hauses überdauern und nicht durch die Art seiner Zusammensetzung allzu schnellen Personenwechseln im Auswärtigen Dienst unterworfen sein.
Deshalb ist die Existenz einer zweiten Nebenregierung, nämlich der Nebenregierung .des Herrn Ministerialdirektors Globke im Bundeskanzleramt, besonders verhängnisvoll,
der mit dem Auswärtigen Amt von Amts und Dienst wegen überhaupt nichts zu tun hat, aber dennoch in Personalfragen einen weitreichenden Einfluß zu verschaffen mit Erfolg sich bemüht.
Die Herausgabe eines Kommentars zu den Nürnberger Gesetzen und die Tätigkeit im Bundeskanzleramt, also in einer anderen Behörde, rechtfertigen nicht eine aktive Mitwirkung bei der Personalpolitik und bei der Personalauswahl des Außenministeriums.
Das sollte der Minister selbst in seiner Hand behalten.
Das Instrument, das Auswärtige Amt, das nun entsteht — diese Bemerkung sei mir am Rande gestattet; sie gehört nicht unmittelbar zum Thema des Untersuchungsausschusses —, sollte, wenn man es aufbaut, aber auch benutzt werden. Was wir heute leider haben, ist ein verhältnismäßig großer Apparat des Auswärtigen Dienstes, dessen Arbeitsergebnisse für die praktische Politik der Bundesregierung überhaupt nicht ausgenutzt werden; denn neben diesem Auswärtigen Amt gibt es so eine Art inneres Kabinett, eine Art persönlicher Stab, der die eigentlichen politischen Entscheidungen fällt, ohne daß die Berichte, die aus den Ländern einlaufen, ohne daß die vielfältigen Möglichkeiten eines solch großen politischen Apparates überhaupt ausgenutzt werden. Wenn der Herr Bundeskanzler hier für Abhilfe sorgte, würde er dieser und der nächsten Regierung einen sehr wertvollen Dienst erweisen.
Der Untersuchungsausschuß hat nicht alle Fälle behandelt, die vielleicht hätten behandelt werden können. Es tauchen neue auf. Sie selbst verfolgen ja die Ausführungen in der Presse. Die allgemeinen Empfehlungen, die der Ausschuß gibt, sollen für die Zukunft vorbeugen. Es gibt aber eine gewisse Übergangszeit, in der Fehler noch nicht abgestellt sind. Bei den Fehlern, die sich jetzt, nach Beendigung der Arbeiten des Untersuchungsausschusses, herausstellen, möchte ich wünschen, daß die Bundesregierung von sich aus energisch aufklärt und handelt und nicht etwa wieder wartet, bis sich das Parlament gezwungen sieht, sich einzuschalten.
Das normale Verhältnis zwischen Parlament und Regierung ist von ganz allein da, wenn die Regierung rechtzeitig eingreift und den Meldungen nachgeht, wie sie jetzt in den Blättern unwidersprochen zu finden sind und nach einigen persönlichen Erhebungen nicht jeder Begründung entbehren, wonach ein Gegner des Nationalsozialismus auserkoren war, im Auswärtigen Amt verwendet zu werden. Er wird zur Vorstellung aufgefordert und dann, nachdem große Reisekosten nach Südamerika entstanden sind, wieder zurückgeschickt. Man bedeutet ihm: Die Deutschen — sprich: die Nationalsozialisten — in dem Lande, wo wir dich hinschicken wollten, wollen dich nicht haben; denn du hast dich in deiner Tätigkeit gegen das Dritte Reich zu sehr exponiert.
Oder wenn ein Konsul im Dienst verwendet wird, der seinerzeit einem jüdischen Mitbürger riet, nach Deutschland zu reisen, und gleichzeitig einen Bericht vom Stapel ließ — nicht an die Gestapo; es war wohl ein bißchen anders, wahrscheinlich gibt es Ermittlungen darüber —, der zur Veranlassung wurde, daß der Mann verhaftet wurde und viele Jahre im KZ verbrachte:
das sind Dinge, die zu ändern die Regierung nicht eine Sekunde zögern sollte.
Das Zögern von damals war der Anlaß für diesen Ausschuß. Wenn man sich über das Vorgehen des Parlaments beklagt, dann sollte man wenigstens insofern Folgerungen ziehen, als man jetzt rechtzeitig handelt und nicht wieder durch schädliches Zögern die Dinge nur schlimmer werden läßt.
Warum wird ein Mann auf leitendem Posten in das Ausland geschickt, über den dem Auswärtigen Amt durch den Untersuchungsausschuß so zahlreiche schwerwiegende Bekundungen zugegangen sind, daß mindestens in der deutschen Öffentlichkeit das Vertrauen zur Amtsführung dieses Mannes Schaden leiden müßte? Warum ist die Angelegenheit nicht ordnungsgemäß untersucht worden? Dabei erblicke ich — entschuldigen Sie das harte Wort — in einem Schetter-Verfahren, wie wir es erlebt haben, keine ordnungsmäßige Untersuchung. Der einzig richtige Weg ist die Prüfung durch einen unabhängigen Richter. Das kann man einmal wagen. Das tut auch der Würde des betreffenden Beamten keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Wenn die gegen ihn erhobenen Anwürfe nicht in der Dunkelkammer bereinigt — das sieht nach Vertuschen aus —, sondern vor einem unabhängigen Dienststrafgericht geklärt werden, dann ist ein Freispruch dort wegen erwiesener Unschuld eine viel bessere Ehrenerklärung als ein Vermerk, daß die Sache zu den Akten geschrieben werden mußte, weil angeblich an den Behauptungen allzuwenig dran ist. Dann bliebe doch immer das unbefriedigende Gefühl, daß die Untersuchung nicht mit dem erforderlichen Nachdruck geführt worden ist.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zur Regierungserklärung. Die Untersuchung war kein Strafprozeß. Alle Analogien in dieser Richtung gehen fehl. Die Dokumente — das mag auch dem Kollegen von Merkatz gesagt sein —, die verwendet worden sind, sind mit allen Beteiligten offen durchgesprochen worden. Sie hatten alle die Möglichkeit, zu diesen Dokumenten jede Art Erklärungen abzugeben. Es ist doch nicht einfach so, daß dieser Ausschuß etwa auf die Beweiswürdigung im Urteil des Nürnberger Gerichtes zurückgegriffen hätte, sondern er hat auf die Akten des Auswärtigen Amtes zurückgegriffen, für die es leider Gottes
heute nur diese Quelle gibt. Wenn es eine andere Quelle gäbe, hätten wir uns die Akten auch noch da hergeben lassen. Aber dort waren sie zu finden.
— Mit Herrn von Bargen sind in seiner Gegenwart sämtliche Dokumente besprochen worden. Wenn Sie die Druckfehlerberichtigung des Ausschusses lesen — —
— Natürlich, lesen Sie die Dinge im Zusammenhang. Das zweite Dokument ist doch ein Bericht des Herrn von Bargen. Aber das erste, und zwar des Herrn von Bargen ist so schlimm, daß ich mich für eine Partei schäme, die sich für ihn einsetzt.
Ein normaler Mensch mit normalem Verstehen der Schwierigkeiten — —
— Gut, wenn Sie es wünschen, daß sich die Öffentlichkeit ein Bild darüber macht, was in diesem ersten Bericht drinsteht, bin ich gezwungen, diesen Bericht nun einmal in einigen Sätzen zu verlesen. Dann werden Sie selbst urteilen können, ob dieser Bericht es rechtfertigt, sich mit dieser Herzenswärme für Herrn von Bargen einzusetzen.
Auf Grund der in der Judenverordnung des Militärbefehlshabers vom 28. -10. 1940 enthaltenen Verpflichtung haben sich rund 42 000 Männer und Frauen gemeldet. Hiervon waren 38 000 nichtbelgische Staatsangehörige. Insgesamt dürften 52 000 bis 55 000 Juden einschließlich der nichtmeldepflichtigen Kinder in Belgien gelebt haben. Hiervon sind 15 000 Männer, Frauen und Kinder nach dem Osten abgeschoben worden.
Weitere Transporte werden demnächst Belgien verlassen. Unter den Abgeschobenen befinden sich Staatenlose, ehemalige Deutsche, Tschechen, Polen, Holländer, Rumänen, Griechen, Slowaken, Russen, Norweger, Luxemburger, Kroaten und Angehörige der drei baltischen Staaten. Gleichfalls befinden sich auch einige Belgier hierunter, die deswegen verschickt werden, weil sie in der Öffentlichkeit den Judenstern nicht getragen haben.
Zunächst wurde ein „Arbeitseinsatzbefehl" über die „Judenvereinigung" den von der Abschiebung Betroffenen zugestellt. Da jedoch im Laufe der Zeit durch Gerüchte über Abschlachten der Juden usw. dem Arbeitseinsatzbefehl nicht mehr Folge geleistet wurde, wurden die Juden durch Razzien und Einzelaktionen erfaßt. In der letzten Zeit sind illegale Abwanderungen nach Frankreich, insbesondere nach dem unbesetzten Gebiet und nach der Schweiz festgestellt worden. Vorsichtig geschätzt dürften etwa 3000 bis 4000 Juden nach der Schweiz ausgewandert sein. Genaue Angaben lassen sich jedoch nicht darüber machen.
Das ist eine freundliche Einladung, daß nun endlich einmal etwas passiert, damit sich die Juden nicht weiter in dieser unerhörten Weise der Abschlachtung entziehen und in die Schweiz ausreißen!
(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Nein,
man muß genau von der tatsächlichen
Situation ausgehen!)
— Herr v. Rechenberg, Sie können nachher hierzu sprechen.
Ich selbst habe mir in eingehenden persönlichen Vernehmungen einen Eindruck von Herrn von Bargen gemacht und meine, daß er keine Zierde des deutschen Auswärtigen Amtes ist.
Dann sollen Sie auch noch das Telegramm des
Herrn von Bargen vom 9. Juli 1942 hören: Militärverwaltung beabsichtigt, gewünschten Abtransport von 10 000 Juden durchzuführen. Militärverwaltungschef gegenwärtig im Hauptquartier, um Angelegenheit mit Reichsführer SS zu erörtern. Bedenken gegen Maßnahme könnten sich einmal daraus ergeben, daß Verständnis für Judenfrage hier noch nicht sehr verbreitet und Juden belgischer Staatsangehörigkeit in Bevölkerung als Belgier angesehen werden. Maßnahme könnte daher als Beginn allgemeiner Zwangsverschickungen ausgelegt werden. Auf der anderen Seite sind Juden weitgehend in hiesigen Wirtschaftsprozeß eingegliedert, so daß Schwierigkeiten auf Arbeitsmarkt befürchtet werden könnten.
Und nun kommt das Entscheidende:
Militärverwaltung glaubt jedoch, Bedenken zurückstellen zu können, wenn Verschickung belgischer Juden vermieden wird. Es werden daher zunächst polnische, tschechische, russische und sonstige Juden ausgewählt werden, womit das Soll theoretisch erreicht werden könnte.
Praktische Schwierigkeiten sind insofern zu erwarten, als durch Bekanntwerden beginnender Abschiebungen aus Frankreich und Holland im hiesigen Judentum schon gewisse Unruhe entstanden ist und daher Juden versuchen werden, sich Zugriff zu entziehen. Für Zwangsmaßnahmen aber reichen vorhandene Polizeikräfte nicht aus ....
Das ist Bargen!
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, wir wollen uns wieder beruhigen. Wenn mich Herr von Rechenberg nicht so temperamentvoll unterbrochen hätte, hätte ich es für richtiger gehalten, daß wir uns damit begnügt hätten, Herrn von Bargen nicht mehr im Auswärtigen Amt zu sehen;
aber so war es erforderlich, der Öffentlichkeit einmal die Gründe aufzuzeigen, daß er hoffentlich, Herr Bundeskanzler, im Amt nicht wieder auftaucht.
Gegen den Ausschuß ist ein Vorwurf daraus hergeleitet worden, daß er sich in der Notwendigkeit gesehen hat, Akten zu sichern. Herr Bundeskanzler, ein offenes Bekenntnis! Leider war das nötig. Leider haben sich Dinge abgespielt, die den Ausschuß dazu gezwungen haben, sich zu vergewissern, daß an den Personalakten vom Tage der Untersuchung ab nichts mehr geändert wird.
Es hat im Amt eine Liste der Angehörigen des Sicherheitsdienstes der SS gegeben, die im Auswärtigen Amt einmal tätig waren. Diese Liste hat ein Beamter einem andern ausgehändigt. Der zweite weiß angeblich nichts mehr davon. Die Liste ist praktisch verschwunden.
Es gibt eine andere Liste über die in den Auslandsvertretungen tätigen früheren SD-Leute. Diese Liste wird Gott sei Dank neuerdings gelegentlich vor personalpolitisch wichtigen Entscheidungen benutzt. Es ist nie ein Beamter auf die Idee gekommen, im Untersuchungsausschuß zu beichten, daß es diese Liste, die für die Arbeiten des Ausschusses von unschätzbarem Wert gewesen wäre, überhaupt gibt.
Also die Behauptung, daß das Amt als Ganzes den Untersuchungsausschuß in seinen Arbeiten denkbar gefördert und unterstützt hätte, ist leider nicht ganz richtig.
Nun zur Frage der Statistik. Der Herr Bundeskanzler sagt mit Stolz: Auf soundso viel Leute ist geschossen worden, und es sind nur sehr wenig Leichen auf der Strecke. Nun, ganz so kann man an die Frage nicht herangehen. Das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sollte nicht einfach darin bestehen, daß man der erstaunten Öffentlichkeit wie in einem Drama Shakespeares möglichst viel gefallene Helden produziert, sondern das Entscheidende ist doch, daß wir bestimmte organisatorische und politische Vorkehrungen für die Zukunft treffen, um zu einem anständigen Aufbau dieser Behörde zu kommen. Das ist doch der Hauptakzent und ist der Hauptwert der Arbeiten des Ausschusses. Aber wenn man schon Statistik treibt, dann sei nicht verschwiegen, daß nach einer nichtamtlichen Statistik — aber vielleicht kann der Herr Bundeskanzler einmal eine amtliche anfertigen lassen —, wenn man nur von den Referatsleitern nach oben geht, im heutigen Auswärtigen Amt mehr als drei Viertel der Beamten, ehemals — mit welcher Entlastung auch immer — der NSDAP angehört haben.
Sie wissen, daß bestimmt nicht die Stunde und der Ort gegeben sind, irgendwie ein schematisches Säuberungsverfahren in Gang zu bringen. Aber eine derartige Massierung dieser Kräfte an einer politisch so exponierten Stelle ist für unseren Staat ungesund. Das ist doch das mindeste, was man sagen 'muß.
Den Empfehlungen des Ausschusses ist nicht so entsprochen worden, wie der Herr Bundeskanzler es hier darstellt. Ich meine hierbei nicht die einzelnen Empfehlungen zur Person, sondern allgemein. Der Außenminister hat nicht dafür gesorgt, daß der Bericht im Auswärtigen Amt daraufhin untersucht wird, was nun Positives geschehen muß.
Ich meine, es ist geradezu ein Symbol, daß entgegen den Arbeitsergebnissen dieses Ausschusses eine Persönlichkeit wie der zweifellos mit fachlichen Qualitäten ausgestattete Herr Pfeiffer zum Leiter der Personalabteilung mindestens kommissarisch bestellt worden ist, obwohl die Bundesregierung seinerzeit selbst beschlossen hatte, daß es in keinem Ministerium einen Leiter der Personalabteilung geben darf, der Mitglied der nationalsozialistischen Partei gewesen ist.
