Protokoll:
1234

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 234

  • date_rangeDatum: 22. Oktober 1952

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:33 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:40 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Oktober 1952 10709 234. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 22. Oktober 1952. Nachruf auf den verstorbenen Abg. Dr. Povel 10709D Gedenkworte des Präsidenten für die noch nicht zurückgekehrten Kriegs gefangenen 10710A Glückwünsche zum 60. Geburtstag des Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg . 10710A Glückwünsche zum 64. Geburtstag des Abg. Morgenthaler und zum 71. Geburtstag des Abg. Dr. Kleindinst . . 10710B Geschäftliche Mitteilungen 10710B, 10718C, 10750C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betr. die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern 10710C Güterkraftverkehrsgesetz 10710C Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr 10710C Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften 107100 Kleine Anfrage Nr. 292 der Fraktion der DP betr. Fremdrentengesetz (Nrn. 3682, 3772 der Drucksachen) 10710C Kleine Anfrage Nr. 294 der Fraktion der CDU/CSU betr. Brasilianisches Clearing (Nrn. 3699, 3771 der Drucksachen) 10710C Kleine Anfrage Nr. 295 der Fraktion der DP betr. Ergänzung zum Umstellungsgesetz (Nrn. 3719, 3784 der Drucksachen) 10710D Vorlage des Wirtschaftsplans der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1952 nebst Stellenplan und Genehmigungsbeschluß des Bundesministers für Verkehr und des Bundesministers der Finanzen 10710D Mitteilung des Bundesministers für Wohnungsbau über die Absendung des Antrags auf Erstattung eines Rechtsgutachtens über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 10710D Vorlage des Gutachtens über die Kosten- und Ertragslage der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft 10710D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Landtagswahlen im Saargebiet (Nr. 3621 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Undemokratische Verhältnisse an der Saar (Nr. 3627 der Drucksachen) 10710D Dr. Mommer (SPD), Anfragender 10711A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 10713C Mayer (Stuttgart) (FDP) 10714B Niebergall (KPD) 10714C Eichler (SPD) 10716A Dr. Bertram (FU) 10718C von Thadden (Fraktionslos) . . . 10719C Beschlußfassung 10720A Beratung des Schriftlichen Berichts des Untersuchungsausschusses (47. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktion der SPD betr. Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 3465, 2680 der Drucksachen, Umdruck Nr. 670; Änderungsantrag Umdruck Nr. 669, Entschließung Umdruck Nr. 676) 10720B Dr. Brill (SPD): als Berichterstatter 10720B, 10727B, 10740A schriftlicher Bericht 10751 Dr. Adenauer, Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen 10722B, 10734A Dr. von Merkatz (DP): zur Sache 10725B persönliche Bemerkung 10747D, 10749B Erler (SPD) 10728B, 10748A Dr. Gerstenmaier (CDU) 107360, 10749B Renner (KPD) 10740C Dr. Reismann (FU) 10742B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . 10744C Abstimmungen 10749D Nächste Sitzung 10750C Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 234. Sitzung Schriftlicher Bericht des Untersuchungsausschusses (47. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktion der SPD betreffend Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 2680, 3465 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Brill Inhalt Seite I. Allgemeiner Teil 10752A II. Die einzelnen Fälle 10753D von Bargen 10753D Blankenhorn 10755C Dittmann 10756D von Etzdorf 10760A von Grundherr 10761D Haas 10762C Heinburg 10765C Herwarth von Bittenfeld 10766A von Kamphoevener 10766B von Keller 10766D von Kessel 10767D Theo Kordt 10769C von Marchtaler 10770D Melchers 10771A von Nostitz 10772D Peter Pfeiffer 10774D Schwarz 10776A Schwarzmann 10776D Simonis 10778C Tichy 10778D Trützschler von Falkenstein 10779B III. Zusammenfassung 10780D IV. Empfehlungen 10781C (Dr. Brill) I. Allgemeiner Teil Der Untersuchungsausschuß ist durch Beschluß des Bundestages vom 24. Oktober 1951 in der 170. Sitzung (Stenographischer Bericht Seite 7035C bis 7036D) gebildet worden. Er bestand aus sieben Mitgliedern, nämlich den Herren Abgeordneten Fürst Fugger von Glött, Dr. Gerstenmaier, Dr. Köhler (CDU/CSU), Dr. Arndt, Dr. Brill, Erler (SPD), Dr. Becker (Hersfeld) (FDP). Im Laufe der Verhandlungen ist der Abgeordnete Dr. Arndt aus dem Ausschuß ausgeschieden und durch den Abgeordneten Birkelbach ersetzt worden. Außerdem hat der Abgeordnete Onnen den Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld) während dessen Erkrankung, der Abgeordnete Dr. Vogel den Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und der Abgeordnete Freiherr v. Fürstenberg den Abgeordneten Fürsten Fugger v. Glött zeitweise vertreten. Der Ausschuß wählte den Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld) zum Vorsitzenden, den Abgeordneten Dr. Köhler zu seinem Stellvertreter und den Abgeordneten Dr. Brill zum Berichterstatter; die Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld) und Erler sind zeitweise als Teilberichterstatter tätig gewesen. Nach dem Antrag der Fraktion der SPD vom 12. Oktober 1951, Drucksache Nr. 2680, sollte der Ausschuß prüfen: 1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden? 2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen? 3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren? Zur Erfüllung dieser Aufgabe beschloß der Untersuchungsausschuß am 16. November 1951, an den Herrn Bundesaußenminister folgendes Schreiben zu richten: „Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! In Ihrer Eigenschaft als Bundesaußenminister beehren wir uns, Ihnen Kenntnis zu geben von den Beschlüssen, die der Untersuchungsausschuß Nr. 47 zur Erledigung der Drucksache Nr. 2680 heute einstimmig gefaßt hat. Der Untersuchungsausschuß hat beschlossen, zur Durchführung seiner Aufgabe Sie um Übersendung einer Liste aller im Dienst des Auswärtigen Amtes stehenden Personen des höheren, gehobenen und mittleren Dienstes zu ersuchen, und zwar mit folgenden Angaben: 1. Vor- und Zuname, 2. Geburtstag und -ort, 3. derzeitige Beschäftigung, 4. Eintritt in das jetzige Auswärtige Amt, 5. letzte Beschäftigung vor dem 8. 5. 45, 6. Mitgliedschaft bei der NSDAP oder deren Gliederungen, 7. Mitteilung, welche Angaben der Betreffende zu Punkt 6 in seiner Bewerbung gemacht hat und ob und welche Feststellungen an Hand des Document Center gemacht sind und welche Angaben der Betroffene zur Aufklärung etwa hierbei festgestellter Widersprüche gemacht hat. Der Ausschuß hat ferner einstimmig beschlossen, die Personalakten der in der Anlage dieses Schreibens aufgeführten Personen, die in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" genannt waren, sicherzustellen in der Form, daß diese Akten zu Händen des Vorsitzenden dieses Ausschusses übergeben werden. Der Ausschuß wird sich mit Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Schetter in Verbindung setzen, damit durch die Führung der Untersuchung von beiden Seiten keine Verzögerungen entstehen. Wir bitten, zu veranlassen, daß bis zum 22. 11. 1951, vormittags, sowohl diese Akten wie die vorher genannte Liste ausgehändigt werden. Der Ausschuß hat ferner einstimmig der Auffassung Ausdruck gegeben, daß jede neue Etatisierung der in der Anlage genannten Personen bis zum Abschluß seiner Untersuchungen unterbleiben soll. Dabei bleibt vorbehalten, weitere Personen im Laufe der Untersuchung zu benennen. Es darf der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß Ihrerseits danach verfahren wird. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener (gez.) Dr. Becker" Weiter hat der Ausschuß am 23. November 1951 in Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Schetter über die bisherigen Maßnahmen zur Klärung der gegen den Auswärtigen Dienst erhobenen Vorwürfe gehört. Da der Leiter der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes, Dr. Dittmann, in das Verfahren einbezogen werden sollte, wurden die Herren Dr. Wilde und Dr. Schwarz als Vertreter des Auswärtigen Amtes zu den Sitzungen zugelassen. Endlich wurde beschlossen, grundsätzlich nicht öffentlich zu tagen. Nur die Vernehmung des Journalisten Michael Heinze-Mansfeld sollte öffentlich durchgeführt werden. Der Untersuchungsausschuß hielt es für praktisch, seiner Tätigkeit die von Herrn Heinze-Mansfeld in der „Frankfurter Rundschau" am 1., 3., 4., 5. und 6. September 1951 veröffentlichten Artikel, die insgesamt die Überschrift tragen: „Ihr naht euch wieder . . . Einblicke in die Personalpolitik des Bonner Auswärtigen Amtes", zugrunde zu legen. Diese Artikel sind im Dokumententeil dieses Berichtes (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 41, Anlage 2, I) enthalten. Das Auswärtige Amt hat die in dem vorstehenden Schreiben vom 16. November 1951 erbetenen Akten dem Ausschuß übergeben. In der Vernehmung von Herrn Heinze-Mansfeld, die am 18. Dezember 1951 in öffentlicher Sitzung erfolgte, wurden dem Ausschuß diejenigen Protokolle und Dokumente des sogenannten WilhelmstraßenProzesses bezeichnet, auf denen die Darstellung der in der „Frankfurter Rundschau" veröffentlichten Artikel beruht. Die Bände sind aus dem Archiv des (Dr. Brill) Institutes für Zeitgeschichte in München beschafft worden. Vollständig war das allerdings nicht möglich, da in mehreren Fällen bestimmte Dokumenten-Nummern nicht aufgefunden werden konnten. Am 10. Januar 1952 hat der Berichterstatter einen 36 Seiten umfassenden Vorbericht erstattet, der sich ausschließlich auf die Personalakten des Ribbentropschen Auswärtigen Amts und des neuen Auswärtigen Amts stützte. Angesichts des Zustandes dieser Akten konnte jener Bericht jedoch von vornherein nicht als erschöpfend betrachtet werden. Die Personalakten des alten Auswärtigen Amts sind im Jahre 1943 durch einen Bombenangriff vernichtet worden. Sie konnten nur zum Teil rekonstruiert werden, weshalb die benutzten Akten eines echten urkundlichen Wertes entbehren. Aber auch die Personalakten des neuen Auswärtigen Amts sind in einigen Fällen — z. B. Dr. v. Etzdorf und Dr. Schwarzmann — nur bedingt beweiskräftig. Die neuen Personalakten Dr. v. Etzdorfs können noch nicht einmal eine Loseblattsammlung genannt werden. Sie bestehen aus einem Hefter, aus dem nach Belieben jedes Stück entfernt werden könnte. Außerdem fehlt den Personalakten das Inhaltsverzeichnis. Die Personalakten Dr. Schwarzmann sind in einem ähnlichen Zustande; die Aktenblätter sind nicht numeriert. In anderen Fällen sind die Personalakten des neuen Auswärtigen Amts in tadelloser Ordnung. Der Zustand der Akten läßt im allgemeinen nicht den Eindruck aufkommen, daß im Auswärtigen Amt eine zentrale Stelle vorhanden ist, die die Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Fachministerien kennt oder die diese Vorschriften durchführt. Der Ausschuß hält es für seine Pflicht, vorab auf diesen Zustand aufmerksam zu machen und Abhilfe zu fordern. Für alle Vernehmungen sind sodann aus den Nürnberger Prozeßmaterialien (in der Folge kurz „Nürnberger Dokumente" genannt) diejenigen Stücke gruppiert worden, die sich auf eine einzelne Person des jetzigen Auswärtigen Dienstes beziehen. Nicht der Sachzusammenhang des Nürnberger Prozesses und auch nicht das Vorbringen jener Personen bei den Vernehmungen durch die Gerichtskommission oder bei Spruchkammerverhandlungen war für die Verwendung der Nürnberger Dokumente durch den Ausschuß maßgebend, sondern lediglich das Interesse, das durch Ziffer 1 des Bundestagsbeschlusses vom 24. Oktober 1951 umschrieben worden ist. Schließlich hat es der Untersuchungsausschuß für richtig gehalten, zur Ermittlung der Sachverhalte einige Literatur herauszuziehen. „Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß", herausgegeben von Dr. Kempner und Dr. Haensel unter Mitwirkung von Rechtsanwalt Tuerck, Schwäbisch Gmünd 1950, hat allen Mitgliedern des Ausschusses vorgelegen. Die Bücher von Dr. Erich Kordt, „Wahn und Wirklichkeit", Stuttgart 1948, und „Nicht aus den Akten", Stuttgart 1950, sind beim Vortrage des Berichterstatters teilweise verwendet worden. Auszüge aus dem Buch „Die deutsche Opposition gegen Hitler", von Hans Rothfels, Krefeld 1949, sind verlesen worden. Die Kenntnis der Bücher „Verschwörung in Deutschland" von Allen W. Dulles, Kassel 1949, „Vom anderen Deutschland" von Ulrich von Hassel, Zürich 1946, „Nürnberger Tagebuchnotizen" des Frhr. v. d. Lippe, Frankfurt a. M. 1951, und „Erinnerungen" von Ernst v. Weizsäcker, München 1950, ist, wie bereits im Bericht Dr. Schetters vom 24. November 1951 geschehen, vom Ausschuß vorausgesetzt worden. Auf diese Literatur wurde jedoch kein entscheidender Wert gelegt; sie wurde nur zur Ergänzung der Beweisaufnahme herangezogen. Auskünfte des Document Center hat der Ausschuß nicht eingeholt. Im Verlaufe seiner Verhandlungen über den Rademacher-Prozeß, die einen Teil des Komplexes v. Bargen bildeten, erhielt der Ausschuß Kenntnis davon, daß außer den alten Personalakten noch sogenannte Geldakten des Ribbentropschen Auswärtigen Amts vorhanden sind. Diese Geldakten sind nicht beigezogen worden, weil anzunehmen war, daß sich darin für die vom Ausschuß verhandelten Fälle wirklich interessante Einzelheiten nicht befinden. Die einzelnen Untersuchungshandlungen sind in sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung durchgeführt worden. Das gilt insbesondere für die Vernehmungen. Alle Zeugen wurden vor der Vernehmung auf die Bedeutung des Eides hingewiesen. Der Ausschuß hat in allen Fällen und aus verschiedenen Gründen davon abgesehen, die Zeugen zu vereidigen. Nach Abschluß der Beweisaufnahme hat der Ausschuß ein Votum abgegeben, das den Vertretern des Auswärtigen Amts unmittelbar nach der Beschlußfassung mündlich mitgeteilt wurde. Eine Zusammenstellung der Voten in der Form zweier Schreiben an den Herrn Bundesaußenminister findet sich als Anlage 1 am Schluß dieses Berichtes. Alle Beschlüsse des Ausschusses sind in der jeweiligen Besetzung einstimmig gefaßt worden. II. Die einzelnen Fälle Vorbemerkung: Um dem Plenum des Deutschen Bundestages eine völlig freie Urteilsfindung zu ermöglichen, werden die vom Ausschuß untersuchten einzelnen Fälle in alphabetischer Ordnung dargestellt. 1. Werner v. Bargen Geboren am 14. Februar 1898 in Wischhafen, Kr. Stade/Niederelbe, evangelisch-lutherisch, verheiratet, drei Kinder. — Abitur in Schulpforta, Referendarexamen im ganzen gut, Gerichtsassessorexamen befriedigend, Dr. jur. cum laude. Laufbahn: 1925/26 Attaché Konsulat Thorn, 1926/28 Auswärtiges Amt (Rechtsabteilung), 1928/32 Gesandtschaft Riga, 1932/34 AA (Rechtsabteilung), 1934/36 persönlicher Referent von Staatssekretär v. Bülow, 1937/40 Botschaft Brüssel, 1940/43 Vertreter des AA beim Militärbefehlshaber in Belgien, 1943/44 AA (Leiter des Referats Westeuropa in der Politischen Abteilung), 1944 Geschäftsträger in Paris, 1945 Wehrmacht (Hauptmann). Bis September 1946 in amerikanischer Internierung, danach Verwaltungsrechtsrat in Niedersachsen, 2. April 1951 Berufung in das Auswärtige Amt. 1928 Legationssekretär, 1935 Legationsrat, 1938 Botschaftsrat, 1941 Gesandter, VLR z. Wv. Pg. vom 1. Mai 1933, Mitglieds-Nr. 2 579 492. Entlastet und in Gruppe V eingereiht durch den Entnazifizierungshauptausschuß in Stade am 7. Oktober 1947. (Dr. Brill) Ergebnis der Ermittlungen von Dr. Schetter: Artikel der Dienstliche Äußerung Würdigung „Frankfurter Rundschau" (Ausführliche schriftliche Stellungnahme in der Anlage) 1. v. B. war Pg., Botschaftsrat, Angaben treffen zu. Keine unrichtige Angabe der FR. hatte Gesandtenrang, war Vertreter des Auswärtigen Amts beim Militärbefehlshaber in Brüssel. 2. 1933/34 war v. B. FrankreichReferent im Auswärtigen Amt. Trifft nicht zu. Angabe der FR ist unrichtig. 3. v. B. hat energisch bestritten, daß das Auswärtige Amt mit Deportationen etwas zu tun v. B. hat tatsächlich bestritten, Behauptung der FR entstellt den wahren Sachverhalt. gehabt habe. Er ist auch nach Vorlage seiner eigenen Berichte bei dieser Meinung verblieben. daß das AA mit Deportationen etwas zu tun gehabt habe. Es ist jedoch nicht richtig, daß durch seine eigenen Berichte das Gegenteil' bewiesen worden ist. 4. v. B. scheint den Begriff „Beihilfe zum Mord" nicht zu Ist keine Tatsache, sondern nur Keine Tatsachenfeststellung. kennen. Meinungsäußerung der FR, die für v. Bargen nicht wichtig ist. 5. Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung kann v. B. zunächst nicht mit ja oder nein beantworten und muß sie Angabe der FR ist richtig. Keine unrichtige Angabe der FR. schließlich verneinen. Frage der Beteiligung am Wider-stand könnte dargetan werden. 6. Behauptung v. B. s, er habe Ein Protest ist tatsächlich erfolgt. Dokumente standen und stehen mir nicht zur Verfügung. Die Angaben der FR können gegen Deportation und Geiselerschießungen protestiert, konnte nicht durch Dokumente in einem Verhör bewiesen. werden. Befragt, sagte nicht als direkt falsch bezeichnet werden. v. B.: „Ich weiß nicht, ob meine Berichte vollständig vorhanden sind". Weitere Frage: „Gibt es Berichte, in denen Sie nicht dagegen protestiert haben?!" Antwort v. B.: „Daran kann ich mich nicht erinnern". Dr. v. Bargen ist in der 16. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 19. März 1952 vernommen worden. Außerdem hat der Ausschuß die Bandaufnahme seiner Zeugenaussage im Rademacher-Prozeß gehört. Dr. v. Bargen wird beschuldigt, von der Deportation belgischer Juden gewußt und nichts dagegen unternommen zu haben. Um die Schwere der Beschuldigung deutlich zu machen, sei noch einmal hervorgehoben, daß Dr. v. Bargen von 1937 bis 1940 als Gesandtschaftsrat (ab 1938 als Botschaftsrat) bei der Deutschen Botschaft in Brüssel tätig gewesen ist; der Krieg gegen Belgien unterbrach seine Tätigkeit nur für kurze Zeit, von 1940 bis 1943 war er der Vertreter des AA beim Militärbefehlshaber in Belgien. Bei seiner Vernehmung durch Dr. Schetter hat Dr. v. Bargen am 5. Oktober 1951 mit Bezug auf die Deportationen der Juden aus Belgien wörtlich folgendes gesagt: „Weder die Gesandtenstelle in Brüssel noch ich hatten mit den Deportationen etwas zu tun". Verantwortlich gewesen sei die Gestapoleitstelle in Brüssel; er habe nur von Dritten über die Maßnahmen dieser Dienststelle etwas gehört (Sonderakten Nr. 3 zu I Org 100-14, Vernehmungsniederschrift S. 2 u. 3). Diese Angabe steht in Widerspruch zu der Aussage, die Dr. v. Bargen am 17. Juli 1948 vor der Kommission I des Militärgerichtshofes Nr. IV, Fall XI, Dokumente S. 16 490 ff., gemacht hat, wo er zugegeben hat, als Vertreter des AA beim Militärbefehlshaber an einzelnen Deportationshandlungen mitgewirkt zu haben. Außerdem sind dem Zeugen Dr. v. Bargen in der Verhandlung des Untersuchungsausschusses eine Anzahl von Dokumenten vorgelegt worden, die sich auf die Zeit zwischen Juli und Dezember 1942 beziehen; durch sie wird im einzelnen das Ausmaß des Anteils, den Dr. v. Bargen an den Deportationen der Juden gehabt hat, bewiesen. Dr. v. Bargen hat dabei sogar das AA darauf aufmerksam gemacht, daß die vorhandenen Polizeikräfte nicht ausreichten, was nach Auffassung des Ausschusses auf eine Anforderung von Polizeieinheiten zur Durchführung der Deportationen hinausläuft. Erst der Vorhalt der Dokumente hat Dr. v. Bargen dazu bringen können, mit vielen Vorbehalten die Behauptung, er könne sich nicht erinnern usw., durch eine ungefähr wahrheitsgemäße Aussage über die Rolle, die er bei den belgischen Judendeportationen gespielt hat, zu ersetzen. Die Dokumente sind in Anlage 2, Nm. II bis IV, wiedergegeben (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 48). (Dr. Brill) Weiter wird Dr. v. Bargen beschuldigt, Geiselerschießungen in Frankreich nicht verhindert zu haben. Dr. v. Bargen war von 1943 bis 1944 Leiter des Referates Westeuropa in der Politischen Abteilung des AA und 1944 Geschäftsträger in Paris. Dr. v. Bargen stellte auch in Abrede, mit Geiselerschießungen etwas zu tun gehabt zu haben. In der Verhandlung des Untersuchungsausschusses hat er jedoch ein von ihm unterzeichnetes Telegramm vom 6. April 1944 zugegeben, in dem von Geiselerschießungen die Rede ist. Außerdem hat er zugegeben, bei Laval vorstellig geworden zu sein, um für den Fall, daß ein französischer Legionär (Hauptmann Christophini), der in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten war, erschossen werden sollte, Repressalien zu verlangen. Dr. v. Bargen hat mitgeteilt, einmal mit General Stülpnagel in Paris für den Fall des Gelingens des Attentats auf Hitler abgesprochen zu haben, als Parlamentär verwendet zu werden, und weitere Angaben über seine Verbindung zu Widerstandskreisen gemacht. Schließlich hat der Ausschuß einen Brief Dr. v. Bargens aus Gerardmer vom 16. August 1944 an den Gesandten v. Bergmann zur Kenntnis genommen. In diesem Brief teilt Dr. v. Bargen mit, daß Paris „allmählich" von den deutschen Dienststellen geräumt werden soll. Da Paris bereits am 23. August 1944 von den Alliierten eingenommen wurde, erschien dem Ausschuß dieses Schreiben des Gesandten Dr. v. Bargen in bezug auf seine Urteilsfähigkeit in politischen Dingen besonders bedeutungsvoll. Das gleiche gilt für seine Aussage, daß er nie etwas von der Existenz der Konzentrationslager Auschwitz und Natzweiler gehört habe. Votum Der Ausschuß hält Dr. v. Bargen in jeder Beziehung für nicht geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gegen eine Verwendung in einer anderen Bundesbehörde bestehen keine Bedenken. Gründe: Seine Behauptungen, a) daß sein Bericht nicht kausal für die Deportierung der Juden gewesen sei, weil diese schon anderweitig beschlossen worden sei, b) daß er an der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 teilgenommen habe, werden als richtig unterstellt. Gleichwohl ist der Ausschuß einstimmig der Auffassung, daß allein schon die Tatsache des Vorhandenseins der von Dr. v. Bargen verfaßten und unterzeichneten Aktenstücke ihn für die Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst untragbar erscheinen läßt. Der Ausschuß vertritt den Standpunkt, daß es nicht seine Sache, sondern Sache der vorgesetzten Behörde Dr. v. Bargens ist, zu prüfen, ob und wieweit er in bezug auf Art und Inhalt seiner Aussagen straf- oder disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll. 2. Herbert Blankenhorn Geboren am 15. Dezember 1904 in Mühlhausen/ Elsaß, evangelisch, verheiratet, zwei Kinder. Laufbahn: März 1928 badischer Gerichtsreferendar, Juni 1929 Attaché im AA, August 1932 Gesandtschaft Athen, Dezember 1935 Botschaft Washington, September 1939 Gesandtschaft Helsinki, Dezember 1939 kurze Tätigkeit im AA, Mai 1940 bis 1943 Gesandtschaft Bern, 1943/45 AA (Protokoll). 6 Monate automatischer Arrest, März 1946 bis April 1948 stellvertretender Generalsekretär des Zonenbeirates für die britische Zone, dann Generalsekretär der CDU für die britische Zone in Köln und persönlicher Referent des Präsidenten des Parlamentarischen Rates, Dr. Adenauer, seit 21. September 1949 persönlicher Referent des Bundeskanzlers, 1950 Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, seit 1951 Leiter der politischen Abteilung des AA. Juni 1936 Legationssekretär, 16. Mai 1940 Gesandtschaftsrat, 28. September 1943 Legationsrat I. Kl., 1950 Ministerialdirektor. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Dezember 1938; Mitglieds-Nr. 6 977 147. Ein erster Antrag ist im Jahre 1934 wegen eines Zusammenstoßes mit dem mecklenburgischen Gauleiter Hildebrandt, bei dem Blankenhorn die Stellung der NSDAP zur Judenfrage grundsätzlich abgelehnt hatte, zurückgewiesen worden. Blankenhorn hat den Aufnahmeantrag 1937 auf Vorschlag des Vertreters der Parteiinteressen in Washington, SS-Standartenführer Scholz, erneuert. Durch Bescheid des Entnazifizierungsausschusses Hamburg in Gruppe V eingereiht. Blankenhorn hat an einer Reise von Beamten des AA, die im September 1941 an die Ostfront stattfand, teilgenommen. Er war in Witebsk, Smolensk und im Warschauer Ghetto. Der Ausschuß hat zwei Fotografien dieser Reisegesellschaft gesehen; eine zeigt sie auf freiem Felde vor einem D-Zug, die andere vor einer griechisch-orthodoxen Kirche in der Nähe von Witebsk. Auf beiden Bildern ist der Zeuge in Zivil erkennbar. Nach der Aussage von Blankenhorn sollte diese Besichtigungsfahrt den in Auslandsmissionen tätigen deutschen Beamten Gelegenheit geben, auf Grund ihrer an der Front gewonnenen Eindrücke die Militärpolitik des Dritten Reiches zu vertreten. Der Zeuge gibt an, daß bei einigen Reiseteilnehmern das Gegenteil erreicht wurde, da das Gesehene sie erschüttert hat. Dr. Schetter faßt Beschuldigung, Äußerung und Würdigung in bezug auf Blankenhorn wie folgt zusammen: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. B. sei SCer und Pg. gewesen. Während des Studiums weder Angabe der FR ist unrichtig. dem SC noch irgendeiner studentischen Verbindung angehört. 2. B. sei der erste ex-Pg.-Ministerialdirektor der Bundesregierung 1950 und habe sich dessen gerühmt. B. hat sich dessen nie gerühmt. Angabe der FR sei eine böswillige, jeder Tatsache entbehrende Unterstellung. Angabe der FR ist unrichtig. (Dr. Brill) Blankenhorn ist in der 31. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5. Mai 1952 nachmittags vernommen worden. Der Ausschuß hat dabei keinen Wert auf die persönliche Seite gelegt, sondern die Rolle untersucht, die Blankenhorn in den verschiedenen Phasen der Personalpolitik der Bundesregierung gespielt hat. Aus der Vernehmung Blankenhorns, weiteren Zeugenvernehmungen (Hummelsheim, Dr. Haas, Dr. Melcher, Dr. Schwarz u. a.) und aus den Personalakten Dr. von March-taler, Dr. Trützschler v. Falkenstein, Dr. v. Bargen, v. Kamphoevener und v. Kessel ergibt sich folgendes: a) Mindestens seit März 1949 haben in Abteilung V des Direktors der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes die Herren v. Maltzahn, Holzhausen und v. Fries eine anscheinend nicht autorisierte eigene Tätigkeit in bezug auf den Aufbau des Auswärtigen Dienstes entwickelt. Zu diesem Zwecke korrespondierten sie mit Bewerbern, stellten einen Organisationsplan sowohl für ein Auswärtiges Amt wie für Missionen im Auslande auf und merkten auch für die Besetzung einzelner Stellen die Namen bestimmter Personen vor. b) Am 20. Juni 1949 wurde Landrat Walter Hummelsheim vom Oberdirektor des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Dr. Pünder, beauftragt, die personalpolitischen Vorbereitungen für die Besetzung der ECA-Vertretungen in Paris und Washington zu treffen. Als Grundsatz galt dabei, daß frühere NS-Funktionäre und Mitglieder der NSDAP mit einem bestimmten Eintrittstermin als Bewerber nicht in Frage kamen. Hummelsheim hinterließ nach der Erledigung seines Auftrages, d. h. nachdem die genannten ECA-Vertretungen geschaffen worden waren, 140 entscheidungsreife Bewerbungen, die durch einen seiner Mitarbeiter, Freiherrn v. Buddenbrock, im Februar oder März 1950 dem Organisationsbüro für die konsularisch-wirtschaftlichen Vertretungen, das innerhalb des Bundeskanzleramtes eingerichtet worden war, übergeben wurden. Außerdem hatten die Herren Ministerialdirektor Dr. Krautwig und Dr. Martini von der Dienststelle des Oberdirektors auf Veranlassung von Dr. Pünder einen Organisationsplan für ein Auswärtiges Amt ausgearbeitet, der von Dr. Krautwig dem Organisationsbüro zugeleitet worden ist. e) Nach der Errichtung der' Bundesregierung wurde unter der Leitung des jetzigen Botschafters in Brüssel und damaligen bayerischen Staatsministers Dr. Anton Pfeiffer ein Arbeitsstab gebildet, der die Aufgabe hatte, eine Denkschrift für den Auswärtigen Dienst auszuarbeiten. Zu diesem Arbeitsstab gehörten auch die Herren D. Dittmann, Dr. Schwarzmann, Holzhausen und Dr. Haas. Diese Denkschrift enthielt u. a. schematische Darstellungen; Personen waren in ihr nach der Erinnerung von Blankenhorn nicht genannt. Die Tätigkeit dieses Arbeitsstabes endete, nachdem entschieden worden war, vorläufig ein Auswärtiges Amt nicht zu bilden. d) Blankenhorn war in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der CDU für die britische Zone auch Geschäftsführer des außenpolitischen Ausschusses dieser Partei. Beamte der britischen Militärregierung hatten die Anregung gegeben, eine Verbindungsstelle zwischen der künftigen deutschen Bundesregierung und der Militärregierung zu schaffen und sich Gedanken über die Zusammensetzung einer solchen Verbindungsstelle zu machen. So hat Blankenhorn mit früheren Kollegen aus dem Auswärtigen Dienst korrespondiert und diesen eine Übernahme in Aussicht gestellt. e) Im September 1950 hat dann Dr. Melchers einen größeren Plan für die Errichtung und Besetzung von Auslandsmissionen vorgelegt, der auch die Besetzung der einzelnen Referate in den Auslandsmissionen einschloß. Als Ganzes ist dieser Plan nicht zur Durchführung gekommen. f) Über das Ernennungsverfahren im Bundeskanzleramt bzw. im AA hat der Ausschuß nach Befragung des Zeugen erfahren, daß diese Dienststellen neben dem eigentlichen Vorschlag ein Formular benutzen, das im Dritten Reich üblich war; nur die Spalten über die Zugehörigkeit zur NSDAP usw. sind weggelassen worden. Im Einverständnis mit dem Zeugen wurde festgestellt, daß dieses Formular als unvollständig betrachtet werden muß, da es über die politische Zuverlässigkeit des Bewerbers keine Angaben enthält. Nur bei der Ernennung von Missionschefs werden Ausführungen über den politischen Werdegang der Kandidaten beigefügt. g) Bis zur Ernennung eines Staatssekretärs für das AA war Blankenhorn insofern an den Ernennungen beteiligt, als die Vorschläge durch ihn dem Herrn Bundeskanzler zur Entscheidung vorgelegt wurden. Nach mündlich erteilten Richtlinien des Herrn Bundeskanzlers ist dabei die Entnazifizierung mit besonderem Ernst geprüft worden. Herr Dr. Adenauer war der Auffassung, daß bei der Entnazifizierung der höheren Beamten nicht immer mit der nötigen Strenge vorgegangen worden sei. Wenn ihm eine Ernennung nicht durchsetzbar erschien, hat Blankenhorn gegenüber Dr. Haas vorher abgewinkt. Votum: Der Ausschuß hält Blankenhorn für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Blankenhorns Mitgliedschaft in der NSDAP war rein formal und besitzt gegenüber der in den Vernehmungen anderer Zeugen, insbesondere von Dr. Melchers, festgestellten Tatsache, daß Blankenhorn zu den treibenden Kräften in der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 gehörte, kein Gewicht. Übrigens war er nicht Mitglied eines SC. Bei Würdigung der Umstände, unter denen Blankenhorn am 21. September 1949 seine Tätigkeit in der Bundesregierung begonnen hat, ist rechtlich gegen die Führung seiner Dienstgeschäfte in Personalsachen nichts einzuwenden. 3. Herbert Dittmann Geboren am 3. Januar 1904 in Langenberg, Kr. Wiedenbrück/Westf., katholisch, verheiratet, keine Kinder. — Referendar- und Assessorprüfung befriedigend, Doktorprüfung rite. Laufbahn: 1929/32 Attaché im AA. 1933/36 Botschaft Moskau, 1936/1938 Vizekonsul in Jerusalem, 1939/40 AA (Tätigkeit in der Rechts- und Personalabteilung), 1940/41 Gesandtschaft Teheran, 1941/43 AA (1941 Personalabteilung, dann bis 1943 Arbeitsgruppe Graf v. d. Schulenburg und Aushilfe in der Personalabteilung), 1943/44 Generalkonsul in Izmir. 1946/48 beauftragter Richter beim Landgericht Dortmund, Juli 1948 Oberlandesgerichtsrat beim OLG Hamm, 1. Oktober 1949 Bundeskanzleramt (Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kornmission), 1951 AA. (Dr. Brill) 1932 Legationssekretär, 1939 Legationsrat, 1940 Gesandschaftsrat, 1941 Legationsrat I. Kl., 1943 Generalkonsul, 10. Oktober 1950 Vortragender Legationsrat. Durch Ernennungsvorschlag vom 19. Juli 1951 für die Beförderung zum Ministerialdirigenten vorgesehen und mit der Leitung der Personalabteilung des AA beauftragt. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Dezember 1937, Mitglieds-Nr. 4 789 472. Durch Bescheid der Denazifizierungskammer Wiedenbrück vom 27. Juni 1947 unter den Bestimmungen der Britischen Militärregierungsverordnung Nr. 79 entlastet (Gruppe V). In der Vernehmung, die Dr. Schetter am 3. Oktober 1951 vorgenommen hat, ist die Behauptung der Artikel der „Frankfurter Rundschau", Dr. Dittmann sei der einzige Pg., der in einer Bundesbehörde die Stellung eines Personalchefs erreicht habe, von Dr. Dittmann selbst als zutreffend bezeichnet worden. Er machte jedoch geltend, daß er ein Gegner des Nationalsozialismus und nur formell Mitglied der NSDAP gewesen sei. Sodann legte Dr. Dittmann Wert auf die Feststellung, an den Nürnberger Prozessen in keiner Weise beteiligt gewesen zu sein. Die Angabe der „Frankfurter Rundschau", daß Dr. Dittmann SCer gewesen sei, trifft zu. Die Tatsache, daß Dr. Dittmann während des Dritten Reiches, und zwar im Verlaufe des Krieges zweimal, in der Personalabteilung des Ribbentrop-AA tätig gewesen ist und jetzt wieder als Chef der Personalabteilung des neuen AA verwendet werden sollte, hat den Untersuchungsausschuß zu einer besonders eingehenden Nachprüfung veranlaßt. Während seiner Untersuchungen im Falle Dr. Dittmann fand der Prozeß gegen den ehemaligen Legationsrat Rademacher statt, der zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. An diesem Prozeß nahm ein Vertreter des AA, Dr. v. Keller, als Beobachter teil. Dr. Dittmann ist darüber in der 10. Sitzung am 21. Februar und in der 13. Sitzung am 11. März 1952 eingehend vernommen worden. Über diesen Komplex erstattet der Vorsitzende des Ausschusses folgenden Sonderbericht: I. Dr. Dittmann ist Chef der Personalabteilung des AA. Er war unter Ribbentrop in der Personalabteilung des damaligen AA tätig. Er war Pg., ist aber entlastet. Wenn auch formal-juristisch gesehen die Pg.-Eigenschaft Dr. Dittmanns, da er entlastet ist, nicht mehr ins Gewicht fällt, so ist es doch nicht angängig, daß er heute Chef der Personalabteilung des AA ist, nachdem er bereits unter Ribbentrop in der Personalabteilung des damaligen AA tätig war. Er verweist zwar (vergl. 13. Sitzung, Seite 18 des stenographischen Protokolls) darauf, daß die NSDAP zweimal gegen seine Verwendung in der Personalabteilung des damaligen AA Bedenken erhoben habe und daß er zweimal die Personalabteilung habe verlassen müssen. Da aber dem Ausschuß bekannt ist, daß grundsätzlich in keinem Ministerium zum Chef der Personalabteilung eine Persönlichkeit ernannt ist, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in einer Personalabteilung der damaligen Reichsministerien tätig war, so erachtet der Ausschuß es für richtig, daß Dr. Dittmann nicht als Chef der Personalabteilung verbleibt. II. Der Unterausschuß des Ausschusses Nr. 7 (für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten), der zur Prüfung der Personalangelegenheiten im AA eingesetzt war, hatte empfohlen, Herrn Hecker nicht wieder einzustellen. Es ist festgestellt worden, daß Dr. Hecker gleichwohl wieder eingestellt worden ist. Dr. Dittmann hat bei seiner Vernehmung vor dem Ausschuß erklärt, daß er erst vor kurzem von der Empfehlung der Nichteinstellung Kenntnis erhalten habe und daß die Einstellung des Dr. Hecker schon in die Wege geleitet gewesen sei, als er Chef der Personalabteilung geworden sei. Diese Angaben sind nicht zu widerlegen. Es kann also keine Feststellung getroffen werden, daß Dr. Dittmann persönlich eine Schuld daran trifft, daß entgegen der Empfehlung des Unterausschusses gehandelt worden ist. Es bleibt aber festzustellen, daß diejenigen Herren des AA, welche als dessen Vertreter den Verhandlungen des Unterausschusses gefolgt sind, es nicht für nötig gehalten haben, in einem Bericht diese Tatsachen festzuhalten, die entsprechenden Notizen daraus der Personalabteilung für die Generalakten zu überweisen und eine entsprechende Notiz den Spezialakten des Dr. Hecker beizufügen. Der Ausschuß stellt, ausdrücklich fest, daß die hier gerügte Handlungsweise nicht nur einen formalen Mangel in der geschäftsmäßigen Behandlung, sondern eine Mißachtung des Beschlusses eines parlamentarischen Ausschusses darstellt. III. Die bisherige Beweisaufnahme hat ergeben, daß bei der Einstellung des Herrn Damerau Dr. Dittmann dessen Entnazifizierungsakten lediglich in der Privatwohnung von Damerau eingesehen hat. Sie befinden sich nicht bei den Personalakten des Herrn Damerau. Der Ausschuß ist der Meinung, daß — selbst wenn man hieraus nicht den Schluß einer Begünstigung des Herrn Damerau ziehen will, wofür nicht genügend Unterlagen vorhanden sind — man doch die Bearbeitung einer Personalangelegenheit in dieser Form als ungewöhnlich und auffallend bezeichnen muß, und zwar um so mehr, als bei der Wiedereinstellung im AA die Entscheidung der Spruchkammer sowohl nach Tenor wie nach Begründung von Bedeutung erscheint. IV. In der „Frankfurter Rundschau" vom 8. März 1952 heißt es in einem Artikel mit der Überschrift „Die immer oben schwimmen" von Karl Gerold wie folgt: „... Dazu gehört zunächst einmal die Frage nach der Rolle, die der „Beobachter" vom Auswärtigen Amt, Rupprecht v. Keller, im Rademacher-Prozeß gespielt hat .... Er hat, wie nachgewiesen, in den ersten Tagen des Prozesses als alter AA-Mann sowohl mit dem Gerichtsvorsitzenden wie auch mit Staatsanwalt und Verteidiger geprochen. Was er mit dem Gerichtsvorsitzenden und dem Staatsanwalt besprochen hat, ist nicht bekannt. Der Verteidiger aber teilt mit, daß Dr. v. Keller auch ihm gegenüber die „Meinung" vertrat - selbstverständlich ohne auf den Verlauf des Prozesses Einfluß nehmen zu wollen —, er, v. Keller und das Auswärtige Amt, würden es als gut befinden, wenn der Prozeß keine „Ausweitung" erfahren würde! Und (Dr. Brill) zwar: keine Ausweitung auf heute in Bonn tätige Beamte des Auswärtigen Amtes!! ..." A. In der 13. Sitzung des Unterausschusses vom 11. März 1952 ist Dr. Dittmann sehr ausführlich darüber befragt worden, ob und mit welchem Auftrag er Dr. v. Keller nach Nürnberg als Beobachter geschickt habe, was Dr. v. Keller ihm daraufhin berichtet habe, insbesondere ob Dr. v. Keller die zuvor zitierte Besprechung mit dem Verteidiger gehabt habe, was er darüber berichtet habe und was das AA, also Dr. Dittmann, daraufhin veranlaßt habe. Dr. Dittmann hat (vgl. Seite 7 ff. des Protokolls der 13. Sitzung) dazu folgende Aussagen gemacht: a) Dr. v. Keller habe die Weisung bekommen, dort zu beobachten und zu berichten. Diese Weisung sei ihm mündlich erteilt worden; eine Aktennotiz sei nicht gefertigt. b) Dr. v. Keller habe berichtet, daß er mit dem Vorsitzenden gesprochen habe, daß er auch mit dem Staatsanwalt und dem Verteidiger mal gesprochen habe; was er gesprochen habe, wisse er, Dr. Dittmann, im einzelnen nicht. c) Dr. v. Keller habe ihm eine Besprechung mit dem Verteidiger in der zuvor zitierten Form zugegeben. Er, Dr. Dittmann, habe auf diese Bemerkung keinen großen Wert gelegt, und er wisse daher nicht, was Dr. v. Keller dem Verteidiger bei dieser Besprechung gesagt habe. Irgendwelche konkreten Angaben hat Dr. Dittmann — trotz eingehender Befragung — nicht gemacht. — Das war also am 11. März 1952. B. In der 14. Sitzung des Ausschusses, am 12. März 1952, ist dann der vorgenannte Dr. v. Keller vernommen worden. Aus seiner Darlegung (vergl. Seite 19 ff. der 14. Sitzung) ist folgendes festzustellen: a) Er ist von dem Zeugen v. Welck, Bearbeiter der Personalien der höheren Beamten in der Personalabteilung des AA, beauftragt worden, als Beobachter nach Nürnberg zu gehen. Eine von Dr. Dittmann unterzeichnete schriftliche Erklärung ist ihm, als Ausweis gegenüber dem Gericht, mitgegeben worden (vergl. Seite 19 ff.). b) Dr. v. Keller hat das, was nach seiner Meinung als Zweck seiner Entsendung anzusehen war, dahin formuliert (vergl. Seite 21): Es könnten sich Belastungen des AA ergeben 1. hinsichtlich solcher Herren, die sich bereits im Dienst befinden, 2. hinsichtlich solcher Herren, die sich bewerben und über die man im Rademacher-Prozeß mehr als aus ihren Bewerbungsschreiben erfährt. Solchen Belastungen sei dann nachzugehen. c) Der Verteidiger Rademachers, Rechtsanwalt Tipp, ist Dr. v. Keller aus dem Nürnberger OKW-Prozeß bekannt, in welchem beide als Verteidiger amtiert haben. In einem Gespräch Dr. v. Kellers mit Herrn Tipp ist nach Dr. v. Kellers Darstellung (vergl. Seite 26) die Frage der möglichen Ausweitung des Prozesses auf andere Personen, die im AA beschäftigt sind oder beschäftigt waren, berührt worden. Tipp habe, so sagt Dr. v. Keller aus, gesagt, dieser Prozeß könne diesen oder jenen Seitenblick bringen mit diesem oder jenem Namen in einer Urkunde, sei es eine Mitzeichnung, Kenntnisnahme, ein „zugeleitet über" oder sonst irgendeine Annäherung an den Prozeßgegenstand; die Presse würde eine solche Sache mit großer Freude aufgreifen und dergleichen. Dr. v. Keller hat bei seiner Rückkehr nach Bonn Dr. Dittmann in etwa gleicher Weise über dieses Gespräch berichtet. C. Aus Seite 31 des Protokolls der Sitzung vom 12. März 1952 und aus der erneuten Vernehmung Dr. v. Kellers am 27. März 1952 ergibt sich, daß Dr. v. Keller durch Mitteilung des Verteidigers wußte, daß er, Tipp, vielleicht die Herren Blankenhorn und Seelos als Zeugen benennen müsse und daß der Name Dr. Dittmann in den Gerichtsakten genannt sei, auch die Photokopie eines von Dr. Dittmann mit „Kenntnis genommen" oder so ähnlich abgezeichneten Berichts, des sogenannten Ostberichts, bei den Gerichtsakten sei. Am 27. März 1952 hat Dr. v. Keller ausgesagt, daß er Dr. Dittmann in der zweiten Hälfte Februar 1952 hiervon Kenntnis gegeben und mit seinem Einverständnis eine weitere Kopie in Nürnberg bestellt habe. Diese sei kurz nach dem 1. März 1952 in Bonn bei ihm, Dr. v. Keller, eingetroffen und am 8. März 1952 anläßlich seiner Aussprache mit Dr. Dittmann über den an diesem Tage in der „Frankfurter Rundschau" erschienenen Artikel, diesem, Dr. Dittmann, ausgehändigt worden. D. Hier sei nun aus der 13. Sitzung vom 11. März 1952, also am Tage vor der ersten Vernehmung des Dr. v. Keller, folgendes eingeschaltet. Als in jener Sitzung (11. März 1952) Dr. Dittmann vernommen worden war (vergl. IV A), hat er am Schluß dieser Sitzung mit einer Einleitung, so als wenn er auf eine ganz neue, mit diesen Dingen nicht in Zusammenhang stehende Sache zu sprechen kommen wollte, folgendes gesagt (vergl. Seite 19 ff. des Protokolls vom 11. März 1952): „Dann habe ich noch eine zweite Sache, Herr Vorsitzender, die mir sehr am Herzen liegt. Mir ist das Gerücht zu Ohren gekommen, daß angeblich Herr Mansfeld noch weiteres Material das mich belasten soll, haben soll — als Gerücht —, und zwar hat sich das Gerücht dahin verdichtet, daß ein Bericht über Einsatzgruppenkommandos im Osten (Dr. Brill) vorliegen soll, den ich abgezeichnet hätte. Ich habe mich sehr stark bemüht, dieses Urkundenmaterial zu bekommen, und ich habe jetzt dieses Dokument aus dem Nürnberger Archiv in Photokopie hier vor mir liegen. Da ich mit der Möglichkeit rechne, daß diese Dinge vielleicht auch noch in der Presse veröffentlicht werden, möchte ich gern heute eine kurze Erklärung hierzu abgeben, damit die Dinge klargestellt werden. Der Vorsitzende Abgeordneter Dr. Köhler, hat. erstaunt hierüber, erklärt, er höre zum erstenmal aus dem Munde des Zeugen, daß solche Behauptungen aufgegestellt würden. Dr. Dittmann hat dann Gelegenheit bekommen, sich zur Sache zu äußern, und hat auch die betreffenden Photokopien dem Ausschuß vorgelegt. Auf die Frage, ob dieses Dokument ein fertiger Bericht gewesen sei, den er nur nachträglich zur Kenntnisnahme vorgelegt bekommen habe, oder ob es sich um einen noch nicht endgültig fertiggestellten Bericht gehandelt habe, den er zu dem Zweck erhalten habe, um sich gegebenenfalls über die Zweckmäßigkeit des Berichtes und seine Ausgestaltung zu äußern, hat er eine völlig klare und eindeutige Aufklärung nicht gegeben. E. Nach der ersten Vernehmung des Dr. v. Keller vom 12. März 1952 ist der Zeuge Dr. Dittmann nochmal und zwar am 14. März 1952, in der 15. Sitzung des Ausschusses vernommen worden. Auf Vorhalt (vergl. Seiten 25 ff. des stenographischen Protokolls der 15. Sitzung) hat er wie folgt Stellung genommen. Er hat zugegeben, daß er Dr. v. Keller eine Bescheinigung ausgestellt habe, die dieser dem Vorsitzenden des Gerichts habe übergeben sollen. Diese Tatsache sei ihm bei der ersten Vernehmung entfallen gewesen. Dr. v. Keller sei während der Prozeßdauer zwischenzeitlich nach Bonn gekommen und habe ihm auch zwischenzeitlich mündlich berichtet. Im ersten Zwischenbericht habe ihm Dr. v. Keller mitgeteilt, daß die Herren Blankenhorn und Seelos mit in das Verfahren hineingezogen werden könnten. Sein, Dr. Dittmanns, Name sei bei der Gelegenheit „noch" nicht genannt worden. Er, Dr. Dittmann, habe bei diesem ersten Zwischenbericht zu Dr. v. Keller sinngemäß gesagt: was denn das mit dieser Anklage (Rademacher) zu tun habe, wenn jemand in die besetzten Ostgebiete gefahren sei. Er habe Dr. v. Keller gebeten, Herrn Blankenhorn darüber zu unterrichten. F. Die Aussage des Dr. v. Keller bei seiner zweiten Vernehmung vom 27. März 1952 ergibt ganz deutlich, daß 1. Dr. Dittmann in der zweiten Hälfte Februar durch Dr. v. Keller Kenntnis von dem Vorhandensein der Dr. Dittmann betreffenden Photokopie in den Gerichtsakten erhalten hat, 2. daß Dr. Dittmann die Anregung Dr. v. Kellers, für ihn, Dr. Dittmann, eine Kopie zu besorgen, angenommen hat, 3. daß Dr. v. Keller diese Kopie am 8. März 1952 ausgehändigt hat. Dr. Dittmann mußte aber aus seiner Vernehmung vom 11. März 1952 wissen, daß es dem Ausschuß darauf ankam, a) ob Herren im AA die Befürchtung hatten und haben mußten, in den Rademacher-Prozeß hineingezogen oder in ihm genannt zu werden; b) ob mit Rücksicht hierauf die Einwirkung des Dr. v. Keller auf den Verteidiger erfolgt ist oder nicht. G. Es kann dahingestellt bleiben, ob Dr. Dittmann im Zeitpunkt der Entsendung des Dr. v. Keller schon von der Tatsache des Vorhandenseins der ihn betreffenden Urkunde in den Akten der Nürnberger Gerichte Kenntnis gehabt hat. Jedenfalls steht fest: a) Am 11. März 1952, bei seiner ersten Vernehmung, wußte er, daß sich diese Urkunde bei den Akten des Rademacher-Prozesses in Nürnberg befand; eine Photokopie hat er durch Dr. v. Keller im Nürnberger Archiv bestellt und am 8. März 1952 erhalten; b) gleichwohl hat er bei seiner Vernehmung am 11. März 1952 diesen klaren Tatbestand übergangen durch Vorlage dieser Photokopie mit der Einleitung: „Darin habe ich noch eine zweite Sache ...." und durch die wissentlich unwahre Behauptung, es gehe ein Gerücht, daß mit dieser photokopierten Urkunde gegen ihn vorgegangen werden solle, und hat einen ihm genau bekannten Tatbestand — dessen genaue Bekanntgabe Dr. Dittmann, dem früheren Oberlandesgerichtsrat, bei seiner Vernehmung als notwendig klar war und vom Ausschuß erwartet werden konnte — nach einstimmiger Auffassung des Ausschusses durch eine absichtlich verschleierte Darstellung vorenthalten. Votum Der Ausschuß ist der Auffassung, daß Dr. Dittmann nicht in der Personalabteilung, aber wegen seines Verhaltens vor dem Ausschuß hinsichtlich des Rademacher-Prozesses auch nicht im Auswärtigen Amt weiter beschäftigt werden soll. Gegen seine Verwendung in einer anderen Bundesverwaltung bestehen keine Bedenken. Gründe: Dr. Dittmann nimmt für sich selbst nicht in Anspruch, an irgendeiner Widerstandshandlung während des Dritten Reiches beteiligt gewesen zu sein. Er hat im Gegenteil zweimal während des zweiten Weltkrieges in der Personalabteilung des Ribbentrop-AA gearbeitet. Es muß höchst bedenklich erscheinen, daß ein solcher Mann als Chef der Personalabteilung des AA der Bundesrepublik tätig sein konnte. Das würde, abgesehen von der persönlichen Seite des Falles, unter objektiven Gesichtspunkten zu einer Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik und des Auswärtigen Dienstes führen. Auch in diesem Falle betrachtet es der Ausschuß nicht als seine Aufgabe, in eine straf- oder (Dr. Brill) disziplinarrechtliche Würdigung des Verhaltens eines Beamten vor dem Untersuchungsausschuß einzutreten; das ist Sache der vorgesetzten Dienstbehörde. Das Verhalten von Dr. Dittmann in der 13. und 15. Sitzung läßt den begründeten Verdacht entstehen, daß er falsche uneidliche Aussagen gemacht hat und sich eine Verletzung der Dienstpflichten des Beamten in bezug auf ein achtungswürdiges Verhalten, insbesondere auch der dienstlichen Wahrheitspflicht zuschulden kommen ließ. Er erscheint deshalb für die Verwendung im Auswärtigen Dienst nicht geeignet. 4. Hasso v. Etzdorf Geboren am 2. März 1900 in Elbing, evangelisch, verheiratet, keine Kinder. — Referendar- und Gerichtsassessorprüfung ausreichend, Dr. jur. rite. Laufbahn: 1928/31 Attaché im AA, 1931/34 Botschaft Tokio, 1934/1936 Sekretär des Reichsaußenministers Frhr. v. Neurath, 1937/38 Botschaft Rom, 1938 Konsul in Palermo, 1938/39 AA, 1939/44 Vertreter des AA beim Oberkommando des Heeres, 1945 Generalkonsul in Genua, 1. Oktober 1948 bis 30. Juni 1950 Deutsches Büro für Friedensfragen, 1. Juli 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), stellvertretender Leiter der Länderabteilung im AA. 1934 Legationssekretär, 1938 Legationsrat, 1939 Vortragender Legationsrat, als Vertreter des AA beim OKH zuletzt im Range eines Majors d. R., VLR z. Wv. 1919 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, 1924/33 Mitglied des Stahlhelms. 1. Juni 1933 Mitglied der NSDAP; Mitglieds-Nr. 3 286 356. Seit dem 30. Juni 1938 Sturmbannführer, später Obersturmbannführer der SA (Angleichungsrang entsprechend seiner Beamtenstellung). Durch Spruch der Spruchkammer Kaufbeuren vom 28. Mai 1948 entlastet. Ergebnis der Ermittlungen von Dr. Schetter: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. E. war Pg. Wird nicht bestritten. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. v. E. sei SA-Standartenführer gewesen und am 30. Januar 1933 in die SA eingetreten. Nicht SA-Standartenführer gewesen, nicht am 30. Januar Die Behauptung der FR könnte als eine Halbwahrheit angesehen werden und ist zumindest entstellt. 1933 eingetreten. Richtig, daß er seit 1938 einen Angleichungsrang, zuletzt als Obersturmbannführer, besaß. 3. Verbindungsoffizier vom AA zum OKH. Wird zugegeben. Keine Unrichtigkeit der FR. 4. v. E. war im Juli 1940 im Hauptquartier in Fontainebleau am organisatorischen Einsatz Unrichtig, daß v. E. im Juli Artikel der FR über Beteiligung am organisatorischen Einsatz des Kommandos Künsberg in Fontainebleau ist unrichtig. Richtig ist, daß v. E. Beziehungen zur Gruppe Künsberg erst mit dem Rußlandfeldzug erhalten und ihre organisatorischen Wünsche zu vertreten hatte. des Kommandos Künsberg beteiligt. 1940 in Fontainebleau am organisatorischen Einsatz des Kommandos Künsberg beteiligt gewesen sei und daß er seine Mittäterschaft an dem Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung zugegeben habe. Nach Dr. Kempner in Nürnberg übergebener Aussage hat v. E. erklärt, daß er erst mit dem Rußlandfeldzug nähere Beziehungen zur Gruppe Künsberg erhalten habe und daß er angewiesen gewesen sei, ihre organisatorischen Wünsche gegenüber der hierfür zuständigen Organisationsabteilung im Generalstab zu vertreten, bei der der bekannte Oberst Graf Stauffenberg federführend war. 5. Überbringer eines Handschreibens von Weizsäckers an die Generale im Jahre 1942 mit der Aufforderung, „ja nicht v. E. hat niemals ein Handschreiben von Weizsäckers „an die Generale" übergeben, nur gelegentlich einen Brief an unmittelbaren Dienstvorgesetzten Generaloberst Halder übergeben. Nicht erinnerlich, ob im Brief die Wendung verzeichnet war, „ja nicht militärisch zu erlahmen". Artikel ist unrichtig. Richtig militärisch zu erlahmen". allein ist, daß einmal ein Handschreiben v. Weizsäckers an Generaloberst Halder durch v. E. übermittelt worden ist. Die Behauptungen der FR sind zumindest entstellt und übertrieben. (Dr. Brill) Der Ausschuß hat zunächst die Entnazifizierungsangelegenheit des Dr. v. Etzdorf geprüft. Nach Art. 13 des Befreiungsgesetzes vom 5. März 1946 muß erwiesen sein, daß der Betroffene nach Maßgabe seiger Kräfte aktiven Widerstand geleistet u n d dadurch Nachteile erlitten hat. Die Spruchkammer hat ausgeführt, v. Etzdorf habe dadurch Nachteile erlitten, daß er seelisch dauernd unter Druck gestanden habe und von allem sonst üblichen Gunstbezeugungen, Auszeichnungen und Beförderungen ausgeschlossen gewesen sei. Worin dieser Ausschluß konkret gesehen worden ist, konnte nicht geklärt werden. Sicher ist nur, daß diese Phrase auf die Äußerung eines v. Etzdorf nahestehenden früheren AA-Beamten (Legationsrat Steg) zurückgeht und dann in den Akten immer wiederholt worden ist. Weiter hat der Ausschuß festgestellt, daß der SA-Rang Dr. v. Etzdorfs tatsächlich nur ein Angleichungsrang gewesen ist; er wurde ihm während seiner Zugehörigkeit zur Botschaft in Rom verliehen, damit er bei den zahlreichen Besuchen von Parteigrößen der NSDAP, dem politischen Stile jener Zeit entsprechend, in Uniform auftreten konnte. Nach der Vorlage von Dokumenten durch den Zeugen wie von Dokumenten, die der Ausschuß beschafft hatte, ist festgestellt worden, daß Dr. v. Etzdorf keinerlei Verantwortung für die Tätigkeit des Kommandos Künsberg trägt und seine Vermerke bloße geschäftsleitende Verfügungen ohne sachliche Bedeutung gewesen sind. Daß sich Dr. v. Etzdorf bei Mitteilungen an das OKW oder an das OKH, die eine ausgesprochen nationalsozialistische Politik zum Inhalt hatten, stets nur auf einige Büronotizen beschränkte, geht u. a. aus der Mitteilung des kolonialen Weltverteilungsplanes des von Ritter v. Epp geleiteten Kolonialministeriums hervor, der in Anlage 2 als Dokument Nr. V abgedruckt ist (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 50). Auch die Frage jener Bemerkung in einem Handschreiben v. Weizsäckers „ja militärisch nicht zu erlahmen" ist vom Ausschuß geprüft worden. Es ist sicher, daß diese Auffassung nicht durch eine Rundreise Dr. v. Etzdorfs bei den höheren Truppenführern verbreitet worden ist, sondern nur in einem Brief an Halder stand. Sie hatte den Sinn, Deutschland verhandlungsfähig zu erhalten. Weizsäcker selbst und ein Teil seiner Anhänger vertraten die Ansicht, daß Deutschland auch nach der Beseitigung Hitlers in der Lage sein müsse, in einer günstigen Situation zu verhandeln; ein anderer Teil der Verschwörer war dagegen bereit, eine militärische Niederlage in Kauf zu nehmen. Der fragliche Brief v. Weizsäckers ist nicht erhalten. Das sogenannte Kriegstagebuch Dr. v. Etzdorfs, das in Wirklichkeit eine Sammlung von Notizen und für die politische und strategische Kriegführung bedeutsamen Materialien war, befindet sich seit April 1945 in alliiertem Besitz. Das vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg als Dokument anerkannte Kriegstagebuch des Generalobersten Franz Halder enthält keine Eintragungen zu dieser Sache. Fest steht jedenfalls, daß Dr. v. Etzdorf nur an Halder in einem Brief die Auffassung eines Teiles der Weizsäcker-Leute überbracht hat. Von besonderer Bedeutung erschien dem Ausschuß die Widerstandstätigkeit, die Dr. v. Etzdorf tatsächlich ausgeübt hat. Sehr bald ein Gegner des Nationalsozialismus, verfaßte er ire Oktober 1939 im Hauptquartier von Zossen eine Denkschrift, ließ sie im Hauptquartier kursieren und verbreitete sie auch selbst bei den höheren Truppenführern und an der Front; Oberstleutnant Großkurth war ihm bei der Verbreitung an die Truppe behilflich. Das Original dieser Denkschrift ist heute im State Department in Washington; es ist 1945 auf einem holsteinischen Gute,, wo es versteckt war, erbeutet worden. Aus einer Erklärung des ehemaligen Generalobersten Franz Halder vom 26. Juni 1948 geht hervor, daß er diese Denkschrift kannte und mit Dr. v. Etzdorf darüber gesprochen hat. Außerdem war sie im Januar 1940 Gegenstand einer Unterhaltung zwischen Halder und Generaloberst Beck. Der Ausschuß hat danach festgestellt, daß Dr. v. Etzdorf selbständig einen Widerstand entwickelt hat, der ihm, wenn er entdeckt worden wäre, sicher das Leben gekostet hätte. Die Denkschrift ist in Anlage 2 als Dokument Nr. VI abgedruckt (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 52); um ihre Bedeutung zu beleuchten, ist als Dokument Nr. VII eine Erklärung des ehemaligen Generalobersten Franz Halder vom 8. März 1952 beigegeben (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 55). Votum Der Ausschuß hält Dr. v. Etzdorf für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Dr. v. Etzdorf war nicht an den verbrecherischen Handlungen des Kommandos Künsberg beteiligt. Dr. v. Etzdorf hat eine politisch vertretbare Anschauung über die Notwendigkeit einer guten militärischen Lage für den Fall eines Umsturzes weitergegeben. Dr. v. Etzdorf war nur formal Mitglied der NSDAP; sein SA-Rang war ein nach der Spruchkammerpraxis im amerikanischen Besatzungsgebiet bedeutungsloser Angleichungsrang. Dr. v. Etzdorf hat unter Einsatz seines Lebens Widerstand geleistet. Es kann dahingestellt bleiben, aus welcher politischen Haltung heraus dieser Widerstand erfolgte. Die Tatsache, daß er gerade in der Periode sensationeller militärischer Siege daran ging, einen militärischen Umsturz gegen Hitler ins Werk zu setzen, und einen konkreten Plan dafür entwickelte, spricht ihn von jeder Verantwortung für das nationalsozialistische Regime frei. Der Ausschuß hat gegen Dr. v. Etzdorf nicht nur keine Bedenken, sondern erklärt ausdrücklich, daß er ihn für geeignet zur Weiterverwendung hält. 5. Werner v. Grundherr zu Altenthann und Weiherhaus Geboren am 20. Januar 1888 in Nürnberg, evangelisch, ledig, keine Kinder. — Erziehung im Kadettenhaus, aktiver Offizier beim landgräflichen Husarenregiment Nr. 14 in Kassel, 1910/13 staatswissenschaftliches Studium, 1913 Dr. phil. magna cum laude (Greifswald), sonst keine Prüfungen. Laufbahn: 1918/20 Attaché im AA (1920 Balkanreferat), 1921/23 Gesandtschaft Bukarest, 1923/25 AA, 1924 neun Monate Gesandtschaft Athen, 1925/34 Gesandtschaft Helsinki, 1934/45 AA (Politische Abteilung — Referent für die skandinavischen und baltischen Länder). Mai 1945 bis März 1947 automatischer Arrest, ab 25. Januar 1950 Bundeskanzleramt (Referent in der Dienststelle für aus- (Dr. Brill) wärtige Angelegenheiten), 1. November 1950 Generalkonsul in Athen, 26. Juni 1951 Botschafter in Athen. 1921 Legationssekretär, 1926 Titel Gesandtschaftsrat, 1928 Gesandtschaftsrat II. Kl., 1932 Gesandtschaftsrat I. Kl., 1940 Titel Gesandter, 29. November 1950 Generalkonsul I. Kl., 26. Juni 1951 Botschafter. Dr. v. Grundherr war nicht Mitglied der NSDAP. Ein vom ihm 1940 gestellter Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, er könne als Junker nicht aufgenommen werden. Der Ausschuß hat im Falle Dr. v. Grundherr mit Hilfe der Nürnberger Dokumente eine sehr eingehende Untersuchung durchgeführt. Er ist dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen, als es Dr. Schetter mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material erzielen konnte. In Anbetracht des Alters des Botschafters Dr. v. Grundherr hat der Ausschuß dem Herrn Bundesaußenminister durch seinen Vorsitzenden mündlich mitgeteilt, daß es im Interesse der Bundesrepublik liege, wenn Dr. v. Grundherr, auch mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand, mit dem Erreichen der Altersgrenze aus dem Auswärtigen Dienst ausscheidet. Nachdem der Bundesaußenminister die Einleitung entsprechender Maßnahmen in Aussicht gestellt hatte, beschloß der Ausschuß wiederum einstimmig, im Interesse des deutschen Ansehens von einer Berichterstattung im Falle Dr. v. Grundherr abzusehen. In Anlage 2 wird jedoch als Dokument Nr. VIII ein Telegramm des AA vom 17. September 1943 an den Reichsbevollmächtigten für Dänemark mitgeteilt, zu dem Dr. v. Grundherr in der 24. Sitzung des Ausschusses am 4. April 1952 aus eigener Veranlassung erklärt hat, der Text dieses Telegramms sei von ihm einer Schreibdame diktiert worden (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 58). Votum Der Ausschuß verweist auf die mündlich getroffene Absprache und bittet um Mitteilung, sobald Dr. v. Grundherr das in Aussicht genommene Gesuch eingereicht hat. Es ist dringend erwünscht, daß es vor Abschluß des Ausschußberichtes eingeht. Anmerkung: Durch Schreiben des Staatssekretärs des AA vom 26. Mai 1952 ist dem Ausschuß mitgeteilt worden, daß das Abschiedsgesuch des Botschafters Dr. v. Grundherr am 23. Mai 1952 eingegangen ist. 6. Wilhelm Haas Geboren am 4. September 1896 in Bremen, evangelisch, verheiratet, vier Kinder. — Promotion zum Dr. jur. cum laude. Laufbahn: 1922/24 Attaché im AA, 1924/25 Botschaft Paris, 1925/27 Gesandtschaft Addis Abeba, 1927/28 Generalkonsulat Shanghai, 1929 Gesandtschaft Peking, 1930/31 AA (ständiger Sekretär der deutschen Völkerbundsdelegation), 1934/37 Botschaft Tokio; durch Verfügung vom 13. Mai 1937 gemäß § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 in den dauernden Ruhestand versetzt. 