Gerade für das Auswärtige Amt und gerade nach der Kritik, der es ausgesetzt war, und nach den Arbeiten dieses Ausschusses ist dieses Verhalten der Bundesregierung nicht dazu angetan, uns glauben zu machen, daß die Bundesregierung Wert darauf legt, zum Parlament als Ganzem ein echtes Verhältnis des Vertrauens herzustellen.
Nun müssen wir Konsequenzen aus unserer Arbeit ziehen. Diese Konsequenzen, Herr Kollege von Merkatz, sind das, was der Ausschußbericht mit der „Urteilsfindung" meinte. Da wird niemand zum Köpfen und Hängen verurteilt, sondern der Bundestag bildet sich ganz einfach ein Urteil über das, was zu geschehen hat. Das ist immerhin auch eine Urteilsfindung! Sie brauchen hier gar nicht die scharfe Sonde Ihres juristischen Sachverstandes anzusetzen. Das sagt der gesunde Menschenverstand ganz von selbst.
Wir haben Ihnen eine Entschließung unterbreitet, und ich würde Sie bitten, dieser Entschließung zuzustimmen. Sie liegt Ihnen als Umdruck Nr. 676 vor. Sie enthält einmal zwei Aufträge an die Bundesregierung. Diese soll berichten, welche dienstlichen Maßnahmen sie im Zusammenhang mit den Arbeiten dieses Ausschusses durchgeführt hat. Und zwar verstehen wir darunter nicht irgendwelche Dunkelkammer- oder SchetterVerfahren, keine Untersuchung durch einen Ministerialdirektor aus Mainz, der nachher irgendein Gutachten abgibt. Diese Berichterstatter sind ja von der Behörde ausgewählt. Wir möchten, daß der einzige klare Weg gegangen wird, den die Exekutive in diesem Falle hat, nämlich die Anwürfe durch ein unabhängiges, dazu geschaffenes Dienststrafgericht untersuchen zu lassen. Diesem Richterspruch muß sich jeder beugen, der Betroffene und auch das Parlament; das ist selbstverständlich. Aber diese Untersuchung durch unbefangene, unabhängige Richter, die nicht Teil der Bürokratie sind, muß durchgeführt werden.
Als zweites wünschen wir, daß die Bundesregierung einen Bericht über die Rechtsgestaltung und die Einstellungsbedingungen des auswärtigen Dienstes in anderen Ländern vorlegt, weil man aus gewissen Erfahrungen, auch wenn man sie nicht einfach kopiert, immerhin lernen kann.
Dann geht unser Auftrag an den auswärtigen Ausschuß, daß er sich zu diesem Bericht der Bundesregierung äußert und evtl. Grundgedanken für ein Gesetz über den auswärtigen Dienst erarbeitet, welches die Rechtsstellung der Beamten zu regeln und gewisse Organisationsprinzipien festzulegen
hätte, das auch einmal das Chaos der Besoldungsvorschriften für den Auslandsdienst nicht allein der Willkür einzelner Rundverfügungen überläßt, sondern kodifiziert, genau so wie wir für den Inlandsdienst klare gesetzliche Vorschriften haben, und das vor allem auch die Methoden der Personalauslese objektiviert, um irgendwelchen politischen oder anderen Willkürmaßnahmen vorzubeugen.
Der auswärtige Dienst darf kein Monopol sein, und er soll keine Inzucht treiben. Die allgemeine Beamtenausbildung, wie sie sonst für den öffentlichen Dienst geübt wird, muß auch für den auswärtigen Dienst qualifizieren. Außenseiter sollte man es bei entsprechenden Leistungen nicht ihr Leben lang fühlen lassen, daß sie ihre Erfahrungen einmal woanders erworben haben als auf der Diplomatenschule, sei es auch die jetzige von Speyer. Gemeinsames Interesse von uns allen sollte zu diesen Vorschlägen führen; dann schaffen wir Vertrauen zum demokratischen Deutschland. Fehler in der Organisation müssen wir erkennen und abstellen, damit sie beim Neuaufbau vermieden werden können. Jede Außenpolitik bedarf eines tauglichen Instruments. Das jetzige Auswärtige Amt ist das leider noch nicht. Daher müssen wir uns gemeinsam bemühen, es zu einem besseren zu machen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Zu den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Erler möchte ich einige Worte sprechen. Ich möchte vorausschicken, daß es mir ebenso wie ihm am Herzen liegt, das Auswärtige Amt so zu gestalten, wie er das in seinen Schlußworten ausgeführt hat. Ich bin doch bei Gott nicht der Mann, der darauf ausgeht, frühere Pgs in maßgebende Stellungen zu bringen.
— Ach, fragen Sie doch Herrn Renner! Dessen erste Karte, als er aus dem Konzentrationslager entlassen wurde, galt mir.
— Ich habe die Karte nicht mehr, sonst gäbe ich sie Ihnen wieder.
Lassen Sie uns doch einmal versuchen, die Dinge auf das richtige Maß zurückzuführen. Ich greife Ihre letzte Bemerkung, Herr Erler, betreffend die Diplomatenschule in Speyer auf. Lassen Sie sich doch bitte einmal vom Auswärtigen Amt ein Verzeichnis über die Herkunft der jungen Leute geben, die dort angenommen worden sind. Dann werden Sie sehen, daß die Leute aus allen Schichten hergenommen sind.
— Doch, er hat die Diplomatenschule auch mit angegriffen.
— Meine Damen und Herren, vielleicht hören Sie mich einmal in Ruhe und ohne Unterbrechungen an. Ich will doch versuchen, im Interesse des Auswärtigen Amtes, im Interesse unseres Ansehens im Ausland und auch im Interesse der Zusammenarbeit mit dem Parlament die Dinge möglichst ruhig darzustellen, wie ich sie ansehe.
Der Auftrag, den der Untersuchungsausschuß vom Parlament bekommen hat, war folgender: „Wurden oder werden im auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?" Dann hat der Ausschuß ein Verzeichnis aller im auswärtigen Dienst tätigen Leute angefordert. Untersucht sind nur die Fälle der 21 Personen, die in der „Frankfurter Rundschau" genannt waren. Von diesen 21 Personen hat der Ausschuß drei als ungeeignet für den auswärtigen Dienst bezeichnet, darunter Herrn von Bargen, der nicht Beamter, sondern Angestellter war, und der, wie ich höre, jetzt uns beim Arbeitsgericht verklagen wird, weil er zu Unrecht entlassen sei. Dann hat der Ausschuß Herrn Dittmann wegen seines Verhaltens vor dem Ausschuß als ungeeignet bezeichnet, nicht etwa deshalb, weil Herr Dittmann in der nationalsozialistischen Zeit etwas getan habe. Bei Herrn von Grundherr ist der Tatbestand nicht völlig geklärt worden. Im Ausschuß ist gesagt worden: Wenn Herr von Grundherr freiwillig ausscheidet, wollen wir diese Angelegenheit nicht weiter untersuchen. Herr von Grundherr, der ungefähr die Altersgrenze erreicht hatte, ist freiwillig ausgeschieden.
Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis, und nun hören Sie bitte mal eine Statistik über die Anzahl der im Auswärtigen Dienst beschäftigten Personen und ihre Zugehörigkeit zum früheren Auswärtigen Amt. Ich möchte das namentlich deshalb sagen, weil Herr Abgeordneter Erler ausgeführt hat, man wolle nicht, daß das Auswärtige Amt von der Wilhelmstraße nach der Koblenzer Straße verpflanzt werde, was ich ebensowenig will. Es werden in Bonn insgesamt 210 Beamte und Angestellte beschäftigt. Davon sind ehemalige Mitglieder des Auswärtigen Amtes 64, neu eingestellt 146. Beamte und Angestellte der Auslandsvertretungen sind zusammen 223, davon frühere Leute des Auswärtigen Amtes 76, neu eingestellt 147. In den Wirtschaftsabteilungen bei den Auslandsvertretungen sind insgesamt 121 beschäftigt, davon ehemalige Mitglieder des Auswärtigen Amtes 8, neu eingetreten 113. Das sind insgesamt am 1. Oktober 1952 576 Personen, davon ehemalige Mitglieder des Auswärtigen Amtes 158, neu 418.
— Darauf komme ich jetzt.
Nun hat Herr Erler erklärt, und zwar zutreffend erklärt: Je höher man nach oben geht, desto mehr sind die Pgs vertreten; ich glaube, er hat gesagt: vom Ministerialdirigenten aufwärts.
Sie haben recht darin, Herr Erler. Aber wenn Sie
mal von oben nach unten gehen, möchte ich
zunächst feststellen, daß weder der Außenminister noch der Staatssekretär Pgs gewesen sind.
Also, wenn wir die Spitze betrachten, dann müssen Sie doch die beiden auch hinzunehmen, Herr Erler! Nun ist es richtig, daß unter den Beamten, die Herr Erler genannt hat, also vom Referenten an aufwärts, wenn ich die Zahl richtig im Kopfe habe, etwa 66 % frühere Pgs gewesen sind. Aber ich glaube, wenn Sie sich die Dinge einmal in Ruhe überlegen, dann werden Sie nicht sagen können, daß man anders hätte verfahren können. Man kann doch ein Auswärtiges Amt nicht aufbauen, wenn man nicht wenigstens zunächst an den leitenden Stellen Leute hat, die von der Geschichte von früher her etwas verstehen.
— Nein, meine Damen und Herren, nicht die etwas von der Politik verstehen, die aber erstens Sprachen verstehen und zweitens die Art und Weise verstehen, wie mit den anderen diplomatischen Diensten verkehrt werden kann. Das gehört nun einmal dazu.
Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen doch folgendes sagen. Ich weiß, daß Organisationen, die Ihnen nahestehen, in diesem Punkt viel weitherziger sind.
— Soll ich sie nennen? Gern will ich Ihnen eine nennen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat mir als Mitglied der Hohen Behörde einen Herrn vorgeschlagen, der Pg gewesen ist.
— Meine Damen und Herren, ich bin noch nicht fertig. Ich habe auf den Vorschlag gesagt: So sehr ich die Tüchtigkeit dieses Herrn und eines zweiten Herrn, der es genau so war, schätze — und ich schätze sie wirklich —, so sehr werden Sie verstehen müssen, daß ich in der ersten supranationalen Behörde doch Schwierigkeiten bekomme, wenn ich da ausgerechnet einen früheren Parteigenossen präsentiere; denn die Mitglieder der Hohen Behörde mußten von sämtlichen Regierungen gewählt werden. Ich habe dann gesagt: Wir wollen uns und auch den betreffenden Herrn doch nicht der Gefahr aussetzen, daß er abgelehnt wird. Wissen Sie, was ich zur Antwort bekommen habe? „Über derartige Überlegungen sind wir längst hinausgewachsen."
Nun möchte ich zu einigen Einzelanführungen des Herrn Kollegen Erler Stellung nehmen. Erstens. Er hat von der Liste gesprochen derjenigen, die früher, ich glaube, beim SD gewesen seien. Er hat gesagt: Sie hätten die Sicherstellung der Akten verlangen müssen, weil diese Liste —wenn ich ihn recht verstanden habe — verschwunden gewesen sei. Nun möchte ich darauf folgendes sagen. Eine solche Liste war tatsächlich da.
— Ich bin ja noch nicht fertig, Herr Horlacher, nicht so temperamentvoll!
Die Liste war da, und zunächst stelle ich fest, daß keiner, der auf dieser Liste stand, angestellt worden ist. Dann stelle ich aber zweitens fest, daß Herr Kollege Erler hier gesagt hat: Deswegen hätten sie — weil eine solche Liste verschwunden sei — die Sicherstellung der Personalakten verlangen müssen.
— Aha, gut. Ja, ich bin noch nicht fertig, Herr Erler. Ich habe eben erklärt, daß schon einmal eine Untersuchung durch einen Unterausschuß des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten stattgefunden hat, und während dieser Untersuchung hat das Auswärtige Amt dem Herrn Luetkens eine Abschrift dieser Liste übergeben.
Und die Urschrift ist auch noch da, Herr Erler.
Ich habe, weil Herr Erler sehr schnell sprach und die Akustik dort, wo ich sitze, nicht gut ist, nicht verstanden, was er ausgeführt hat
— ja, Sie versteht man mit Ihrer Stimme immer, Herr Renner, das weiß ich —, habe nicht verstanden, was er ausgeführt hat bezüglich des Nicht-Nazis, der von Südamerika zurückgeschickt worden sei. Vielleicht sind Sie so freundlich, Herr Erler, und geben mir an, was Sie damit gemeint haben. Mir ist davon nichts bekannt; mir ist auch nicht bekannt, daß einer zurückgeschickt worden ist.
Endlich hat Herr Erler gesagt, daß meine Angabe, noch kein Diplomat sei vom Ausland zurückgewiesen worden, weil er Pg gewesen sei, wohl nicht ganz zutreffend sei, weil Herr Blankenhorn von einer Macht, die in der Hohen Kommission vertreten sei, zurückgewiesen worden sei. Herr Erler, ich weiß nichts davon und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese Macht mitteilen würden.
— Herr Blankenhorn ist nie für eine Stelle in den USA in Aussicht genommen gewesen, ich weiß wirklich nicht, inwiefern behauptet werden kann, er sei von den USA zurückgewiesen. Ich unterstelle den guten Glauben des Herrn Erler ganz selbstverständlich, dafür kenne ich ihn. Aber was für Märchen über das Auswärtige Amt erzählt werden und mit welcher Phantasie ein Auswärtiges Amt betrachtet wird, ist geradezu fabelhaft.
Nun zu der Rolle des Herrn Blankenhorn, Herr Erler! Herr Blankenhorn hat in der ersten Zeit, als wir noch kein Auswärtiges Amt hatten, bei den Verhandlungen und dem Verkehr mit der Hohen Kommission mitgearbeitet. Als wir zur Bildung eines Auswärtigen Amts kamen, habe ich Herrn Blankenhorn gefragt, ob er mir einen Herrn nennen könne, der genügend Kenntnisse über Persönlichkeiten habe, die früher im Auswärtigen Dienst gearbeitet hätten, damit man damit anfange aufzubauen. Herr Blankenhorn hat mir den Herrn Haas genannt, und ich habe Herrn Haas berufen. Ich erkläre Ihnen hiermit ausdrücklich, daß Herr Blankenhorn seit der Zeit mit der Be-
arbeitung der Personalpolitik überhaupt nichts mehr zu tun gehabt hat.
— Herr Mellies, was soll man nun darauf sagen? Sie sagen: „Offiziell nicht, aber inoffiziell um so mehr!" Dann bitte, bringen Sie mir doch das Material dafür!
— Ich kann nur erklären, meine Damen und Herren, daß Herr Blankenhorn weder mir, noch, wie ich annehme, auch dem Staatssekretär in Personalfragen Vortrag hält. Das tuen andere Leute.
Noch ein Wort, weil der Name genannt worden ist, zu Herrn Globke. Herr Globke erfreut sich auf der linken Seite des Hauses einer ganz außerordentlichen Beliebtheit.
— Dagegen muß ich sehr nachdrücklich protestieren, meine Damen und Herren,
daß einem im Amt befindlichen Ministerialdirektor vorgeworfen wird, es sei eine Schande, daß er im Amt sei.