1938/45 Wirtschaftsberater der IG-Farbenindustrie für China, 1947/49 Chef der Präsidialkanzlei des Bremer Senats, 25. November 1949 Bundeskanzleramt (Organisationsbüro), anschließend AA. 1926 Legationssekretär, 9. Dezember 1947 Staatsrat (Bremen), 16. März 1951 Ministerialdirektor, inzwischen zum Botschafter (Ankara) ernannt. Nicht Mitglied der NSDAP, vom Befreiungsgesetz nicht betroffen. Die Untersuchungen von Dr. Schetter haben zu folgendem Ergebnis geführt: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. H. sei SCer. Objektiv unrichtig, da H. vor Die Behauptung der FR, daß H. SCer sei, ist halbwahr, nachdem er vor 18 Jahren ausgeschieden ist. 18 Jahren aus dem „Altherrenverband" eines Corps im Kösener SC ausgeschieden ist und nach der Nazi-Zeit wiederholt an ihn gerichtete Aufforderungen zum Wiederbeitritt zu dem überlebten studentischen Verbindungswesen eindeutig abgelehnt hat. Der implicite erhobene Vorwurf, er habe Bewerbungen von SCern bevorzugt, entbehrt mithin der Grundlage. 2. Schied 1937 aus dem AA aus, übernahm hochdotierten Posten als politischer Beobachter der von der IG finanzierten Als Mitarbeiter der Zentralfinanzverwaltung der IG war H. selbstverständlicher- und üblicherweise politischer Beobachter wegen kaufmännischer Dispositionen. Dotation war üblich und ausreichend, um Unterhalt seiner Familie und emigrierter Schwiegereltern zu bestreiten. Mit seiner Familie mittellos nach Deutschland zurückgekehrt. Angabe der FR entstellt. DEFAG in Ostasien. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 3. Bohle hat die erforderliche Hat ein ganzes Jahr gedauert, bis es IG gelang, den Widerspruch der Auslandsorganisation der NSDAP gegen die Verwendung von H. als Mitarbeiter zu beseitigen. H.s ursprünglich für Japan vorgesehene Mitarbeit wurde von Bohle überhaupt abgelehnt. Zurücknahme des Einspruchs gegen Tätigkeit in China erfolgte mit der Auflage, eine Reisetätigkeit von China Angabe der FR entstellt. Genehmigung der NSDAP zur nach Japan werde ausdrücklich Übernahme des Postens erteilt. untersagt. 4. H. hatte engsten Kontakt mit Botschaft in Peking. Behauptung ist unrichtig. Kontakt beschränkte sich auf unerläßliche Wahrnehmung der Aufgaben gegenüber deutschen Behörden, war auf wenige Fälle beschränkt. An nationalsozialistischen Veranstaltungen der Botschaft hat H. niemals teilgenommen, war dort auch nicht erwünscht. Behauptung der FR ist stark entstellt. 5. H. ließ sich als DP erklären H. hat von UNRRA einen Identitätsausweis als DP erhalten. Er wurde von chinesischen und amerikanischen Stellen nicht zu dem Kreis der Deutschen gerechnet, die durch den Nationalsozialismus kompromittiert waren, war von einer Zwangsrepatriierung auf amerikanische Staatskosten ausgeschlossen. Bedurfte in Ermangelung eines Behauptung, daß H. als DP erklärt wurde, ist entstellt. und auf Kosten der IRO nach Europa zurücktransportieren. gültigen Passes eines UNRRA- Behauptung der FR, daß er auf Kosten der IRO heimgekehrt sei, ist unrichtig. Ausweises zur Heimreise. Hat darüber hinaus von UNRRA keine Hilfe in Anspruch genommen. Seine und seiner Familie Heimreise wurde ausschließlich aus eigenen Mitteln bestritten. 6. Vorwurf, H. habe sich bei Schroeder ist von einzelnen Referenten des AA gelegentlich wegen Auskünften über frühere Beamte in Anspruch genommen worden. H. habe sich in keinem Falle durch Schroeder beraten lassen. Unrichtige Behauptung der FR. seiner Tätigkeit in Bonn inoffiziell vom Heß-Protégé Hans Schroeder beraten lassen, offensichtlich nicht unberechtigt. Der Untersuchungsausschuß hat Dr. Haas in der 4. Sitzung am 18. Januar, in der 9. Sitzung am 20. Februar und in der 26. Sitzung am 22. April 1952 eingehend vernommen. In der erstgenannten Sitzung hat. sich der Ausschuß vor allem mit der Klärung der Vorwürfe, die die „Frankfurter Rundschau" gegen die Person von Dr. Haas erhoben hat, beschäftigt. Es ist dabei festgestellt worden, daß Dr. Haas wegen sogenannter jüdischer Versippung 1937 entlassen wurde, große Schwierigkeiten hatte, um die Erlaubnis zur Ausübung einer kaufmännischen Tätigkeit in Ostasien zu bekommen, und daß kein Beweis für die Annahme vorliegt, er sei in jenem Teile der Welt als Agent der NSDAP, ihrer Auslandsorganisation oder des Ribbentropschen AA tätig gewesen. Auch die Umstände seiner Rückkehr nach Deutschland sind durch den Ausschuß aufgeklärt worden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme deckt sich in diesem Punkte mit den von Dr. Schetter getroffenen Feststellungen. Haas besaß also einen von der UNRRA ausgestellten DP-Ausweis, hat aber seine Heimreise nach Deutschland selbst bezahlt. In der zweiten Vernehmung hat sich der Untersuchungsausschuß mit der Tätigkeit von Dr. Haas hinsichtlich der Zusammenstellung seines ersten Arbeitsstabes befaßt und dabei die Einberufung von Dr. Melchers, Dr. v. Grundherr und Frau Simonis geprüft. Der Untersuchungsausschuß hat dabei festgestellt, daß sich Dr. Haas im ersten Falle nahezu ausschließlich auf seine eigene Kenntnis der Persönlichkeit von Dr. Melchers verlassen hat. Im zweiten Falle hat Dr. Haas darauf vertraut, daß der Gesandte Dr. v. Grundherr im Entnazifizierungs- (Dr. Brill) verfahren als „vom Gesetz nicht betroffen" bezeichnet worden ist, und deshalb keine weiteren Untersuchungen über die amtliche Wirksamkeit Dr. v. Grundherrs im Ribbentropschen AA angestellt. Wichtige Tatsachen darüber sind Dr. Haas erst während der Verhandlungen des Untersuchungsausschusses durch den Berichterstatter bekannt geworden. Auch im dritten Falle hat Dr. Haas — diesmal zutreffenderweise — sein Urteil über Frau Simonis, das auf langer persönlicher Bekanntschaft beruht, als ausreichend angesehen. Weiter hat der Untersuchungsausschuß in der zweiten Vernehmung die Umstände, unter denen das Organisationsbüro seine Arbeit begann, geprüft. Er hat dabei festgestellt, daß das Büro zu wenig Räume, zu wenig Arbeitsmaterialien und anfangs auch zu wenig Arbeitskräfte besaß, so daß es dem Ansturm von Bewerbungen (etwa 20 000) nicht gewachsen war. Die vom Vereinigten Wirtschaftsgebiet angefallenen Materialien sind nicht anders behandelt worden als die übrigen Eingänge. Schließlich hat der Untersuchungssausschuß eingehend die Einstellungsrichtlinien erörtert, nach denen die Personalpolitik gemacht worden ist. Der Untersuchungsausschuß bezieht sich in diesem Punkte auf die Mitteilungen, die der Zeuge bereits dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und dem von diesem zur Nachprüfung der Personalpolitik im Auswärtigen Dienst eingesetzten Unterkomitee im Jahre 1950 gemacht hat. Danach steht fest, daß Dr. Haas dem Herrn Bundeskanzler schriftlich nicht fixierte Vorschläge mündlich vorgetragen hat und diese die Billigung des Herrn Bundeskanzlers gefunden haben. Endlich hat sich der Untersuchungsausschuß mit dem Vorwurf beschäftigt, daß durch die Tätigkeit von Himke, Loeper, Papenfuß und Dr. Kreutzwald bei den oberen (gehobenen mittleren) Beamten das Korps der Politischen Leiter wieder versammelt sei. Der Ausschuß hat festgestellt, daß die Tätigkeit der Genannten tatsächlich eine dahingehende Wirkung gehabt hat. Durch das Einschalten von Oberregierungsrat Dr. Gördes sind diese Bestrebungen jedoch zum Teil vereitelt, zum Teil rückgängig gemacht worden. In der 26. Sitzung am 22. April 1952 ist die Frage des Schicksals der Vorarbeiten des Personalbüros des Beraters für den Marshall-Plan beim Oberdirektor für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet durch folgende Erklärung des Freiherrn von Buddenbrock vom 19. April 1952 aufgeklärt worden: „Ich trat im Sommer 1949 meinen Dienst beim Berater für den Marshall-Plan, einer Dienststelle des Verwaltungsrates in Frankfuxt/M., an. Der Personalreferent des Beraters für den Marshall-Plan war zu jener Zeit Landrat Hummelsheim. Ihm oblag die Aufgabe, geeignetes Personal für die beiden ersten deutschen Vertretungen im Ausland, die Deutsche Vertretung bei der OEEC in Paris und die Deutsche Vertretung bei der ECA in Washington, auszusuchen. Der Eingang der Bewerbungen für alle Vergütungsgruppen der TOA überstieg bei weitem die für den Aufbau dieser Vertretungen erforderliche Zahl von Angestellten. Eine größere Anzahl von Bewerbern vermutete außerdem, daß diese Dienststelle auch mit der Eröffnung weiterer Vertretungen im Ausland befaßt würde. Da es zu jener Zeit noch für möglich gehalten wurde, daß weitere Wirtschaftsvertretungen in Marshall-Plan-Ländern eröffnet werden könnten, und da es keine andere Behörde gab, die mehr legitimiert erschien, um die eingegangenen Bewerbungen auszuwerten, wurden alle Gesuche, denen nicht sofort entsprochen werden konnte, einstweilen archiviert. Planungen über eine eventuelle Verwendung der Bewerber wurden nicht durchgeführt. außer daß auf den Bewerbungsakten gelegentlich vermerkt wurde, für welche Tätigkeit oder für welches Land sich der Bewerber besonders interessierte. Das Personal der Dienststelle „Der Berater für den Marshall-Plan" wurde nach der Konstituierung der Bundesrepublik zum großen Teil vom Bundesministerium für die Angelegenheiten des Marshall-Plans übernommen. Mit der Auflösung des Verwaltungsrats schied Herr Hummelsheim aus der Dienststelle aus. Die Bewerbungen wurden noch einige Monate vom ERP-Ministerium, das sie zuständigkeitshalber übernahm, weitergeführt und dann allmählich zwischen Februar und März 1950 an das Organisationsbüro für die wirtschaftlichen und konsularischen Vertretungen im Ausland nach entsprechender Mitteilung an die Bewerber abgegeben. Meiner Erinnerung nach behielt das ERP-Ministerium diejenigen Bewerbungen zurück, an denen es selbst noch interessiert war oder aus denen klar hervorging, daß die Bewerber sich ausschließlich für eine Tätigkeit in Paris, Washington oder beim ERP-Ministerium selbst bewerben wollten. Nachweislich der im ERP-Ministerium noch vorhandenen Konzepte der Begleitschreiben, mit denen die Bewerbungen an das Organisationsbüro abgegeben wurden, sind dem Organisationsbüro insgesamt etwa 180 Bewerbungen zugegangen. Da ich selbst am 1. Mai 1950 vom Organisationsbüro übernommen und mit Personalangelegenheiten befaßt wurde, ist mir aus eigener Erfahrung bekannt, daß diese Bewerbungen im Organisationsbüro weiter bearbeitet wurden. Auf Grund dieser Bewerbungen sind, soweit mir bekannt, bisher 39 Einberufungen, ergangen, das sind fast 22 % der übernommenen Gesuche. Zu den einberufenen Bewerbern gehören die Herren: Wienholt R. Wolff Girndt Schmelcher Terdenge Tiedt Traut Türk Vacano Schulze P. M. Weber v. Plehwe Reuschenbach H. Richter Rosen Noebel Obermaler Blomer Brandt Allardt Opfermann Pfisterer (Pfeffermann) v. Haeften Keller Keppler Krebs, H. Krebs, K. Lemke Liebrecht Helmolt Hofmann Koenig Frings Fritsching Gräf H. U. Mayer Bottler Degen." (Dr. Brill) Der Zeuge Dr. Haas blieb angesichts dieses Dokumentes bei der Erklärung, daß bei diesem Material „eine Vorbereitung im Sinne des AA" nicht vorgelegen habe und es deshalb nicht anders als andere Bewerbungen habe behandelt werden können. In bezug auf die Behandlung von Einzelfällen hat der Ausschuß festgestellt, daß Dr. Haas die Verantwortung für die Einberufung von Dr. Melchers, Dr. v. Grundherr, Dr. v. Bargen u. a. trägt; außerdem fällt unter seine Verantwortlichkeit die Anstellung von Dr. Hecker entgegen den Empfehlungen des Unterausschusses „Auswärtiger Dienst" (vgl. Seite 10757 C). Schließlich hat der Ausschuß in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen, daß nach der Auffassung von Dr. Haas der Aufbau des Auswärtigen Amtes ohne eine erhebliche Anzahl von Fachbeamten des alten AA nicht möglich gewesen wäre. Der Ausschuß ist der Meinung, daß die Überspannung dieses Prinzips künftig das Vertrauen des Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik hätte gefährden können. Alsdann ist die Frage der Grundsätze der Personalpolitik noch einmal behandelt worden. Der Untersuchungsausschuß beschloß, die Beantwortung der Fragen 8 und 10 des Unterkomitees des Auswärtigen Ausschusses durch das AA im Jahre 1950 in die Dokumentensammlung dieses Berichts aufzunehmen (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 59, Anlage 2 IX). Nach der Besprechung von Einzelfällen (Hummelsheim, Hegewisch, Prinzhorn) hat der Ausschuß dann die beiden grundsätzlichen Fragen, welche Methoden für die Personalpolitik des Auswärtigen Dienstes anzuwenden sind und welche Verantwortung bestanden hat, geprüft. Zu der ersten Frage ist festgestellt worden, daß Dr. Haas Herrn Blankenhorn den Vorschlag gemacht hat, einen aus sieben Personen bestehenden Aufnahmeausschuß für den Auswärtigen Dienst einzusetzen. Dieser sollte aus je einem Vertreter der großen Bundestagsfraktionen, einem anerkannten Vertreter der deutschen Wissenschaft, einem Vertreter der Außenhandelswirtschaft, einem Vertreter der industriellen Wirtschaft und einem Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes bestehen und die Befugnis haben, Personen als geeignet oder ungeeignet für den Auswärtigen Dienst zu erklären. Dieser Vorschlag ist ebensowenig wie die Einstellungsrichtlinien schriftlich fixiert worden. Blankenhorn hat dazu erklärt, daß „nach Auffassung des Bundeskanzlers dem Vorschlag nicht oder noch nicht stattgegeben werden sollte". Der Vorschlag bezweckte, dem Auswärtigen Dienst insgesamt im In- und Auslande das notwendige Vertrauen zu erwerben. Zur Frage der Verantwortlichkeit hat der Ausschuß festgestellt, daß Dr. Haas während seiner Amtszeit von einem Jahr und acht Monaten dem Bundesaußenminister fünfmal Vortrag gehalten hat. Bestimmte Vortragstage mit Besprechungszeiten und eine Bezeichnung bestimmter Beschlüsse, die mündlichen Vortrag erfordern, gab es nicht. Votum Gegen die Weiterverwendung von Dr. Haas, im Auswärtigen Dienst bestehen keine Bedenken; jedoch spricht sich der Ausschuß gegen seine Wiederverwendung in der Personalverwaltung aus. Gründe: Der Untersuchungsausschuß hat an der persönlichen Integrität von Dr. Haas keine Zweifel. Unter den von November 1949 bis Sommer 1951 herrschenden Verhältnissen im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt hat sich Dr. Haas bemüht, den Anforderungen eines Auswärtigen Dienstes, so wie er ihn sah, Rechnung zu tragen. Trotz dieser Bemühungen ist unter der Verantwortlichkeit von Dr. Haas eine Zusammensetzung des AA zustandegekommen, die, wie die im Bericht vorgetragenen Einzelfälle beweisen, nicht aufrechterhalten werden konnte. Die Auffassungen, die Dr. Haas von den Notwendigkeiten der Personalpolitik im Auswärtigen Dienst gehabt hat, entsprechen nicht der tatsächlichen außenpolitischen Lage der Bundesrepublik. Das berührt nicht seine Eignung für den Auslandsdienst. 7. Curt Heinburg Nachdem vier Mitglieder des Ausschusses in das Protokoll der Vernehmung von Dr. Heinburg durch Dr. Kempner Einsicht genommen hatten und der Berichterstatter den Inhalt der gegen Dr. Heinburg vorliegenden Dokumente vorgetragen hatte, beschloß der Ausschuß in der 31. Sitzung am 5. Mai 1952 vormittags: In der Erwägung, daß Dr. Heinburg 67 Jahre alt und nur als Angestellter tätig ist, kann von einer Überprüfung dieses Falles durch den Untersuchungsausschuß im Rahmen der dem Ausschuß gestellten Aufgabe dann abgesehen werden, wenn feststeht, daß das Angestelltenverhältnis mit Dr. Heinburg seitens des Auswärtigen Amtes spätestens bis zum 1. Juli 1952 gelöst ist. Der Ausschuß wäre dann in der Lage, festzustellen, daß im Augenblick der Abgabe seines Berichtes Dr. Heinburg nicht mehr im Auswärtigen Amt tätig ist. Der Vertreter des AA, VLR Dr. Wilde, hat Herrn Staatssekretär Dr. Hallstein von diesem Beschluß Kenntnis gegeben. Wenig später wurde dem Ausschuß mitgeteilt, daß Dr. Heinburg den Staatssekretär des AA gebeten hat, sein Anstellungsverhältnis zum 31. Mai 1952 zu lösen. Daraufhin beschloß der Ausschuß folgendes Votum Nachdem das Anstellungsverhältnis von Dr. Heinburg zum 31. Mai 1952 beendet sein wird, sieht der Ausschuß von einer Stellungnahme ab unter der Voraussetzung, daß Dr. Heinburg in Personalangelegenheiten nicht weiterbeschäftigt wird. Der Ausschuß hat die berichtete Erledigung des Falles Heinburg ebenso wie im Falle Dr. v. Grundherr im Interesse des Ansehens der Bundesrepublik und zur Wahrung der deutschen Interessen für notwendig gehalten. Um jedoch dem Plenum des Bundestages ein konkretes Motiv für die Ausschußbeschlüsse zu geben, wird in Anlage 2 das Dokument Nr. X abgedruckt (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 60), das sich auf Judenmaßnahmen in einem der Länder bezieht, für die Dr. Heinburg in der Politischen Abteilung des alten AA während des (Dr. Brill) zweiten Weltkrieges als Referent tätig gewesen ist; Dr. Heinburg war der Leiter des in diesem Dokument ständig erwähnten Referates Pol IV. 8. Hans Herwarth v. Bittenfeld Geboren am 14. Juli 1904 in Berlin, evangelisch, verheiratet, ein Kind. — 1926 Referendarprüfung, 1929 diplomatisch-konsularische Fachprüfung. Laufbahn: 1. Mai 1927 Eintritt in das AA, 1930 Attaché, Januar bis Juli 1930 der Pariser Delegation für die Rückgliederung des Saargebietes zugeteilt, 1931/39 Botschaft Paris, dazwischen November 1938 bis April 1939 zum Generalkonsulat in Memel delegiert, 1939 Botschaft Moskau, 1939/45 Wehrmacht. 1945/49 Bayerische Staatskanzlei, seit 6. September 1949 Leiter des Protokolls im Bundeskanzleramt. 1938 Legationssekretär, 1940 Gesandtschaftsrat; 1945 Oberregierungsrat, September 1946 Regierungsdirektor, 1. Oktober 1949 Ministerialrat, 22. November 1950 Ministerialdirigent. Herwarth v. Bittenfeld galt nach den Gesetzen des Dritten Reiches als „Nichtarier"; er war nicht Mitglied der NSDAP und ist nach Mitteilung des öffentlichen Klägers bei der Spruchkammer München X vom 29. April 1947 vom Befreiungsgesetz nicht betroffen. Die „Frankfurter Rundschau" hat ihm zum Vorwurf gemacht, er sei von den Brüdern Anton und Peter Pfeiffer in die Bayerische Staatskanzlei befördert worden und habe Dr. Schwarzmann nachgezogen. Richtig ist, daß Herwarth v. Bittenfeld im November 1945 durch den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hoegner und den Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Dr. Anton Pfeiffer, in den bayerischen Staatsdienst eingestellt worden ist. Mit dem Eintritt Dr. Schwarzmanns hatte er nichts zu tun; Dr. Schwarzmann war persönlicher Referent von Dr. Anton Pfeiffer. Auch Dr. Schwarzmanns Einstellung in die Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten ist ohne Zutun von Herwarths erfolgt. Bei dieser Sachlage war der Ausschuß der Meinung, daß für ihn nichts zu untersuchen übrigbleibt. Votum Gegen die Weiterverwendung von Herwarth v. Bittenfeld bestehen keine Bedenken. Gründe: In dem gesamten Aktenmaterial ist nichts hervorgetreten, was Herwarth v. Bittenfeld in irgendeiner Weise belastet. Nürnberger Dokumente gegen ihn liegen nicht vor. 9. Kurt v. Kamphoevener Geboren am 17. Juli 1887 in Istanbul, evangelisch, verheiratet, ein Kind. — Referendarprüfung ausreichend, Oxforder Diploma Economics "with distinction", Dolmetscherprüfungen in sechs Sprachen. Laufbahn: 1911 Attaché bei der Botschaft in Madrid, 1913 Gesandtschaft Sydney, 1917/18 Gesandtschaft Sofia, 1918/20 Friedensabteilung des AA, 1920/23 Botschaft London, 1923/26 Konsul in Liverpool, 1926/31 Botschaft Madrid, 1931/45 AA (Völkerbundsreferat, zum Teil in Genf tätig), 1942/45 Wehrmacht. Seit 19. Januar 1950 Referent in der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten, Oktober 1950 Generalkonsulat Istanbul. 1917 Legationssekretär, 1923 Gesandtschaftsrat, 1929 Botschaftsrat, 1931 Vortragender Legationsrat, 1950 Generalkonsul I. Kl. Zuerst Demokrat, dann 1930/33 Mitglied der SPD. 1942/44 Mitglied der NSDAP; Mitglieds-Nr. 8 978 435. Durch Bescheid der Spruchkammer Hamburg vom 21. Dezember 1949 entlastet (Gruppe V). Der Vorwurf der „Frankfurter Rundschau", v. Kamphoeveners Aussage in Nürnberg, er sei 1942 in die NSDAP eingetreten, um für seine Abstellung zur Wehrmacht eine politische Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erhalten, stehe im Gegensatz zu einer Angabe in seinem Lebenslauf, wonach er als politisch unzuverlässig abgeschoben worden sei, hat sich dahin aufgeklärt, daß v. Kamphoevener bei Ribbentrop als politisch unzuverlässig galt, zur Wehrmacht jedoch nur dann kommen konnte, wenn diese Bedenken durch seinen Parteieintritt ausgeräumt wurden. Votum Der Ausschuß erhebt gegen eine Weiterverwendung bis zu der am 17. Juli 1952 (Vollendung des 65. Lebensjahres) in Frage kommenden Pensicnierung keine Bedenken. Gründe: v. Kamphoevener war seiner Gesinnung nach nicht Nationalsozialist. Soweit in den Nürnberger Dokumenten sein Name überhaupt vorkommt, stellen diese in keiner Weise eine Belastung für ihn dar. Er ist trotz seines vorgerückten Alters zur Wehrmacht gegangen, um sich nicht an Handlungen des AA beteiligen zu müssen, die für ihn rechtlich und moralisch nicht tragbar gewesen wären. 10. Rupprecht v. Keller Geboren am 19. März 1910 in Berlin-Schöneberg, katholisch, verheiratet, ein Kind. — Assessorexamen gut, Dr. jur. magna cum laude (Erlangen). Laufbahn: 1936/37 AA, 1937/38 Gesandtschaft Helsinki, 1938/40 Auswärtiges Amt (Vorzimmer des Direktors der Politischen Abteilung), 1940/44 Wehrdienst, 1. Oktober 1944 bis 8. Mai 1945 AA (Referat Pol I M). März 1947 bis November 1948 Hilfs-, später Hauptverteidiger im Nürnberger Juristen-, IG-Farben- und Wilhelmstraßen-Prozeß, Dezember 1948 bis Dezember 1949 Sekretär des Zweizonen - IG - Farben - Entflechtungsausschusses (FARDIP). August 1948 bis August 1949 anwaltschaftlicher Probedienst in Bayern, 2. Januar 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 1937 Attaché, 1942 Vizekonsul, 19. Januar 1951 Legationsrat I. Kl. Mitglied der NSDAP seit 1. April 1940; MitgliedsNr. 8 012 248. Vorher 1933/35 Scharführer der SA-Marine, 1936 NSFK. Durch Spruch der Spruchkammer Starnberg am 26. Mai 1948 entlastet, nachdem er zuerst in Gruppe IV (Mitläufer) eingereiht worden war. Die Vernehmung durch Dr. Schetter am 2. Oktober 1951 hat folgendes ergeben: (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. K. ist Pg. gewesen. Trifft zu. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. v. K. gehörte dem SC an. War Mitglied der KV-Verbindung Rheno-Bavaria, München. Unrichtige Angabe der FR. 3. v. K. habe Entnazifizierungsschwierigkeiten gehabt. Im Sammelverfahren als Mitläufer eingestuft, auf Einspruch ohne mündliche Verhandlung entlastet. Angabe der FR entstellt. 4. Dr. Anton Pfeiffer habe über die Entnazifizierungsschwierigkeiten hinweggeholfen. Unrichtig. Unrichtige Angabe der FR. 5. v. K. sei Anklageassistent in Nürnberg gewesen. Unrichtig. Unrichtige Angabe der FR. 6. v. K. war in Nürnberg Assistent der Verteidigung. Richtig. Keine unrichtige Angabe der FR. Der Untersuchungsausschuß hat Dr. v. Keller in der 14. Sitzung am 12. März 1952 über die Behauptungen der „Frankfurter Rundschau" und über seine Tätigkeit im Ribbentropschen AA vernommen. Dabei hat sich die Richtigkeit der von Dr. Schetter getroffenen Feststellungen ergeben. Es liegt kein Beweis dafür vor, daß Dr. v. Keller durch den damaligen bayerischen Staatsminister Dr. Anton Pfeiffer aus Entnazifizierungsschwierigkeiten herausgeholfen worden sei. Die Angabe, Dr. v. Keller sei zuerst Anklageassistent und dann Verteidiger gewesen, beruht offensichtlich auf einem Irrtum; er ist im IG-Farben-Prozeß nur Assistent der Verteidigung und später Hauptverteidiger gewesen. Hinsichtlich der Tätigkeit Dr. v. Kellers im Ribbentropschen AA ist nichts festgestellt worden, was ihn für den Dienst in der Bundesrepublik als ungeeignet erscheinen lassen könnte. Ribbentrop hatte offenbar ein starkes Mißtrauen gegen Dr. v. Keller. So hat Ribbentrop z. B. seinen Vater, der zuletzt Botschafter in Ankara war, bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst noch nicht einmal zu einem Abschiedsbesuch empfangen, obwohl sich dieser mehrere Tage lang zur Abmeldung in Berlin aufhielt. Schließlich hat der Ausschuß in der genannten Sitzung und in der 19. Sitzung am 27. März 1952 Dr. v. Keller über die Erteilung und die Ausführung seines Auftrages, beim Rademacher-Prozeß als Beobachter des AA tätig zu sein, gehört. Diese Angelegenheit ist bereits in dem Bericht über Dr. Dittmann ausführlicher behandelt, so daß hier darauf verwiesen werden kann. Votum Es bestehen keine Bedenken gegen seine Weiterverwendung. Gründe: Die Angaben der „Frankfurter Rundschau" sind zum Teil (SC, Anklageassistent) unrichtig, zum Teil widerlegt. Die Haltung Dr. v. Kellers während des Rademacher-Prozesses hat jedoch nicht die volle Zustimmung des Ausschusses gefunden. Er hat sich dabei nach Auffassung des Ausschusses zumindest nicht sehr diplomatisch benommen. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß davon abgesehen, Dr. v. Keller als ausdrücklich geeignet zu bezeichnen; er erhebt lediglich gegen dessen Weiterverwendung keine Bedenken. Sympathisch hat es den Ausschuß berührt, daß Dr. v. Keller bei der Vernehmung über seine Beobachterrolle im Rademacher-Prozeß von Anfang an die Wahrheit gesagt hat. 11. Albrecht v. Kessel Geboren am 6. November 1902 in Oberglauche/ Schlesien, evangelisch, ledig. — Referendarexamen ausreichend, diplomatisch-konsularische Prüfung gut. Laufbahn: 1927/30 AA, 1930/32 Botschaft beim Vatikan, 1932/34 Generalkonsulat Kattowitz, 1935 Generalkonsulat Memel, 1935/37 Gesandtschaft Bern, 1937/41 AA, 1941/43 Konsulat Genf, 1943/45 Botschaft beim Vatikan. Bis 1950 Herausgeber einer außenpolitischen Korrespondenz, 17. Mai 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), wenige Tage später dem Generalkonsulat in Paris zugeteilt, seit 12. September 1951 stellvertretender Leiter der deutschen Pleven-Plan-Delegation. 1927 Attaché, September 1934 Legationssekretär, März 1939 Legationsrat II. Kl., 1943 Legations-rat I. Kl., 20. Oktober 1950 Vortragender Legationsrat. Nicht Mitglied der NSDAP. Angleichungsrang im NSKK. Durch Spruch der Spruchkammer 6 in Stuttgart am 7. Januar 1948 entlastet. v. Kessels Vernehmung durch Dr. Schetter führte zu nachstehendem Ergebnis: (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. K. hält engen Kontakt mit Kordt und Etzdorf und hat — — Aussage von Erich Kordt gelesen, die unmittelbar vor seiner eigenen Vernehmung protokolliert wurde. 2. v. K. sollte in Nürnberg auf v. K. sind mehrere hundert Fragen vorgelegt worden, wobei es Sachverhalt durch FR entstellt. die Widerstandstätigkeit des sein kann, daß er 49 Fragen Weizsäckerkreises eingehen. ausweichend beantwortet hat. 49 Fragen wurden an v. K. gestellt. v. K. muß sie verneinen, „war nicht anwesend", „kann sich nicht erinnern". Ein Teil der Fragen enthüllte die Ahnungslosigkeit des Richters, wenn v. K. z. B. gefragt wurde, ob die deutsche Widerstandsbewegung ihre Pläne schriftlich niedergelegt habe. 3. Bei der Vernehmung bleibt — — übrig, daß er eine befreundete Jüdin indirekt gewarnt habe. 4. NSKK-Obersturmführer, der v. K. ist vom damaligen Chef Angabe ist im wesentlichen richtig, auch wenn v. K. nicht zweimal versucht habe, in die NSDAP einzutreten. des Protokolls gerufen worden und habe die Mitteilung erhalten, daß er NSKK-Sturmführer geworden sei. Auf seinen Protest habe der Protokollchef lachend erklärt, es sei unvermeidlich, daß v. K. irgendeine Uniform besitze. NSKK-Dienst habe v. K. nicht geleistet, weil er gar nicht Autofahren kann. NSKK-Obersturmführer, sondern nur NSKK-Sturmführer Beim 1. Antrag zur Aufnahme in die NSDAP hat v. K. betont, er sehe sich als Mitglied des Jungstahlhelms dazu veranlaßt. Er sei sich klar gewesen, daß sein Antrag wegen Herausstellung seiner konservativen war. Grundhaltung wahrscheinlich nicht bearbeitet werden würde, was auch der Fall war. - Zum 2. Antrag sei er auf besonderen Druck Ribbentrops veranlaßt Angabe der FR ist an sich richtig, aber Sachverhalt unvollständig wiedergegeben. worden, der von sämtlichen Mitgliedern des AA verlangte, sie müßten nochmals ein Gesuch auf Aufnahme in die NSDAP stellen und der Personalabteilung eine eidesstattliche Versicherung abgeben, diesen Schritt vollzogen zu haben. Er habe Antrag an falsche Ortsgruppe in Berlin gerichtet, um Zeit zu gewinnen. Ehe sein Gesuch an die zuständige Stelle weitergeleitet war, wurde er ins Ausland versetzt. Wegen seines Auslandsaufenthaltes sei sein Gesuch zu den Akten genommen worden. Der Untersuchungsausschuß hat in der 31. Sitzung am 5. Mai 1952 vormittags zunächst die Frage der Entlastung v. Kessels nachgeprüft und festgestellt, daß dieser den Angleichungsrang im NSKK bekommen hat, um anläßlich italienischer Staatsbesuche in Uniform auftreten zu können. Hinsichtlich der Widerstandstätigkeit v. Kessels hatte Dr. Schetter bereits in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß die Erwähnung v. Kessels im Hasselschen Tagebuch und in Allen W. Dulles' ,,Germany's Underground" nicht als voller Beweis angesehen werden kann und dazu grundsätzlich (Dr. Brill) ausgeführt: „Diese literarischen Veröffentlichungen sind mit besonderer Vorsicht zu verwerten. Sie sind nicht als Beweismaterial geschrieben, sondern als historische und literarische Produktion zur Welt gekommen. Immerhin dürfen sie nicht übersehen werden und können zur Ergänzung anderer Beweismittel herangezogen werden". Der Ausschuß hat es deshalb für richtig gehalten, den Zeugen aufzufordern, konkrete Angaben zu machen. Der Zeuge hat daraufhin eine Unterredung, die er mit dem britischen Legations-rat Harrison unmittelbar nach dem Reichsparteitag 1938 im Diplomatenzuge zu dem Zweck hatte, Botschafter Henderson vor der Kriegspolitik Hitlers zu warnen, wiedergegeben. Außerdem hat der Zeuge mitgeteilt, daß er im Sommer 1939 dem in Dresden kommandierenden General v. Falkenhausen einen konkreten Vorschlag gemacht habe, Hitler anläßlich der Besichtigung einer Bunkerlinie zu beseitigen. Außerdem hat der Untersuchungsausschuß von der Aussage Kenntnis genommen, die v. Kessel am 22. Juli 1948 vor dem Militärgerichtshof Nr. IV zu Fall XI in Nürnberg gemacht hat, und die positiven Angaben v. Kessels über die Beteiligung an den Bestrebungen v. Weizsäckers besonders gewürdigt. Er hat dabei festgestellt, daß ausweichend erscheinende Antworten des Zeugen nach der Art der Fragen nichts Außergewöhnliches darstellen. Votum Der Ausschuß erachtet v. Kessel für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Der Untersuchungsausschuß ist der Meinung, daß in Albrecht v. Kessel ein Mann echten Widerstandes zu sehen ist. Gegen die dienstliche Haltung v. Kessels ist nichts Belastendes hervorgetreten. 