Ich kann Ihnen darauf nur sagen, daß Herr Globke, als dieser Punkt im Bundestag erörtert wurde, eine ganze Reihe von Dankschreiben von Juden vorgelegt hat, denen er geholfen hat.
— Er ist ja nie Nazi gewesen!
— Ich höre einen Zwischenruf: „Das ist noch schlimmer!"
Also wenn er Nazi ist, taugt er nichts, und wenn er nicht Nazi ist, ist es noch schlimmer.
Ich meine, wir sollten jetzt mit der Naziriecherei Schluß machen.
Denn verlassen Sie sich darauf: wenn wir damit
anfangen, weiß man nicht, wo es aufhört.
Ich bitte Sie nun nochmals, diese ganze Frage wirklich in Ruhe zu betrachten; ich bitte Sie darum auch im Interesse der Leute, die davon betroffen worden sind. Auch diese Männer haben ein Recht
darauf, objektiv behandelt zu werden.
Ich bitte auch darum im Interesse des Aufbaus des Auswärtigen Amts. Glauben Sie denn, daß man schließlich noch junge befähigte Leute bekommt, die in den Auswärtigen Dienst treten, wenn das nun alles hier in derartiger Weise behandelt wird?
Endlich bitte ich darum im Interesse des Ansehens
der Bundesrepublik im Ausland. Das ist ein Gesichtspunkt, für den, wie ich hoffe, der weitaus
größte Teil dieses Hauses auch Verständnis hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstenmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die CDU/CSU der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Nr. 47 zustimmte, hatte sie weder die Absicht, einer neuen Entnazifizierung zuzustimmen, noch beabsichtigte sie, irgendeine Art von Parlamentsjustiz aufzurichten, noch hatte sie die Absicht, der Einführung von Sondergesetzen oder auch von Sonderrechten für den Auswärtigen Dienst zuzustimmen. Wir waren allerdings auch nicht der Meinung, die hier in den Ausführungen unseres Kollegen von Merkatz zum Ausdruck gekommen ist, und wir waren auch nicht der Meinung, daß das Auswärtige Amt dazu herhalten sollte, daß die Opposition auch einmal eine Chance bekomme. Unser Ziel war vielmehr schlicht und einfach, eine möglichst genaue sachliche Prüfung zu veranstalten, eine sachliche Prüfung nämlich der gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes nun schon seit längerem erhobenen, zum Teil höchst massiven Angriffe. Unbekümmert um Lob und Tadel hat nunmehr der Untersuchungsausschuß seine Ergebnisse vorgelegt. Diese Ergebnisse sind der Gegenstand der Debatte.
Ich muß gestehen, daß ich mit meinem Kollegen Erler im Ausschuß in vielen Stücken einig war und auch in vielem mit dem übereinstimme, was er hier dargelegt hat. Aber ich möchte doch den Akzent unserer Auseinandersetzung noch einmal auf den Punkt bringen, der hier, wie ich meine, zunächst zur Debatte steht, und das sind nicht die zukünftigen organisatorischen Maßnahmen im Auswärtigen Amt, sondern das ist zunächst die Frage: Was ist an jenen zum Teil unerhörten Angriffen eigentlich dran? Die Ergebnisse haben gezeigt: 21 Personen wurden angeschossen, 2 Herren sind von vornherein ausgeschieden, 2 Herren wurden disqualifiziert für den Auswärtigen Dienst, im übrigen aber, weil wir Menschenfreunde sind, für die übrigen Bundesbehörden als verwendbar erklärt. Das steht auch im Ausschußbericht.
Also gegen 17 Herren keine Bedenken, 5 davon wurden ausdrücklich mit dem bescheidenen Plus, das wir zu vergeben haben, ausgestattet, d. h. als geeignet erklärt, und bei 8 sind bescheidene Vorschläge für die Verwendung in der nächsten Zeit an unsere Empfehlungen geknüpft.
Nun frage ich mich, ob in Anbetracht dieses Ergebnisses nicht der Schluß erlaubt ist, daß die oft sehr summarischen Angriffe — nicht nur in der
„Frankfurter Rundschau", sondern auch bei einigen Rundfunkstationen und anderen — gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amts, hinter das wir uns trotz allem stellen, nicht nur, wie der Herr Bundeskanzler hier sehr zurückhaltend gesagt hat, über das Ziel hinausschossen, sondern eigentlich in ihrem Kern zusammengebrochen sind. Nun, ich weiß, daß mit diesen Feststellungen keine Lorbeeren zu ernten sind. Das ist nicht sehr populär. Aber wir sind es der Gerechtigkeit schuldig, daß diese Feststellung getroffen wird. Wir sagen jedoch auch, daß das die eine Seite der Sache ist. Auf der andern Seite möchte ich den Versuch machen, das, was in meiner in dieser Sache in Nuancen verschieden denkenden Fraktion gedacht und empfunden wird, mit einigen Sätzen darzulegen. Ich hoffe, dabei meinen Kollegen auch in der Verschiedenheit der Nuancen einigermaßen gerecht zu werden.
Ich glaube, daß wir uns darin einig sind, daß die Arbeit des Untersuchungsausschusses — und darin stimme ich mit dem Herrn Kollegen Erler überein — mitnichten für die Katz war, sondern daß sie höchst nützlich war. Weshalb? — Nicht nur deshalb, weil hier einer Reihe von schwer angegriffenen Dienern des Staates Genugtuung geschehen ist, sondern weil darüber hinaus die öffentliche Klarstellung der Maßstäbe und Richtlinien, die an den deutschen Auswärtigen Dienst jetzt und in Zukunft angelegt werden sollen, nach unserer Überzeugung notwendig ist. Dafür halten wir auch diese Debatte samt der Arbeit des Untersuchungsausschusses für gut. Von Anfang an waren wir uns dessen bewußt und haben in der Arbeit des Ausschusses auch Wert darauf gelegt, uns jedes Übergriffs in die Zuständigkeit der Exekutive zu enthalten.
Ich sage also: Wir halten bei allem Respekt vor der Zuständigkeit der Exekutive diese Debatte und die Arbeit des Untersuchungsausschusses für gut. Es ist wahr, daß alle Bundesministerien bei ihrem Aufbau unter besonderen Schwierigkeiten gearbeitet haben. Die Schwierigkeiten, die dem Aufbau des Auswärtigen Amts entgegenstanden — das muß sich eine einigermaßen objektive Vergegenwärtigung selber sagen — lagen noch beträchtlich über dem, was die anderen Bundesministerien an Widrigkeiten und Schwierigkeiten bei ihrem Aufbau zu überwinden hatten. Ich meine, man sollte hier den Leuten, die in jener Situation den Mut zum Provisorium gehabt haben, auch einmal ein Wort des Dankes sagen. Ohne diesen Mut zum Provisorium war ein neuer deutscher Auswärtiger Dienst gar nicht zu machen.
Mut zum Provisorium kann heißen: Mut zur Aktion, Mut zum Vorwärtsgehen. Aber es kann eines Tages auch heißen: Alles-laufen-lassen. Wir meinen das erstere, wenn wir den Mut zum Provisorium, der beim Aufbau des Auswärtigen Amts an den Tag gelegt worden ist, anerkennen und loben. Wir wissen auch, daß ein Provisorium immer das Inkaufnehmen von Ungenauigkeiten, von Unzulänglichkeiten und Fehlern bedeutet.
Ich meine, daß in diesem Punkte die Kritik des Herrn Kollegen Er l e r nicht nur alles herausgeholt hat, was in der Sache ist, sondern auch noch etwas dazugeholt hat, was nicht in der Sache liegt. Er hat nämlich etwas pauschal von der ganzen „fehlerhaften Organisation" gesprochen. Meine Damen und Herren, dieses Provisorium war nicht eine „fehlerhafte Organisation", sondern dieses Provisorium war das, was unter den gegebenen Möglichkeiten, Umständen und Zuständen im Augenblick möglich war. Ich denke, daß es fair wäre, das hier auch einmal zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte mich deshalb in diesem Punkte der Würdigung des Ganzen durch den Herrn Bundeskanzler anschließen.
Aber ich füge hinzu: Provisorien müssen rechtzeitig beendet werden. Es liegt in ihnen, daß man sie nicht einfach uferlos laufen lassen kann. Ich meine, daß das Auswärtige Amt jetzt — jetzt, meine Damen und Herren! — aus seinem Provisorium definitiv heraus muß und daß es energisch vorwärtsgebracht werden muß zu einer klaren, verantworteten und vorgestellten Gestalt. Die Anregungen dafür sollten nicht als unziemliche Einmischung, sondern als erwägenswerte Förderung aufgenommen werden, auch wenn sie vom Parlament oder von einem parlamentarischen Gremium, nämlich von einem nicht gerade sehr beliebten Untersuchungsausschuß kommen. Ich bedanke mich deshalb für die staatsmännisch abgewogenen Worte, die der Herr Bundeskanzler dem Untersuchungsausschuß und seinem Bericht in diesem Punkte hat angedeihen lassen.
Wichtiger als die technischen und organisatorischen Vorschläge ist uns jedoch die Verständigung über die personellen Maßstäbe, die in Zukunft im Auswärtigen Dienst angelegt werden und nach unserer Überzeugung anzulegen sind. Ich habe hier weder den Ehrgeiz noch die Aufgabe, einen Katalog dafür vorzutragen, aber ich glaube, mich in Übereinstimmung mit meinen Freunden zu befinden, wenn ich mir hier einmal erlaube, sechs Punkte dafür zur Diskussion zu stellen.
Wir meinen erstens, daß die bloße Zugehörigkeit zum alten Auswärtigen Amt oder die formale Zugehörigkeit zu einer nationalsozialistischen Organisation allein weder im Positiven noch im Negativen ein maßgebendes, geschweige gar ein ausreichendes Kriterium sein kann. Im Positiven besagt das: Man kann von der deutschen Diplomatie der vergangenen Jahre vor dem „Dritten Reich" und während des „Dritten Reiches" gewiß nicht verlangen, daß sie die Katastrophe überhaupt verhindert hätte. Aber die Bemerkung muß dennoch erlaubt sein, daß der ganze diplomatische Sachverstand uns vor der Katastrophe nicht bewahrt hat und offenbar nicht bewahren konnte.
Es folgt daraus wieder eine Banalität, meine Damen und Herren, die wir aber in dieser Debatte eben wieder einmal aussprechen müssen: Es gab und es gibt auch außerhalb der Karrierediplomatie Leute, die sich für die Diplomatie und für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, wie wir meinen, bestens eignen.
Wenn es dafür eines Beweises bedürfte, dann würde ich den Beweis aus den Zahlen nehmen, die der Herr Bundeskanzler eben vorgetragen hat. Ich finde die Zahlen eigentlich recht anständig: Von 576 neuen Referenten, die eingestellt worden sind, also von 576 Beamten und Angestellten des höheren Dienstes haben dem alten Auswärtigen Amt 158 angehört. Also finden sich auch Leute außerhalb der alten Karriere, die für diese Sache offenbar bestens verwendbar sind. Wir möchten das unterstreichen.
Doch, das war nur höherer Dienst!
Und nun im Negativen. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir auch in dieser Debatte den Mut haben sollten, zu sagen — und ich bedaure es, daß unser Kollege von Merkatz seine Ausführungen nicht auf diesen Punkt gebracht hat, in dem wir wahrscheinlich in diesem Hause weitgehend mit ihm einverstanden sind —: Wir glauben, daß die platte, formalistische Eindeutigkeit, sozusagen die Banalität der Optik, die Banalität des Fragebogens uns natürlich noch nicht über die eigentlichen Schwierigkeiten hinweghilft. Wir haben es ja gesehen. Warum ist denn die Entnazifizierung ein totaler Fehlschlag? Weil das ganze verdammte Fragebogensystem uns nicht davor bewahrt hat und offenbar das deutsche Volk auch nicht rettet vor der Wiederkehr von nun allerdings höchst unerwünschten Figuren der Vergangenheit. Wir sind also in diesem Punkte sehr zurückhaltend und haben erhebliche Vorbehalte gegen die Anwendung dieser platten Eindeutigkeit des sogenannten Fragebogens.
Wir meinen auch, daß die Zugehörigkeit zum alten Auswärtigen Amt nicht besagt, daß alles einfach, dumpfes Herdenvieh gewesen sei, was dort gearbeitet, sich bemüht, Karriere gemacht, aber auch gelitten und gekämpft hat. Wir glauben also nicht, daß man einem Beamten einfach deshalb von vornherein eine Schuldvermutung weiterhin entgegenbringen oder ihn benachteiligen dürfte, weil er aus dem alten Auswärtigen Amt stammt. So geht die Sache nicht.
Auf der andern Seite: Wenn so etwas aus Gründen der Gerechtigkeit und der Fairneß ausgesprochen wird, möchten wir nicht, daß darüber mit uns sozusagen Kegel gespielt wird. Wir möchten nicht, daß auf Kosten dieser Fairneß und Gerechtigkeit diejenigen, die wir allerdings nicht wiedersehen möchten, wieder fröhlichen Einzug halten. Das soll hier frei ausgesprochen werden.
Es scheint mir in dieser Debatte also ein Akzent doch dahin zu legen zu sein, daß wir uns davor hüten sollten, gegen die alten Angehörigen des Auswärtigen Dienstes höchst präzis praktizierte Schuldvermutungen auszubringen. Meine Damen und Herren, nicht nur die Toten sind eindeutig. Oder muß man wirklich erst gehängt werden, ehe die Eindeutigkeit akzeptiert wird? Ich möchte das insbesondere im Hinblick auf den hier wiederholt angesprochenen Ministerialdirektor Blankenhorn sagen. Ich würde mich einer fahrlässigen Unterlassung schuldig machen, wenn ich nicht sagen würde, daß ich persönlich dazu stehe, weil ich mich davon überzeugt habe — in anderen Jahren und zu anderen Zeiten —, daß dieser Mann richtig stand. Ich begrüße es, daß der Untersuchungsausschuß sich dieser Auffassung einmütig und voll angeschlossen hat und die volle, runde Qualifikation des Ministerialdirektors Blankenhorn für den Auswärtigen Dienst auch schriftlich und amtlich niedergelegt hat.
Anfügen darf ich, daß ich persönlich der Meinung bin, daß der sogenannte Widerstand, der heute natürlich schwer zu Papier zu bringen ist, nicht nur in einer Summe von nachweisbaren Fakten in der Vergangenheit bestehen kann, sondern sich auch heute in Haltung und Gesinnung deklarieren sollte und daß wir der Mitarbeit von Männern solcher Haltung und Gesinnung auch in Zukunft — vor allem im Bereich des Auswärtigen Amts und des auswärtigen Dienstes — eine Bahn brechen sollten. Ich denke, daß der Herr Bundeskanzler wohl beraten ist, wenn er sich von Männern dieser Art zuweilen einen Rat geben läßt. Im übrigen bin ich natürlich der Meinung, daß der nachgewiesene Widerstand allein — verehrter Herr Kollege Horlacher, da werden auch Sie mit mir einig sein —
— aber ich weiß, was Sie in dieser Sache denken, denn wir denken hier gleich! —,
der nachgewiesene Widerstand allein ist nach unserer Überzeugung nach keine Qualifikation für den Auswärtigen Dienst. Es soll also niemand kommen und sagen: „Ich spaß soundso lange im KZ, und ich möchte nun Botschafter in Tokio werden!" Das allein genügt noch nicht. Aber indem wir das sagen, möchten wir auch nicht in die Situation kommen, daß wir eines Tages erleben müssen, daß Urteile wie ein formell vielleicht nicht aufgehobenes politisches Zuchthausurteil aus dem „Dritten Reich" eine Verwendung auf diplomatischen Posten verhinderten. Kurzum: wir meinen, daß dem Widerstand eine faire Chance bei der Vertretung Deutschlands gegenüber der Welt gegeben werden sollte.