12. Theo Kordt Geboren am 8. Oktober 1893 in Düsseldorf, katholisch, verheiratet, keine Kinder. — 1921 Referendarprüfung, Dr. jur. (Köln), Dezember 1923 diplomatisch-konsularische Prüfung unter Vorsitz des Reichsministers Dr. Stresemann. Laufbahn: 1922/24 AA, 1925 Vizekonsul in Neapel, 1926/31 Gesandtschaft Bern, 1931/34 AA (Sekretär des Staatssekretärs v. Bülow), 1934 Gesandtschaft Athen, 1938 Botschaft London, 1939/46 Gesandtschaft Bern, 1947 Lehrauftrag der Rechts- und Staatswissenshaftlichen Fakultät der Universität Bonn, August 1948 Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, danach Beobachter des Landes Nordrhein-Westfalen beim Parlamentarischen Rat, 1. Dezember 1948 Leitung des Referats für internationales Recht beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Mai 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 1926 Legationssekretär, 1934 Gesandtschaftsrat, 1938 Botschaftsrat. 1. August 1939 Mitglied der NSDAP; MitgliedsNr. 7 054 874. Die Angaben des Document Center werden von Dr. Kordt bestritten. Er habe niemals einen Antrag gestellt, 1941 vom Landesgruppenleiter der NSDAP in der Schweiz, Reichsfreiherrn v. Bibrach, zwar eine Anwärterkarte erhalten, aber kein Parteibuch; er sei auch nie vereidigt worden. Durch Spruch der Spruchkammer Bonn-Land im Juni 1947 entlastet (Gruppe V). Die Vernehmung von Dr. Kordt durch Dr. Schetter hatte folgendes Ergebnis: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. K. sei Pg. gewesen und habe dies nicht angegeben, als er im April 1950 in der Dienststelle K. hat nie in Abrede gestellt, im Da K. hiernach nicht Pg. gewesen ist, ist die Behauptung für auswärtige Angelegenheiten tätig geworden sei. Besitz einer Parteianwärterkarte der FR, er habe die Parteizugehörigkeit der Dienststelle für gewesen zu sein. Die implicite auswärtige Angelegenheiten aufgestellte Behauptung, er nicht angegeben, unrichtig. hätte Mitgliedsbuch beantragt und erhalten, ist falsch. 2. K. sei als Botschaftsrat in Er habe keine aus der Britischen Botschaft gestohlenen Dokumente für das Ribbentrop-AA angekauft. Die gegenteilige Behauptung im Artikel ist falsch; damit entfallen die daran angeknüpften Kombinationen. Hiernach ist die Behauptung der FR, K. habe gestohlene Dokumente angekauft, unrichtig. Bern am 3. Dezember 1939 nach Mailand gefahren, um aus der Britischen Botschaft gestohlene Dokumente für das Ribbentrop-AA anzukaufen. Dadurch sei Strafdelikt einer soliden Sachhehlerei erfüllt. Vorgang sei im internationalen diplomatischen Corps absolut ungewöhnlich. 3. Weiterleitung von Spionagetelegrammen mit Angaben von Bombenzielen in England sei nicht unbedingt Aufgabe eines Diplomaten. In der Weiterleitung eines Die Behauptung der FR über Weiterleitung von Spionagetelegrammen, die chiffriert weitergegeben worden sind, entstellt die Tatsache. chiffrierten Diensttelegramms, auf die die FR Bezug nimmt, ist keine Unregelmäßigkeit zu erblicken. Die Behauptung sucht einen unrichtigen Sachverhalt vorzutäuschen und entstellt die Tatsache. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 4. Zeugen der britischen Seite Die Behauptung, die gerichtlichen Aussagen K.s über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus seien von britischer Seite nicht bestätigt worden, ist unrichtig. Die Vernehmungsprotokolle betreffend K. ergeben, daß K. mit der britischen Seite in Verbindung gestanden hat; daher ist Artikel unrichtig. für die Verbindung Kordts zum Foreign Office haben nach dem Kriege nichts von sich hören lassen. Der Untersuchungsausschuß hält die Beteiligung von Dr. Kordt an der Widerstandsbewegung für erwiesen. Er unterstellt, daß sie so, wie in dem Buch von Hans Rothfels „Die deutsche Opposition gegen Hitler", 1. Auflage 1949, auf den Seiten 74 bis 76, Seite 158, und in dem Abschnitt „Anmerkungen" auf Seite 219 dargestellt wird, nach Sinn und Tendenz den Tatsachen entspricht (vgl. Anlage 2, XI Seite 72 der Drucksache Nr. 3465). Außerdem hat der Ausschuß den Brief Lord Halifax' vom 9. August 1947 als echt anerkannt und als richtig unterstellt (vergl. Anlage 2, XII Seite 73 der Drucksache Nr. 3465). Der Aufsatz von Hans Rothfels „International aspects of German opposition to Hitler" ist vom Ausschuß nicht geprüft worden, dagegen hat er einen kurzen Vortrag des Berichterstatters über den wesentlichen Inhalt der Aussagen gehört, die Dr. Kordt am 14. und 15. Juli 1948 vor der Kommission I des Militärgerichtshofes Nr. IV zu Fall XI in Nürnberg gemacht hat. Dem Untersuchungsausschuß hat eine beglaubigte Abschrift des Telegramms vorgelegen, durch das der damalige Botschaftsrat bei der Gesandtschaft in Bern, Dr. Kordt, angewiesen worden ist, sich zur Prüfung von Material, das durch den italienischen Heizer aus der Britischen Botschaft in Rom gestohlen und zum Kauf angeboten worden war, nach Mailand zu begeben (vergl. Anlage 2, XIII Seite 74 der Drucksache Nr. 3465). Dr. Kordt hat dazu bei seiner Vernehmung in der 28. Sitzung erklärt, daß er die Echtheit der Dokumente an der ihm bekannten Handschrift von Lord Perth (Sir Eric Drummond) erkannt und nur zweimal je zwanzig Minuten Gelegenheit hatte, Stichproben zu machen. In seinem Bericht habe er es als wünschenswert bezeichnet, das Material in deutsche Hand zu bekommen. Auf Vorhalt hat Dr. Kordt zugegeben, daß eine solche Tätigkeit im allgemeinen nicht zu den Aufgaben eines Diplomaten gehöre, sich jedoch damit verteidigt, daß sich Deutschland damals im Kriege befand. Dem Zeugen sind weiter die dechiffrierten Telegramme des deutschen Gesandten in Dublin, die Nachrichten der Gegenspionage enthalten, vorgelegt worden. Er hat zugegeben, diese Nachrichten an das AA weitergeleitet zu haben, sich aber mit der nicht widerlegbaren Tatsache verteidigt, daß ihm der chiffrierte Inhalt nicht bekannt und eine Dechiffrierung in Bern im übrigen in keiner Weise möglich gewesen sei. Der Umstand, daß alle Telegramme etwa fünf Tage lang in Bern gelegen haben, bevor sie nach Berlin weitergegeben worden sind, ist vom Zeugen mit der Überlastung des Berner Chiffrierbüros erklärt worden. Votum Der Ausschuß hält Dr. Theo Kordt für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Der Ausschuß sieht in Dr. Kordt einen Mann echten Widerstandes. Hinsichtlich der Weitergabe der Telegramme der Gesandtschaft in Dublin trifft ihn kein Vorwurf, da ihm der Inhalt dieser Nachrichten unbekannt war. Sein Verhalten in der Angelegenheit des Dokumentenankaufs in Mailand entspricht nicht normalen diplomatischen Aufgaben und Gepflogenheiten. Der Ausschuß stützt sich bei dieser Beurteilung auf das eigene Urteil des Zeugen. Da aber gerade ein Angehöriger der Widerstandsbewegung verschiedener Meinung darüber sein konnte, bis zu welchem Grade Widerstand gegen ein diktatorisches Regime ohne Verletzung der Interessen seines Vaterlandes ausgedehnt werden darf, hält es der Ausschuß nicht für widerlegbar, daß Dr. Kordt als Politiker und Beamter in gutem Glauben gehandelt hat. 13. Hans Ulrich v. Marchtaler Geboren am 12. Oktober 1906 in Berlin, evangelisch, verheiratet, keine Kinder. — Referendar-, Assessor- und Doktorprüfung mit „ausgezeichnet" (sämtlich in Tübingen); diplomatisch-konsularische Prüfung als einziger mit „vorzüglich". Laufbahn: August 1932 Referent im Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht in Berlin, Februar 1934 Attaché im AA, 1935/36 Gesandtschaft in Budapest, 1936/38 AA (Büro des Reichsaußenministers Freiherrn v. Neurath), 1938 Vertretung des Gesandten in Dublin, September 1938 bis 1945 Botschaft Tokio. Blieb bis April 1948 ohne automatischen Arrest in Japan und kehrte im Dezember 1948 in die Schweiz zurück. 15. Oktober 1949 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), Sommer 1950 bis Mai 1951 deutscher Verhandlungsausschuß für den Schumanplan in Paris, 12. Juni 1951 Botschaft Rio de Janeiro. 1936 Legationssekretär, 1940 Gesandtschaftsrat, 1950 Legationsrat I. Kl. Mitglied der NSDAP seit 1940. Durch Bescheid der Denazifizierungskammer Iserlohn vom 19. August 1948 entlastet (Gruppe V). Die „Frankfurter Rundschau" wirft Dr. v. Marchtaler vor, er habe sich nach der Besetzung Tokios durch die Amerikaner der Besatzungsmacht als Zeuge gegen seine Kollegen angeboten. Am 19. September 1951 hat Dr. v. Marchtaler von Rio de Janeiro aus die dienstliche Erklärung abgegeben, daß er sich niemals angeboten habe, sondern — wie alle Beamten — geholt worden und für seine ehemaligen Kollegen eingetreten sei. (Dr. Brill) Votum Gegen die weitere Verwendung von Dr. v. Marchtaler bestehen keine Bedenken. Gründe: In den zur Verfügung stehenden Akten und in sämtlichen vom Ausschuß geprüften Materialien ist nichts für Dr. v. Marchtaler Nachteiliges hervorgetreten. Auch seine Erklärung über sein Verhalten bei den Verhören durch die amerikanische Besatzungsmacht in Tokio erscheint dem Ausschuß glaubwürdig. 14. Wilhelm Melchers Geboren am 20. Januar 1900 in Bremen, evangelisch-reformiert, ledig. — 1923 Referendarprüfung, Jena 1924 Dr. jur. cum laude, 1927 diplomatisch-konsularische Prüfung genügend. Laufbahn: 1924/25 Zweigstelle für Außenhandel des AA in Bremen, 1925/27 AA, 1927/31 Gesandtschaft Addis Abeba, 1931/34 AA, 1934/35 Botschaft Tokio, 1935/37 Gesandtschaft Teheran, 1938/39 Konsul in Haifa, 26. Oktober bis 10. Dezember 1939 Gesandtschaft Bern, 11. Dezember 1939 bis Mai 1945 AA (Politische Abteilung, Referat Vorderer Orient). 1946/48 Evangelisches Hilfswerk in Bremen, Juni 1948 bis Dezember 1949 Senat der Hansestadt Bremen, seit 6. Dezember 1949 Bundeskanzleramt (Organisationsbüro, Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten), später AA. 1925 Attaché, 1931 Legationssekretär, 1937 Konsul, 1940 Legationsrat I. Kl., 1943 Vortragender Legationsrat, 16. März 1951 erneut VLR. Mitglied der NSDAP seit 1. September 1939, Mitglieds-Nr. 7 077 242. Entlastet durch Bescheid der Spruchkammer Bremen vom 13. April 1948. Die Vernehmungen von Dr. Melchers durch Dr. Schetter haben zu folgendem Ergebnis geführt: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. M. sei Pg. und VLR bis 1945 gewesen. — — 2. M. hat bei Ribbentrop Proteste des Mufti entgegengenommen, der immer nur gekommen sei, „wenn mal ein paar Juden gerettet werden sollten." Es sei richtig, daß der Mufti ihn (M.) als Referenten für den Vorderen Orient aufgesucht hat, um dagegen zu protestieren, daß Behauptung der FR an sich richtig, jedoch entstellt, da durch bulgarischen und rumänischen FR Eindruck erweckt werden Juden freies Geleit über die Türkei nach Palästina gewährt werde. M. hat die Proteste niemals irgendwie gefördert oder unterstützt, so daß der Mufti sie meist schriftlich im Ministerbüro einreichte. soll, als käme es auf einen Juden mehr oder weniger nicht an. 3. Der Name M. erscheint ab 1943 auf dem Verteilerschlüssel für Telegramme des AA. Ist auf Antrag von M. hin auf den Verteilerschlüssel gesetzt worden, um breitere Informationen zu bekommen. Behauptung der FR an sich richtig, jedoch ohne Bedeutung. 4. Es klingt unglaubhaft, daß M. eidlich behauptet, sein Amt Das AA hat in eigener Zuständigkeit mit Terror- und Deportationsmaßnahmen gegenüber Juden nichts zu tun gehabt; es sei lediglich als Nachrichtenmittler zuständiger innerer Stellen an Stellen im besetzten und neutralen Ausland tätig gewesen. Die Angabe der FR enthält nach der Einlassung von M. eine unrichtige Meinungsäußerung. habe mit Terror und Deportation nichts zu tun gehabt. 5. Auf Vorhalt von Dokumenten ist M. eines anderen belehrt worden. M. wurden Dokumente überhaupt nicht vorgelegt. Lediglich ein Telegramm wurde produziert mit einer Randverfügung „Pol. VII z. g. Kts.". Diese Verfügung war mit einem Faktum durchkreuzt ohne seine Paraphe. Kempner habe sich von ihm mit den Worten verabschiedet: „Sie sind ein weißer Rabe". Angabe der FR ist danach unrichtig. 6. M. habe beim Verhör die Die durch das AA gegangenen Angabe der FR entstellt. gleiche Formulierung wie v. Nostitz gebraucht, „er sei nur Postbote gewesen". Dokumente, die sich mit Terror- und Deportationsmaßnahmen beschäftigten, sind nur Übermittlungs- oder sog. Inseraturtelegramme gewesen. (Dr. Brill) Dr. Melchers ist in der 11. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 22. Februar, der 12. Sitzung am 29. Februar und der 31. Sitzung am 5. Mai 1952 nachmittags vernommen worden. Der Untersuchungsausschuß hat sich zunächst mit der politischen Tätigkeit Dr. Melchers' während der Kriegszeit beschäftigt. Dabei hat er insbesondere festgestellt, daß die Tatsache, daß Dr. Melchers Proteste des Mufti, die den Abtransport von Judenkindern aus Rumänien nach Palästina betrafen, seinen Dienstvorgesetzten vorgelegt hat, nicht zu beanstanden ist, weil Dr. Melchers a) außer dieser geschäftsleitenden keinerlei sachbearbeitende Tätigkeit ausgeübt hat und b) selbst ein ablehnendes Votum von Melchers an der Judenvernichtung durch die SS nichts hätte ändern können; daß Dr. Melchers in dem neu errichteten Konsulat in Haifa unter den schwierigsten Umständen eine anerkennenswerte Tätigkeit ausgeübt hat; daß Dr. Melchers zum engsten Kreise der Widerstandsgruppe innerhalb des AA gehört hat und sich während des ganzen 20. Juli 1944 im AA bereit hielt, um nach der Beseitigung Hitlers am Aufbau einer neuen Regierungsgewalt in Deutschland mitzuarbeiten; eine von Dr. Melchers am 28. Februar 1946 verfaßte Darstellung seiner Teilnahme an der Widerstandsbewegung wird in Anlage 2 als Dokument Nr. XIV diesem Bericht beigegeben (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 76). In den weiteren Sitzungen hat sich der Untersuchungssausschuß mit der Tätigkeit von Dr. Mel-chers im Organisationsbüro beschäftigt und dabei im wesentlichen die gleichen Feststellungen getroffen, wie sie sich bereits aus der Vernehmung von Dr. Haas ergeben hatten. Insbesondere ist die Frage geprüft worden, warum erst in einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt die Einschaltung des Document Center erfolgt ist. Dabei hat sich herausgestellt, daß der Zeuge von der Existenz des Document Center erst durch den Verkehr mit dem Petersberg erfahren hat und Einzelfälle die Veranlassung zur Heranziehung des Document Center gewesen sind, während man sich im übrigen auf alte Bekanntschaften, das eigene Urteil, formlose kollegiale Besprechungen usw. verlassen hat. Mit Dr. Melchers ist in der zweiten und dritten Vernehmung sodann eine große Anzahl von Einzelfragen besprochen worden, u. a. auch die der oberen (gehobenen mittleren) Beamten. Bei der engen Zusammenarbeit von Dr. Haas und Dr. Melchers ist es verständlich, daß die Vernehmung das gleiche Ergebnis hatte wie die von Dr. Haas, über die oben bereits Mitteilungen gemacht worden sind. In der letzten Vernehmung von Dr. Melchers hat der Ausschuß versucht, der Behandlung der Bewerbung des jetzigen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Otto John, auf den Grund zu gehen. Es steht fest, daß sich Dr. John um die Jahreswende 1949/50 beworben hat, am 7. Januar 1950 auch der Nürnberger Verteidiger Helmut Becker um eine Auskunft über Dr. John gebeten worden ist, die von Becker umgehend gegeben worden ist. Der Untersuchungsausschuß hat ferner festgestellt, daß ein Verwandter des am 20. Juli 1944 getöteten Generalobersten Beck, Rudolf Beck, sich am 3. März 1950 günstig über Dr. John geäußert hat, Dr. John selbst zwischenzeitlich, nämlich im Februar 1950, im AA vorgesprochen hat, daß sich Bundesminister Kaiser später für Dr. John verwendet hat — und trotzdem keine Entscheidung des AA über die Einstellung von Dr. John erfolgt ist. Dr. Melchers erklärte zu dem Komplex Dr. John, daß er sich völlig frei davon fühle, Dr. John bewußt oder unbemußt irgendwelche Nachteile zugefügt zu haben. Votum Der Ausschuß erhebt gegen die Weiterverwendung von Dr. Melchers keine Bedenken, spricht sich jedoch gegen seine Verwendung in der Personalabteilung und gegen jede Einflußnahme auf diese durch ihn aus. Der Ausschuß empfiehlt der Bundesregierung eine genaue Durchsicht des Protokolls vom 5. Mai 1952 über die Vernehmung von Dr. Melchers vor dem Ausschuß. Gründe: Der Untersuchungsausschuß hat über die persönliche Integrität von Dr. Melchers keine Zweifel. Er sieht in seiner Haltung innerhalb des Kreises der Männer des 20. Juli 1944 eine echte Widerstandshandlung. Der Ausschuß hat jedoch den Eindruck, daß sich die amtliche Tätigkeit von Dr. Melchers während des letzten Krieges unter einem außerordentlich eingeengten Horizont abgespielt hat. Auch die Tätigkeit von Dr. Melchers im Organisationsbüro und in der Personalabteilung des AA hat offensichtlich unter einer bestimmten Beschränktheit der Aspekte gelitten. Die Aussagen von Dr. Melchers im Falle Dr. Otto John bedürfen der Nachprüfung unter dem Gesichtspunkt der Dienstpflicht des Beamten, sich bei allen dienstlichen Äußerungen der Wahrheit zu befleißigen. Selbst wenn, wie der Untersuchungsausschuß anzunehmen geneigt ist, Dr. Melchers subjektiv die Wahrheit gesagt hat, bleibt zu untersuchen, welche Schlüsse aus dem mangelnden Erinnerungsvermögen zu ziehen sind. 15. Gottfried v. Nostitz-Drzewiecki Geboren am 19. August 1902 in Dresden, evangelisch-lutherisch, ledig. — 1925 Referendarprüfung gut oder sehr gut (Unterlagen fehlen), Ende 1929 diplomatisch-konsularische Prüfung gut. Laufbahn: 1927/30 AA, 1930/33 Gesandtschaft Belgrad, 1933/34 AA, 1934/38 Gesandtschaft Wien, 1938/40 AA, 1940/45 Konsulat Genf. 1. August 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 1934 Legationssekretär, 1939 Legationsrat II. Kl., 1941 Konsul II. Kl. Mitglied der NSDAP seit 1941; Mitglieds-Nr. 8 156 544. Seit 1938, im NSKK. - v. Nostitz hat dazu folgende Erklärung abgegeben: (Dr. Brill) „1942 erhielt ich die Mitteilung von meiner Annahme als Parteianwärter, 1943 Parteiabzeichen und -karte. Da ich aber weder vereidigt wurde, noch das Mitgliedsbuch erhielt oder beantragte, bin ich nicht Parteimitglied geworden." Durch Bescheid der Spruchkammer Wolfratshausen/Isar vom 21. April 1947 entlastet (Gruppe V). Die Erhebungen von Dr. Schetter haben folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. N. sollte zur Botschaft Paris versetzt werden, französische Der französischerseits geäußerte Artikel erweist sich nach Einlassung von N. als unrichtig. Regierung verweigerte trotz Verdacht, daß v. N. mit SD zusammengearbeitet habe, ist widerlegt. Auf Anweisung des Entnazifizierung Visum mit Begründung, N. habe als Konsul II. Kl. in Genf mit SD zusammengearbeitet. franz. Innenministeriums erhielt v. N. das Einreisevisum. Die Behauptung der Zusammenarbeit mit dem SD ist daher objektiv unrichtig. 2. „Ballettmeister" Erich Kordt Behauptung ist objektiv unrichtig. Behauptung der FR ist objektiv unrichtig. habe v. N. für den Nürnberger Prozeß einstudiert. 3. v. N. hat während der Nürnberger Prozesse dauernd Verbindung mit Kordt, Etzdorf v. N. war im Interesse der Erforschung der Wahrheit darauf Behauptung der FR wird im wesentlichen als nicht unrichtig zu bezeichnen sein, abgesehen davon, daß dieser Behauptung keine besondere Bedeutung beizumessen ist. und Kessel gehabt, Protokolle der anderen eingesehen, die bedacht, sein Gedächtnis über ihm sogar nach Stuttgart geschickt worden sind. v. N. jahrelang zurückliegende Vorgänge aufzufrischen. Mangels schickt seine eigenen Affidavits in mehreren Exemplaren herum. Unterlagen hat er Kontakt mit anderen aufgenommen und Protokolle eingesehen, die ohnehin jedem zugänglich waren. 4. v. N. steht im Tagebuch v. N. hat v. Weizsäcker schon v. Hassell gegenüber verteidigt. v. N. war nach den zahlreichen Notizen v. Hassells einer seiner politischen Vertrauten, wie durch den Sohn v. Hassels, Wolf-Ulrich v. Hassell, bestätigt werden kann. Behauptung der FR ist im wesentlichen zutreffend, enthält v. Hassels und zeigte damals starke Tendenz, Weizsäcker zu verteidigen. aber sonst keine wesentlichen Dinge. 5. v. N. hat Bombardierung der offenen Stadt Warschau befürwortet und vorgeschlagen. Diese Behauptungen sind objektiv unrichtig. v. N. wurde im Referat Pol. I M im Mai 1940 seiner Stellung enthoben, weil er sich mit Erfolg bemüht hat, Brüssel vor einer Bombardierung zu bewahren. Seine Haltung im Falle Brüssel ist in zwei Publikationen erwähnt. Nach Einlassung von N. sind die Behauptungen der FR unrichtig. 6. v. N. habe das Angebot des Die Behauptungen sind objektiv unrichtig. Nach Einlassung von N. sind Behauptungen der FR objektiv unrichtig. Papstes, Weihnachten 1939 eine Waffenruhe zu veranstalten, hinhaltend behandelt, damit es nicht zu einer Waffenruhe kommt. 7. v. N. habe in seinen Vernehmungen zwanzigmal erklärt, Die FR hat übersehen, daß von den 20 Antworten 11 Antworten auf Suggestivfragen Kempners gewesen sind,. dem es im Kreuzverhör darauf ankam, die Person von N. zu diffamieren. Die diesbezüglichen Sätze in dem Artikel entstellten deshalb die Protokollauszüge. Nach Einlassung von N. ist die Darstellung der FR unvollständig und entstellt damit die Tatsachen. er erinnere sich nicht. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 8. v. N. sei Pg. und Konsul II. Kl. gewesen, will aber „nur Postbote" gewesen sein. Diese Bemerkung „nur Postbote" ist nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in Genf, sondern mit der Tätigkeit im Referat Pol. I M gemacht worden. Laut Protokoll hat v. N. erklärt, das Referat Pol. I M sei in sehr vielen Dingen ein Postbote, ein Übermittler von Mitteilungen gewesen; das trifft zu. Artikel enthält eine Halbwahrheit und entstellt den Sachverhalt. 9. Wie viele biedere „Postbeamte" waren wohl bei ihrer Entnazifizierung in der Lage, 35 „Persilscheine" vorzulegen, wie sie v. N. nötig zu haben glaubte? Die FR unterläßt, anzugeben, Die Angabe der FR ist unvollständig, vermittelt ein falsches Bild und entstellt damit die Tatsachen. daß sich unter diesen Zeugnissen 7 Zeugnisse von Hinterbliebenen und sonstigen Überlebenden des 20. Juli 1944, 18 Zeugnisse angesehenster Ausländer und nur 5 Zeugnisse von früheren Angehörigen des AA befanden. Der Untersuchungsausschuß hat sich bei der Vernehmung v. Nostitz' in der 19. und 27. Sitzung am 27. März und 23. April 1952 insbesondere mit der Haltung des Zeugen in Bezug auf das Bombardement von Warschau und den Waffenruhe-Vorschlag, den der Papst Weihnachten 1939 gemacht hatte, beschäftigt. Er hat festgestellt, daß diese Beschuldigungen falsch sind. Der Zeuge hat bei der ganzen Frage, ob Warschau bombardiert werden soll, überhaupt nicht mitgewirkt und sich später der Bombardierung der offenen Stadt Brüssel widersetzt. — Bei der Behandlung des vom Papst unterbreiteten Vorschlages einer Waffenruhe Weihnachten 1939 trifft v. Nostitz keine Schuld, da ihm von diesem überhaupt nichts bekannt geworden ist. Es ist richtig, daß die Akten v. Nostitz' eine ungewöhnlich große Zahl von Affidavits enthalten. v. Nostitz hat zugegeben, daß er sich diese zur Stützung und Kontrolle seines Gedächtnisses beschafft habe. Einen besonderen Plan habe er dabei nicht verfolgt. v. Nostitz hat an den Bestrebungen des Widerstandskreises im alten AA teilgenommen. Seine wiederholten Reisen von Genf nach Berlin erklären sich aus dem Wunsch, das Unternehmen zu stützen und religiöse Bedenken der Attentäter zu zerstreuen. So war er am 6. Juli 1944 in Berlin anwesend, als die Umsturzpläne von Graf Peter York, Graf Fritz-Dietloff v. d. Schulenburg, Adam Trott zu Solz, Werner v. Haeften und Graf Berthold Stauffenberg besprochen wurden. Die von der „Frankfurter Rundschau" angegebene Tatsache, daß v. Nostitz im Jahre 1950 durch den Französischen Hohen Kommissar die Einreise nach Frankreich verweigert worden ist, konnte aufgeklärt werden. Zu der in den Akten v. Nostitz' befindlichen Notiz, daß sich Ministerialdirektor Blankenhorn geweigert habe, zugunsten v. Nostitz' zu intervenieren, hat Blankenhorn selbst eine Erklärung abgegeben, die in Anlage 2 als Dokument Nr. XV abgedruckt ist (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 89). Unterdessen hat v. Nostitz auch ein französisches Einreisevisum erhalten. Die Frage, ob sich der Zeuge beim Verhör in Nürnberg unwürdig verhalten habe, wurde vom Untersuchungsausschuß verneint. v. Nostitz mußte 141 Fragen beantworten; auf 20 von ihnen hat er erklärt, sich nicht erinnern zu können, wobei 11 von diesen 20 Fragen Suggestivfragen gewesen sind. Votum Der Ausschuß hält v. Nostitz für geeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst. Gründe: Der Ausschuß sieht in v. Nostitz einen Mann echten Widerstandes. Die Behauptungen über das Bombardement von Warschau und den Vorschlag einer Waffenruhe Weihnachten 1939 durch den Papst haben sich als gegenstandslos erwiesen. Das gleiche gilt für die Verdächtigungen des Französischen Hohen Kommissars. Die Sammlung von Affidavits erscheint zwar bedenklich, ist in der Situation der ersten Nachkriegsjahre jedoch verständlich und entschuldbar. Das gleiche gilt für die Haltung v. Nostitz' bei den Nürnberger Verhören. 16. Peter Pfeiffer Geboren am 3. Februar 1895 in Speyer, katholisch, ledig. — Referendarexamen Mai 1922 „bestanden", Assessorexamen Dezember 1924 gut, diplomatisch-konsularische Prüfung Januar 1928 gut. Laufbahn: 1926/28 AA, Februar bis November 1928 Gesandtschaft Prag, November 1928 bis Februar 1930 AA (Ministerbüro), Februar 1930 bis August 1934 Botschaft Moskau, September 1934 bis September 1938 Botschaft Paris, Oktober 1938 bis Oktober 1940 Botschaft Rom, November 1940 bis November 1941 Gesandschaft Tirana, Februar bis November 1942 Generalkonsulat Algier, November 1942 bis März 1944 interniert, August 1944 bis April 1945 AA. 1945/46 automatischer Arrest, seit 16. November 1949 Bundeskanzleramt (Leiter des Deutschen Büros für Friedensfragen), später Leiter der Ausbildung der Anwärter des Auswärtigen Dienstes. (Dr. Brill) 1929 Legationssekretär, 1938 Gesandtschaftsrat II. Kl., 1941 Generalkonsul, 1942 Generalkonsul I. Kl. Mitglied der NSDAP seit Ende 1941; MitgliedsNr. 8 128 186. In öffentlicher Verhandlung der Spruchkammer München am 4. Mai 1948 entlastet (Gruppe V). Die Vernehmung durch Dr. Schetter führte zu folgendem Ergebnis: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Pf. sei Pg. gewesen. Trifft zu, daß Mitglied laut Mitgliedskarte vom Dez. 1940, die ihm im April 1941 ausgehändigt wurde. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. Pf. ist NS-Generalkonsul in War Deutscher Generalkonsul Kein wesentlich unrichtige Angabe der FR. Algier gewesen. in Algier. 3. Von Pf. stammt der viel belächelte Funkspruch nach der Landung der Alliierten in Telegramm ist unvollständig Unrichtige Angabe der FR wird Nordafrika: wiedergegeben. Den Wortlaut besitzt Pf. nicht mehr. Nach seiner Erinnerung hatte Telegramm folgenden Inhalt und Aufbau: „Ich erfahre, daß zwischen allifierten Landungstruppen und französischem Kommando Waffenstillstand für Algier abgeschlossen worden ist, amerikanische Gefangene sind freigegeben. Die Stadt ist ruhig, lediglich im Hafen brennt durch deutsche Bomber in Brand gesetztes Benzinlager. Haben Geheimsachen verbrannt, werden jetzt Chiffriermaterial und -gerät vernichten." Telegramm kam in Berlin mit dem Schluß an: „Sieg Heil Führer und Deutschland. Pfeiffer". Pf. übernimmt kaum behauptet werden können. Stadt unter Artilleriefeuer. für diese Form und Fassung Dies ist mein letztes Telegramm. Es lebe der Führer. Verantwortung, obwohl sie nicht ganz dem Original in Algier entspricht. Pfeiffer." 4. Peter und Anton Pfeiffer beförderten v. Herwarth in Peter Pf. war nach 1945 mangels jeder amtlichen Stellung nicht in der Lage, irgend jemanden in die Bayerische Staatskanzlei „zu befördern". Angabe der FR ist als unrichtig zu bezeichnen. Bayerische Staatskanzlei. 5. FR spricht von Dozentenposten der Diplomatenschule Es gibt keine ständigen Dozenturen. Es werden von Fall zu Fall nur fachkundige Personen zu Vorträgen eingeladen. Angabe der FR entstellt. für v. Rintelen und Erich Kordt. Der Untersuchungsausschuß hat Peter Pfeiffer in seiner 30. Sitzung am 25. April 1952 gehört. Über die Tatsache seiner auffallend guten Beurteilung durch die Parteistellen der NSDAP befragt, hat der Zeuge erklärt, diese gehe auf den ersten Landesgruppenleiter in Italien, Ehrich, zurück und sei dann in den Akten immer wieder abgeschrieben worden. Daß er, „obwohl praktizierender Katholik", 1944 zum Botschaftsrat in Paris vorgesehen war und auch entsandt werden sollte, hat Pfeiffer erst durch den Untersuchungsausschuß erfahren. Pfeiffer hat sich damals zur Wehrmacht gemeldet; seine Abstellung wurde jedoch abgelehnt. Text und Umstände der Absendung des letzten Telegramms aus Algier hat der Zeuge dem Untersuchungssauschuß genau so dargestellt wie in der früheren Zusammenstellung von Dr. Schetter angegeben. Wegen der Anstellung Herwarth v. Bittenfelds in der Bayerischen Staatskanzlei wird auf den Bericht über diesen verwiesen. Dem Ausschuß war bekannt, daß v. Rintelen nur ein einziges Mal als Dozent in Speyer tätig gewesen ist. Der Untersuchungsausschuß hat anerkennend zur Kenntnis genommen, daß Pfeiffer in keiner Weise zu behaupten versucht, mit den Männern des Widerstandes, denen er seine höchste Achtung bezeugt, in Verbindung gestanden zu haben. (Dr. Brill) Votum Der Ausschuß erhebt gegen die Weiterverwendung von Peter Pfeiffer keine Bedenken, empfiehlt jedoch, im ersten Jahre keine Verwendung im Ausland in Aussicht zu nehmen, zumal der Zeuge dem Ausschuß erklärt hat, daß sein Wunsch zunächst nicht auf eine solche Verwendung gerichtet sei. Gründe: Abgesehen von der nicht restlos aufzuklärenden Absendung des letzten Telegramms aus dem Generalkonsulat in Algier sind keine Umstände zutage getreten, aus denen bewiesen werden könnte, daß sich Pfeiffer während des Dritten Reiches menschlich, moralisch oder juristisch nicht korrekt verhalten habe. Der Ausschuß hat gegen eine Weiterverwendung insbesondere auch deshalb keine Bedenken, weil es sich bei Pfeiffer offensichtlich um einen gut begabten und gebildeten Mann handelt (er beherrscht fünf Fremdsprachen, u. a. Italienisch und Russisch). 17. Werner Schwarz Dr. Schwarz war von 1923 bis 1937 im Auswärtigen Dienst des ehemaligen Deutschen Reiches und wurde 1937 entlassen, weil er mit einer sogenannten Nichtarierin verheiratet war. Dr. Schwarz ist in der 6. Sitzung des Ausschusses am 13. Februar, in der 7. am 14. Februar und in der 11. Sitzung am 22. Februar 1952 vernommen worden. In seiner Vernehmung durch Herrn Dr. Schetter am 30. Oktober 1951 hat Dr. Schwarz bereits gesagt, daß seine Aufgaben, nachdem er im Januar 1950 in die Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten im Bundeskanzleramt eingetreten war, hauptsächlich auf den Gebieten der Verwaltung und der Organisation lagen, er von Dr. Haas aber auch mit zur Beratung von Personalangelegenheiten herangezogen worden ist. Später habe er Nachwuchsfragen bearbeitet. Der Zeuge Dr. Schwarz ist zuerst zu der Frage der oberen (gehobenen mittleren) Beamten vernommen worden. Er hat bestätigt, daß mit seiner Zustimmung der inzwischen verstorbene Himke, Loeper und Papenfuß (Kanzler im früheren Auswärtigen Dienst) berufen worden seien, um den Personalkörper der oberen (gehobenen mittleren) Beamten aufzubauen. Diese haben unter der Verantwortlichkeit von Dr. Kreutzwald und mit Hilfe von Damerau an ehemalige Kollegen privat brieflich die Aufforderung zum Wiedereintritt in den Auswärtigen Dienst gerichtet. Als ihm aufgefallen sei, daß dadurch eine größere Anzahl von Pg.s reaktiviert wurde, habe er die Sache abgestellt. Um neue Kräfte zu gewinnen, seien dann im Dezember 1951 die Landesregierungen aufgefordert worden, jüngere Beamte aus der Regierungsinspektorenlaufbahn zu veranlassen, sich für den Auswärtigen Dienst zu melden. Dr. Schwarz hat es sodann für richtig gehalten, dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses „privat" mitzuteilen, daß der neue Leiter der Personalabteilung, VLR Dr. Wilde, Mitglied der NSDAP gewesen sei. Der Vorsitzende hat darauf gedrungen, daß ihm diese Mitteilung offiziell gemacht wurde. Dr. Wilde ist in der 11. Sitzung am 22. Februar 1952 durch den Ausschuß vernommen worden und hat dabei dem Sinne nach erklärt: Seit meinem 11. Lebensjahre habe ich sehr aktiv an der katholischen Jugendarbeit teilgenommen und diese Tätigkeit, obgleich ich mich im juristischen Vorbereitungsdienst befand, auch im „Dritten Reich" fortgesetzt. Nach einem Zusammenstoß mit der Geheimen Staatspolizei bin ich 1935 nach Genf gegangen und wurde dort, obgleich ich mich mit Emigrantenkreisen angefreundet hatte, vom Ortsgruppenleiter der NSDAP aufgefordert, in die Partei einzutreten. Ich habe dem Mann erklärt, daß ich aus grundsätzlichen weltanschaulichen Gesichtspunkten nicht der NSDAP beitreten könne. Damit ich meinen Vorbereitungsdienst beenden könnte, bot mir der Ortsgruppenleiter an, einen Aufnahmeantrag zu unterschreiben, und versprach mir dabei ausdrücklich in die Hand, daß er diesen Antrag nicht weitergeben werde. Ich bin nach Deutschland zurückgekehrt und habe 1939 den Assessor gemacht. Ich habe niemals eine Mitgliedskarte erhalten, niemals Beiträge gezahlt noch mich sonstwie für die NSDAP betätigt. Im Gegenteil hatte ich im Reichswirtschaftsministerium sofort wieder Schwierigkeiten mit der NSDAP. Als ich zum Regierungsrat ernannt werden sollte, legte der Stab Heß sein Veto ein und erklärte, daß ich weder der Partei noch einer ihrer Gliederungen angehöre und außerdem jedes Interesse an von der Partei betreuten Organisationen vermissen lasse. Ich habe mich dann in die Militärverwaltung geflüchtet. Meine Ernennung zum Regierungsrat hat sich über zwei Jahre verzögert. Der Ausschuß hat nach der Vernehmung von Dr. Wilde beschlossen: Die Darlegungen von Dr. Wilde werden vom Ausschuß als glaubwürdig angesehen. Für den Ausschuß gilt die Angelegenheit als erledigt. Votum Dr. Schwarz ist nicht geeignet zur Weiterverwendung in der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes; im übrigen werden gegen seine Verwendung keine Bedenken erhoben. Gründe: Der Ausschuß möchte die Tatsache, daß Dr. Schwarz zu den aus sogenannten rassischen Gründen Verfolgten gehört, anerkennen und spricht sich deshalb für seine Weiterverwendung aus. Die Art seiner Tätigkeit im Organisationsbüro und die Dr. Wilde zugefügte Belastung lassen Dr. Schwarz jedoch als ungeeignet für eine Tätigkeit in der Personalabteilung erscheinen. 18. Hans Schwarzmann Geboren am 16. Februar 1913 in Aschaffenburg, evangelisch, verheiratet, vier Kinder. — 1935 Referendarprüfung gut, 1936 Diplom-Volkswirt fast gut, 1936 Dr. jur. cum laude (Erlangen), keine Berufsprüfung für den Auswärtigen Dienst. (Dr. Brill) Laufbahn: Februar bis April 1940 AA (Wirtschaftsabteilung), 16. April bis Mitte 1940 Gesandtschaft Kopenhagen (nach der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen), 25. August 1940 bis 1. November 1941 AA (Ministerbüro Ribbentrop), 1. November 1941 bis 1. Februar 1942 Generalkonsulat Casablanca, anschließend bis 9. November 1942 Generalkonsulat Algier, November 1942 bis Frühjahr 1944 Internierung, Juni 1944 bis April 1945 Wehrmacht. Dezember 1947 bis 31. Juli 1950 Bayerische Staatskanzlei, 2. August 1950 Bundeskanzleramt (Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). 29. Mai 1941 Legationssekretär, 30. April 1944 Legationsrat, 30. November 1949 Regierungsrat auf Widerruf, 27. März 1950 Regierungsrat auf Lebenszeit, jetzt noch aus dem bayerischen Staatsdienst in das AA abgeordnet. Die Frau des Reichsaußenministers v. Ribbentrop ist eine Kusine von Frau Schwarzmann. Zwischen den Frauen hat familiärer Verkehr stattgefunden. Dr. Schwarzmann selbst ist nach seiner Angabe nicht in nähere Berührung mit Ribbentrop gekommen. Mitglied der NSDAP seit 1. Mai 1933; MitgliedsNr. 3 151 913. Durch Bescheid der Spruchkammer Landsberg am Lech vom 22. August 1947 als Mitläufer kategorisiert (Gruppe IV). Die Untersuchungen von Dr. Schetter haben folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Sch. sei Pg. gewesen. Angabe ist zutreffend. Keine unrichtige Angabe der FR. 2. Sch. sei von Herwarth in die Bayerische Staatskanzlei gezogen worden. Behauptung ist unrichtig. Sch. Angabe der FR ist unrichtig. hat v. Herwarth bis zum Eintritt in die Bayerische Staatskanzlei überhaupt nicht gekannt. 3. Sch. sei Verbindungsmann zu Botschafter Abetz gewesen, Sch. war nicht der Botschaft Angabe der FR ist entstellt. durch dessen Hand der berüchtigte Vorgang über die geplante Ermordung der französischen Minister Mandel und Paris, sondern dem Ministerbüro in Berlin zugeteilt. Unrichtig, daß Sch. mit der geplanten Erschießung der Minister Mandel und Reynaud etwas zu tun gehabt habe. Ein diesbezügliches Telegramm hat Sch. lediglich im Durchdruck zur Kenntnis erhalten. Reynaud gegangen sei. 4. Sch. habe laufend völkerrechtswidrige Aufträge weitergegeben. Angabe der FR ist unrichtig. Angabe der FR ist unrichtig. Sch. hat im Ministerbüro nur Durchdrucke der Berichte der Botschaft erhalten. Völkerrechtswidrige Aufträge sind überhaupt nicht durch seine Hand gegangen. 5. Sch. habe vorerwähnte Tatsachen bei seiner Entnazifizierung verschwiegen. Sch. wurde im schriftlichen Verfahren entnazifiziert. Auf eine Eingabe des Office of Chief of Counsel for War Crimes in Nürnberg hat eine erneute Prüfung zur Bestätigung des Spruches der Spruchkammer geführt. Entscheidende Instanz war der bekannte Staatssekretär a. D. Camille Sachs. Angabe der FR ist unrichtig. Die Untersuchungen des Ausschusses haben sich insbesondere auf die dienstliche Tätigkeit Dr. Schwarzmanns im Ministerbüro von Ribbentrop erstreckt. Nach der Angabe Dr. Schwarzmanns in der 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 24. April 1952 sei er in das Ministerbüro gekommen, weil Ribbentrop einen großen Dienstverkehr mit dem sogenannten Botschafter Abetz in Paris erwartet habe. Um Feststellungen über Art und Umfang seiner Tätigkeit zu treffen, ist dem Zeugen eine Anzahl von Nürnberger Dokumenten über die Judenfrage in Frankreich, den Schutz französischer Kriegsgefangener, die Ausnutzung der französichen Wirtschaftskraft durch Deutschland, die Verwertung französischer Wertpapiere und die Erschießung der früheren französischen Minister Reynaud und Mandel vorgelegt worden. Der Zeuge hat dazu erklärt, daß diese Dokumente von ihm nur mit geschäftsleitenden Verfügungen versehen worden sind, die der Sammlung und Ordnung des Materials zur Vorlage für Ribbentrop und zur Aufbewahrung im Ministerbüro dienten. In keinem Falle habe er eine sachbearbeitende oder vortragende Tätigkeit ausgeübt. In bezug auf das Dokument betreffend den Vorschlag des sogenannten Botschafters Abetz, die ehemaligen französischen Minister Mandel und Reynaud zu erschießen, hat Dr. Schwarzmann erklärt, daß er sich darüber aus Gewissensgründen und Mitteilungsbedürfnis mit seinen Kollegen im Ministerbüro und (Dr. Brill) im Vorzimmer des Staatssekretärs v. Weizsäcker unterhalten habe. Einen dienstlichen Zweck hätten diese Besprechungen schon deshalb nicht haben können, weil Ribbentrop unverzüglich negativ reagiert habe. Dr. Schwarzmann war damals 28 Jahre alt. Votum Der Ausschuß erhebt keine Bedenken gegen die Weiterverwendung von Dr. Schwarzmann, empfiehlt jedoch, zunächst von einer Verwendung im Ausland abzusehen. Gründe: Dr. Schwarzmann hat tatsächlich an keiner Handlung teilgenommen, die ihn belastet. Seine Weiterverwendung kann das Ansehen der Bundesrepublik nicht schädigen. Der Untersuchungsausschuß sieht in Dr. Schwarzmann keinen Fachbeamten. dessen Kenntnisse und dienstliche Erfahrungen für den Aufbau des AA unentbehrlich gewesen wären. Angesichts der besonderen Umstände, unter denen er in das AA eingetreten und verwendet worden ist, hält es der Ausschuß in seinem und im allgemeinen Interesse für geboten, daß er zunächst in der Zentrale und nicht im Auslandsdienst verwendet wird. 19. Susanne Simonis Geboren am 29. Januar 1904 in Berlin-Charlottenburg, katholisch, ledig. — Abitur als Externe, sechs Semester Studium der Rechts- und Staatswissenschaften ohne Abschlußprüfung. 1930/41 Redaktion der Frauenzeitschrift „Fürs Haus", 1941/45 Führung des Haushalts von Dr. Erich Kordt in Tokio. 1. Januar 1950 Deutsches Büro für Friedensfragen, seit 1. April 1950 Bundeskanzleramt (Frauenreferat der Personalabteilung in der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten). Mitglied der Frauenschaft der Auslandsdeutschen in Tokio seit etwa 1941. Durch Bescheid der Spruchkammer Stuttgart vom 8. März 1948 vom Befreiungsgesetz nicht betroffen. Die Untersuchungen von Dr. Schetter haben folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Stand in Ostasien der NSFrauenschaft sehr nahe. Besuchte wie alle weiblichen Artikel der FR entstellt Sachverhalt. Botschaftsangehörigen seit Juni 1941 in Tokio die regelmäßigen Arbeitsnachmittage der „auslandsdeutschen Frauenschaft", die ihren früheren Charakter als „Hilfsverein" insofern aufrechterhielt, als vorwiegend Kindersachen genäht wurden. 2. Hielt über Radio Tokio Reden an deutsche Frauen. Radiovortrag in Tokio gehalten. Keine Unrichtigkeit der FR. Auf Wunsch in Tokio Vortrag über Leben im Kriegsdeutschland gehalten. Nationalsozialistische Schlagworte kamen nicht darin vor. Gleicher Vortrag auf Aufforderung auch in Yokohama und Kobe gehalten. 3. Frau S. verlangt für Eintritt des Nachwuchses in das AA abgeschlossenes Hochschulstudium, über das sie selbst Hat Universitätsstudium nicht Insoweit keine Unrichtigkeit des Artikels der FR. nicht verfügt. abgeschlossen. Der Untersuchungsausschuß hat Wert auf die Rekonstruktion der Rede gelegt, die Frau Simonis über Radio Tokio gehalten hat. Das Manuskript hat vorgelegen und keinen Anlaß zu Beanstandungen gegeben. Der Untersuchungsausschuß hat weiter die Tätigkeit von Frau Simonis im Widerstand geprüft und festgestellt, daß sie im Jahre 1938 mit einer wichtigen Nachricht, die zur Durchkreuzung der Kriegspolitik Hitlers bestimmt war, nach London geschickt wurde. Frau Simonis mußte diese Nachricht auswendig lernen und hat sie nach Überschreiten der deutschen Grenze im D-Zug niedergeschrieben und weitergegeben. Votum Gegen die weitere Beschäftigung von Frau Simonis im Auswärtigen Dienst sind keine Bedenken zu erheben. Gründe: Frau Simonis war an einer echten Widerstandshandlung beteiligt. Sie hat sich nicht im nationalsozialistischen Sinne betätigt. 20. Alois Tichy Geboren am 14. Juli 1906 in Antonienhütte (Oberschlesien), katholisch, geschieden, keine Kinder. — Referendarexamen ausreichend, Assessorprüfung voll befriedigend, Promotion zum Dr. jur. cum laude (Breslau), japanische Sprachprüfung mit Auszeichnung, diplomatisch-konsularische Prüfung ausreichend. Laufbahn: 1933 AA, März 1934 bis Juli 1935 Gesandtschaft Kaunas, 1935/45 Botschaft Tokio. 1. November 1949 Deutsches Büro für Friedens- (Dr. Brill) fragen, 1. Juli 1950 Bundeskanzleramt (Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission). 1937 Legationssekretär, 1940 Gesandtschaftsrat. 1934 Parteianwärter, 1937 Mitglied der NSDAP; Mitglieds-Nr. 4 679 248. Durch Sühnebescheid der Spruchkammer Ludwigsburg vom 28. Mai 1948 mit einer Sühne von 50 RM als Mitläufer in Gruppe IV eingereiht. Die Vernehmung durch Dr. Schetter ergab: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. Pg. und Parteirichter, daher Niemals Parteirichter gewesen. Keine Unrichtigkeit der FR, daß T. Pg. gewesen. Unrichtig, daß T. Parteirichter gewesen. Richtig, daß T. Schlichter der NSDAP gewesen ist und damit in gewissem Umfange Funktionär. Behauptung der FR enthält insoweit eine nicht sehr wesentliche Abweichung von der Richtigkeit. Funktionär der NSDAP von 1936 bis 1943. Im Nov. 1937 in Partei aufgenommen und Aufgabe eines Schlichters in Tokio übertragen erhalten. Empfiehlt Auskunft beim Document Center. Der Untersuchungsausschuß, der Dr. Tichy in der 20. Sitzung am 28. März 1952 vernommen hat, ist bemüht gewesen, die Frage zu klären, ob die Tätigkeit eines Uschla-Funktionärs in Tokio mit der Tätigkeit eines Parteirichters identisch ist. Die Prüfung hat ergeben, daß innerhalb der Auslandsorganisation die Institution der Uschla auch fortbestand, nachdem sie 1934 in Deutschland selbst durch die Parteirichter ersetzt worden war. Dr. Tichy ist schlichtend zwischen Mitgliedern der NSDAP sowie zwischen solchen und Mitgliedern der deutschen Kolonie in Tokio tätig gewesen. Urteile sind von ihm nicht gefällt worden. Votum Der Ausschuß erhebt keine Bedenken gegen die Weiterverwendung von Dr. Tichy, empfiehlt aber eine Verwendung im internen Dienst des Auswärtigen Amtes. Gründe: Dr. Tichy hat sich nicht im Sinne der NSDAP politisch betätigt, jedoch lassen die Umstände des vorliegenden Falles bei seiner Verwendung im Auslandsdienst Zurückhaltung geboten erscheinen. 21. Heinz Trützschler v. Falkenstein Geboren am 26. November 1902 in Nordhausen, evangelisch, verheiratet, zwei Kinder. — Dr. phil. (Historiker) 1924 in Halle „mit Auszeichnung". Laufbahn: 1929/30 wissenschaftlicher Assistent im Institut für auswärtige Politik an der Universität Hamburg, 1930/33 Sekretariat des Völkerbundes in Genf (Informationsabteilung), 1934 AA, 1935/39 Konsulat Genf, März bis Mai 1939 Gesandtschaft Prag, Mai bis September 1939 Botschaft Warschau, 1939/45 AA (Politische Abteilung). Nach automatischem Arrest 1946/49 im Hessischen Statistischen Landesamt, Ende 1949 Bundeskanzleramt (Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kornmission). 20. November 1934 Attaché, 28. November 1936 Vizekonsul, 10. August 1941 Legationsrat, Februar 1944 Legationsrat I. Kl., 13. August 1949 Oberregierungsrat, 22. November 1950 erneut Legationsrat I. Kl.. Im August 1951 ist eine Kabinettsvorlage betreffend die Ernennung Dr. v. Trützschlers zum Gesandten I. Kl. vorbereitet worden. Am 17. August 1936 hat Dr. v. Trützschler die dienstliche Erklärung abgegeben, daß er sich in seinem beruflichen Werdegang niemals der Vermittlung von Abgeordneten oder führenden Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei bedient hat und daß er insbesondere den Abgeordneten Dr. Breit-scheid nicht persönlich kannte. Ebenso hat Dr. v. Trützschler erklärt, daß seine Tätigkeit in der Informationsabteilung des Genfer Völkerbundes nicht auf Beziehungen zu dem früheren sozialdemokratischen Juristen Dr. Wertheimer zurückzuführen sei; er habe im Völkerbundssekretariat vielmehr in dauerndem Kampf mit Dr. Wertheimer gestanden. Mitglied der NSDAP seit dem 1. Oktober 1940; Mitglieds-Nr. 8 183 952. Entlastet durch Spruch der Spruchkammer Wiesbaden vom 7. Mai 1948; Hauptgrund der Entlastung: Weigerung, sich in den Führungsstab Ribbentrops eingliedern zu lassen, und angebliches Übergehen bei der Beförderung — siehe oben: 1934 Attaché, 1936 Vizekonsul, 1941 Legationsrat, 1944 Legationsrat I. Kl.! Die Vernehmung Dr. v. Trützschlers durch Dr. Schetter hat folgendes ergeben: Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung 1. v. T. hat dem SC angehört. Es ist unwahr, daß er dem SC Die Behauptung der FR ist unrichtig. 2. v. T. hatte einst die Aufgabe, die gut gefärbten angehöre oder angehört habe. Behauptung der FR, v. T. sei der Verfasser der Weißbücher, ist unrichtig. Weißbücher für die Ribbentrop-Außenpolitik zu verfassen und Presseinformationen und Propaganda zu bearbeiten. Es ist unwahr, daß er die Aufgabe gehabt habe, die Weißbücher zu verfassen. Wahr ist, daß er bei der technischen Edition verschiedener Weißbücher mitgewirkt habe, aber nicht als Verfasser der Weißbücher ange- Richtig allein ist, daß v. T. an der Edition der Weißbücher mitgewirkt hat. (Dr. Brill) Artikel der FR Dienstliche Äußerung Würdigung sprochen werden könne, da politische Zielsetzung, Aufbau und Gesamtgestaltung nicht von ihm, sondern von anderen Personen bestimmt worden seien. Artikel der FR ist insgesamt Aus der Erinnerung könne er daher mindestens entstellt. sagen, daß selbst Dr. Kempner nicht behauptet habe, daß er die Weißbücher verfaßt, sondern nur, daß er an ihrer Zusammenstellung mitgewirkt habe. Dr. v. Trützschler ist in der 19. und der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 27. März und 23. April 1952 vernommen worden. Dabei hat sich folgendes ergeben: Dr. v. Trützschler hat auf die Frage nach der Art und dem Maß seiner Beteiligung an der Verfassung von Weißbüchern stets ausweichend geantwortet und die Verantwortung für die unwahre Darstellung des Bombardements von Freiburg im Breisgau durch deutsche Flieger sofort auf einen Kollegen geschoben, nachdem er zugegeben hatte, daß ihm und anderen Beamten der Politischen Abteilung Zweifel an der Richtigkeit der deutschen Angaben gekommen sind. Nachdem Dr. v. Trützsc ler ein Schreiben vorgehalten worden war, in dem er das OKW um Mitteilungen für die hitlerische Kriegspropaganda in Spanien und Portugal gebeten hat (vergl. Anlage 2, XVI Seite 89 der Drucksache Nr. 3465), hat er von sich aus dem Ausschuß mitgeteilt, daß er während des ganzen Krieges die „Sprachregelungen", deren sich die deutschen diplomatischen Missionen bedienen sollten, im AA gemacht hat bzw. an ihrer Abfassung beteiligt gewesen ist. Schließlich hat Dr. v. Trützschler bis zuletzt in Abrede gestellt, von seiner Ernennung zum Sekretär für den Europa-Ausschuß des Ribbentropschen AA irgend etwas zu wissen bzw. sich daran zu erinnern. Dem Zeugen wurde das entsprechende Dokument (vergi. Anlage 2, XVII Seite 89 der Drucksache Nr. 3465) vorgelegt, das ihn im Verteiler und in der Liste, die die Zusammensetzung des Komitees enthält und unter Nr. 4 die Aufgaben des Sekretärs bezeichnet, nennt. Auch nach der Vorlage ist Dr. v. Trützschler bei der Behauptung geblieben, daß er sich weder an die Einsetzung des Europa-Ausschusses noch an seine Bestimmung zum Sekretär dieses Ausschusses erinnern könne. Votum Der Untersuchungsausschuß erhebt grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Weiterbeschäftigung im Auswärtigen Amt, empfiehlt aber, bis auf weiteres keine Beförderungen auszusprechen. Der Ausschuß spricht sich gegen eine Verwendung von Dr. Trützschler von Falkenstein im Ausland aus. Gründe: Eine Verwendung des Mannes, der während des ganzen Krieges in der Politischen Abteilung „sprachregelnd" an der Gestaltung der Kriegspropaganda beteiligt gewesen ist, im Ausland würde das Ansehen der Bundesrepublik schädigen. Insbesondere hält es der Untersuchungsausschuß für untragbar, daß Dr. v. Trützschler als Referatsleiter des AA die Europa-Politik der Bundesrepublik repräsentiert. Ebenso ist angesichts der Haltung Dr. v. Trützschlers bei seinen verschiedenen Vernehmungen, insbesondere bei der zweiten, vor dem Ausschuß, wo sich der Zeuge trotz der Vorlage unbezweifelbar echter Dokumente von großer Bedeutung auf das Nicht-erinnern-können zurückzog, seine Beförderung nicht gerechtfertigt. Schließlich empfindet es der Ausschuß als einen Mangel an Wahrheitssinn, daß Dr. v. Trützschler bis jetzt nichts unternommen hat, um sich über die wahren Vorgänge beim Bombardement von Freiburg im Breisgau zu unterrichten, obgleich ihm die Informationsquellen dafür angegeben worden sind. III. Zusammenfassung Der Untersuchungsausschuß kann eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse nur im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten, die ihm gegeben waren, vornehmen. Durch die Erschließung der Nürnberger Materialquellen, bei der sich das Münchner Institut für Zeitgeschichte als eine wertvolle Einrichtung erwiesen hat, war es dem Ausschuß möglich, in der Beweisaufnahme wesentlich über das Ergebnis hinauszukommen, das der Bericht von Dr. Schetter festgestellt hat. Der Untersuchungsausschuß muß jedoch darauf aufmerksam machen, daß durch die Erschließung neuer Materialquellen das Bild, das er durch die Abgabe seiner Voten vom gegenwärtigen Auswärtigen Amt und vorn gegenwärtigen Auswärtigen Dienst gezeichnet hat, ergänzt oder korrigiert werden könnte. Künftige Publikationen der Akten des Ribbentropschen Auswärtigen Amtes, insbesondere der angeblich noch in London lagernden sämtlichen Akten über die Judenpolitik, wären imstande, die Beurteilung einzelner Persönlichkeiten unter Umständen sogar grundlegend zu ändern. Nur unter Beachtung dieser Situation, der sich der Untersuchungsausschuß gegenüber sah, können und dürfen die Voten geprüft und die Zusammenfassung verstanden werden. Der Untersuchungsausschuß ist sich auch in jedem Zeitpunkte seines Verfahrens darüber im klaren gewesen, daß er ein politisches Instrument ist, beauftragt, bestimmte politische Fragen zu beantworten. Er nimmt also für sich nicht den Rang einer historischen Forschungskommission in Anspruch. Bei seiner Methode hat sich der Ausschuß mit den normalen Mitteln der juristischen Logik begnügt, wie sie durch die vom Grundgesetz vorgeschriebene sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung vorherbestimmt sind. So nahe (Dr. Brill) es gelegen hätte, unter strafprozessualen Gesichtspunkten weitere Methoden anzuwenden oder im historischen Interesse andere Methoden zu gebrauchen, hat der Ausschuß doch bewußt darauf verzichtet. Zusammenfassend beantwortet der Untersuchungsausschuß die vom Plenum gestellten Fragen wie folgt: 1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden? Ja. Es wurden einige Personen beschäftigt, deren Verwendung das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung beeinträchtigen konnte. Sie sind zum Teil entfernt, zum Teil sollen die Vorschläge des Untersuchungsausschusses über ihre weitere Verwendung es unmöglich machen, daß fernerhin eine Gefährdung des Ansehens der Bundesrepublik stattfindet. 2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen? Bei den höheren Beamten lassen sich in bestimmten Fällen (Dr. Haas, Dr. Melchers, Blankenhorn, Dr. Schwarz, Dr. Dittmann) kausale Zusammenhänge in bezug auf die Berufung von früheren Mitgliedern des AA nachweisen. Das Verhalten dieser Beamten könnte durch eine fahrlässige Führung der Amtsgeschäfte erklärt werden, die durch guten Glauben und nicht genügende Kenntnis aller Tatsachen zustande gekommen ist. In bezug auf die oberen (gehobenen mittleren) Beamten kann diese Frage kausal eindeutig beantwortet werden. Es steht fest, daß mit Vorwissen und unter Duldung unmittelbarer Vorgesetzter eine Gruppe ehemaliger Nationalsozialisten am Werke gewesen ist, die durch einen außerhalb des Amtes geführten Briefwechsel versucht hat, Personen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durchaus nicht immer ein einwandfreies Verhalten an den Tag gelegt haben, zu reaktivieren. Einer dieser Leute ist verstorben, die anderen waren schon zu Beginn der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses versetzt worden. Es ist Sache des Bundestages, aus dieser Antwort auf die von ihm unter 2) gestellte Frage Folgerungen abzuleiten. 3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren? Der Bundesaußenminister hatte den Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Schetter beauftragt, die Anschuldigungen der „Frankfurter Rundschau" zu untersuchen. Mißgriffe in der Personalpolitik sind durch das Ergebnis der Schetterschen Untersuchungen infolge der angewandten Methode nicht aufgedeckt worden. Der Untersuchungsausschuß mußte — wie der vorliegende Bericht beweist — zu einem anderen Ergebnis kommen. Dem Untersuchungsausschuß ist während seiner Tätigkeit bekannt geworden, daß der Bundesaußenminister in verschiedenen Fällen im Sinne der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses Mißstände abgestellt hat. Welche Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen hat, um Mißgriffe der festgestellten Art in Zukunft zu verhüten, ist dem Untersuchungsausschuß bisher nicht bekannt. Um Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren, hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amts vor der Presse Erklärungen abgegeben, die in Anlage 3 abgedruckt sind (siehe Drucksache Nr. 3465 Seite 93). IV. Empfehlungen Der Untersuchungsausschuß empfiehlt: 1. In der Erwägung, a) daß die dem Bundesaußenminister unmittelbar verantwortlichen leitenden Beamten (Staatssekretär und Leiter der Abteilung II) völlig überlastet sind, b) daß die in den nachstehenden Ziffern 2 bis 6 genannten Zielsetzungen und damit eine Normalisierung der Arbeit des Auswärtigen Amts in sachlicher und demokratischer Beziehung erreicht und die notwendige Verbindung zum Parlament verbessert werden können, wenn die vorgenannten leitenden Beamten von einem Teil der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben entlastet werden, ist im Bundesaußenministerium ein weiterer Staatssekretär zu bestellen, der insonderheit a) unmittelbar verantwortlich dem Bundesaußenminister, ausschließlich die Verwaltung des Auswärtigen Amts leitet; b) die Durchführung der in Ziffer 2 festgelegten personalpolitischen Grundsätze überwacht; c) die Tätigkeit der einzelnen Abteilungen koordiniert; d) für die laufende Unterrichtung der Auslandsmissionen Sorge trägt. 2. Der Posten des Leiters der Personalabteilung im Auswärtigen Amt soll beschleunigt mit einer Persönlichkeit besetzt werden, die nicht als Angehöriger des Ribbentropschen AA der Politik des Dritten Reiches widerstandslos gedient hat und nach jeder Richtung Gewähr bietet, daß die Personalpolitik den Erfordernissen der Demokratie entspricht. Dem Leiter der Personalabteilung müssen die ihm nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Bundesministerien zustehenden Befugnisse, insbesondere das Recht des unmittelbaren Vortrags beim Staatssekretär, tatsächlich eingeräumt werden. 3. Das Bundesgesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 11. Mai 1951 ist innerhalb des Geschäftsbereichs des AA beschleunigt durchzuführen. Besonderer Nachdruck ist auf die Durchführung der Wiedereinstellungsbestimmungen dieses Gesetzes zu legen. Spätestens bis zum 30. September 1952 hat das AA dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und dem Haushaltsausschuß des Bundestages einen Bericht über die Durchführung des Wiedergutmachungsgesetzes zu geben. Dabei ist insbesondere mitzuteilen, wieviele frühere Angehörige des Auswärtigen Dienstes, die durch das Hitlerregime widerrechtlich oder unter Anwen- (Dr. Brill) dung von Zwang entfernt worden oder ausgeschieden sind, wieder eingestellt wurden und aus welchen Gründen bei der restlichen Zahl von Wiedergutmachungsberechtigten von einer Wiedereinstellung abgesehen worden ist. 4. Der Bundestag beauftragt die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Nr. 47 in ihrer Gesamtheit, zwei Personen mit außenpolitischer und juristischer Bildung und Erfahrung mit der Nachprüfung der bisher vorliegenden Beschwerden über die Personalpolitik des AA zu betrauen. Sie haben dem Bundestag in geeigneter Weise über das Ergebnis dieser Prüfung zu berichten. 5. Künftige Aktenpublikationen und andere wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Tätigkeit der Zentralbehörden der nationalsozialistischen Zeit werden unter der Verantwortung des Bundesjustizministeriums daraufhin geprüft, ob sie Aufschlüsse für die Verwendbarkeit der darin erwähnten Personen im Bundesdienst geben. 6. Der Bundestag beauftragt die Bundesregierung, bis zum 31. Dezember 1952 dem Auswärtigen Ausschuß einen umfassenden Bericht über die rechtliche Gestaltung des Auswärtigen Dienstes ausländischer Staaten und die dort für den Auswärtigen Dienst geltenden Anstellungsbedingungen vorzulegen. Der Auswärtige Ausschuß wird zu diesem Bericht Stellung nehmen und sich dazu äußern, ob und nach welchen Richtlinien ein Gesetz über den Auswärtigen Dienst für die Bundesrepublik zu schaffen wäre. Bonn, den 18. Juni 1952 Dr. Brill Berichterstatter
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123400000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 234. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir wiederum die Pflicht,