Ein zweiter Punkt. Wir sind wirklich der ernsten Meinung, daß es völlig deplaciert wäre, das Auswärtige Amt als eine Art Versorgungsanstalt zu betrachten. Es gibt persönliche Rechtsansprüche, die nicht nur gewürdigt, sondern auch in irgendeiner Weise honoriert werden müssen. Aber wer da meint, das Auswärtige Amt sei gerade der richtige Platz, um nun diese persönlichen Ansprüche zur Geltung zu bringen, und wer nicht bereit ist, zu erkennen, daß alle persönlichen Rechtsansprüche hinter den politischen Notwendigkeiten, das soll heißen in diesem Fall: hinter den sachlichen Notwendigkeiten des Dienstes zurücktreten,
der ist weiß Gott fehl am Platze.
Zu dem Fall Bargen! Ich hatte nicht die Absicht, hier auch nur einen Namen zu nennen; nachdem aber nun dieser Name in der Diskussion fiel, kann ich nur sagen: Mein lieber Freund von Rechenberg, was ich Herrn von Bargen übelnehme und was ich mich nicht scheue hier auszusprechen, das ist, daß der Mann offenbar kein Verständnis dafür hat — und sich darum selber disqualifiziert für die Verwendung im Auswärtigen Dienst —, ich sage, daß er kein Verständnis dafür hat, daß ein Name, der unter einem solchen Dokument steht — ganz gleichgültig, ob man es nun aus der damaligen Situation heraus für seine persönliche Tragik und nicht für seine Schuld hält —, daß ein solcher Name in jeder Hinsicht ungeeignet ist, die Bundesrepublik Deutschland, das soll heißen, das neue Deutschland vor einer Welt zu vertreten, in der es auch heute noch eine schwere und bittere Aufgabe ist, den Berg von Schmutz und Schande abzutragen, der auch heute noch auf dem deutschen Namen in der Welt liegt.
Leute, die dafür kein Verständnis haben, sollen uns nicht kommen und Ansprüche stellen zur Verwendung im Auswärtigen Dienst.
Aber wenn so was passiert und der Mann nicht zur
Einsicht zu bringen ist, dann muß eben von Amts
wegen entsprechend verfahren werden. Auch hier
ist der Ausschuß human gewesen und hat noch ausdrücklich niedergelegt: Gegen die Verwendung im übrigen Bundesdienst keine Bedenken!
Spätestens an einem solchen Punkt wird doch deutlich, daß die Aufgabe des deutschen diplomatischen Dienstes heute noch ein ganzes Maß schwerer ist als in früheren Jahren, auch schwerer als nach dem ersten Krieg. Denn bis zu diesem Augenblick ist es — ich wiederhole es — eine unerhört schwere Aufgabe, mit dem Schmutz und der Schande in der Welt fertig zu werden, die auch jetzt noch draußen auf dem deutschen Namen liegen. Dazu einen Beitrag zu leisten, ist doch eine Pflicht und Aufgabe des Auswärtigen Dienstes. Ich glaube zwar, der Auswärtige Dienst wäre überfordert, wenn wir von ihm verlangen sollten, daß er diese Aufgabe überhaupt und allein übernehmen soll. Das können wir nur alle zusammen in mühseliger, geduldiger und entsagungsvoller Arbeit machen. Aber der Auswärtige Dienst hat dafür in seinem Teil einen echten, permanenten Beitrag zu leisten. Deshalb müssen an ihn besonders harte und schwere Anforderungen gestellt werden. Jemand, der sich dazu nicht eignet, kann keinen Anspruch darauf erheben, im Auswärtigen Dienst irgendwelche Verwendung öder irgendeine Position zu finden. Das ist ein sachliches Gebot und hat mit rechtlichen Ansprüchen gar nichts zu tun. Wir stehen nicht an zu verlangen, daß sich dieser sachliche Gesichtspunkt endlich durchsetzt und auch von den Herren, die davon betroffen sind, akzeptiert wird.
Meine Damen und Herren, wir sind sicher übereinstimmend der Überzeugung, daß diese Aufgabe — einschließlich der schwierigen technischen und materiellen Aufgaben des diplomatischen Dienstes — einer sorgfältigen fachlichen und sachlichen Eignung bedarf. Wir sind deshalb auch der Meinung, daß diese bestehenden Schwierigkeiten weder durch persönliche Ansprüche noch durch Ignorieren oder dreistes Bagatellisieren gebannt werden. Es ist keine gute Sache, daß sich dieses dreiste Bagatellisieren der Situation. in der sich Deutschland auch heute noch in der Welt befindet, da und dort allmählich immer unverfrorener ausbreitet.
Ein dritter Gesichtspunkt, der sich aus dem Gesagten ergibt. Wir glauben also, daß Fähigkeit und Charakter, Takt und Mannesmut in gleicher Weise Voraussetzungen für den Auswärtigen Dienst sind wie das Fehlen von Servilität oder Büßerkrampf. Wir wissen, wie schwer und wie schmal die Grenze ist, auf der hier entlang gegangen werden muß. Wir wünschen von deutschen Diplomaten weder Servilität noch Büßerkrampf, aber wir wünschen auch nicht jene hurtige Einfalt, die von der schwierigen Situation, in der sich Deutschland befindet und von unserer jüngsten Geschichte nichts zu wissen scheint und nach dem Rezept verfährt: Mein Name ist Hase. Diese hurtige Einfalt ist gewiß keine Voraussetzung für den Auswärtigen Dienst. Vielleicht könnte sich dieses Haus ganz allgemein darauf einigen, daß es uns auch im Auswärtigen Dienst kurz gesagt weniger auf den Lack als auf den Kern ankommt.
Viertens: Es ist auch nicht ganz überflüssig, ein Wort der zurückhaltenden Warnung an jenes exklusive Kastenbewußtsein zu richten, das sich vielleicht hin und wieder zeigt und das natürlich wie ein Hornissenstich auf das öffentliche Bewußtsein wirkt. Gegen nichts ist unser Volk und auch seine Volksvertretung empfindlicher als gegen Zeichen oder gegen den Stil oder gegen die Symptome eines exklusiven Kastenbewußtseins. Das muß ebenso vorbei sein wie das Klassenbewußtsein.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir das sagen, dann müssen wir fünftens auch das andere sagen. Wir müssen warnen vor dem Ressentiment, das einer ganzen Schicht einfach entgegengebracht wird ohne Kenntnis der besonderen Schwierigkeiten und Mühsale, unter denen diese Menschen zu tragen haben. Es ist doch ein Tatbestand, daß viele Menschen, wenn das Wort Diplomatie fällt, sofort Kinovorstellungen damit verbinden. Diese Kinovorstellungen sind doch Kitsch. Sich danach eine Vorstellung über diplomatische Konventionen und Usancen zu machen, ist Blödsinn. Wir sollten einem Ressentiment von so primitiver, aber auch von sehr viel subtilerer Art widerstehen.
— Auch keine Restaurierung; das meine ich mit Kastengeist.
Sechstens, meine Damen und Herren, freue ich mich, daß der Herr Bundeskanzler hier einen verstärkten Rechts- und Ehrenschutz für jeden treuen Diener des Staates im Auswärtigen Dienst angekündigt hat. Ohne diesen Rechts- und Ehrenschutz und ohne das Bewußtsein, daß man sich auf ihn verlassen kann, kann insbesondere der Auswärtige Dienst nicht wahrhaft wirksam aufgebaut und charaktervoll durchgeführt werden;
denn noch mehr vielleicht als irgendwo anders bedarf es hier eines sorgsamen und wirksamen Rechts- und Ehrenschutzes. Denn hier sind persönliche und öffentliche Interessen und Gesichtspunkte, allgemeine und private, oft eng und untrennbar miteinander verbunden.
Meine Damen und Herren, ich bin am Schluß. Zu dem, was Herr Kollege von Merkatz in seinen Ausführungen gesagt hat, kann ich mir, da ich nicht Jurist bin, vielleicht gestatten, kurz folgendes zu sagen. Wir stolpern nicht über formalistische Zwirnsfäden, auch wenn sie im Namen des heiligen und von uns natürlich gebührend respektierten Rechts gespannt werden. Wir stolpern nicht darüber. Wir sehen auf die Sache selbst und haben uns für das Notwendige entschieden. Wer heute als deutscher Diplomat hinausgeschickt wird, dem überträgt die Nation eine ebenso schwere wie ehrenvolle Aufgabe. Sollte es unangemessen oder unerlaubt sein, dafür auch besondere Maßstäbe anzulegen? Es ist nicht nur das Recht, sondern es ist die Pflicht der Regierung, das zu tun, und es ist ein undiskutierbares Recht der Vertretung des Volkes, mit dafür zu sorgen und dabei ihr Wort in der ihr geeignet erscheinenden Weise zu sagen.
Es liegen vor uns zwei Anträge. Ich bedaure, sagen zu müssen, daß ich auch namens meiner Freunde empfehle, den Antrag der Deutschen Partei abzulehnen. Wir möchten dem Antrag des Ausschusses zufallen, den Bericht im ganzen zur Kenntnis zu nehmen. Hinsichtlich des Antrags der Sozialdemokratischen Partei beantragen wir, ihn im ganzen dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brill als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Ich fürchte, daß ich meine Pflicht als Berichterstatter des Ausschusses verletzen würde, wenn ich nicht einer Darstellung, die der Herr Bundeskanzler in seiner letzten Rede gegeben hat, entgegentreten würde. Es handelt sich um den Fall v. Grundherr. Wenn ich den Herrn Bundeskanzler richtig verstanden habe, hat er gesagt, der Fall Grundherr sei im Ausschuß ungeklärt geblieben und mit Rücksicht auf das hohe Alter und den Gesundheitszustand dieses ehemaligen Botschafters in Athen hätten wir der Bundesregierung nahegelegt, den Herrn v. Grundherr zu verabschieden. Das haben Sie tatsächlich gesagt.
— Aber bevor wir diese Courtoisie — ich glaube, etwas unrichtig — angewendet haben, hat, wie Sie sich auf Seite 14 des gedruckten Berichtes überzeugen können, Herr Bundeskanzler —, ich gebrauche den Ausdruck, der hier steht — ,;eine sehr eingehende Untersuchung" stattgefunden. Es heißt in dem Bericht weiter: „der Ausschuß ist dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen, als es Herr Dr. Schetter erzielen konnte". Unter Berücksichtigung des hohen Alters und des Gesundheitszustandes des Herrn v. Grundherr haben wir gesagt, daß es „im Interesse der Bundesrepublik" liege, wenn der Botschafter v. Grundherr so schnell wie möglich verschwindet. Wir haben das auch dokumentiert, meine Damen und Herren. Schlagen Sie doch bitte Seite 58 des gedruckten Berichtes auf. Sie finden da ein von Herrn v. Grundherr aufgesetztes Telegramm des Auswärtigen Amts an die diplomatische Vertretung in Kopenhagen. Dieses Telegramm heißt:
Reichsaußenminister ersucht Sie, über die Art der Durchführung des Abtransports der Juden, der im Prinzip beschlossen ist, genaue Vorschläge zu machen, die insbesondere auch enthalten sollen, wieviel Polizeikräfte sie dazu benötigen, damit hier diese Polizeiabteilungen . . . . freigemacht werden können.
Als ich dem Herrn v. Grundherr dieses Telegramm über den Tisch hingehalten und ihn gefragt habe, ob er dieses Dokument kenne, erbleichte er und hat sich dazu bekannt. Er hat im einzelnen geschildert, wie dieses Telegramm zustande gekommen ist. Er habe es einer Stenotypistin wörtlich — so wie es hier steht — diktiert. Abgesehen von der Tatsache, die ich hier aus dem Protokoll herausgreifen will — ich kann es Ihnen nicht wörtlich mitteilen —, daß es dieser gewesene Botschafter im Königreich der Helenen gewesen ist, der als Referent des Auswärtigen Amts jahrelang die QuislingPartei finanziert hat,
indem er die von Ribbentrop zur Verfügung gestellten Mittel dem Finanzbeauftragten von Quisling ausgehändigt hat,
hat dieses Telegramm allein für den Ausschuß genügt, den Fall Grundherr als restlos geklärt anzusehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Notgedrungen muß sich der Bundestag heute einmal mehr mit einer Skandalaffäre beschäftigen.
— Na, ist es keine? Er muß sich beschäftigen mit der Personalpolitik bzw. der Personenauswahl in Dr. Adenauers Außenamt. Es geht diesmal um die Tatsache — ich zitiere den Ausschußbericht —, daß „mit Vorwissen und unter Duldung unmittelbarer Vorgesetzter eine Gruppe ehemaliger Nationalsozialisten es fertig gebracht hat, Personen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sich bedenkenlos und mit vollem Einsatz ihrer Person im Außendienst für die Hitler-Kriegspolitik eingesetzt haben, im Bonner Außenamt „zu reaktivieren". Darum geht es. Adenauers Außenministerium ist — das verraten die Zahlen, die in dem Bericht stehen — zu einem Sammelbecken der „alten, bewährten" Nazidiplomaten und Auslandsagenten geworden.
Heute läuft die Diskussion um diesen Bericht bewußt, sage ich, und leider auch gefördert durch die Darstellung, die der Herr Berichterstatter gegeben hat, in der Linie, hier nicht die tatsächlichen Dinge zu diskutieren, die in dem Ausschußbericht stehen, sondern nach dem Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers, 'darüber zu sprechen, ob dieser Ausschuß seine Kompetenz überschritten, ob er sich in die Rechte der Exekutive sträflich eingemischt hat. Kein Mensch außer dem Kollegen Erler hat Tatsachen aus diesem Bericht vorgebracht. Wir hören jetzt in der Diskussion, daß es eine Menge von Tatsachen gibt, die im Ausschuß vorgetragen worden sind, aber bedauerlicherweise in diesem Bericht nicht enthalten sind. Das hätte man hier aufzeigen müssen, um das tatsächliche Charakterbild dieser Personen klar herauszustellen.
Im übrigen ist der Skandal von uns Kommunisten im Bundestag des öfteren angesprochen worden. Aber erst als die Mißstände durch Veröffentlichungen in der bekannten westdeutschen bürgerlichen Zeitung einfach nicht mehr totgeschwiegen werden konnten, beschloß der Bundestag vor beinahe Jahresfrist die Bildung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die Bundespressestelle antwortete auf diesen Beschluß des Bundestags mit der lapidaren Feststellung: Bei uns ist alles in Ordnung. Sie bezog sich dabei auf die Tatsache, daß das damals im AA beschäftigte Personal ja auch durch einen Unterausschuß des Bundestags überprüft worden sei. „Alles in Ordnung". Der Ausschuß selber forderte vom Herrn Bundesaußenminister — über die Postkarte unterhalten wir uns aus Zeitmangel bei anderer Gelegenheit—
eine Liste aller im Dienst des AA stehenden Personen des höheren, des gehobenen und mittleren Dienstes mit allen üblichen Angaben, Personalangaben, Angaben über dienstliche Vergangenheit usw. usw.
Der Herr Bundesaußenminister pariert nun in seiner typischen Art und Weise dieses Ansinnen, indem er seinerseits einen hier auch bereits genannten Oberlandesgerichtspräsidenten a. D., den Herrn Dr. Schetter, heranzieht, der die vom Bundestagsausschuß geforderten Angaben zusam-
menstellen soll. Der Ausschuß urteilt über die Art, wie Herr Schetter diese Untersuchung durchgeführt hat, so:
Mißstände in der Personalpolitik sind durch das Ergebnis der Schetterschen Untersuchungen infolge der angewandten Methoden nicht aufgedeckt worden.
Dabei konnte auch gar nichts aufgedeckt werden. Außerdem wollte Herr Adenauer auch nicht, daß etwas aufgedeckt wird. Es gibt ja auch nach seiner heutigen Haltung dort auch gar nichts aufzudecken. Es sieht auch nach dem Ausschußbericht so aus, als wenn kaum etwas hätte aufgedeckt werden können. Der Ausschuß hat sich nämlich in vornehmer Zurückhaltung darauf beschränkt, 21 bzw. 22 Personen ein bißchen abzukratzen. Bei einem konnte er nichts erreichen, weil seine Personalakten bis heute nicht vorliegen. So blieb es bei den 21. Es müßte vom Bundestag auf das heftigste und entschiedenste kritisiert werden, daß sich dieser Ausschuß einer so vornehmen Zurückhaltung befleißigt hat. Das muß um so mehr ausgesprochen werden, weil der Ausschuß in seinem Bericht selbst feststellt, daß auch das Material, das ihm vorgelegen habe, außerordentlich dürftig ist. Man hätte also tiefer kratzen müssen.
Ich habe keine Zeit, mich mit den Feststellungen auseinanderzusetzen, die hier gemacht worden sind — mit den falschen Feststellungen —, wie man das angezogene Material ausgewertet hat. Im Ausschußbericht steht ein Satz:
Maßgebend für die Verwendung dieses Materials war lediglich das Interesse, das in der Ziffer 1 des Bundestagsbeschlusses umschrieben ist:
Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
Also Punkt 1 im SPD-Antrag. Übrigens eine sehr
naive Zumutung an Herrn Adenauer, von ihm zu
erwarten, daß er diese Demokratisierung garantieren soll!
Und dann wurde untersucht! Untersucht mit dem jämmerlichen Ergebnis, daß selbst die FDP-Fraktion heute von einem „Bericht voller Rätsel" spricht. Der Ausschuß ist aber gezwungen, in seinem Bericht einstimmig anzuerkennen, daß die Frage Nr. 1 bejaht werden muß. Obwohl der Ausschuß selber bei einigen der überprüften Beamten schwerste Fehler und Vergehen feststellt, kommt er in keinem Falle zu der Forderung, daß diese Beamten aus dem Dienst der Bundesregierung zu entlassen sind. Er erklärt sie höchstens als ungeeignet für den Außendienst oder als ungeeignet für die Personalabteilung des AA. Aber gegen ihre Wiederverwendung bei anderen Bundesbehörden ist kein Bedenken erhoben worden. Einstimmig war man also im Ausschuß der Auffassung, daß diese so charakterisierten Beamten auf das eigene deutsche Volk bedenkenlos losgelassen werden sollten und könnten. Mit Recht hat mein Kollege Rische gesagt, wo man sie brauchbar einsetzen könne: bei Herrn Lehr oder bei Herrn Jakob Kaiser! Dort sind solche Leute zu gebrauchen.
Aber noch eines! Ein Beweis dafür, wie die leitenden Figuren im Außenamt und wie der Herr Außenminister selber den Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit mißachten, war doch wohl sein heutiges Auftreten hier vor dem Bundestag.
Es ist ein einstimmig gefaßter Beschluß, und er
stellt sich hier hin und versetzt diesem Ausschuß
die reinsten Tiefschläge und Magenschläge in seiner beliebten Art des Praeceptor West-Germaniae
und mutet uns zu, anzuerkennen, daß sich dieser Ausschuß Rechte angemaßt habe, die ihm nicht zuständen.
Im übrigen läuft der Ausschußbericht darauf hinaus, ihn selber und seinen Herrn Hallstein von jeder Verantwortung freizusprechen an dem, was dort an skandalösen Personalverhältnissen tatsächlich vorliegt. Wer will uns aber erzählen, daß Herr Dr. Adenauer die Vergangenheit dieser Beamten nicht genau gekannt hat? Wer will uns erzählen, daß er sich von seinem Herrn Dr. Blankenhorn diese prominenten Nazi-Diplomaten und Auslandsagenten aus der Wilhelmstraße sozusagen als „undemokratische Kuckuckseier" in das Nest seines Außenamtes hat legen lassen? Dieser Dr. Adenauer, der doch berühmt ist, wegen seiner „glücklichen Hand im Einsatz der ihm Nahestehenden", dessen Macht als CDU-Vorsitzender seinerzeit doch so groß war, daß er per Telephon Minister bei uns in NordrheinWestfalen eingesetzt hat.
— Mich hat er nicht eingesetzt! Mich hat er bei einer ihm passenden Gelegenheit hinausgeworfen. Also machen Sie hier nicht solche Mätzchen!
Nun noch ein Wort zu Herrn Dr. Adenauer. Wer nimmt ihm das eigentlich ab? Der Mann hat doch seine eigene Vergangenheit. Wir haben ihm doch, als er seinerzeit Zentrums-Oberbürgermeister in Köln war, nachgesagt, daß er sich sogar persönlich und direkt einschaltete, wenn es darum ging, eine Schulhausmeisterstelle zu besetzen. Das haben wir ihm doch schon vor dreißig Jahren vorgehalten. Uns einreden zu wollen, daß in der Verwaltung ohne Wissen und Zustimmung des Herrn Adenauer etwas geschehen könne, das ist eine Beleidigung des ganzen Bundestags.
Nein, diese Ribbentropler, die in der Nazizeit Hitlers Außenpolitik im Ausland, in den besetzten Gebieten durchgeführt haben, sitzen mit Willen Adenauers in seinem Außenamt. Gestützt auf ihre Erfahrungen und ihre unter Hitler bewährte bedenken- und hemmungslose Einsatzbereitschaft will er, Adenauer, seine Außenpolitik durchführen. Weil Adenauers außenpolitische Konzeption die gleiche ist, wie Hitler sie durchzusetzen versucht hat, ist die Clique Hitler-Ribbentrops heute im Bonner Außenamt versammelt. Sie soll ihm helfen, seine „dynamische Außenpolitik" zu realisieren, als deren Zielsetzung sein Staatssekretär die ,,Integration Europas bis zum Ural" und er selber „die Befreiung Osteuropas" proklamiert hat. Diese Politik, die die Lösung der deutschen außenpolitischen Probleme nur mit dem Instrument des Krieges vorsieht, die die durchaus gegebenen positiven Möglichkeiten einer friedlichen Lösung nicht einmal ins Auge faßt, diese Politik der Unterordnung der Interessen des deutschen Volkes unter die Profitinteressen der aggressiven Atlantik-Kriegsblockstaaten, diese volksfeindliche Politik der westdeutschen und internationalen imperialistischen Monopolkapitalisten steht heute hier unter Anklage. Adenauers Politik steht heute hier unter Anklage.
Der Vorschlag des Ausschusses, einen zweiten Staatssekretär in das Außenamt zu entsenden, löst das anstehende Problem wirklich nicht. Wir lehnen den Ausschußbericht ab, weil er völlig ungenügend und völlig unzulänglich ist, weil er die tatsächlich bestehenden Verhältnisse in dem Spitzenbeamtentum nicht genügend klärt bzw. beseitigt.
Wir sind der Auffassung, daß der Herr Bundeskanzler Adenauer, daß der Herr Außenminister Adenauer mit seinem ganzen Stab von „erfahrenen Ost-Spezialisten" verschwinden muß, damit unser Volk zum Frieden und zur Wiederherstellung seiner Einheit kommt. Darum geht unser Kampf, darum geht der Kampf des gesamten deutschen Volkes. Darum sollte sich auch der Bundestag etwas mehr bemühen, als diese Fragen mit der heute hier beliebten Methode der Verniedlichung der bestehenden Probleme zu klären. Wer Adenauer bekämpfen will, wer die Mißstände in seinem Außenamt abstellen will, der muß ihn „abstellen"; denn er ist der Verantwortliche.
— Er hat ja selber gesagt: Ich bin für alles verantwortlich. Lachen Sie doch nicht so. Er hat sich ja selber mit breiter Brust vor diese ehemaligen Nazi-Auslands-Agenten gestellt, die, wie heute hier leider nur teilweise bekanntgegeben worden ist, maßgebend an den Kriegsverbrechen eines Hitler im besetzten Ausland beteiligt waren. Da lachen Sie noch.
— Herr Kunze, Sie sagen doch, Sie seien ein Christ. Schämen sollten Sie sich ein bißchen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Mir ist bei der Verteidigungsrede des Herrn Bundeskanzlers aufgefallen — was ich aber auch nicht anders erwartet hatte —, daß er auf das Problem und auf den Bericht des Ausschusses kaum eingegangen ist. Angriff ist die beste Verteidigung, das haben wir immer schon gewußt, und das konnte man hier auch nicht anders erwarten. Schon in der Mitte seiner Rede war er so weit, uns klarzumachen, daß es eigentlich ein unerhörter Affront gegen das Auswärtige Amt und gegen die Bundesregierung sei, daß überhaupt ein solcher Ausschuß da getagt habe und wie er verhandelt habe. Dabei eine besondere Ironie: Als der Herr Bundeskanzler Kritik an der Verfahrensweise des Ausschusses übte, da hätte ich ihm, wäre ich nicht so weit weg gewesen, gern zugerufen, daß das ja das Verfahren des Herrn Schetter und seines Auftrags gewesen ist; denn Herr Schetter ist doch hingegangen und hat als Entlastungsbeweis, wie er es nannte, die Beschuldigten vernommen. „Widerlegt durch die Einlassung des Beschuldigten" findet man bei Herrn Schetter. Aber bei dem Verfahren, um das es sich hier handelte, drehte es sich nicht um ein Verfahren gegen irgend jemand, sondern um ein sine ira ac studio geführtes Verfahren im Interesse des Bundestags zur Klärung der Verhältnisse an sich. Es ist vollkommen verschoben, die ganze Perspektive ist schief, wenn der Herr Bundeskanzler hingeht und sagt, es habe sich um ein Verfahren gegen diese Personen gehandelt, die da als Zeugen aufgetreten seien. Im übrigen können sich die Personen, die da vernommen worden sind, über das Verfahren am wenigsten beklagen, da sie j a, wenn man schon von Beschuldigten reden will, gestanden haben, wenn auch nur nach Zögern und nur „ungefähr der Wahrheit nahekommend", wie es da heißt. Also sie haben ja gestanden. Es dreht sich gar nicht darum, daß man ihnen erst noch etwas beweisen müßte, und der Rest lag doch in Dokumenten beweisbar fest.
Der Herr Bundeskanzler hat dann mit Vergnügen, damit er nicht Gelegenheit nehmen mußte, auf die Vorwürfe selbst einzugehen, einige Vorwürfe aus der Diskussion aufgegriffen und ist auf die Statistik eingegangen. Er hat selber berichtet, in welchem Maße sich nun eigentlich Pgs sowie neue und alte Beamte auf das Amt verteilen. Auch das verschiebt die Problemstellung absolut. Es kommt- nicht darauf an, ob hier der eine oder der andere Pg mehr oder weniger dabei ist, der eine oder andere mehr oder weniger aus dem alten Amt ist. Es kommt auf den Geist dieses Amtes an, und der Geist dieses Amtes charakterisiert sich nicht bloß in dem Ausschußbericht, sondern auch durch das gesamte Auftreten in der Öffentlichkeit als der Geist der kompletten Restauration der alten Wilhelmstraße Ribbentropscher Prägung und nicht etwa aus der demokratischen Zeit.
Der Herr Bundeskanzler hielt es für richtig, uns mit einer Statistik zu bedienen. Er fing dabei bei sich selbst und dem Herrn Staatssekretär an, als ob er sagen wollte, daß vorläufig diese beiden wenigstens noch von anderem Geiste seien, — wie lange denn eigentlich noch? Ich habe ihm zugerufen, daß er doch sagen möchte, wie es mit den Referatsleitern und aufwärts sei. Hier kann ich eine Statistik, die ich in der Hand habe, ihm überlassen, wenn er sie nicht selber kennen oder wenn ihn das Amt wieder nur mit halber Wahrheit bedient haben sollte, wonach auf 64 Referatsleiter der alten Art 18 andere kommen. Und wie werden die behandelt? Sie werden schlecht behandelt. Sie werden vergrault, weggeekelt, so daß sie möglichst wenig Lust haben zu bleiben, mit Umzugsgeldern und Bezügen schlecht bedient, wenn sie ins Ausland gehen. Auf die Art und Weise bekommt man keinen! Sie haben sich darüber zu beklagen, daß sie diesen Kastengeist des alten Amtes immer wieder gegen sich aufgebracht sehen. Aber der alte Geist ist dann natürlich und selbstverständlich, wenn man keine neuen Menschen bekommt und sagt, man habe keine. Wenn der Herr Bundeskanzler zu seiner Entschuldigung für die Zeit des Aufbaus des Amtes immer wieder darauf hinweist: Wir haben keine anderen, so ist das doch nicht wahr. Es ergibt sich aus dem Bericht, der uns vorliegt, daß 140 Personen, qualifizierte und einwandfreie Kräfte, sofort bei den ersten Vorarbeiten bekannt waren. Sie waren unter der Ägide des Herrn Pünder von dem Herrn Hummelsheim in einer Liste erfaßt worden; aber man hat sie überhaupt nicht beachtet. Und dann sagt man: Wir hatten keine anderen, wir hatten keine besseren. So liegen die Dinge, um auf diese nebensächlichen Fragen einmal einzugehen, über die der Herr Bundeskanzler so gern gesprochen hat, um der Hauptsache aus dem Wege gehen zu können.
Es ist doch so, daß seit Jahr und Tag, seit 1950 öffentlich und privat Beschwerden an den Herrn Bundeskanzler gekommen sind. Ich habe zwei Briefe geschrieben; aber er hat es nicht für notwendig gehalten, darauf zu antworten. Das wundert
einen bei der Methode seines Amtes nicht. Ich habe später festgestellt, daß sein Büro erklärt, die Briefe seien nicht übergekommen, während das Auswärtige Amt erklärt, sie seien übergekommen. Da aber beide offenbar nicht lügen, kann ich nur sagen: Hier gilt der Satz der allgemeinen Logik, daß Ja nicht zugleich Nein sein kann, offenbar nicht. Tatsache war, daß ihm meine Briefe erst bekannt wurden, als Herr Blankenhorn krank war. Da hat er meine Briefe mit den Beschwerden erst zu sehen bekommen.
Das Auswärtige Amt läuft unter der Ägide von Herrn Blankenhorn, und jeder Beamte weiß, daß er die entscheidende Personalstelle ist. Wenn es nur der Herr Bundeskanzler nicht weiß, so verstehe ich das nicht. Jeder im Amt weiß, daß Herr
Blankenhorn die entscheidende Personalstelle im Amt ist. Unter seiner Ägide führt das Amt ein Eigenleben, das sich kein Parlament auf die Dauer gefallen lassen kann.