(die Abgeordneten erheben sich)

eines heimgegangenen Kollegen zu gedenken. Am 21. Oktober ist im Alter von 55 Jahren der Abgeordnete der CDU-Fraktion dieses Hauses Herr Dr. Bernhard Povel nach einer Operation in München heimgerufen worden. Herr Dr. Povel ist am 28. August 1897 in Amsterdam geboren. Er hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert und hat 1922 an der Kölner Universität promoviert. Er ist dann in der Wirtschaft tätig gewesen und war Teilhaber der Kommanditgesellschaft Povel,


(Präsident Dr. Ehlers)

Nordhorn. Er war im Grenzlandkreis Bentheim Mitbegründer der CDU und wurde 1948 Mitglied des Kreistags. 1949 wurde er als Vertreter des niedersächsischen Wahlkreises 4 (Emsland) in den Deutschen Bundestag gewählt. Hier war er stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Sozialpolitik.
Meine Damen und Herren! Wir stehen mit Erschütterung wieder am Grabe eines Kollegen, der in den besten Lebensjahren aus unserem Kreise abberufen worden ist. — Sie haben sich zu seinen Ehren von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich darf weiterhin an die Tatsache erinnern, daß in dieser Woche das deutsche Volk aller seiner Kriegsgefangenen

(die Abgeordneten erheben sich erneut)

und aller derjenigen, die noch nicht heimgekehrt sind, gedenkt. Wir wissen, daß sehr viele Menschen in Deutschland in dieser Woche mit Trauer und Sehnsucht an die Menschen denken, denen es sieben Jahre nach Beendigung des Krieges noch nicht geschenkt ist, in die Heimat und zu den ihren zurückzukehren. Wir wissen, daß aus den Gefängnissen und Lagern diese gleichen Gedanken in die Heimat gehen. Der Deutsche Bundestag tut recht daran, wenn er sich als Repräsentanz des deutschen Volkes in diese Gemeinschaft des Mitfühlens und der Verbundenheit hineinstellt. — Das haben Sie durch Ihr Erheben von den Plätzen bekundet. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Freiherr von Rechenberg,

(Abg. Dr. Mende: Kommt noch, Herr Präsident!)

den ich im Augenblick noch nicht in unserem Kreise sehe, feiert heute seinen 60. Geburtstag. Ich darf ihm unsere herzlichen Glückwünsche zum Ausdruck bringen.

(Beifall.)

Nachträglich darf ich Herrn Abgeordneten Morgenthaler zu seinem 64. Geburtstag,

(Beifall)

den er am 18. Oktober gefeiert hat, und Herrn Abgeordneten Dr. Kleindinst zu seinem 71. Geburtstag,

(Beifall)

den er am 20. Oktober gefeiert hat, unsere herzlichsten Glückwünsche zum Ausdruck bringen.
Ich bitte um freundliche Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Julie Rösch (CDU):
Rede ID: ID0123400100
Es suchen für längeren Zeitraum um Urlaub nach die Abgeordneten Stech für drei Wochen wegen Krankheit, Jacobs für drei Wochen wegen Krankheit, Sander für zwei Wochen wegen Krankheit und Dr. Laforet für weitere zwei Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Bauereisen, Frau Hütter, Frühwald, Schmitz, Wönner, Kahn, Lemmer, Dr. Nölting, Harig, Reimann, Lausen, Dr. von Brentano, Höfler, Etzel (Duisburg), Frau Dr. Steinbiss, Löfflad, Mauk.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Orth, Junglas, Hoppe, Frau Meyer-Laule, Dr. Pfleiderer, Tenhagen, Dr, Wuermeling, Gockeln, Frau Dr. Rehling, Agatz, Dr. Keller.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123400200
Ich darf annehmen, daß der Urlaub, soweit er über eine Woche hinausgeht, von Ihnen genehmigt ist. — Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. Oktober 1952 beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betreffend die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern,
Güterkraftverkehrsgesetz,
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer
des Gesetzes über den Kapitalverkehr.
Er hat weiter beschlossen, zum Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 16. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 292 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Fremdrentengesetz — Drucksache Nr. 3682 -
beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3772 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 10. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 294 der Fraktion der CDU/CSU betreffend Brasilianisches Clearing —Drucksache Nr. 3699 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3771 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 20. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 295 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Ergänzung zum Umstellungsgesetz — Drucksache Nr. 3719 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3784 vervielfältigt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 3. Oktober 1952 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1952 nebst Stellenplan und Genehmigungsbeschluß der Bundesminister für Verkehr und der Finanzen mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Ein Exemplar des Wirtschaftsplans liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 6. Oktober 1952 mitgeteilt, daß der in der 230. Sitzung des Deutschen Bundestages beschlossene Antrag auf Erstattung eines Rechtsgutachtens über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgesandt worden ist.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 14. Oktober 1952 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 116. Sitzung das Gutachten über die Kosten- und Ertragslage der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft übersandt. Ein Exemplar des Gutachtens liegt im Archiv zur Kenntnisnahme auf.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Landtagswahlen im Saargebiet (Nr. 3621 der Drucksachen);


(Präsident Dr. Ehlers)

b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Undemokratische Verhältnisse an der Saar (Nr. 3627 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Große Anfrage und den Antrag eine Begründungszeit von höchstens 30 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von höchstens 120 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung der Großen Anfrage und des Antrags hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Dr. Mommer (SPD) Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Saargebiet ist nach Geschichte und Volkstum deutsches Gebiet. Das wird heute selbst in Frankreich kaum bestritten. Weil die Amerikaner und die Engländer dieser Überzeugung waren, widersetzten sie sich bei den Friedensverhandlungen in Versailles sowohl wie nach 1945 der jedesmal von Frankreich geforderten Annexion des Saargebietes. Beide Male mußte sich Frankreich mit Geringerem zufrieden geben, mit dem Völkerbundregime damals, mit der sogenannten Autonomie jetzt. Mit dem Versailler Friedensvertrag trat das Saargebiet zum erstenmal auf die Bühne der Weltgeschichte. Es ist also eine ganz junge Schöpfung der französischen Politik. Im Jahre 1945 wollten de Gaulle und Bidault ein Super-Versailles. Sie wollten die Saar annektieren, das Rheinland von Deutschland separieren, das Ruhrgebiet wirtschaftlich und politisch internationalisieren. Heute würde man für „internationalisieren" das modischere Wort „europäisieren" gebrauchen. Die Kraft Frankreichs stand nicht im Verhältnis zu seinen Ambitionen, und so blieben von diesem Programm nur die wirtschaftliche Europäisierung der Rohstoffe der Ruhr und die Verwandlung des Saargebiets in ein französisches Protektorat. Aber Kraft ist ein relativer Begriff, nämlich im Verhältnis zu den Gegenkräften, und die gegenwärtigen Verhandlungen über eine Änderung des Status der Saar haben ihren Grund in der Verschiebung des Kräfteverhältnisses. Zeuge dafür ist mir niemand anders als der französische Außenminister Robert Schuman, dessen Äußerung vor dem Auswärtigen Ausschuß der französischen Nationalversammlung am 20. August dieses Jahres ich aus der Zeitung „Le Monde" übersetze. Der Minister erinnerte die Abgeordneten an die Bemühungen Frankreichs, dem Saargebiet zu helfen, sich als nationale Einheit, als Nation durchzusetzen.

(Hört! Hört! bei der SPD.) Aber von jetzt an

— fuhr der Minister fort —
besteht die Gefahr, daß die Zeit gegen uns arbeitet. Angesichts des Wiederaufstiegs Deutschlands erinnert sich die öffentliche Meinung an der Saar an den Ablauf der Ereignisse von 1920 bis 1935. Andererseits werden 1953 in Deutschland neue Wahlen stattfinden, und wir wissen nicht, wer dann unser Gesprächspartner sein wird und welches seine Einstellung sein wird. Schließlich ist die Tatsache, daß die Ratifikation des Generalvertrags und des Vertrags über die Verteidigungsgemeinschaft, die von Deutschland gewünscht wird,
noch in der Schwebe ist, günstig für die Ausarbeitung eines neuen provisorischen Statuts.
Herr Schuman gestattet uns noch einen weiteren Einblick in die französische Saarstrategie. Wenn der Friedensvertrag kommt, sagte er, muß das endgültige Saarstatut die einstimmige, also auch die deutsche Billigung finden. Deshalb sucht er ein Übergangsstatut, das Deutschland schon jetzt an einer andern Lösung als einer brutalen Wahl zwischen der einen und der andern Nation interessieren soll. Es sei wesentlich, den Menschen an der Saar nicht noch einmal die Frage „Frankreich oder Deutschland?" vorzulegen. In Übereinstimmung mit Bonn soll ihnen die Frage vorgelegt werden: „Seid ihr für das europäische Statut, über das wir uns in Bonn und in Paris einig sind?".
Diese Äußerungen des Initiators der gegenwärtigen Saarverhandlungen waren sicher nicht für das deutsche Publikum bestimmt. Mit aller nur wünschenswerten Klarheit ist hier gesagt: es geht darum, das auf die Dauer zum Sinken verurteilte Saarschiff durch zeitiges Abwerfen von überflüssigem Ballast und durch geschicktes Ausnutzen der europäischen Winde wieder zum Schwimmen zu bringen. Es ist nur von französischen Interessen die Rede. Es wird nicht einmal der Versuch gemacht, dem vorgeschlagenen Statut eine notwendige oder auch nur eine nützliche Funktion bei der sogenannten Integration Europas zu geben. Nach der gescheiterten Annexionspolitik und der zum Scheitern verurteilten Protektoratspolitik ist die Europäisierung die dritte Form zur Sicherstellung der wesentlichen Elemente der französischen Saarpolitik: der Lostrennung von Deutschland und der Wirtschaftsunion mit Frankreich.
Auch die Verweigerung der demokratischen Freiheiten soll unter dem neuen Regime weitergehen; auch das europäisierte Gebiet soll ein Polizeistaat sein. Aus den uns zugänglichen Äußerungen von Minister Schuman, von Herrn Grandval und ihren separatistischen Gehilfen geht klar hervor, daß sie nicht daran denken, der unverzichtbaren deutschen Forderung zu entsprechen, daß jede Änderung des derzeitigen Zustandes an der Saar, ja eigentlich doch schon jede Diskussion darüber mit der Einführung der Parteien-, der Presse- und der Versammlungsfreiheit beginnen müßte. Wir bitten den Herrn Bundeskanzler, hier zu bestätigen, daß dies auch seine Überzeugung ist.
Statt dessen haben die Männer in Paris und Saarbrücken, die bisher jede Volksabstimmung für antidemokratisch und die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland vergiftend ablehnten, entdeckt, daß die Polizei- und Diktaturstaaten dieses und des vergangenen Jahrhunderts sich des Plebiszits mit Erfolg bedient hatten, wenn zweckmäßige Ja-oder-Nein-Fragen gestellt wurden und auf diese Weise der Schein demokratischer Legitimation ihres Regimes zu erlangen war. So soll auch jetzt die Frage gestellt werden: Bist du für die Europäisierung, ja oder nein?
Klar scheint auch folgendes zu sein, und der Herr Bundeskanzler wird sich dazu äußern müssen. Nach dem Plan soll zuerst das Plebiszit kommen. Vorher sollen die unterdrückten Parteien nicht zugelassen werden, weil man ja im Plebiszit die Europäisierung zur Annahme bringen will und diese Parteien doch Neigung zum Verbleiben der Saar bei Deutschland hätten. Nach einem für den Separatismus günstigen Plebiszit aber beruft man sich auf die sogenannte Europäisierung als das Kernstück der staatlichen Ordnung. Und Parteien,


(Dr. Mommer)

die dann noch eine andere Lösung erstrebten, blieben als verfassungswidrig verboten.
Ich kann hier nur sehr kurz auf die sogenannten Verfassungsargumente eingehen, mit denen Herr Schuman und die Saarbrücker Machthaber die Unterdrückung der deutschen Parteien rechtfertigen. Nur soviel sei gesagt: Durch eine kürzlich erschienene Arbeit über die Saarverfassung und ihre Entstehung ist eindeutig nachgewiesen worden, wie sehr das Parteiengesetz und seine Handhabung im Widerspruch zu der Saarverfassung stehen, deren Entstehungsgeschichte im übrigen gar nicht dazu angetan ist, freien Menschen auch nur einen Funken Respekt abzunötigen. Der Herr Hoffmann stolpert nach seiner eigenen Versicherung nicht über vorhandene Zwirnsfäden der Verfassung; aber bei Bedarf stolpert er auch über solche, die er eigens hineininterpretiert.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Als man 1947 über diese Verfassung beriet, gab man der sogenannten Bewegung für den politischen Anschluß an Frankreich noch eine Chance. Darum hat man die einschlägigen Artikel der Verfassung so gefaßt, daß ein Eintreten für den Anschluß an ein demokratisches Land verfassungsmäßig zulässig war. Daß nun das demokratische Land auch Deutschland sein könnte, haben die kurzsichtigen Verfassungsmacher nicht bedacht, und sie müssen jetzt ihre Zuflucht zu einer gewaltsamen Interpretation nehmen. Im übrigen wird es den Herren immer sehr schwerfallen, glaubhaft zu machen, daß es in einem Gebiet, das selbst nach französischer These wenigstens bis zum Friedensvertrag staats- und völkerrechtlich zu Deutschland gehört, verfassungsmäßig unmöglich sein soll, für den Verbleib des Gebiets bei Deutschland einzutreten.
Zu diesem Treiben darf ich eines sagen. Das Spiel, das an der Saar mit der politischen Freiheit der Deutschen getrieben wird. wird immer mehr eine ganz unerträgliche Beleidigung und eine Verhöhnung des demokratischen Kernstücks des Europagedankens.

(Zustimmung bei der SPD.)

Herr Schuman war sich sicher im klaren darüber, wie unannehmbar sein Europäisierungsvorschlag für uns sein mußte. Er hat deshalb auch ein Pressionsmittel bereitgehalten.
Die deutsche Regierung
— hat er vor dem Parlamentsausschuß gesagt — darf sich keine Illusion über das Schicksal des Verteidigungsvertrags machen, wenn sie sich weigerte, einer zufriedenstellenden Saarregelung zuzustimmen.

(Hört! Hört! links.)

Dieses neue Junktim ist für die Beurteilung der Führung der Saar- und Vertragspolitik der Bundesregierung .überaus aufschlußreich.

(Zuruf von- der SPD: Gleichberechtigung!) Wir werden in der Aussprache darauf zurückkommen.

Hier darf ich noch einige Bemerkungen zum Gang der Verhandlungen machen, die in Paris am 23. Juli mit dem überraschenden Vorschlag Schumans ihren Anfang nahmen. Es haben seitdem eine Reihe von Verhandlungen stattgefunden, es sind Briefe und Memoranden gewechselt worden. Die deutsche Volksvertretung ist nicht unterrichtet worden. Der Herr Bundeskanzler hat der sozialdemokratischen Opposition von dem Brief an Herrn Schuman vom 1. Oktober vertraulich Kenntnis gegeben. Vom weiteren Gang der Ereignisse hat niemand etwas Authentisches erfahren.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wir haben andererseits mit Genugtuung festgestellt, daß der Herr Bundeskanzler schließlich die Sprecher der kämpfenden Parteien an der Saar mehrmals zu Beratungen empfangen hat. Wir wünschen, daß diese Beratungen vor jedem wichtigen Schritt in der Saarpolitik stattfinden. Wir möchten auch den sehr dringenden Wunsch aussprechen, daß die Führung der Einheitsgewerkschaft, der größten Organisation des Saargebiets, in diese Gespräche mit eingeschaltet wird. Man kann nicht über die Saar verhandeln, ohne über die Saarwirtschaft und insbesondere die Saargruben zu sprechen. Wir möchten sichergestellt wissen, daß die Interessen der Arbeiterschaft, die am meisten unter dem derzeitigen Zustand leidet und seine Änderung wünscht, immer berücksichtigt werden. Alle unsere Schritte müssen eine Verbesserung der Lage der Arbeiter und der übrigen sozialen Schichten der Saarbevölkerung zum Ziel haben . und so die niedrige Propaganda der Separatisten Lügen strafen, die jedes Bekenntnis zu Deutschland als einen Verlust für das Portemonnaie darzustellen versucht.
Ich will die Saarbeschwerde beim Europarat nur kurz erwähnen. Um nicht über die Beschwerde sprechen zu müssen, haben die Minister diesmal vor der Tagung der Beratenden Versammlung entgegen der Tradition keine Sitzung abgehalten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Unser Antrag in der Drucksache Nr. 3627, der die Verfolgung der Beschwerde verlangt, wird mit der notwendigen Terminänderung voll aufrechterhalten. Wir können es dem Europarat nicht ersparen, daß er sich mit den Zuständen an der Saar befaßt, die mit seinem Statut nicht vereinbar sind. Inzwischen ist auch die Beratende Versammlung mit der Saarfrage befaßt worden. Sie will tief einsteigen in die gesamte Problematik. Wir Deutsche vertreten eine gerechte Sache und begrüßen jede Behandlung der Saarfrage um so mehr, je gründlicher sie ist. Die deutschen Delegierten aller Fraktionen sind bei dieser Gelegenheit als eine geschlossene Einheit aufgetreten. Möge es auch hier in Bonn gelingen, uns zu einer solchen geschlossenen Haltung zusammenzufinden.
Meine Damen und Herren, die französische Zeitung „Le Monde" hat jüngst einen ungewöhnlich scharfen Artikel gegen den Vorschlag der Bundesregierung veröffentlicht, der eine auf fünf Jahre befristete Übergangslösung vorsah. Die Zeitung schreibt, daß in Frankreich die vorn Bundeskanzler vorgeschlagene provisorische Europäisierung als ein Dummenfang aufgefaßt werde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich habe unter Berufung auf den Leiter der französischen Politik die Genesis und das Wesen des französischen Europäisierungsvorschlags auseinanderzulegen versucht. Kann es unter diesen Umständen Wunder nehmen, wenn der Europäisierungsvorschlag bei uns als ein Dummenfang aufgefaßt wird, und versteht man es vielleicht, daß es uns ein wenig empört, daß die Saarseparatisten, diese sehr schlechten Deutschen, bei dieser Gelegenheit zu Mustereuropäern befördert werden sollen?

(Zurufe von der SPD: Sehr richtig! Sehr wahr!)



(Dr. Mommer)

Die Bundesregierung ist sicher nicht in Gefahr, auf Dummenfang hereinzufallen; aber was uns in den vergangenen Monaten oft schwere Sorgen gemacht hat und noch macht, ist dies: Wird die Bundesregierung nicht durch ihre falsch begonnene Saarpolitik, ihre Politik der Vorleistungen und durch die Begierde nach Ratifikation des Verteidigungsvertrags gedrängt, so zu tun, als sähe sie die Falle nicht, und schließlich den Deutschen den französischen Plan als europäische Großtat anzupreisen? Unsere Befürchtungen sind durch den Brief vom 1. Oktober kaum geringer geworden. Aber was dann an Beteuerungen über Mißverständnisse und andere Übergangsfristen gefolgt ist — schließlich auch der Saarzwischenfall auf dem Parteitag der CDU —, hat uns Anlaß zu größter Besorgnis gegeben. Wir fürchten, daß die Bundesregierung die guten Rechtsgrundsätze, auf die die deutsche Saarpolitik gegründet sein muß, aufgibt und sich auf die Ebene des Aushandelns von Erstgeburtsrechten gegen Linsengerichte begibt.

(Abg. Arnholz: Sehr gut!)

Die SPD-Fraktion hat in einem Antrag zur Saarfrage vom Juni des vorigen Jahres, der immer noch im Auswärtigen Ausschuß liegt, gefordert, daß bei der Behandlung der Saarfrage von folgenden Grundsätzen auszugehen sei: Das Saargebiet ist nach deutschem und internationalem Recht ein Teil Deutschlands und der französischen Besatzungszone. Die gegenwärtigen Gewalten im Saargebiet sind Besatzungsgewalten. Bei Verhandlungen über das Saargebiet muß das Recht wiederhergestellt werden. Die demokratischen Freiheiten müssen garantiert und der de-facto-Abtrennung muß ein Ende gesetzt werden. Diese unsere auch heule noch unveränderte Haltung schließt nicht aus, daß über wirtschaftliche Fragen weitgehende Abmachungen mit weitgehendem Entgegenkommen an französische Interessen getroffen werden können. Auf diesen Punkt werden wir auch in der Aussprache zurückkommen.
Eine generelle Kritik an der gesamten Methode der Saargespräche drängt sich uns auf. Von Frankreich, wo nach der Feststellung des Kanzlers im April an dieser Stelle der europäische Geist noch nicht weit genug durchgedrungen war, um positive Saarverhandlungen zu ermöglichen, wird drei Monate später ein Vorschlag zur Europäisierung der Saar gemacht. Die Bundesregierung tut dann so, als hätte der europäische Geist rapide Fortschritte gemacht. Sie verhandelt erneut. Werden ihr gelegentlich nationale Motive unterstellt, so erklärt sie, daß sie völlig mißverstanden sei, und beteuert in neuen Briefen ihre europäische Gesinnung. Meine Damen und Herren, bei der Überwindung des Gegensatzes in der Saarfrage geht es um große und grundsätzliche Dinge. Dem wird man nicht gerecht, wenn man versucht, mit den kleinen Mitteln der diplomatischen Schläue durchzukommen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn es nicht möglich ist, mit Geradheit und Grundsatztreue zur Verständigung zu gelangen, dann ist es besser, vorläufig auf Verhandlungen zu verzichten. Wir Sozialdemokraten sind der Überzeugung, daß die Schaffung einer engeren Gemeinschaft zwischen den Nationen nicht durch einseitige Opfer vorwärtsgebracht werden kann, am wenigsten durch einseitigen Verzicht auf Jahrhunderte altes nationales Gebiet. Eine dauerhafte europäische Gemeinschaft kann nur in Gleichheit
aller Partner unter Wahrung ihrer nationalen Einheit erstehen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123400300
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundeskanzler das Wort.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0123400400
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wie Sie wissen, schweben zur Zeit zwischen dem französischen Außenminister und mir als Vertreter der Bundesregierung Verhandlungen.

(Zuruf von der KPD: Das ist bekannt!) Diese Verhandlungen sind nicht aussichtslos.


(Abg. Renner: Das merkt man! Für wen? Für die Amerikaner oder für Sie?)

Ich bitte Sie daher, Verständnis dafür zu haben, wenn ich mir im gegenwärtigen Augenblick größte Zurückhaltung auferlege.

(Abg. Rische: Das tun Sie doch immer!) Das liegt auch durchaus im deutschen Interesse,


(Zuruf von der KPD: Na, na!)

damit es nicht etwa — nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern — so aussieht, als erfolgten von hier aus Störungen.

(Zuruf von der KPD: Das stand auch schon in der Presse! — Gegenruf aus der Mitte: Schwätzer! — Abg. Renner: Wer?)

Ich werde aber, meine Damen und Herren, Vertreter des Parlaments von jeder Wendung, die in den Verhandlungen eintritt, unterrichten.

(Zuruf des Abg. Renner: Warum nicht das Parlament?)