Es ist eben von dem Unterausschuß unter dem Herrn Seelos die Rede gewesen. Aber dabei muß ich daran erinnern, daß auch damals andere Warnungen ausgesprochen worden sind, und noch während das Wort nicht kalt war, wurde der Mann, vor dem gewarnt wurde — das war der Ortsgruppen- und gleichzeitig Landesstellenleiter der NSDAP in Tirana —, vom Amtmann zum Regierungsrat befördert, und hinter dem Rücken des Ausschusses machten sich diese selben Beamten darüber lustig, daß der Ausschuß etwas gesagt hatte, und sagten: Quantité négligeable, darum brauchen wir uns nicht zu kümmern.
In der damaligen Zeit ist verlangt worden, daß verschiedene Dinge abgestellt werden. Wir haben damals schon unter diesem Untersuchungsausschuß darauf hingewiesen, daß die hemmungslose Beschäftigung der in Nürnberg belasteten Personen auf die Dauer Gefahren für das Ansehen des Deutschen Bundes zur Folge hätte. Ich selbst habe mich erboten, einen Schlüssel zur Auffindung der Belasteten zur Verfügung zu stellen. Man hat keinen Gebrauch davon gemacht. Man war sichtlich betreten, daß man davor gewarnt wurde. Die Verantwortung für das Verderben des guten Rufes trifft doch nicht die, die die Mißstände rügen, sondern die, die die Mißstände zu vertreten haben. Und, Herr Bundeskanzler, nachdem Sie öffentlich und privat seit zwei Jahren und mehr aufgefordert sind, sie abzustellen, sind Sie dafür verantwortlich. Die politische Verantwortlichkeit trifft Sie und neben Ihnen den Herrn Staatssekretär. Sie können sich nicht damit entschuldigen, daß Sie überlastet seien. Es ist oft genug davon die Rede gewesen, daß ein ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht, in der Eile der Arbeiten, die Sie und den Herrn Staatssekretär sonst traf, für das Auswärtige Amt nötig sei. Aber Sie haben es nicht gewollt, und es muß Ihnen bekannt sein, daß nicht nur in Abwesenheit, sondern auch in Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs der Herr Blankenhorn die Personalpolitik leitet und daß nichts an den Herrn Staatssekretär geht, das er nicht zuvor zur Kenntnis genommen und gebilligt hätte.
Wenn man Ihnen das vorenthält, dann ist das einer der Ausdrücke von Unwahrhaftigkeit, die in diesem Amt immer wieder vorkommen. Auch den Unterausschuß Seelos hat man damit bedient. Meine Redezeit gestattet mir nicht, das näher auszuführen, aber ich bin bereit, Ihnen das schwarz auf weiß zu geben. Ich habe es dem Herrn Bundesjustizminister schon einmal schwarz auf weiß gegeben, um ihm zu sagen, daß das Bundesjustizministerium absolut korrekt verfahren ist, da er diesen Vorwurf auf sich bezogen hatte.
Der Bericht des Ausschusses, der angeblich so milde verfahren sein soll, beweist doch in Wirklichkeit, daß die Pressevorwürfe keinesfalls übertrieben waren. Ich erinnere daran, daß der Ausschußbericht für drei Personen erklärt, sie seien überhaupt nicht mehr im Auswärtigen Amt zu beschäftigen, von zwei Personen erklärt, sie seien so untragbar, daß man sie während des Verfahrens nach Hause schicken mußte, um das Ansehen des Bundes nicht allzu sehr zu belasten. Das muß hier ausgesprochen werden, da Sie aus dem milden Vorgehen dieses Ausschusses Ergebnisse zu ziehen wagen, die es notwendig machen, es Ihnen .deutlicher zu sagen. Dann sind zwei Personen nicht mehr für die Personalabteilung tragbar und sechs Personen nicht im Ausland. Von 21 Personen sind also zehn schwer angeschlagen, und da wagt man noch in der Diskussion zu sagen, das wäre ein günstiges Ergebnis.
Dann kommt dazu: wie beurteilt man die, die noch im Amt geblieben sind? Da heißt es, daß der Leiter der Personalabteilung — Haas war es damals — Auffassungen von den Notwendigkeiten der Personalpolitik gehabt habe, die nicht der tatsächlichen Lage der Bundesrepublik entsprechen; d. h. also doch, deutlicher und mit weniger höflichen Worten gesagt, daß der Mann eine Personalpolitik gemacht hat, die untragbar war. Aber man könnte auch die sonst Verbliebenen, die später etwa pensioniert worden sind, einmal durchleuchten, und man hätte fragen können, wo denn eigentlich die Akten des Herrn geblieben sind, der in Bukarest war, später die Personalabteilung geleitet hat und jetzt pensioniert worden ist. Gerade diese Bukarester Zeit fehlt in seinen Personalakten. Überhaupt scheint es merkwürdig, daß die Engländer aus London nur die Teile der Personalakten zurückgeschickt haben, die der leitenden Clique dieses Amtes passen, und die anderen sind abhanden gekommen. Deutlicher kann man hier nicht werden mit dem Verdacht; er ist auch nicht zu beweisen.
Aber es fällt auf, daß mit zweierlei Maß gemessen wird. Wenn z. B. unser angesehener Vertreter in Holland wegen irgendeiner Formalie zurückgerufen wird, dann fragt man sich, warum dieses Maß so streng bei diesen und nicht auch bei denen angewandt wird, die vor dem Ausschuß halbe oder ganze Unwahrheiten gesagt haben, nicht auch bei denen, die Fragebogen frisieren. Bei den Friseuren ihrer Vergangenheit und bei den Friseuren der politischen Darstellung der Dinge, die sie vor dem Ausschuß darzulegen haben, ist man so großzügig. Und dann das Alter! Der eine, der sich in Holland Verdienste errungen hat, der der Angesehenste seiner Zunft war, der dort sehr beliebt war und der für den Bund Ansehen warb, der wird zurückgezogen, während man einen anderen Herrn im Alter von über 65 Jahren noch in die Tropen hinausschickte. Der über 65jährige nahm dann noch einen anderen mit sich, einen Freund, den er zum Leiter seiner Wirtschaftsabteilung machte. Das ist ein Beamter, der dreimal wegen Gewalttätigkeit aus dem Amt entlassen werden mußte und der jetzt schnell noch eine Stelle bekommt, damit man ihn pensionieren kann. So liegen die Dinge. Wir sind keine Pensionsanstalt, da haben Sie vollkommen recht, Herr
Kollege Gerstenmaier. Aber wir sind auch keine Pensionsanstalt, um rasch die Leute jetzt noch zu pensionieren, die ohnehin untragbar waren. Ich werde in einem besonderen Antrag darauf zurückkommen und verlangen, daß man die regreßpflichtig mache, die solche Pensionen verschuldet haben. Glauben Sie eigentlich, die Bevölkerung wird sich das gefallen lassen, daß man da einfach hingeht und Personen einstellt, von denen sich in ganz kurzer Zeit ergibt, daß sie untragbar sind, nur um ihnen aus Freundschaftsgründen noch eine hohe Pension zu verschaffen? Das ist der Kern der Dinge, die ich rüge, daß man Personalpolitik nach persönlichen Gesichtspunkten macht. Es mag die Zugehörigkeit zu bestimmten Cliquen, zu bestimmten Verbindungen oder zu was sonst sein; das ist egal. Allemal ist es so gewesen. Nach persönlichen Gesichtspunkten ist von dieser Gesellschaft, die das Auswärtige Amt bisher beherrscht hat, die Personalpolitik gemacht worden.
Und nun, verehrter Herr Bundeskanzler, zu dieser schröcklichen Drohung, daß Sie nun mit einem Strafverfahren gegen die Leute vorgehen werden. Diese Drohung können wir auch anders herum fassen. Würden Sie nicht bitte die Güte haben, mit Disziplinarverfahren gegen die Leute vorzugehen,
die verschuldet haben, daß dieses Thema in mehreren Debatten immer wieder aufgerührt werden muß, damit überhaupt etwas geschieht! Es fehlt gerade noch, daß Sie sagten, die Abgeordneten müßten mit Disziplinarverfahren verfolgt werden. Das fehlte gerade noch!
Aber bei der Presse würden Sie jedenfalls Schwierigkeiten haben, ein Strafverfahren zum Erfolg zu bringen. Denn das, was die Presse bisher dargelegt hat, hatte gute Gründe und gute Tatsachen für sich.
Ich kann leider nicht das Material, das ich im übrigen noch zu der Sache habe, vortragen. Es finden sich andere Gelegenheiten. Wenn in dieser Sache nicht unserem Wunsche entsprechend die Dinge abgestellt werden, wenn man ausweicht, wenn dieses Amt die alte Methode weiter verfolgt, diese Vorwürfe an sich abrollen zu lassen wie das Wasser an der Ente und eine Zeitlang die Ohren anzulegen, und hinterher einfach weitermacht — eine entsprechende Weisung konnte man fast aus den Worten des Herrn Bundeskanzlers entnehmen —, dann darf man sich nicht wundern, wenn ich immer wieder auf dieses Thema zurückkomme. Ich kann mich nicht damit zufrieden geben, daß man mir durch Begrenzung der Redezeit die Auswertung von Einzelheiten unmöglich macht. Es findet sich z. B. bei der Etatberatung immer noch Gelegenheit, darauf zu kommen. Ich bin bereit, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen, wenn ich merke, daß ein neuer Wind und ein neuer Geist in das Auswärtige Amt einkehren. Aber unter diesen Umständen nicht.
— Ich habe schon einmal gesagt, daß das unter dem Herrn Bundeskanzler Adenauer kaum in Frage kommen dürfte. Aber wenn Sie nichts Besseres wissen — —
Herr Abgeordneter, Sie haben die Zeit überschritten. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ich danke für die Nachsicht. Ich habe auch nicht mehr das Bedürfnis, weitere Ausführungen zu machen.
Ich habe j a angekündigt, daß ich mir vorbehalte, sowohl in einem Antrag auf die Regreßpflicht als auch, wenn nichts geändert wird, demnächst bei der Etatberatung auf weitere Einzelheiten zurückzukommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker .
Meine Damen und Herren! Ehe ich als Vertreter meiner Fraktion spreche, möchte ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses Nr. 47 einige zu allgemeinen Punkten gehörende Bemerkungen machen. Dieser Untersuchungsausschuß ist mit einem eng umgrenzten Thema vorn ganzen Hause — auch von der DP - beschlossen worden. Die Voraussetzungen und die formalen Vorschriften, nach denen dieser Untersuchungsausschuß zu arbeiten hatte, befinden sich im Art. 44 des Grundgesetzes. Unsere Geschäftsordnung enthält lediglich die Bestimmung, daß noch eine ergänzende Bestimmung geschaffen werden könne.
Wir haben also nach diesen Regeln verfahren. Daß diese Regeln kümmerlich und dürftig sind, ist nichts Neues. Das war uns auch bekannt. Daß wir aber das Beste aus diesen Regeln zu machen versucht haben, diese Anerkennung dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, trotz des Geflüsters, das konzentriert von einer bestimmten Ecke aus hier beständig durch sämtliche Hallen dieses Hauses schon seit Wochen gegangen ist.
Wir haben — ich spreche immer noch als Vorsitzender des Ausschusses — Vernehmungen vorgenommen, selbstverständlich, denn das war ja unsere Pflicht. Es ist uns zum Vorwurf gemacht worden, wir hätten unter Eideszwang die Betreffenden vernommen, obwohl sie in Wirklichkeit Beschuldigte wären. Wir haben sinngemäß die Bestimmungen der Strafprozeßordnung anzuwenden. Frage: Wenn wir die Strafprozeßordnung — also ein Strafverfahren! — sinngemäß anwenden wollen, wer war angeklagt? Die Behörde oder die einzelnen Personen? Wenn die Behörde angeklagt war, waren die Personen mit Fug und Recht Zeugen.
— Aber bitte, wir wollen uns nicht in Spitzfindigkeiten verlieren, sondern die Situation war doch so: wir haben die Herren vernommen, und zwar alle sehr eingehend in nichtöffentlicher Sitzung. Wir haben ihnen die Eidesbelehrung gegeben. Wir haben ihnen die Belehrung gegeben, daß sie die Aussage verweigern können aus den Gründen, die das Gesetz vorsieht. Die Mehrzahl von ihnen waren Juristen und kannten die Dinge, und sie sind trotzdem immer darauf aufmerksam gemacht worden. So liegen die Dinge, und damit ist den Vorschriften Genüge geschehen. Es ist, um keinen Zwang auszuüben, nicht ein einziger von ihnen vereidigt worden. Wir sind uns darüber klar gewesen, daß sich die Herren gewissermaßen bedrückt fühlen mußten in der Rolle, die sie nun dort als Zeugen hatten, und darauf haben wir Rücksicht genommen — wenigstens was mich betrifft — bestimmt bei der Form der Vernehmung — bei den sehr ein-
gehenden Vernehmungen — und auch durch die Unterlassung der Eidesleistung.
Die zweite Frage: Was hat der Untersuchungsausschuß zu tun? Hat er nur Feststellungen zu treffen? Keineswegs! Ich stehe auf dem Standpunkt — und der ganze Ausschuß hat diesen Standpunkt vertreten —, wenn man Feststellungen treffen will, ohne diese tatsächlichen Feststellungen irgendwie nun zu würdigen und aus der Würdigung eine Empfehlung herzuleiten, wenn man das so machen will, daß keine Empfehlungen gestattet sind, soll man die Untersuchungsausschüsse weglassen, dann haben sie keinen Zweck.
Viper eines sind wir uns aber, glaube ich, im klaren. Diese Empfehlungen haben in keiner Weise irgendwie ein imperatives Mandat. einen imperativen Zweck, sondern die Empfehlungen sind Empfehlungen, die an die Exekutive gerichtet sind, und die Exekutive hat aus eigener Verantwortung, aus eigener Entschlußkraft, auf Grund eigener Untersuchung, zu der die Empfehlungen mit heranzuziehen sind, ihre Entschlüsse zu fassen. Denn als Drittes in unserem Staate gibt es ja noch die Gerichte, und die Exekutive ist ihrerseits den Gerichten unterworfen, wenn sie etwas tut auf Grund unserer Empfehlungen, was nach dem Recht nicht haltbar ist.
Diese drei Komponenten in Übereinstimmung zu bringen, sollte meiner Ansicht nach nicht schwer sein, und ich glaube, bei gutem Willen und bei guter Zusammenarbeit ist es durchaus möglich, unter der Voraussetzung allerdings — und hier spreche ich als Vertreter des Parlaments —, daß das Recht des Parlaments, nicht nur konkrete Tatsachen festzustellen, sondern daraus Empfehlungen herzuleiten, anerkannt wird.
Wenn unser Bericht kritisiert wird, so müssen wir es hinnehmen; klar. Es ist ja Ihr gutes Recht. Aber, meine Damen und Herren, vergessen Sie doch nicht — ich spreche wieder als Vorsitzender —, Sie haben uns ja gewählt! Sie haben uns die Aufgabe ,gegeben und Sie haben uns die Bestimmungen an die Hand gegeben, nach denen wir zu arbeiten hatten, und wenn Sie dann hinterher etwas Derartiges eine Beckmesserei nennen, Herr Kollege Merkatz, ich glaube, — —
— Nein, meine Herren, wir wollen uns nicht ereifern. Ich glaube, Herr Kollege von Merkatz, es tut Ihnen wohl jetzt schon leid, das gesagt zu haben. Soweit als Vorsitzender des Ausschusses.
Und nun als Abgeordneter der FDP! Es ist das Recht der Presse, Mißstände zu rügen. Aber man sollte darauf achten, daß derartige Rügen mit Ernst erfolgen und nicht in einer Form, die überheblich und schnoddrig ist und in der Form selbst beleidigend wirken kann. Das war das, was in der „Frankfurter Rundschau" an sich zu rügen war. Aber wie das so geht in der Welt, alles kommt doppelt vor: Auch wir haben den „Erfolg" zu buchen gehabt, daß auch wir in Aufsätzen mit der gleichen Überheblichkeit abgekanzelt worden sind. Ich betone aber ausdrücklich, daß ich nicht den Aufsatz von Herrn Kollegen Henle meine, der — abgesehen von der Überschrift — in Form und Inhalt sachlich war und den richtigen Weg zu finden suchte, auch wenn ich mit ihm in den Konsequenzen und Folgerungen nicht in allen Punkten einig gehe.
Die Frage, die wir uns vorzulegen hatten, war nun, was materiell zu geschehen hatte. Das haben wir bereits im März dieses Jahres in einer Pressekonferenz niedergelegt. Es waren folgende Grundsätze.
Erstens: Auch wenn die Aufgabe, die uns gestellt war, auf die Frage der früheren Pgs und ihrer Mitgliedschaft zugeschnitten war, haben wir, wenn andererseits rechtskräftige Urteile eines Entnazifizierungsverfahrens vorliegen, die zu respektieren sind, nicht die Aufgabe, einen Kassationshof in Spruchkammerangelegenheiten dazustellen.
Und zum zweiten haben wir nicht die Aufgabe, einen Wilhelmstraßen-Prozeß in zweiter Auflage zu führen. Davor haben wir uns auch gehütet, und, Herr Kollege von Merkatz, auf meinen Zwischenruf, wo wir Beweiswürdigungen des Wilhelmstraßen-Prozesses in unserem Bericht verwendet hätten, sind Sie mir die Antwort schuldig geblieben. Davon finden Sie nichts, sondern nur deutsche Urkunden aus solchen Prozessen haben wir verwendet.
Und die dritte Frage! Strafrechtliche Beurteilungen haben wir auch nicht auszusprechen; denn wenn irgendwo etwas nach dieser Richtung hin geschehen wäre, so wäre das Sache der ordentlichen Gerichte, und zwar auf der Grundlage des deutschen Rechts.
Was aber nach dieser negativen Abgrenzung positiv unsere Aufgabe war, war die: im Rahmen der gestellten Aufgaben festzustellen, ob bei Mitgliedern, Beamten oder Angestellter, des Auswärtigen Amtes irgend etwas aus der Vergangenheit vorlag, das den Betreffenden trotz abgeschlossenen Entnazifizierungsverfahrens untragbar machte. Das war die Aufgabe. Und diese Aufgabe haben wir nach meinem Dafürhalten sachlich erledigt. Daß wir dabei über einzelne Personen urteilen mußten - ja, mein Gott, das lag an der Aufgabe, die Sie uns gestellt haben, nicht an uns, sondern in der Natur der Dinge.
Und nun lassen Sie mich, nachdem in den heutigen Verhandlungen im wesentlichen nur die negative Seite zur Sprache gekommen ist, auch einmal etwas Positives sagen, um das Bild zu vervollständigen! Ich möchte hier einen Entschluß ausführen, den ich gefaßt hatte, als ich bei der Beweisaufnahme in diesem Untersuchungsausschuß einige der Herren und auch eine Dame mit angehört hatte. Nach dem Urteil, das ich mir damals persönlich über die Herren gebildet habe, möchte ich — und ich nenne die Namen ausdrücklich — Herrn von Etzdorf, Herrn von Kessel, Herrn Kordt, Herrn von Nostiz, Herrn Peter Pfeiffer und einer sehr couragierten und wagemutigen Frau, Frau Simonis, meiner persönlichen und vieler Freunde Hochachtung für den Mut und den Widerstandsgeist versichern, den sie damals in schweren Zeiten gezeigt haben.
Und ich möchte daran anknüpfen und auch jene Mitglieder des Auswärtigen Amtes — und sie sind zahlreich —, die nach den Vorgängen des 20. Juli ihr Leben haben lassen müssen, hierbei lobend erwähnen.
Kürzlich hat mir in Straßburg einer unserer ausländischen Kollegen gesagt, es sei im Auslande viel zu wenig bekannt, welches andere Deutsch-
land damals, am 20. Juli, die Hände gerührt hätte, und es läge im wohlverstandenen Interesse Deutschlands, wenn das im Auslande einmal in nachdrücklicher Form bekanntgegeben würde. Ich darf weiter bemerken: Ich weiß aus der jüngsten Zeit von deutschen Auslandskaufleuten, daß sie z. B. bei ihren Besuchen in Ostasien, in Japan oder in Südafrika bei unseren Auslandsvertretungen sehr gute Unterstützung gefunden haben, und sie haben sich mir gegenüber lobend ausgesprochen. Auch das muß ich vortragen, um meine Aufgabe loyal zu erfüllen, und ich tue es gern.
Nun kommt das Aber! Ich hätte mit dem Aber gern geschwiegen, d. h. insofern gern geschwiegen, als ich keine Namen hätte nennen wollen. Ich möchte bei diesem Schweigen auch heute noch bleiben, bin aber in einem Punkte genötigt, darauf einzugehen, und das ist der hier bei uns schon zweimal genannte Fall von Bargen. Herr von Bargen hat mit der Behauptung, es wären hinsichtlich seines Falles zwei Fälschungen — wörtlich: zwei Fälschungen! — im Bericht enthalten, gewissen Eindruck gemacht, auch, ich leugne es nicht, bei Angehörigen meiner Fraktion, die daraufhin den Wunsch geäußert hatten, man möge nach jeder Richtung hin Gerechtigkeit üben und deshalb den Punkt noch einmal prüfen.
So erklärte sich der Antrag auf eine Rückverweisung an den Ausschuß. Diese Prüfung im Ausschuß ist aber nicht nötig; denn die Tatsachen sind jetzt schon festzustellen. Was Herr von Bargen rügt und als Fälschung bezeichnet — nota bene: Herr von Bargen ist Jurist und sollte wissen, was der Vorwurf einer Fälschung bedeutet —, bezieht sich darauf, daß auf Seite 49 in Anlage 2, IV die Überschrift lautet: „Bericht Dr. von Bargens vom 4. Dezember 1942". Die Überschrift ist, wie Sie vom Herrn Berichterstatter gehört haben, von der Korrekturabteilung eingesetzt worden und nicht vom Ausschuß. Abgesandt ist der Brief in Berlin — wo Herr von Bargen nicht war; er war in Brüssel —, und adressiert ist er an die Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Brüssel, also an Herrn von Bargen. Also kann der Brief niemals — das ist für den aufmerksamen Leser von vornherein erkennbar — von Herrn von Bargen sein. In dem Bericht wird dann weiter auf einen „dortigen Drahtbericht" — das heißt von einem in Brüssel ausgegangenen Drahtbericht Nr. 602 — eingegangen. Wenn Sie eine Seite zurückschlagen, finden Sie den Bericht des Herrn von Bargen Nr. 602 hier bei uns abgedruckt. Es kann niemand mit sich selbst eine Korrespondenz führen; das dürfte wohl klar sein. Und wenn zum Schluß gesagt wird, die Fortsetzung sei unleserlich — bitte, meine Herren, hier beim Präsidenten liegt das Original, das wir abgedruckt haben. Die Fortsetzung ist unleserlich. Wenn Sie die Fortsetzung hier vorlesen können, stifte ich Ihnen eine Flasche Sekt!
Also, meine Damen und Herren, damit ist die Sache klargestellt, damit ist der Antrag auf Rückverweisung praktisch erledigt, und wir können nun auch die ganzen sonstigen Personalfragen beiseite lassen. Ich spreche darüber in der Öffentlichkeit nicht gern. Was wir bei der Arbeit unseres Ausschusses immer besonders in den Vordergrund gestellt haben, war die Tatsache, daß wir alle diese Dinge tun wollten um Deutschlands willen. Um Deutschlands willen haben wir nicht öffentlich verhandelt. Der Bericht hätte in vielen Punkten vollständiger sein können; um Deutschlands willen ist er es nicht. Um Deutschlands willen muß auch
jemand, wenn er, wie Kollege Gerstenmaier mit Recht gesagt hat, durch eine tragische Verstrickung in der damaligen Zeit seinen Namen unter ein Schriftstück hat setzen müssen, das ihn heute in einer Stellung im Ausland unmöglich macht, das um Deutschlands willen auf sich nehmen, wie viele Deutsche um Deutschlands willen manches haben auf sich nehmen müssen.
Ich glaube, Herr Kollege Horlacher, wir sind hier einig.
Und nun die Hauptfrage, die sich aus der Presseerörterung ergab: Gibt es im Auswärtigen Amt eine Clique, die über Einstellung und Ablehnung der Einstellung entscheidet?
— Nun mal langsam. Wir wollen alles mit Ernst und mit Ruhe behandeln.
Wenn jemand ein neues Amt aufbaut und, dazu berufen, zunächst diejenigen holt, die er von früher her als sachkundig kennt, dann sehe ich darin noch keine Clique. Eine Clique wird es erst dann, wenn ohne eine gewisse äußere Organisation eine innere Zusammengehörigkeit auf dem Grunde gleicher Weltanschauung, der gleichen Erziehung oder des gleichen Standesbewußtseins — oder was es immer sein mag —, eine innere Zusammenschweißung stattfindet und man den Eindruck hat: „Hier in diesen Klüngel kommt jetzt kein anderer hinein."
Frage: Haben wir das festgestellt? Wenn Sie mich als Juristen fragen, sage ich Ihnen ganz offen: Juristisch beweisbar haben wir das nicht festgestellt.
Wenn Sie mich weiter fragen: „Wie würde zu handeln sein?", dann sage ich Ihnen folgendes. Mich haben in den letzten Wochen diese von einer einheitlichen Stelle aus dirigierten Flüsterparolen, dieses einheitlich dirigierte Konzert stutzig gemacht, in denen immer nur auf angeblich formale Mängel des Berichts und seines Zustandekommens hingewiesen war,
aber auf die Sache selbst mit keinem Wort eingegangen ist. Das hat mich sehr stutzig gemacht; und wenn das ein Kennzeichen für das Bestehen einer Clique sein sollte, dann kann ich nur sehr ernstlich darum bitten, daß der künftige Leiter des Personalamts im Auswärtigen Amt ganz gehörig danach sieht, daß keine Clique mehr da ist und keine neue entsteht.
Aber die Empfehlungen, die wir gegeben haben, gehen an und für sich weiter. Die Empfehlungen bezogen sich ja nicht nur auf das personelle Gebiet. Allmählich müßte die Frage der Entnazifizierung — es sei denn, daß die Leute sich gänzlich unmöglich gemacht haben — begraben sein. Man sollte nach den Grundsätzen verfahren, die der Kollege Gerstenmaier richtig aufgezeigt hat.
Man sollte auch einmal darangehen, unser Auswärtiges Amt im besonderen Maße weiter zu organisieren. Ich möchte hoffen, daß wir in der Lage sind, z. B. wieder eine Ostabteilung zu bilden, in der Leute wie früher Dirksen, von der Schulen-
burg, Brockdorff-Rantzau usw. eine Rolle spielen könnten. Wir möchten hoffen, daß es möglich ist, daß die Botschafter von bestimmten Gegenden, sagen wir in den arabischen oder den südamerikanischen Staaten oder wo es sei, ähnlich wie es bei anderen Ländern geschieht, wieder häufiger zusammenkommen. Wir möchten wünschen, daß eine richtige Sprachregelung, wenn ich mich so ausdrükken darf, erfolgt, d. h. daß von der Zentrale aus die einzelnen Botschafter sofort über die politische Lage, über die politische Zielsetzung, wenn es möglich ist, orientiert werden, damit sie wissen, woran sie sind. Es müßte möglich sein, daß auch in wirtschaftlichen Dingen und in kulturellen Dingen eine entsprechende Unterweisung stattfindet. Mir ist mitgeteilt worden, daß z. B. in anderen Ländern die Möglichkeit besteht, die Rundfunkstationen des betreffenden Landes außerordentlich, also durch hervorragende Schallplatten usw. usw. zu unterstützen, um die deutsche Kunst und Literatur usw. dort bekanntzumachen. Leider Gottes sind nur ganz kümmerliche abgespielte Schallplatten aus den zwanziger Jahren vorhanden. Ich erwähne das nur als Beispiel. Wir haben dit Hoffnung und den Wunsch, daß, nachdem die Verträge unterzeichnet sind, nach der Richtung hin mehr geschehen möge. Darauf zielt unsere Anregung, eventuell einen zweiten Staatssekretär einzusetzen.
Wir haben nun nach dieser Richtung hin zwei Sachanträge vorliegen: einen Sachantrag, der von der FDP vor einer Woche gestellt worden ist, und einen anderen Sachantrag von der SPD. Ich möchte vorschlagen, folgendermaßen zu verfahren: den Bericht entsprechend dem Antrag des Kollegen Gerstenmaier im ganzen zur Kenntnis zu nehmen, den Antrag der DP, für den wohl nur noch die KPD stimmen wird, abzulehnen und die beiden Sachanträge, die ich zuletzt genannt habe, dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
Ich habe nun noch einen besonderen Wunsch, der sich aus meiner persönlichen Erfahrung in der Leitung dieses Ausschusses ergeben hat, und das ist folgender.
— Da haben Sie recht!
Ich möchte darauf aufmerksam machen: wir haben bei der Vernehmung der einzelnen Herren doch recht unterschiedliche und manchmal wenig begeisternde Erfahrungen gemacht. Die Herren, die ich vorhin genannt habe, und noch eine ganze Reihe anderer, das waren Kerle, die standen, ganz egal, ob sie sich nun als Angeschuldigte oder als Zeugen oder sonst was fühlten — nebenbei, Herr Bundeskanzler: das deutsche Recht kennt schon seit langem auch eine Vernehmung der Parteien vor Gericht; aber das nur nebenher —, die standen mannhaft da und gaben ihre Aussage wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Dann waren einige andere bei den Vernehmungen, denen man es anmerken konnte, daß schon die Tatsache ihrer Vernehmung von ihnen als eine Art Majestätsbeleidigung empfunden wurde.
Ferner waren einige da, die mit der Sprache nicht richtig herausgingen und die sich wanden und drehten. Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier ist etwas gutzumachen. Ich glaube, daran müssen wir mithelfen. Dem deutschen Beamtentum ist
durch die Nazizeit das Rückgrat gebrochen, und die Entnazifizierungszeit hat es nicht besser gemacht. Wir haben jetzt die Tatsache zu verzeichnen, daß sich alle Parteien darum bemühen — auch die, die anfangs nicht in dieser Richtung gearbeitet haben —, ihre Leute in die betreffenden Betriebe und Behörden hineinzubringen. Wenn wir auf dem Wege weitermachen, dann wird der Männerstolz vor Königsthronen nicht wiederkommen, sondern dann haben wir nur die Nickepeter vor Parteibüros, und zwar die Leute, die behaupten, allen Parteien nahezustehen, die sich heute von der einen Partei protegieren lassen und gleichzeitig zur anderen laufen und sagen, sie hätten schon von jeher das staatsmännische Genie des Herrn X als des Vorsitzenden der Y-Partei bewundert et cetera pp., die aber nirgends den Mut haben, eine Meinung zu äußern. Diese parteipolitischen Quallen
sind keine Musterbeispiele!