Zu den einzelnen Fragen möchte ich, soweit sie sich noch nicht erledigt haben, folgendes erklären.
Wenn bis zur nächsten Sitzung des Ministerrats des Europarats keine Verständigung erfolgt ist, wird selbstverständlich von meiner Seite aus darauf bestanden werden, daß die Frage dort erörtert wird. Die Sitzung des Ministerrats im September - das hat mein Herr Vorredner schon gesagt - ist gegen meine Stimme vertagt worden
Die Frage, ob die Bundesregierung bereit ist, eine Abschrift ihrer Saar-Beschwerdeschrift der Organisation der Vereinten Nationen zur Kenntnisnahme zu übersenden, kann ich erst dann beantworten, wenn die etwaige Verhandlung im Ministerrat des Europarats stattgefunden hat.
Die weitere Frage, welche Rückwirkungen die Unterdrückung der Deutschen an der Saar auf das Bestreben der Bundesregierung, den Generalvertrag und den Vertrag Tiber die Europäische Verteidigungsgemeinschaft möglichst bald zu ratifizieren, habe, beantworte ich wie folgt.
Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß im Interesse der Bundesrepublik und auch der Sowjetzone und im Interesse des Friedens in Europa und in der Welt eine möglichst baldige Ratifizierung notwendig ist. Weiter bin ich der Auffassung, daß, wenn diese Ratifizierung erfolgt ist und his dahin eine Lösung der Saarangelegenheit noch nicht eingetreten ist. sie durch die Ratifizierung nicht erschwert, sondern erleichtert wird.

(Zuruf links: Wie ist es mit dem französischen Junktim?)



(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

— Ich bin nicht dafür verantwortlich, was französische Politiker tun.

(Lachen links und Zurufe: Aha! — Abg. Renner: Sie wollen sie überspielen! — Heiterkeit.)

Die weitere Frage, ob die Bundesregierung bereit sei, sich zu dem Kampf der unterdrückten deutschen Parteien an der Saar zu bekennen!

(Zuruf von der KPD: Und hier!)

Der Begründer der Großen Anfrage hat schon hervorgehoben, daß mehrere Besprechungen zwischen den Vertretern der nicht zugelassenen Parteien und mir stattgefunden haben. Diese Besprechungen werden fortgesetzt werden, und ich bin auch .gern bereit. mit der Leitung der Einheitsgewerkschaft in Verbindung zu treten.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Was stand denn auf dem Zettel?)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123400500
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage: Wird eine Besprechung der Großen Anfrage gewünscht?

(Zurufe: Jawohl!)

— Sie wird von einer hinreichenden Anzahl von Abgeordneten gewünscht; die Besprechung findet statt.
Ich eröffne die Besprechung über diese Große Anfrage und über den Antrag auf Drucksache Nr. 3627 im Rahmen der vereinbarten Redezeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Mayer (Stuttgart).

Ernst Mayer (FDP):
Rede ID: ID0123400600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens und im Auftrage der CDU/CSU, der FDP und der DP habe ich zu erklären:
Die Parteien sind sich einig in dem Bestreben, das an der Saar herrrschende Unrecht zu beseitigen und seine Verewigung — auf geradem oder ungeradem Wege — zu verhindern. Im Hinblick auf die schwebenden Verhandlungen zwischen den Außenministern Deutschlands und Frankreichs begnügen sie sich heute mit folgenden Feststellungen.
Weder die Alliierten noch die deutsche Bundesregierung sind berechtigt, vor Abschluß eines Friedensvertrages an der Saar eine endgültige Regelung zu treffen.
Die durch einseitigen Akt dort geschaffenen und mit allen Mitteln des Gesinnungszwangs und der wirtschaftlichen Bedrohung aufrechterhaltenen Zustände erfordern im Interesse der betroffenen Bevölkerung und der europäischen Befriedung eine sofortige Revision.
Diese muß nach Auffassung der drei Parteien die Wiederherstellung der demokratischen Freiheiten, insbesondere die völlige Betätigungsfreiheit demokratischer Parteien und die Revision der für Volk und Wirtschaft an der Saar untragbaren einseitigen politischen und wirtschaftlichen Bindungen an Frankreich zum Inhalt haben.
Ein Votum des gegenwärtigen saarländischen Landtags oder eines unter den gegenwärtigen Bedingungen gewählten Nachfolgers kann ebensowenig als eine Meinungsäußerung des Volkes an der Saar gewertet werden wie eine etwa unter Gesinnungszwang und einseitiger Fragestellung in Szene gesetzte Volksabstimmung.
Die drei Parteien hoffen immer noch, daß eine deutsch-französische Einigung auf dieser Basis gefunden wird, die geschaffenes Unrecht beseitigt und eine konstruktive Lösung aus dem Willen zum gerechten Ausgleich und zur Verständigung einleitet.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Zuruf links: Was ist mit der Europäisierung? — Zuruf von der KPD: Was sagt denn Dr. Adenauer dazu? — Gegenruf von der Mitte: Fragen Sie ihn doch! — Gegenruf von der KPD: Wir haben ihn gefragt!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123400700
Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

(Zuruf von der KPD.)

— Herr Abgeordneter Niebergall, ich kann das gegen das Licht sehr schwer sehen; sonst kenne ich Sie.

(Zuruf von der KPD: Die KPD ist zu übersehen; da kann man nichts machen!)


Otto Niebergall (KPD):
Rede ID: ID0123400800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten verhandelt Herr Dr. Adenauer hinter verschlossenen Türen, ohne den Bundestag und das deutsche Volk zu fragen oder zu unterrichten. Auch heute hat er uns hier nicht das letzte über seine wahren Absichten und Hintergründe der Verhandlungen gesagt. Dieses Spiel wurde leider durch die Fraktionsführung der SPD erleichtert. Viermal war sie mit der Vertagung der Behandlung ihrer Anträge einverstanden. Auch gestern hat man erneut versucht, die heutige Diskussion zu vertagen. Wenn es anders gekommen ist, dann nur wegen des Druckes von außen. Unser Volk will endlich wissen, über was verhandelt wird. Die Wege des Herrn Dr. Adenauer in der Saarfrage sind voller Winkelzüge. Es bedarf deshalb der Beleuchtung des Weges.
Seitdem die amerikanischen Imperialisten zur Verwirklichung ihrer Pläne die deutschen Monopolisten in Westdeutschland wieder in den Sattel gehoben haben und diese fleißig in Rüstungsgeschäften machen, ist der alte traditionelle Streit zwischen dem Comité des Forges und den Herren an der Ruhr in vollem Gange. Wohl sitzt man einträchtig in der Hohen Behörde zusammen, — nach außen hin, aber in Wirklichkeit wird dort ein Kampf um die Quote geführt. In dieser MontanUnion vertreten die deutschen Monopolisten 51 % der Kohle und 38 % des Stahls und die Herren des Comité des Forges 23 % der Kohle und 27 % des Stahls. Durch die gewaltsame Abtrennung des Saargebiets verfügen die französischen Monopolisten zusätzlich über weitere 7 % Kohle und 6 % Stahl. Um diesen Anteil geht der Streit. Würde der Anteil der Saar den deutschen Monopolisten zufallen, dann könnten sie die erste Geige in der Schumanplanbehörde spielen. Dagegen wehren sich allerdings die französischen Imperialisten. Sie pochen auf das Recht, das ihnen die Amerikaner gegeben haben.
Um was gehen die Verhandlungen zwischen Bonn und Paris? Die Saar soll erstens entgegen dem Willen der Bevölkerung europäisiert und dem Ministerrat des Schumanplans unterstellt werden. Dabei sollen zweitens die von dem Separatisten Hoffmann mit Frankreich abgeschlossenen Konventionen in ihrem Kern weiter in Kraft bleiben. Was aber bedeutet das? Entgegen der geschichtlichen Überlieferung, entgegen den Bestimmungen des


(Niebergall)

Potsdamer Abkommens und den Erklärungen der Regierung der Sowjetunion und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik soll die Saar endgültig von Deutschland abgetrennt werden. Dr. Adenauer maßt sich dabei Rechte an, die ihm das deutsche Volk niemals zugestanden hat oder jemals zugestehen wird.

(Zustimmung bei der KPD.)

Weder die Bevölkerung an der Saar noch die in ganz Deutschland wird je anerkennen, was Dr. Adenauer gegen ihren Willen festlegen will.

(Zuruf von der Mitte: Ostpreußen auch nicht!)

Einen der Europäisierung der Saar vergleichbaren Zustand hatten wir schon einmal an der Saar. Ich erinnere an die Zeit von 1918 his 1935. 1918 war die Saar ohne Befragung des deutschen Volkes 15 Jahre vorn Heimatland abgetrennt und einer internationalen Verwaltung unter der Kontrolle des Völkerbundes unterstellt worden. Die Bevölkerung wurde damals national unterdrückt und sozial doppelt ausgebeutet, nämlich von Herrn Röchling und dem Comité des Forges. Der einzige Unterschied gegen damals ist, daß damals die Abtrennung dem deutschen Volke gewaltsam aufgezwungen wurde, während heute Herr Dr. Adenauer die Preisgabe der Saar freiwillig anbietet, denn das ist der Sinn der Europäisierung.
Was bedeutet denn die Europäisierung der Saar und die Unterstellung unter den Ministerrat der Montan-Union? Die von den Separatisten ausgeübte Regierung würde weiterbestehen; damit würden die nationale Unterdrückung und demokratische Entrechtung der Bevölkerung und die rücksichtslose Ausplünderung unserer Naturschätze, der Bergwerke, der Kohlenreserven, der Wälder usw. für die französischen Imperialisten ungestört fortgesetzt werden. Es bliebe der Zustand, daß die französischen Industriebarone pro Tonne geforderter Kohle 40 Franks Pacht bezahlen und die Separatistenclique um Hoffmann aus Steuergeldern der Bevölkerung 500 Franks je Tonne für allgemeine Kosten daraufzahlen müßte. Die Menschen an der Saar aber verlangen, daß die Ausplünderung unserer Naturschätze durch die französischen Imperialisten schnellstens ein Ende finde, daß die Saarkonventionen verschwinden. Aufhören muß die Ausplünderung der Reservekohlenfelder an der Saar. Dem Raubbau an den Menschen, der Zerstörung der Dörfer und Straßen durch die Bergschäden

(lebhafte Zurufe von der Mitte: Sowjetzone!)

muß Einhalt geboten werden. — Das ist ja Ihr altes Sprüchlein: „Sowjetzone!" ; sonst haben Sie ja nichts im Kopf!

(Erneute lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Wie steht es mit der Zulassung der deutschen Parteien? Die Bevölkerung an der Saar fordert unmißverständlich, daß der separatistische, antidemokratische und antinationale Terror an der Saar gebrochen wird, daß das antidemokratische Parteiengesetz verschwindet und endlich alle Parteien ungehindert ihre Tätigkeit ausüben können.

(Zuruf von der Mitte: Rechnen Sie sich auch dazu?)

Endlich muß die Presse- und Versammlungsfreiheit an der Saar hergestellt werden.

(Erneute Zurufe.)

Die Bevölkerung an der Saar denkt nicht daran, sich zum Schacherobjekt machen zu lassen. Die Bevölkerung will nicht Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich sein.
Aber um was geht es Herrn Dr. Adenauer? Das ganze Gerede von der Verletzung der demokratischen Rechte an der Saar ist ja nichts anderes als eine Verschleierung seiner wahren Pläne. Denn das, was Dr. Adenauer seinem Gesinnungsfreund Hoffmann alles vorwirft, tut er genau so rücksichtslos hier in der Bundesrepublik. Er benutzt nur die berechtigte Empörung der Saarbevölkerung gegenüber den antinationalen, antidemokratischen Zuständen an der Saar als Druckmittel gegenüber den französischen Imperialisten, um das größere Geschäft zu machen. Er will dadurch von den Franzosen die Zustimmung zur Aufstellung neuer deutscher militärischer Verbände erzwingen, seinem Freund Dr. Pferdmenges

(Lachen und Zurufe in der Mitte und rechts)

die notwendigen Rüstungsgewinne verschaffen und gleichzeitig den Amerikanern den geforderten Blutzoll liefern. Das wird aber vom deutschen Volk in seiner überwältigenden Mehrheit abgelehnt. Das Saargebiet ist seit jeher deutsches Land. Alle dort von den Separatisten getroffenen Maßnahmen verstoßen gegen das deutsche und gegen das Völkerrecht. Das deutsche Volk gestattet keinem, irgendwelche Verhandlungen zu führen, die zur Sanktionierung der von den Separatisten im Auftrage der französischen Imperialisten im Saargebiet geschaffenen Zustände führen.

(Zuruf von der Mitte: Hat Herr Matern das aufgeschrieben?)

— Wer das aufgeschrieben hat? Das geht Sie einen Dreck an!

(Heiterkeit.)

Die Bevölkerung an der Saar will keine Europäisierung der Saar; denn Europäisierung der Saar wäre nichts anderes als eine Tarnkappe über die derzeitigen Zustände an der Saar. Die deutsche Bevölkerung an der Saar will aber auch nicht jene Zustände, wie sie in der Bundesrepublik herrschen. Sie will nicht aus dem Regen in die Traufe kommen. Die Bevölkerung an der Saar will wie alle wahren Deutschen den Frieden und die Einheit unseres Vaterlandes einschließlich der Saar.
Ich wende mich deshalb von dieser Stelle aus an meine Landsleute im Saargebiet: Deutsche an der Saar, denkt an die Erfahrungen von 1918 bis 1935. Fallt deshalb nicht auf den Europäisierungsschwindel herein. Laßt euch von niemand ablenken, vertrösten und zersplittern. Handelt einig und geschlossener denn je; denn mit euch ist das Völkerrecht, mit euch sind alle friedliebenden Menschen der Welt.

(Beifall bei der KPD. — Zuruf von der Mitte: Heil Moskau!)

Ich wende mich besonders an die Sozialdemokraten und Kommunisten an der Saar. In dieser Stunde der nationalen Bedrängnis haben sie eine hohe Verantwortung. Stellt alles Kleinliche, alles Trennende zurück. Handelt gemeinsam und geschlossen gegen Separatismus, antidemokratische, antisoziale und antinationale Maßnahmen. Sowenig wie wir alle diese antidemokratischen und antinationalen Zustände an der Saar wollen, so wenig will sie das französische Volk. Alle aufrechten Deutschen, ganz gleich, ob an der Saar, in West-


(Niebergall)

deutschland oder in der Deutschen Demokratischen Republik, fordern mit Nachdruck, daß sich entsprechend den Vorschlägen der Deutschen Volkskammer Deutsche aus Ost und West an einen Tisch setzen, um über die Einheit unseres Vaterlandes zu verhandeln und alle Voraussetzungen für die Einheit zu schaffen. Dadurch wird der Weg frei für Viermächteverhandlungen. Darüber hinaus fordern alle aufrechten Deutschen Viermächteverhandlungen zum Abschluß eines Friedensvertrags und zur Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes, einschließlich der deutschen Saar. Das ist unsere Auffassung zu dem Problem des Saargebiets. In diesem Sinne rufen wir alle Saarländer auf, zu kämpfen.

(Beifall bei der KPD. — Zuruf von der Mitte: Ja und Ostdeutschland?)

— Das ist die alte Walze. Sie können nur Zwischenrufe machen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123400900
Das Wort hat der Abgeordnete Eichler.

Willi Eichler (SPD):
Rede ID: ID0123401000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion ist die Behandlung der Saarfrage, so wie sie heute durch den Herrn Bundeskanzler erfolgte und wie sie sich auch in der Erklärung der drei Parteien, die Herr Kollege Mayer (Stuttgart) abgegeben hat, zeigte, doch nicht ausreichend, wenn wir die gefährliche Entwicklung an der Saar und die Entwicklung der jüngsten Verhandlungen bedenken. Gewiß, die Erklärungen, die Herr Kollege Mayer abgegeben hat, werden wir alle unterstreichen. Wir sind uns über diese Prinzipien einig.

(Zuruf von der Mitte: Na also!)

Das haben wir schon oft erklärt. Aber wir haben ebensooft erlebt, daß trotz der Einigkeit im Grundsätzlichen bisher an der Saar im Faktischen nicht das geschieht, was in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen steht, sondern daß sich die andere Seite, unbeschadet unserer Proteste — und mögen sie rechtlich noch so klar begründet, eindrucksvoll und richtig sein —, doch nicht daran hält. Ich glaube, es ist an der Zeit, wenigstens jetzt, so spät es auch ist, zu versuchen, ein Stopplicht einzuschalten.
Im Juli, in der Pariser Außenministerkonferenz und an ihrem Ende, haben die Außenminister auf Anregung des französischen Außenministers erklärt, die Saarfrage müßte jetzt geregelt werden, da sie „wie ein Alpdruck auf dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland laste"; dieses Verhältnis würde mehr und mehr getrübt. Sie befürworteten eine Regelung der Saarfrage, da ein gutes Zusammengehen zwischen Deutschland und Frankreich die Vorbedingung für die Schaffung eines neuen Europa und damit ,,eine Frage von allergrößter europäischer Tragweite" sei.
Nun, meine Damen und Herren, das ist sie in der Tat. Es rächt sich jetzt, worauf wir bereits wiederholt hier und anderswo hingewiesen haben, daß der Bundestag dem Eintritt der Bundesrepublik in denn Europarat und dem Abschluß des Paktes über die Montan-Union zugestimmt hat, ehe diese in der Tat europäische Frage geklärt worden ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Denn es zeigt sich, daß diese Frage nicht dadurch gelöst wird, daß man eine Weile so tut, als ob sie
nicht existiere, und daß es auch nicht ausreicht, daß die beiden Außenminister Frankreichs und Deutschlands, wie beim Abschluß des Montanpaktes, gegenseitig versicherten, daß sich an ihrem Standpunkt über die Saarfrage nichts geändert hätte. Es zeigt sich, daß an einer bestimmten Stelle der Entwicklung die Karten wirklich auf den Tisch gelegt werden müssen, daß man wirklich einmal pfeifen muß, weil das bloße Mundspitzen nicht mehr genügt,

(Zuruf von der KPD)

und zwar auf keiner Seite.

(Abg. Rische: Die sollen auch mal pfeifen!)

Wenn die Saarfrage in dem Lichte gesehen wird, daß sie wirklich die Grundlage für eine europäische Einigung sein soll, dann ist es in der Tat vordringlich, sie zu lösen. Es ist sicher richtig, daß nicht ganz Europa nur um die Saar kreist. Aber die Saarfrage und ihre Lösung ist für uns ein Modell für den Geist, in dem Europa nach der Meinung der Mächte modelliert werden sollte.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der KPD.)

Wir haben den Eindruck — und ich glaube, darüber herrscht in diesem Hause gar keine große Meinungsverschiedenheit —, daß dieses Modell ein höchst unerfreuliches ist.

(Aha-Rufe bei der KPD.)

Wir brauchen uns gar nicht gegenseitig davon zu überzeugen, wie wenig schön das ist. Die Frage aber, in der wir uns unterscheiden, ist: wie liquidiert man diesen unerfreulichen Zustand?

(Abg. Renner: Durch Europäisierung! — Lachen bei der KPD.)

Nach unserer Meinung ist es nötig, wenn wirklich hier ehrlich eine Lösung angestrebt werden soll, alle bisherigen Pläne neu zu prüfen, alle Rücksichten auf das bisherige Prestige, alle Vorurteile nationaler Autarkiewünsche aus dieser Frage endgültig auszuscheiden

(Zurufe von der KPD)

und sich daranzumachen, dieses Problem einfach von seiner rechtlich-politischen und seiner menschlichen Seite aus zu lösen.

(Zuruf von der KPD: Alles Phrasen!)

Dazu genügt zunächst einmal das Argument, daß die Deutschen den Krieg verloren haben, nicht nur nicht, sondern es gehört überhaupt nicht dahin. Wir wissen, daß wir ihn verloren haben. Aber das kann keine Entschuldigung dafür sein, in irgendeinem Teil Deutschlands politische Willkürakte vorzunehmen.

(Abg. Arnholz: Sehr gut!)

Die Mächte haben sich in der Atlantik-Charta zu einer bestimmten Lösung verpflichtet. Sie sind zur Gewinnung des Friedens moralisch und politisch verpflichtet. Von dieser Verpflichtung wollen wir sie nicht freisprechen.
Über die Verhandlungen, die über das Saargebiet stattgefunden haben, ließe sich beinahe, wenn man besonders begabt dazu wäre, ein Lustspiel schreiben, obwohl der Gegenstand in der Tat sehr wenig geeignet ist, gerade in einem Lustspiel behandelt zu werden. Wir haben in dem ständigen Hin und Her der Verhandlungen den Herrn Bundeskanzler im wesentlichen optimistisch gesehen. Nur einmal


(Eichler)

ist er von dem Himmelhochjauchzen der erfolgversprechenden Verhandlungen herabgesunken in das Zu-Tode-Betrübtsein, als er vor einigen Monaten hier erklärte, daß es ihm so schiene, als wenn auf der andern Seite noch ein gewisser Mangel an europäischem Geiste vorhanden wäre. Er hat heute deshalb die Verhandlungen auch etwas vorsichtiger nur als „nicht aussichtslos" bezeichnet. Nun, aussichtslos ist wahrscheinlich keine einzige Verhandlung, solange man sich nicht gegenseitig erschossen hat. Die Frage, auf die es uns ankommt, und zwar sehr ernst ankommt, ist: Der Herr Bundeskanzler hat damals weder zugestimmt — und der Bundestag hat ihm darin sogar beigepflichtet —, ein Weißbuch über die Verhandlungen in der Saarfrage noch den Briefwechsel mit dem Außenminister Schuman herauszugeben, ja er hat praktisch dem Bundestag überhaupt die Möglichkeit der eindeutigen Informierung, des eindeutigen Mitgehens oder des eindeutigen Widersprechens genommen, indem er nicht einmal die Tatsachen unterbreitet hat. So, meine Damen und Herren, geht es einfach nicht. Es ist ganz ausgeschlossen, daß der Bundestag immer erst im Nachhinein oder aus der Presse, aus gelegentlichen Indiskretionen einiger Journalisten erfährt, was die Bundesregierung mit Herrn Schuman über das Saargebiet abgehandelt hat.
Wir dürfen doch folgendes nicht vergessen. Vom Herrn Bundeskanzler wurde mir vor einigen Monaten in der Saardebatte ausgeredet, daß eine Europäisierung gemeint sei. Er sagte, ich hätte ihn nicht richtig verstanden, er hätte von einem europäischen „Territorium" an der Saar gesprochen, während ich von einer Europäisierung geredet hätte. Nun, das war in der Tat so; aber die Sache war sehr einfach: es gehörte keine große prophetische Gabe dazu, um im voraus zu wissen, daß man sich in Frankreich auf die Europäisierung konzentrieren würde. Einige Optimisten glaubten, man könne darunter etwa verstehen, daß Frankreich einen Teil seines eigenen Gebietes zum Saargebiet hinzuschlagen sollte, und man würde dann daraus irgendein europäisches Gebiet machen. Das lehnte der Außenminister Schuman ab. Er nannte das einen deutschen Versuchsballon und sagte klar und deutlich: Bei der Europäisierung handelt es sich selbstverständlich um das bisherige Saargebiet, d. h. um das bisher und früher immer deutsch gewesene.
Mit dem Begriff „Europäisierung" ist nicht nur ein neues Wort, sondern eine neue Sache entstanden. Es geht hier doch um eine neue Politik, d. h. um eine neue Methode, auf Umwegen das zu erreichen, was bisher zu erreichen noch nicht ganz möglich gewesen ist. Da scheint Minister Schuman eine größere Eile zu haben als bisher, und er hat offenbar Grund, solche Eile an den Tag zu legen; denn er hat im Außenpolitischen Ausschuß seines Parlaments, der bei der Äußerung von Bitten und Informationen weniger zurückhaltend ist als der Deutsche Bundestag,

(Abg. Arnholz: Hört! Hört!)

folgendes deutlich erklärt: „Es besteht jetzt die Gefahr, daß die Zeit gegen uns arbeitet". Man begreift also in Frankreich, daß eine andere Politik an der Saar gewünscht, gefordert und vertreten wird. Minister Schuman sagte weiter: „Die öffentliche Meinung an der Saar erinnert sich jetzt an den Ablauf der Ereignisse zwischen 1920 und 1935. Andererseits werden 1953 im Bundesgebiet Wahlen
stattfinden; wir wissen ja nicht, wer dann unser Gesprächspartner sein wird und welches seine politischen Vorstellungen sein werden."
Damit, meine Damen und Herren, komme ich auf die beiden entscheidenden Gefahrenpunkte, von denen wir in der Diskussion bisher gar nichts gehört haben, nämlich auf das neue Junktim und das Plebiszit über die Europäisierung. Das Junktim hat Minister Schuman sehr deutlich formuliert, indem er sagte: „Schließlich ist die Tatsache, daß die Ratifizierung des Generalvertrags und der Verträge über die Verteidigungsgemeinschaft, die von Deutschland gewünscht wird, noch in der Schwebe ist, jetzt günstig für die Ausarbeitung eines neuen provisorischen Statuts".
Nun hat ja der Kollege Mayer irgendwelche endgültigen Regelungen vor einem Friedensvertrag mit der wünschenswerten Deutlichkeit abgelehnt. Es scheint so, als wenn, da ja nur ein neues provisorisches Statut gewünscht wird, dieser Forderung entsprochen würde. In Wirklichkeit ist in Frankreich sofort Sturm gelaufen worden gegen die Fünfjahresfrist, die ja schon erheblich lang ist. Man hält dort eine Regelung mit einer Lauffrist von fünfzig Jahren offenbar für den Inbegriff dessen, was ein zeitgemäßes Provisorium ist.

(Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr!)

Daß man die Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und des Generalvertrags durch das französische Parlament mit der Bedingung verknüpft, daß Deutschland eine die Franzosen besser befriedigende Saarregelung vornimmt, zeigt doch klar, daß man auf die Bereitwilligkeit der Deutschen einen Druck ausüben will, in der Saarfrage nachzugeben. Dabei hat gerade eben an dieser Stelle der Herr Bundeskanzler auf unsere Frage, ob seine Bereitwilligkeit zur Ratifizierung der Verträge von den Zuständen im Saargebiet und der Behandlung der dortigen Bevölkerung irgendwie beeinflußt würde, erwidert, das sei nicht der Fall, er sei dafür, daß die Ratifizierung so schnell wie möglich erfolgt. Auf einen Zwischenruf: „Aber die anderen arbeiten inzwischen!", erklärte er, er sei nicht für die anderen verantwortlich. Das ist richtig. Aber er ist von den anderen abhängig. Ich glaube, wir sollten auch bedenken, daß die anderen auch von uns abhängig sind, und entsprechend unsere eigenen Forderungen mit dem nötigen Nachdruck anmelden. Wir sollten uns also ebenfalls mit der Behandlung der Ratifizierung dieses Vertragssystems einige Zeit lassen und uns wenigstens in keiner Weise beeilen. Wir haben gerade in diesem Zusammenhang am allerwenigsten Grund dazu.
Nun zur zweiten Tatsache, dem Plebiszit über die Europäisierung. Was hier gespielt wird, ist, glaube ich, nicht zu hart beurteilt, wenn wir es als einen Taschenspielertrick bezeichnen. Man ist heute auf der andern Seite bereit, ein Plebiszit über die Frage zu veranstalten: „Wünschen Sie eine Europäisierung des Saargebiets oder nicht?". Was diese Europäisierung bedeutet, hat bisher noch keiner gesagt. Der Abgeordnete Kirn im saarländischen Landtag hat vor einer Woche darüber gesprochen und hat auch bedauert, daß man nicht wüßte, was die Europäisierung bedeute. Aber in seinem Verhältnis zu der andern Seite hat ihm das nicht viel ausgemacht; er war trotzdem für die Europäisierung.
Wenn wir sehen, was man in Frankreich darunter versteht, dann ist auch wieder aufschluß-


(Eichler)

reich, was der französische Außenminister dazu erklärt hat. Er meint, die Frage, ob das Saargebiet zu Deutschland oder zu Frankreich kommen solle, sei in Zukunft nicht mehr interessant. Daß es nicht zu Frankreich kommen soll, ist, wenn man sich auf ein Plebiszit verläßt, ohnehin kein Entgegenkommen mehr; denn darauf kommen heute im Saargebiet nicht mehr sehr viele.
Das Plebiszit und die Europäisierung bedeuten aber, daß neue Parteien vor den Wahlen nicht mehr zugelassen werden. Sie bedeuten, daß in der Europäisierung der Saar die Frage „Deutschland oder Frankreich" ausgeklammert werden soll. Nach der Annahme des Plebiszits über die Europäisierung wird es deshalb auch klar sein, daß keine neuen Parteien — etwa wie die, die heute einen Antrag gestellt haben und die sich für eine deutsche Lösung einsetzen — mehr zugelassen werden, weil es dann nach dem Statut über die Europäisierung statutenwidrig und also verfassungswidrig sein würde. Das heißt: die Frage der Zulassung dieser Parteien soll auf kaltem Wege beantwortet und liquidiert werden.
Schließlich, meine Damen und Herren, scheint es uns, daß der Bundestag sich zu einigen klaren Forderungen entschließen sollte. Wir sind einverstanden mit der wiederholten Erklärung, die auch heute wieder abgegeben worden ist: Da die Saar ihrer Kultur, ihrer Geschichte und ihrer rechtlichen Situation nach deutsch ist, muß heute jede politische Maßnahme abgelehnt werden, durch die die Autonomie des Saargebiets festgelegt werden soll. Das heißt: praktisch ist, soweit bisher überhaupt über die Europäisierung etwas zustande gekommen und an die Offentlichkeit gedrungen ist, alles abzulehnen, was bisher dort drüben versucht worden ist, um eine solche Entwicklung zu stabilisieren.
Zweitens: Die Aufhebung des politischen Terrors im Saargebiet darf nicht an irgendeine Bedingung geknüpft werden. Es geht nicht darum, daß über diese Fragen Kompromisse geschlossen werden können. Die Einführung der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit und die Zulassung demokratischer Parteien muß erreicht werden durch die Beschwerde im Ministerrat ohne Rücksicht auf irgendwelche laufenden Verhandlungen, die dieses Ziel etwa begünstigen oder hemmen könnten. Hier handelt es sich einfach um ein Recht, das wir von Deutschland aus nicht mit irgendeinem Entgegenkommen zu bezahlen haben.
Drittens muß klar sein — was immer wieder von Frankreich betont wird —, daß von seiten Deutschlands durchaus die Bereitschaft besteht, berechtigte französische wirtschaftliche Interessen an der Saar zu schützen und durch Verhandlungen zu sichern. Das ist nie ein Problem gewesen. Wir haben schon seit Jahren erklärt: Wirkliche berechtigte Interessen Frankreichs, die begreiflich sind und die man uns begreiflich machen könnte, sollen geschützt werden. — Das könnte aber nur dann verwirklicht werden, wenn die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland nicht bestritten wird.
Schließlich scheint es, daß trotz der „nicht aussichtslosen" Verhandlungen, die der Herr Bundeskanzler im Auge hat, am 30. November im Saargebiet gewählt werden wird. Wir meinen, daß der Bundestag das nicht einfach als eine Tatsache zur Kenntnis nehmen sollte. Wir meinen, daß der Bundestag zusammen mit der Bundesregierung ein aktives Saar-Programm entwickeln sollte, um dem Volk an der Saar zu erklären, daß das, was dort geschieht, in Deutschland nicht einfach hingenommen wird. Wenn man sich dort über alle Begriffe der Menschlichkeit und der politischen Sauberkeit hinwegsetzt, sollte das Saarvolk von hier aus so unterstützt werden, wie es das verdient und wie es uns möglich ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Niemand hat das Recht, einen Teil Deutschlands zu opfern, weder im Osten, noch im Westen.

(Erneute Zustimmung bei der SPD.)