Die kommen bei jedem Regierungswechsel und zeigen auf ihre weiße Weste. Ich pfeife auf die weiße Weste, wenn hinter ihr nicht Herz, Rückgrat und Charakter stehen.
Wie kommen wir zu einer Besserung? Wir kommen dazu auf folgendem Wege, der uns einige Überwindung kosten wird, der aber mal gegangen werden muß. Ich rede jetzt nicht nur vom Auswärtigen Amt; ich rede nicht von allen Beamten und allen Behörden, aber von denen, denen es nottut. Wir kommen dazu, wenn wir uns darüber klar werden: die Minister und die Staatssekretäre und vielleicht noch dieser oder jener Ministerialdirektor sind politische Beamte und damit Schluß. Alle anderen sind unpolitische Beamte; insbesondere der Personalchef. Derjenige Beamte — ich wiederhole nur, was in England Rechtens sein soll —, der sich von irgendeiner Partei protegieren läßt, begeht damit ein Disziplinarvergehen. Und ich füge hinzu: derjenige Abgeordnete und die Partei, die das Protegieren fortsetzen sollten, die sollten nach einer Ehrenordnung, die wir uns zu schaffen hätten, durch öffentliche Bekanntmachung an den Pranger gestellt werden. Dann kommen wir dahin, daß wir ein entpolitisiertes Beamtentum haben, wo nur nach Sachkunde, nach Rechtschaffenheit gearbeitet wird.
Dann gilt der Satz, den ich gern einzelnen, die vor
unserem Ausschuß vernommen sind, zugerufen
hätte, der da lautet: Seid männlich und seid stark!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Zu einer persönlichen Bemerkung hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung.
Meine Damen und Herren! In der von mir übernommenen Rednerliste ist Herr Abgeordneter Erler nicht erwähnt. Nachdem er mir aber sagt, er habe sich zum Wort gemeldet, möchte ich doch die Beratung fortsetzen.
Die persönliche Bemerkung kommt nach der Geschäftsordnung am Schluß.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Meine Damen und Herren! Der kleine Zwischenfall tut mir leid. Ich möchte ungern gegen die Disziplin des Hauses verstoßen, aber ich hatte mich persönlich vorhin beim Schriftführer gemeldet. Nun ein paar kurze Bemerkungen zu einigen Punkten. Erstens zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers wegen des Beamten, der aus Südamerika zurückgekommen ist.
Ich empfehle dem Herrn Bundeskanzler die Lektüre des heutigen Eingesandt des früheren preußischen Finanzministers Dr. Klepper in der „Frankfurter Rundschau". Ich beziehe mich nicht auf die „Frankfurter Rundschau" als Quelle, sondern auf den Herrn Finanzminister Dr. Klepper, der immerhin ein Mann ist, dessen politische Auffassungen auch dem Herrn Bundeskanzler sehr nahestehen sollen. Ich glaube, der Fall ist ernst genug, um eindeutig untersucht zu werden.
Das zweite ist die Mitteilung an den Herrn Bundeskanzler, daß ich mich darüber freuen würde, wenn er, entsprechend seiner heute hier abgegebenen Erklärung, mit sofortiger Wirkung abstellte, daß der Personalchef des Auswärtigen Amtes, Herr Pfeiffer, Personalfragen mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Blankenhorn regelmäßig erörtert. Das müßte dann unterbunden werden. Wenn der Herr Bundeskanzler das nicht weiß, dann ist es betrüblich, daß ihm diese Tatsache vorenthalten worden ist. Da er aber eindeutig so etwas nicht wünscht, würde ich mich darüber freuen, wenn dieser Sachverhalt — nämlich daß der Herr Bundeskanzler das mißbilligt — dazu führte, daß sich die Praxis im Amt in dieser Frage nach den Wünschen des Herrn Bundeskanzlers richtet.
— Ich hoffe, daß man wenigstens auf diese Weise, daß wir es hier erörtern, auch im Amt von den Meinungen und Wünschen des Herrn Bundeskanzlers Kenntnis erhält, wenn die anderen Wege nicht funktionieren.
Dann der dritte Punkt. Natürlich ist es richtig, daß das Wesentliche beim Aufbau die Gestaltung eines zuverlässigen demokratischen Instruments ist. Genau so richtig ist es, daß allzuviel Wirbel und Unruhe um dieses Instrument herum für die künftige Arbeit schädlich sein kann. Aber dann muß auch in der Aufbauzeit dafür gesorgt werden, daß von Anbeginn an — und vor allem dann, wenn man irgendeinen Fehler erkannt hat — auch so verfahren wird, daß es vom Instrument her keine Unruhe gibt. Die Quelle der Unruhe liegt doch nicht bei denen, die Mißstände aufdecken, sondern sie liegt in den Mißständen selbst.
Es ist eine in Deutschland viel zu oft geübte Praxis, daß man sich über diejenigen empört, die einen Sachverhalt aufdecken. Es gehört Gott sei Dank zur Demokratie dazu, daß Mißstände aufgedeckt werden, damit man sie beheben kann. Darin unterscheiden wir uns von den Diktaturen, wo die Mißstände zweifellos sehr viel größer sind, wo aber die Aufdeckung eines Mißstandes nicht möglich ist, weil der Aufdeckende liquidiert wird. Wir haben das alle schmerzlich in Erinnerung, und außerdem erlebt man das anderswo auf dem Erdball.
Ich möchte nur wünschen und hoffen, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund zu der Äußerung des Herrn Bundeskanzlers selbst Stellung nimmt. Ich nehme an, daß wohl in Bälde — ich kann dafür keine Erklärung abgeben, ich kenne die Praxis nicht sehr genau, wie es dort gelaufen ist — der Herr Bundeskanzler und auch die Öffentlichkeit vom DGB erfährt, was es mit diesem Sachverhalt auf sich hat.
Gewiß ist es richtig, daß wir keine allgemeine — um ein Wort aus der Debatte aufzugreifen — Naziriecherei treiben wollen. Ich meine aber, daß es doch gewisse allgemeine Prinzipien geben sollte, die, wie auch der Kollege Gerstenmaier ausgeführt hat, darin bestehen sollten, daß man nicht einfach bestimmte Dinge wiederherstellen kann.
Man kann z. B. nicht die alte NSDAP wiederherstellen, wenn es auch Leute in Deutschland gibt, die dieses Abenteuer unternehmen. Man kann auch nicht einfach, als sei nichts gewesen, das frühere Ribbentropsche Auswärtige Amt wiederherstellen.
Das ist der zweite Sachverhalt. Ich würde wirklich darum bitten, daß wir uns Mühe geben, neben der berüchtigten Frage der NSDAP diesen zweiten Sachverhalt im Auge zu behalten, damit es auf dem Gebiet kein Unglück gibt.
Dann ist heute hier — und das gehört jetzt zu den Problemen, die ich eben angeschnitten habe — eine Frage gar nicht behandelt worden, die aber in den Empfehlungen des Ausschusses ihren wohlabgewogenen Platz gefunden hat. Ich fühle mich verpflichtet, im Interesse des ganzen Deutschen Bundestages diesen Wunsch, der ein gemeinsamer Wunsch ist, nachdrücklich zu unterstreichen, daß nämlich gerade im Auswärtigen Amt das Bundesgesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes beschleunigt durchgeführt werden soll, und zwar ist besonderer Nachdruck auf die Durchführung der Wiedereinstellungsbestimmungen dieses Gesetzes zu legen.
Es kommt gar nicht so sehr darauf an, so wichtig das ist, daß ein Geschädigter auf honorige Weise materiell entschädigt wird. Das Wesentliche ist doch, daß diejenigen, die durch ihre politische Vergangenheit bewiesen haben, daß sie auf Gedeih und Verderb zur demokratischen Staatsform stehen, in diesem demokratischen Staat auch die entsprechende Wirkungsmöglichkeit haben.
Das ist viel wichtiger, und das ist ein Wunsch, der, glaube ich, als Ergebnis dieser Debatte nicht untergehen sollte.
Es ist dann noch gesprochen worden von dem Provisorium, das alles enthalte, was unter den derzeitigen Umständen nötig sei. Ich möchte der Meinung Ausdruck geben, daß dieses Provisorium nicht alles enthält, was möglich ist, und das wissen Sie doch selbst. Der Bundeskanzler ist gleichzeitig Bundesaußenminister, und außerdem hat er an seiner Dienststelle mit der rechten oder linken Hand so nebenher den mit einem recht gut ausgestatteten Apparat inzwischen versehenen Kriegs-
minister in spe dranhängen, auf den er auch noch aufpassen muß.
Das ist einfach ein bißchen viel. Der Staatssekretär hat auch drei verschiedene Funktionen, die sich um seine Zeit und seine Interessen reißen. Das ist auch zuviel.
Wir weisen hier als Beispiel noch einmal auf diese Dinge hin, weil wir meinen, es ist wichtig, daß auch von der Spitze her die Organisation so leistungsfähig wie möglich gestaltet wird. Es ist eben keine Entschuldigung, wenn man sagt, die vier Augen derer, die dort sitzen, können das nicht alles verkraften. Es ist Ihre Schuld, wenn es nicht mehr Augen sind, und das muß der Kanzler sich sagen lassen.
Schließlich verstehe ich nicht ganz, weshalb die FDP und ein Teil der Kollegen der CDU unserer Entschließung nicht zustimmen wollen, weshalb sie sie in einen Ausschuß tun wollen. Wir wollen ja, daß sich der Ausschuß mit der Sache befaßt. Das steht in Ziffer 2 drin. Damit aber die Beratungen des Ausschusses Sinn haben, wünschen wir, daß dem Ausschuß vorher ein Bericht der Bundesregierung zu dem Thema, das der Ausschuß zu behandeln hat, vorgelegt wird. Meinen Sie nicht auch, daß das zweckmäßiger ist, als den Ausschuß nun so ins Leere hinein arbeiten zu lassen, daß es also zweckmäßiger ist, die Bundesregierung aufzufordern, dem Auswärtigen Ausschuß zunächst einen Bericht als Grundlage für die weitere Arbeit vorzulegen? Daher würde ich bitten, dem Antrag zuzustimmen und ihn nicht dem Ausschuß zu überweisen; der bekommt die Fragen sowieso serviert.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstenmaier.
Meine Damen und Herren! Ich will die Diskussion nicht fortsetzen, möchte mir aber erlauben, zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD den Vorschlag zu machen, jetzt darüber nicht Beschluß zu fassen, sondern die Entschließung so, wie sie ist, erst in den Auswärtigen Ausschuß zu bringen. In der heutigen Diskussion sind von den verschiedensten Seiten so viele Gesichtspunkte in die Debatte geworfen worden, daß ich es nur für angemessen und fair gegenüber den anderen halte, wenn sie im Auswärtigen Ausschuß wenigstens noch die Möglichkeit haben, auf die Gesamtformulierung eines Beschlusses, den sie ja mitmachen sollen, Einfluß zu nehmen. Deswegen empfehle ich, diese Entschließung so, wie sie ist, dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.
Damit sind die Wortmeldungen erschöpft. Die Beratung ist geschlossen.
Zu einer persönlichen Bemerkung Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung.
Mein Frontalangriff hat den Kollegen Erler veranlaßt, mir sozusagen vorweg einen Blumentopf auf den Friedhof zu schicken.
— Politisch gesprochen, selbstverständlich. — Ich möchte dazu noch eines sagen. Vielleicht haben Sie mich mißverstanden, oder wir verstehen uns auf gewissen Gebieten einfach nicht. Mein Angriff ging gegen ein Verfahren, das es ermöglicht, ein politisches Tribunal aufzubauen. Das ist eine Gefahr, die bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen heraufzieht, wenn sie nicht nach sehr begrenzenden und beschränkenden Regeln tätig werden und sich auf die Feststellung der Tatsachen beschränken. Das haben bereits Erfahrungen im Weimarer Staat bewiesen. Darauf bezieht sich meine staatsrechtliche Beurteilung.
Ferner hatte ich eine Beurteilung von Vorgängen, ohne daß man das Entlastungsmaterial benutzt — und das Kempner-Material enthält gewisse entlastende Gesichtspunkte nicht —, abgelehnt. Wenn man das allerdings als eine Einstellung empfindet, die nicht mehr in die Zeit gehört,
dann kann ich dazu nur sagen, - —
Herr Abgeordneter, ich muß auf den begrenzten Inhalt einer persönlichen Bemerkung aufmerksam machen. Eine persönliche Bemerkung kann einen persönlichen Angriff zurückweisen, kann aber nicht eine geschlossene Diskussion fortsetzen.
Ich will auch meine Bemerkung durchaus auf den persönlichen Bereich begrenzen. Es ist gesagt worden, daß ich als Politiker und Vertreter einer Partei nicht mehr in diese Zeit gehöre.
Das ist der persönliche Bereich. Und darauf antworte ich.
Kein Wort habe ich zur Personalpolitik gesagt; auch hier ist der Kurzschluß: Uns zu identifizieren mit einer Gesinnung der Vergangenheit, die zu überwinden wir alle in diesem Hause bemüht sind.
Gegen den Ungeist der Ressentiments habe ich mich gewandt. Wenn die Maßstäbe und Regeln, auf die ich angespielt habe, nicht mehr in diese Zeit gehören, dann allerdings, will ich fast sagen, möchte man in dieser Zeit nicht mehr sein.
Solange wir aber in dieser Zeit sind und die Möglichkeit haben, gegen diesen Ungeist anzukämpfen, werden wir es tun.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen vor: zunächst der Antrag des Ausschusses, ferner der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD. Dann liegt noch ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, von dem mir mitgeteilt worden ist,
,daß er zurückgezogen worden ist. Wir brauchen ihn also nicht mehr zur Abstimmung zu stellen.
Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses, der in Drucksache Nr. 3465 auf Seite 37 enthalten ist:
Der Bundestag wolle beschließen, den Bericht im ganzen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte diejenigen, die diesem Ausschußantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 676.
— Hier ist Überweisung an den Ausschuß beantragt. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußüberweisung zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen. — Das Ergebnis wird beim Vorstand angezweifelt. Mir scheint es nicht zweifelhaft zu sein. Aber wenn das Ergebnis angezweifelt wird, müssen wir durch Hammelsprung abstimmen.
— Bei der unterschiedlichen Besetzung des Hauses sind Irrtümer nicht ausgeschlossen. Wenn hier keine Übereinstimmung besteht, muß Auszählung durch Hammelsprung erfolgen. Wir stimmen also
ab über den Antrag auf Überweisung der von der Fraktion der SPD vorgelegten Entschließung auf Umdruck Nr. 676. Wer für die Überweisung ist, stimmt mit Ja.
Die Auszählung beginnt.
Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 156 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 127, enthalten haben sich 6. Damit ist die Überweisung an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten beschlossen.
Die heutige Tagesordnung ist erschöpft. Die nächste, die 235. Sitzung des Deutschen Bundestages findet am Donnerstag, dem 23. Oktober 1952, 13 Uhr 30, statt.
Ich gebe noch bekannt, daß eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung eine gemeinsame Sitzung des Außenhandelsausschusses mit dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betreffend Einfuhr- und Vorratsstellen in Zimmer 210 Südflügel stattfindet. Das würde um 19 Uhr 15 sein.
Die 234. Sitzung des Deutschen Bundestages ist geschlossen.