Ein Verzicht auf das Saargebiet zugunsten einer Integration, die nie reibungslos erfolgen wird, solange diese Wunden am europäischen Volkskörper vorhanden sind, scheint uns ein so grober Verstoß gegen die Menschlichkeit und auch gegen den europäischen Geist zu sein, daß wir auf das schärfste dagegen protestieren.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123401100
Bevor ich das Wort weiter erteile, bitte ich, bekanntgeben zu dürfen, daß der Unterausschuß des Finanzausschusses um 15 Uhr 15 im Zimmer 201 zusammentritt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Darf ich die Zeit des Anmarsches des Herrn Abgeordneten Dr. Bertram dazu benutzen, Sie zu bitten, sich ein Bild zu verschaffen, ob die neuen Mikrofone, die wir heute probeweise verwenden, eine Verbesserung oder Verschlechterung darstellen. Ich bitte, das zu überprüfen und es vielleicht gelegentlich im Ältestenrat zur Sprache zu bringen.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0123401200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalistische Union — Bayernpartei und Zentrum — begrüßt es, daß es heute im 1 Plenum zu einer Saardebatte gekommen ist. Wir glauben, daß hierdurch den Interessen des deutsch Volkes ein Dienst erwiesen wird. Die Außenpolitik darf nicht unter Ausschluß der Offentlichkeit behandelt werden. Die Bildung der öffentlichen Meinung und ihre Mitwirkung im außenpolitischen Spiel der Kräfte ist ein wesentlicher Faktor der Politik. Das gilt insbesondere von der Meinung des Bundestages als des berufenen Vertreters der deutschen Öffentlichkeit. Gerade zu diesem Punkt haben wir dem Herrn Bundeskanzler schon häufiger zu verstehen gegeben, daß er die Zusammenarbeit mit dem Bundestag suchen müßte und daß eine solche Zusammenarbeit den gesamtdeutschen Interessen nur dienlich sein könnte. Einsame Entschlüsse entsprechen den Methoden einer Geheimpolitik. Es ist verständlich, daß die Regierung nicht über jede Einzelheit ihrer beabsichtigten und im Fluß befindlichen Verhandlungen dem Bundestag genaue Berichte erstatten kann. Die Richtlinien der Politik jedoch bestimmt der Bundestag und nicht der Bundeskanzler. Nach dem Grundgesetz hat der Bundeskanzler die Richtlinien seines Kabinetts, nicht jedoch die Richtlinien der Politik des Bundes zu bestimmen. Der Bundestag hat nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, als Spiegelbild der deutschen öffentlichen Meinung Richtung zu weisen und der Bundesregierung entsprechende Richtlinien zu erteilen. Wenn der Bundeskanzler Rückschläge, insbesondere auch im Vertrauen auf ausländische Zusagen, gehabt hat, so mag das an der Überschätzung von einzelnen Menschen und an der Unterschätzung der öffentlichen politischen Kräfte und Strömungen im In-


(Dr. Bertram)

und Ausland liegen, die hierdurch gefördert worden sind.
Wir sind uns mit dem ganzen deutschen Volke einig, daß ein vordringliches Ziel unserer deutschen Außenpolitk die definitive Niederreißung der Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich sein muß und daß es die Aufgabe des derzeitigen Bundestages ist, eine europäische Föderation in ihren Grundzügen mit zu schaffen. Das Kernstück dazu ist die dauerhafte und echte Verständigung mit Frankreich. Gegenseitiges Mißtrauen, Ressentiments und Vorurteile können und müssen überwunden werden. Territoriale Ambitionen haben nichts mehr in einem neuen Europa zu suchen. Eine weitsichtige Politik wird die Lösung dieses Problems nur föderalistischen Prinzip her anpacken können. Wenn auch rechtliche Einwendungen gegen territoriale Verabredungen begründet sein mögen, so darf das doch eine echte europäische Integrationspolitik nicht hindern.
Diese europäische Föderationspolitik darf nicht zweierlei Maß gegenüber Ost und West kennen. Das Maß ist folgendes: die Notwendigkeit einer inneren freiheitlichen Ordnung und die Ablehnung eines äußeren Abhängigkeitsverhältnisses, die gleich sein muß für Ost und West. Es sollte deshalb das Ziel eines jeden guten Deutschen und Franzosen sein, auch um den Preis von Opfern einen europäischen Staatenbund zu begründen. Deshalb ist die Aufgabe der französischen Hegemonie an der Saar, die ja unstreitig deutsches Land ist, zwar ein Zugeständnis Frankreichs, das man aber von Frankreich im Interesse einer europäischen Politik erwarten muß. Die französische Hegemonie über das Saargebiet als ein rein deutsches Gebiet verträgt sich nicht mit dem Gedanken einer europäischen Föderation, dem Glauben daran und dem Streben danach.
Eine europäische Föderation kann nur werden aus dem freiwilligen Zusammenschluß aller beteiligten Völker. Deshalb muß auch dem Saargebiet die Möglichkeit freier Wahlen gegeben werden. Die derzeitigen Verhältnisse an der Saar sind offensichtlich undemokratisch und stellen eine Vernachlässigung des Volkes an der Saar durch die Schutzmacht dar. Keine Pressefreiheit, keine Freiheit für Parteibildungen, keine freie Meinungsäußerung! Wir stellen mit Bedauern insbesondere die Untätigkeit des Ministerrats in dieser Frage fest. Das deutsche Volk und, wie ich glaube, die gesamte öffentliche Meinung Europas sind unzufrieden mit dem Ministerrat, der. sich als eine Bremse der europäischen Entwicklung zeigt.
Es bleibt jetzt nur der Weg direkter Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich übrig. Wenn wir nun von Frankreich eine geänderte Haltung erwarten, so sollten auch wir nicht einen streng formaljuristischen Standpunkt einnehmen, sondern versuchen, mit Frankreich zu einem Übereinkommen zu gelangen. Das starre Festhalten Frankreichs an seiner bisherigen Saarpolitik wird in Deutschland eine nationalistische Welle hervorrufen. Wir können die Verantwortung für eine Politik der Verständigung nur dann auf uns nehmen, wenn nicht zuviel von Deutschland verlangt wird und wenn die europäische Föderation vor jedem endgültigen Saarabkommen sich wenigstens in den Grundzügen abzeichnet. Ein anderer zeitlicher Ablauf würde die Gefahr neuer deutscher Vorleistungen mit sich bringen.

(Beifall bei der FU.) Präsident Dr. Ehlers: Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.


Adolf von Thadden (DRP):
Rede ID: ID0123401300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Thomas Carlyle schrieb am 11. November 1870 in der „Times":
Keine Nation hat je einen so schlimmen Nachbarn gehabt wie Deutschland in den letzten 400 Jahren an Frankreich; schlimm auf jegliche Art: frech, räuberisch, unersättlich, unversöhnlich und immer angriffslustig.

(Unruhe und Zurufe.)

1870! — Und der Lordpräsident Morrison erklärte im August 1949, bevor er Außenminister wurde, es sei die Aufgabe der Deutschen, jeweils zu protestieren und laut Lärm zu schlagen, wenn sie der Meinung seien, daß ihnen Unrecht geschehe; „dadurch sollen sie das Weltgewissen wachhalten, auf daß auch an den Machtlosen und Besiegten, wo immer. sie seien, nicht Unrecht verübt wird, von dem niemand weiß".
Meine Damen und Herren, beide Zitate haben ihre Aktualität, und die Saarfrage ist ein Anlaß, im Sinne von Herrn Morrison laut zu protestieren, dagegen nämlich, daß ein Stück deutschen Landes abgetrennt werden soll.
Der Kollege Mommer sprach davon, Herr Außenminister Schuman habe erklärt, daß „die Zeit gegen Frankreich arbeite". Meine Damen und Herren, die Zeit arbeitet vor allen Dingen für das Recht, das sich langsam wieder durchsetzt. Nur: wir sollten unsere Position wahren, und unsere Position ist unseres Erachtens sehr einfach, nämlich die, daß wir an das Ergebnis der Abstimmung von 1935 gebunden sind, in der sich das Saarland mit überwältigender Mehrheit als ein deutsches Land entschieden hat, ein Ergebnis, an dem auch heute nicht zu rütteln ist.
Die Franzosen erklären jetzt, daß die Saarfrage vor der Ratifizierung des EVG-Vertrags geregelt sein müsse. Sie haben ihren guten Grund, dies zu erklären; denn wenn dies nicht geschähe, wie wollten sie sich dann — Herr Tillmanns, Sie schütteln den Kopf — im Sinne der Präambel des Generalvertrags verhalten, wo sie sich ja verpflichten, für eine Wiederherstellung des ganz en Deutschlands mit uns zusammenzuarbeiten? Deswegen wollen sie vorher die Ernte in die Scheuer einfahren.
Es ist bereits von allen Vorrednern gesagt worden, daß ein Verzicht auf das Saargebiet — und auch eine „Europäisierung" wäre ein Verzicht — einen Verzicht auf die deutschen Ostgebiete nach sich ziehen würde. Dann könnten die anderen ja auch kommen und sagen: Wir europäisieren die Ostgebiete. Es wäre ja denkbar, daß ein solcher Vorschlag käme.

(Abg. Dr. Tillmanns: Sie würden es ihnen glauben?)

— Ich würde es ihnen nicht glauben. Ich würde es ihnen genau so wenig glauben, wie ich den Franzosen glaube, daß sie europäisieren wollen. Sie wollen nämlich gar nichts anderes als das Saargebiet an Frankreich anschließen und von uns abtrennen.

(Abg. Dr. Tillmanns: Der Unterschied ist Ihnen noch nicht aufgegangen!)

Es gibt nur eine Endlösung, nämlich daß das Saargebiet wieder das wird, was es war: ein Teil Deutschlands.


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123401400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.

(Abg. Rische: Der Herr Bundeskanzler hat noch das Wort!)

— Das lassen Sie ihn zweckmäßigerweise selber entscheiden!

(Abg. Fisch: Das wäre sehr gut gewesen!)

Ein Antrag zur Großen Anfrage ist nicht gestellt worden. Der Antrag Drucksache Nr. 3627 bezieht sich auf die Septembertagung des Ministerausschusses. Ein Änderungsantrag ist nicht gestellt worden.

(Abg. Dr. Mommer: Ich habe gesagt: der Termin ist anzupassen; es muß also heißen: „nächsten Tagung"!)

— Soll das heißen, daß dieser Antrag, um ihn der gegenwärtigen Situation anzupassen, dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden soll?

(Abg. Dr. Mommer: „in der nächsten Tagung des Ministerrats"!)

— Es soll also nach Ihrer Meinung heißen: „in der nächsten Tagung des Ministerausschusses". Der Antrag ist insofern abgeändert.
Ein Überweisungsantrag ist nicht gestellt worden. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3627. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Untersuchungsausschusses (47. Ausschuß) gemäß Antrag der Fraktion der SPD betreffend Prüfung, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind (Nrn. 3465, 2680 der Drucksachen, Umdruck Nr. 670; Änderungsantrag Umdruck Nr. 669, Entschließung Umdruck Nr. 676).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Besprechung des Berichts eine Zeit von 120 Minuten vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Brill. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

Dr. Hermann Louis Brill (SPD):
Rede ID: ID0123401500
Am 24. Oktober 1951 hat der Bundestag in seiner 170. Sitzung die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen und ihn mit der Prüfung der Frage beauftragt, ob durch die Personalpolitik Mißstände im Auswärtigen Dienst eingetreten sind. Als Berichterstatter des Ausschusses habe ich Ihnen einen 100 Druckseiten umfassenden Bericht *) vorgelegt. Der eigentliche Bericht umfaßt 36 Seiten, der Rest sind Dokumente.
Angesichts der Ausführlichkeit dieses Berichts glaubte ich zuerst, auf eine Berichterstattung hier im Plenum verzichten zu dürfen. Der Bericht hat auch in der Öffentlichkeit eine Aufmerksamkeit und Behandlung wie kaum eine andere Bundestagsdrucksache gefunden. Wenn ich trotzdem das Wort ergreife, so tue ich es, um dem Wunsche des Ausschusses gemäß einige Punkte besonders hervorzuheben.
Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses erfolgte auf Grund eines Antrags der SPD Nr. 2680
*) siehe Drucksache Nr. 3465; vgl. auch Seite 10751. der Drucksachen. In diesem Antrag wurden folgende Fragen gestellt:
1. Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslands zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
2. Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen?
3. Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren?
Der Untersuchungsausschuß hat geglaubt, diese Fragestellungen zu den Einzelthemen seiner Beweiserhebung machen zu sollen.
Es war für den Ausschuß nicht einfach, Beweismaterial heranzuschaffen und zu prüfen. Denn Personalakten, wie sie einer Prüfung der Frage 1 hätten zugrunde gelegt werden müssen, waren so gut wie nicht vorhanden. Die Personalakten des alten Auswärtigen Amts sind durch einen Bombenangriff im Jahre 1943 vernichtet worden. Nur klägliche Reste — so muß ich nach dem Einblick, den der Untersuchungsausschuß gewonnen hat, sagen — blieben erhalten. Die rekonstruierten Personalakten — die Rekonstruktion ist in den Jahren 1944 und auch noch 1945 versucht worden — können natürlich niemals den Beweiswert von Originalakten haben. Was aber an Resten von Originalakten in die rekonstruierten Akten hineingekommen ist, war für die Arbeit des Ausschusses ohne größeren Wert.
Der Ausschuß hat sich deshalb gezwungen gesehen, gleich in seinem ersten Schreiben an den Herrn Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Außenminister um die Zurverfügungstellung der neuen Personalakten des neuen Auswärtigen Amts zu bitten. Der Zustand dieser Personalakten aber hat den Ausschuß außerordentlich enttäuscht. Zum Teil handelt es sich bei diesen neuen Personalakten um Loseblattsammlungen und weniger als das. Zum Teil sind diese Akten nicht numeriert, so daß keine Kontrolle darüber besteht, ob alles das, was in die Personalakten hineingehört, auch tatsächlich in ihnen enthalten ist. Zum Teil enthalten sie entgegen den Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Fachministerien kein Inhaltsverzeichnis. Bei einer Beweiserhebung mußte zudem festgestellt werden, daß für die Beurteilung einer bestimmten Tätigkeit wichtige Aktenstücke in Beiakten geführt werden, die im alten Auswärtigen Amt, im Ribbentropschen Auswärtigen Amt, Geldakten genannt wurden. Vielleicht ist das auch jetzt der Fall. Bei einer anderen noch nicht vollständig abgeschlossenen Beweiserhebung mußte bemerkt werden, daß nach Auskunft des Auswärtigen Amts drei Dokumente verschwunden sind, von denen sich zwei später wiedergefunden haben, so daß also insgesamt auch den neuen Personalakten des Auswärtigen Amts für eine Untersuchung, wie sie dem Untersuchungsausschuß nach Ziffer 1 des SPD-Antrags aufgegeben war, nur ein sehr bedingter Beweiswert beigelegt werden kann. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß sich einzelne Personalakten auch in einem guten Zustand befinden. Ich hebe besonders hervor, daß eine Bei-


(Dr. Brill)

akte zu einer Personalakte, die aus der Bayerischen Staatskanzlei stammt, als hervorragend bezeichnet werden muß. Ich tue das, um Ihnen zu zeigen, daß auch bei einer Behörde, die völlig neu aufgebaut werden mußte — auch die Bayerische Staatskanzlei war 1945 eine solche Behörde —, von Anfang an auf die gehörige Ordnung gesehen werden kann.
Der Untersuchungsausschuß hat sich dann bemüht, zur Beurteilung der einzelnen Persönlichkeiten und einzelner Vorgänge in den Besitz von dokumentarischem Material zu kommen. Das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg und das vom Bund und einer Anzahl von Ländern gemeinsam unterhaltene Institut für Zeitgeschichte in München haben freundlicherweise in großem Umfang beglaubigte Abschriften von Dokumenten des früheren Auswärtigen Amts, Protokolle und Fotokopien zur Verfügung gestellt, so daß es dem Ausschuß möglich gewesen ist, weit über den Rahmen einer Beweiserhebung hinaus, die an Hand der Personalakten hätte veranstaltet werden können, Beweise zu erheben. In der loyalsten Weise sind alle diese Dokumente — gleichgültig, in welcher Form sie vorgelegt worden sind — auch den Zeugen zur Verfügung gestellt worden. Es ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, nach ausreichender Information dazu Stellung zu nehmen.
Ich muß in diesem Zusammenhang auf einen Vorgang eingehen, der in der letzten Zeit von einer bestimmten Seite her nach Meinung des Ausschusses ungebührlich aufgebauscht worden ist. Es handelt sich um das Dokument, das in der Anlage 2 des Dokumententeils des Berichts unter IV auf Seite 49 aufgeführt worden ist. Ich werde dieses Dokument alsbald auf den Tisch des Hauses niederlegen oder, da ich einen solchen in diesem Augenblick nicht entdecken kann, dem Herrn Präsidenten zur Verfügung stellen. Das Wort „desgl." im Inhaltsverzeichnis bezieht sich lediglich auf den Ausdruck „Bericht" unter III. Die Überschrift im Dokumententeil ist nicht vom Ausschuß angebracht worden, sondern von einer Hilfskraft — die Sache hat eine etwas humoristische Wendung genommen — der Korrekturabteilung des Bundestags. Das Dokument selbst, das zu einem Teil im Abdruck als unleserlich bezeichnet worden ist, ist tatsächlich wie die Fotokopie, die aus dem Institut für Zeitgeschichte gekommen ist, am Ende völlig unleserlich. Wenn die Herren Kollegen, die an dieser Sache interessiert sind, davon Gebrauch machen wollen, so bitte ich Sie sehr um den Versuch, den von uns beim Abdruck als unleserlich bezeichneten Teil hier im Bundestag vorzulesen. Ich übergebe also das Originaldokument dem Herrn Präsidenten und bitte ihn, es allen interessierten Kollegen zur Verfügung zu stellen.
Schließlich hat der Ausschuß eine Anzahl von literarischen Veröffentlichungen geprüft. Er hat ihnen aber keinen Beweiswert beigemessen, sondern sie nur illustrandi causa herangezogen. Die Prüfung der Veröffentlichungen im einzelnen — soweit es nicht Dokumente sind, zu denen wir auch anderweitig, nämlich durch das Bayerische Staatsarchiv in Nürnberg, schon Zugang hatten — ergab, daß es sich um Memoirenwerke handelte, und es ist ja bekannt, welchen Selbsttäuschungen alle Verfasser von Erinnerungen in der Regel unterliegen.
Den Hauptteil der Ausschußarbeit bildeten die Vernehmungen von Zeugen. Ich bedaure sehr, daß es in der deutschen Volksvertretung noch nicht so wie in den Volksvertretungen der angelsächsischen Länder, insbesondere seit 150 Jahren in England und seit etwa 100 Jahren in den Vereinigten Staaten, üblich ist, auch die Verhandlungsprotokolle der Untersuchungsausschüsse zu drucken und der öffentlichen Kritik zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie diese Verhandlungen im einzelnen durchlesen werden, so werden Sie finden, daß das, was der Bericht bei der Beurteilung von einzelnen Persönlichkeiten in bezug auf den Wert ihrer Zeugenaussagen ausführt, leider nur allzu wahr ist. Nicht nur Unklarheiten in der Aussage zwischen verschiedenen Zeugen, sondern große Unklarheiten in den Aussagen eines einzelnen Zeugen, Widersprüche in den Aussagen eines einzelnen Zeugen und — um mich sehr gelinde auszudrücken — Unvollständigkeiten in der Angabe von Tatsachen haben dem Ausschuß und vor allen Dingen dem Herrn Ausschußvorsitzenden die Arbeit außerordentlich erschwert. Ich will hier im Plenum keine Namen nennen, unterstreiche aber im Auftrage des Ausschusses den Wunsch, das Verhalten der Beamten, die in dieser Art und Weise vor dem Ausschuß als Zeugen aufgetreten sind, der notwendigen Nachprüfung — für die allein die Exekutive zuständig ist — zu unterziehen.
Der Ausschuß ist sich in summa darüber klar gewesen, daß das Ergebnis, das er Ihnen bieten kann, mit all den Mängeln behaftet ist, die ich für das Beweismaterial jetzt im besonderen aufgeführt habe. Der Ausschuß hat sich in keinem Zeitpunkte seiner Untersuchungshandlungen etwa als eine historische Forschungskomrnission gefühlt; er hat auch nicht den Ehrgeiz gehabt, den Wegen zu folgen, auf denen der frühere Untersuchungsausschuß des Reichstags zur Untersuchung der Kriegsursachen gewandelt ist. Er verstand seine Aufgabe vielmehr dahin, ein zeitbedingtes politisches Urteil abzugeben, und er legt besonderen Wert auf die Feststellung, daß dieses Urteil durch weitere Aktenpublikationen, durch wissenschaftliche Untersuchungen usw. korrigiert werden könnte; er glaubt sogar, daß es in einzelnen Punkten korrigiert werden muß.
In mehr als 40 Sitzungen und in der Nachprüfung von mehr als 3000 Seiten gedruckten und ungedruckten Materials ist der Untersuchungsausschuß dann zu dem Ergebnis gekommen, das Sie am Schlusse des Schriftlichen Berichts aufgezeichnet finden.
Die Antwort auf die Frage 1:
Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
wird vom Ausschuß einstimmig mit Ja erteilt.
Die Antwort auf die Frage 2:
Auf welche Einflüsse ist eine Beschäftigung solcher Personen zurückzuführen?
wird in der Sachdarstellung auf Seite 36 gegeben. Es liegt an Ihnen, daraus Konsequenzen zu ziehen oder nicht zu ziehen.
Frage 3:
Welche Maßnahmen sind getroffen worden, um
Mißgriffe in dieser Personalpolitik aufzudecken


(Dr. Brill)

und zu verhüten oder Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren?
wird vom Ausschuß in der Sachdarstellung ebenfalls auf Seite 36 beantwortet.
Namens des Ausschusses habe ich dabei darauf hinzuweisen, daß sich der Ausschuß einstimmig für befugt gehalten hat, diese Antworten zu geben und Ihnen die Empfehlungen zu unterbreiten, die zu den einzelnen Personalfällen „Voten" und zur sachlichen Seite der ganzen Angelegenheit „Empfehlungen" genannt werden. Der Ausschuß ist der Meinung gewesen, daß die Geschichte des Art. 44 unseres Grundgesetzes ihn berechtigt, so zu verfahren. Ausgenommen den Abs. 4 des Art. 44 des Grundgesetzes, der das Verhältnis von Untersuchungsausschüssen zu den Gerichten regelt, entspricht der Text dieses Art. 44 dem Art. 34 der Weimarer Reichsverfassung. Bei der Beratung der Weimarer Reichsverfassung war der Antrag gestellt worden, die Aufgabe von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen auf die Prüfung der Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungsmaßnahmen und Verwaltungsakten zu beschränken. Dieser Antrag wurde abgelehnt, und das Motiv dieser Ablehnung war, die Zuständigkeit der Untersuchungsausschüsse so weit wie nur irgend denkbar auszudehnen. Wenn also Art. 34 der Weimarer Reichsverfassung und Art. 44 des Grundgesetzes in den wesentlichen hier in Frage kommenden Teilen übereinstimmen, so ist festzustellen, daß es zu den Befugnissen der Untersuchungsausschüsse nach dem Grundgesetz gehört, Gesetzes- oder Verwaltungsenqueten zu veranstalten, die Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungsmaßnahmen und Verwaltungsakten zu prüfen und darüber hinaus jede erforderliche Beweisaufnahme zu veranstalten, die sie für notwendig halten, um die ihnen gestellte Aufgabe zu erledigen. Der Ausdruck „Votum" und der Ausdruck „Empfehlung" ist eine Trennung im sprachlichen Ausdruck in der deutschen Sprache, die wir für die Sache als angemessen erachtet haben. Juristisch ist es ein und dasselbe und nichts weiter als das, was bei den Untersuchungsausschüssen im angelsächsischen Staatsrecht „recommandation" heißt.
Ich bitte also, meine Damen und Herren, auch die Rechtsgrundlage, auf der die Antworten, die Voten und die Empfehlungen vorgenommen worden sind, anzuerkennen, und bitte Sie zusammenfassend, von dem Bericht des Untersuchungsausschusses Kenntnis zu nehmen und von den Empfehlungen nach Ihrem Ermessen Gebrauch zu machen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123401600
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0123401700
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses — Ausschuß Nr. 47 — habe ich folgende Erklärung abzugeben.

(Abg. Renner: Wer hat die gemacht? Herr Dittmann? — Abg. Albers: Unerhört!)

Aus ihm ergibt sich, daß der Ausschuß den Angriffen gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes mit besonderer Gründlichkeit nachgegangen ist. Das Hohe Haus darf überzeugt sein, daß ich dem Bericht in allen seinen Einzelheiten besondere Aufmerksamkeit zugewandt habe. Die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes war nicht zum
erstenmal Gegenstand einer sorgfältigen Prüfung durch Organe des Bundestages. Schon von Ende 1950 bis Anfang 1951 hat ein Unterausschuß des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten eingehende Untersuchungen in dieser Frage angestellt. Der Untersuchungsausschuß 47 ist jedoch nicht von den Feststellungen dieses Unterausschusses ausgegangen, sondern hat es, wie es auf Seite 4 des Berichts dargelegt ist, für praktisch gehalten, seiner Tätigkeit die Artikel in der „Frankfurter Rundschau" vom 1., 3., 4., 5. und 6. September 1951 zugrunde zu legen, die insgesamt die Überschrift tragen: „Ihr naht euch wieder... Einblick in die Personalpolitik des Bonner Auswärtigen Amtes."

(Abg. Renner: Geht weiter: „schwankende Gestalten"!)

Er hat die Personalakten sowie die Nürnberger Prozeßmaterialien beigezogen. Ferner hat er die in den Angriffen vornehmlich genannten Personen vorgeladen und vernommen.
Ich darf hier betonen, daß das Auswärtige Amt die Untersuchung in jeder von dem Ausschuß angeregten Weise unterstützt hat. Das Amt hat insbesondere dem schwerwiegenden und gegenüber einer obersten Bundesbehörde ungewöhnlichen Ersuchen stattgegeben, die Personalakten der in den vorgenannten Artikeln aufgeführten Personen — ich zitiere — „sicherzustellen in der Form, daß diese Akten zu Händen des Vorsitzenden dieses Ausschusses übergeben werden".

(Abg. Renner: Ist das so ungewöhnlich?) — Bei uns ja!


(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Ja, ja, nach Ihrer Rechtsauffassung: „Dummes Parlament! Ich bin der Herr im Haus!")

Das Auswärtige Amt hat weiter der Aufforderung entsprochen, jede Versetzung oder Beförderung der in den Angriffen genannten Personen bis zum Abschluß der Untersuchungen zu unterlassen.
Die Schwierigkeiten, denen der Ausschuß gegenüberstand, waren beträchtlich.

(Abg. Renner: Kann ich mir vorstellen!)

Die Personalakten des früheren Auswärtigen Amts, die über die Haltung der einzelnen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wohl weitgehend hätten Auskunft geben können, sind, wie Sie soeben gehört haben, 1943 verbrannt.

(Abg. Renner: Das war ein Glück für die Herren!)

Was heute noch vorhanden ist und dem Ausschuß zur Verfügung stand, sind mehr oder weniger zufällige Mosaikstückchen, aus denen sich nur selten ein zuverlässiges Bild der Gesamthaltung rekonstruieren läßt. Das Aktenmaterial, das der Ausschuß von dritter Seite beschaffen konnte, ist im wesentlichen von der Anklagebehörde in den Nürnberger Prozessen zusammengestellt,

(Hört! Hört! rechts)

die gemäß dem angelsächsischen Prozeßverfahren das entlastende Material nicht berücksichtigt haben. Bei dem Mangel an zuverlässigen Unterlagen ist es besonders schwierig, zuverlässige Feststellungen zu treffen.
Eine weitere Schwierigkeit lag darin, daß keine festen Verfahrensregeln vorhanden waren. Lassen


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

Sie mich hier auf Grund der ganzen Untersuchungen eine Anregung aussprechen. — Es dürfte sich vielleicht empfehlen, daß im Rechtsausschuß doch einmal über die Frage gesprochen wird, welche Verfahrensregeln in Zukunft bei Untersuchungen durch einen solchen Ausschuß anzuwenden sind.

(Zustimmung in der Mitte.)

Das Grundgesetz enthält in seinem Art. 44 lediglich die Bestimmung, daß auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung finden.

(Abg. Dr. Horlacher: Sinngemäß!)

Für das Gesamtverfahren enthält das Grundgesetz keine Regelung. Es hat sich auch keine ständige Übung entwickeln können. Laut Seite 4 des Berichts wurden die einzelnen Untersuchungshandlungen in sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung durchgeführt. Bei näherer Betrachtung erheben sich jedoch Zweifel, ob diese Analogie in dem Verfahren wirklich durchgehend gegeben war. Ich weise nur auf einzelne Punkte hin.
Der Ausschuß hat die in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" angegriffenen Personen vorgeladen und sie als Zeugen vernommen. Da sie sich jedoch fast ausschließlich zu Vorwürfen äußern mußten, die sie selbst betrafen, waren sie tatsächlich in der Rolle von Beschuldigten, die als Zeugen in eigener Sache vernommen wurden. Diese Übung ist bislang im angelsächsischen, aber nicht im deutschen Recht bekannt. Der deutschen Öffentlichkeit ist sie nur aus der Rechtsprechung der alliierten Militärgerichte geläufig. Dem Deutschen ist sie fremd, selbst wenn er Jurist ist.
Auch die Tatsache, daß das untersuchende Gremium wechselnd besetzt war, daß Beweisanträgen in einzelnen Fällen nicht stattgegeben wurde und daß der Gegenstand der Untersuchung den zu Vernehmenden in mehreren Fällen teilweise oder ganz neu war, läßt sich kaum mit den Vorschriften der Strafprozeßordnung vereinbaren. Ich führe diese Umstände an einmal aus dem eben von mir erwähnten Grunde, daß es sich wohl für zukünftige Fälle empfiehlt, diese Dinge einmal im Rechtsausschuß zu erörtern, und ferner, um zu zeigen, daß sich die als Zeugen in eigener Sache vernommenen Herren in einer nicht ganz klaren und nicht einfachen Lage befanden.
Es kommt noch eins hinzu. Nicht jedermann ist es gegeben, Anwalt in eigener Sache zu sein und sich bei der Vertretung seiner eigenen Angelegenheiten im nötigen Umfang und mit der nötigen Kraft zu betätigen.

(Abg. Dr. Horlacher: Das ist mir schon oft passiert!)

— Na, Herr Horlacher!

(Heiterkeit.)

So kann der Eindruck, der sich auf Grund ausgewählter Aktenstücke und einer wenn auch mehrstündigen Vernehmung ergibt, anders und wesentlich ungünstiger sein als das Bild, das der Vorgesetzte oder Kollege in jahrelanger Zusammenarbeit gewonnen hat.

(Abg. Renner: Richtig, richtig! Vor allen Dingen in dem Saustall vom Auswärtigen Amt des Herrn Ribbentrop!)

— Sie sind ja wieder sehr munter heute, Herr Renner.

(Heiterkeit. — Abg. Renner: Ja, wenn ich Sie sehe, werde ich schon von allein munter!)

Der Ausschuß hat es dann für richtig befunden, über die Ziffer 1 seines Auftrages hinaus in mehreren Fällen nicht nur das Verhalten der angegriffenen Personen während der nationalsozialistischen Herrschaft zu prüfen, sondern er hat auch das Verhalten vor dem Untersuchungsausschuß zum Gegenstand seiner Beurteilung gemacht.

(Abg. Dr. Horlacher: Er muß sich ja sein persönliches Urteil bilden!)

Die in diesem Zusammenhang von dem Ausschuß in mehreren Fällen angeregte Überprüfung des Verhaltens der Zeugen bei der Vernehmung ist jedoch durch verschiedene Umstände erschwert. In einigen Fällen ist die ganze Vernehmung stenographisch festgehalten worden. In anderen Fällen wurden nur einige Teile in kurzer Zusammenfassung
niedergelegt. Der Bericht selbst enthält auch Feststellungen auf Grund von Aussagen, die im Protokoll nicht einmal andeutungsweise enthalten sind.

(Hört! Hört! in der Mitte. — Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Zum Beispiel?)

Dieser Umstand behindert eine objektive Nachprüfung des Verhaltens der Vernommenen. In mehreren Fällen hat der Ausschuß ausdrücklich das Ergebnis des Entnazifizierungsverfahrens gewürdigt und zur Grundlage seines eigenen Verfahrens gemacht, wobei insbesondere der etwa geleistete Widerstand hervorgehoben wurde. In anderen Fällen ist das Ergebnis der Entnazifizierung und die Frage des Widerstandes nicht geprüft worden. Auch die Frage — ich komme nochmals darauf zurück, weil es sich um so wichtige Dinge handelt — der gleichmäßigen Besetzung, das Recht, Beweisanträge zu stellen und eventuell einen Verteidiger zu wählen, ferner die wichtige Frage der Rechtsmittel sollten in einer Sitzung des Rechtsausschusses nach meiner Meinung einmal besprochen werden.
Ich komm., nun zu dem Ergebnis der Untersuchungen. Die Grundlage bildeten, wie bereits erwähnt, die Artikel der „Frankfurter Rundschau". An dieser Grundlage gemessen ergibt sich aus den Ausführungen und den Feststellungen des Berichts folgendes. Der Ausschuß hat fünf von den insgesamt 21 angegriffenen Personen als Männer echten Widerstandes anerkannt. In einem weiteren Fall iat er die Teilnahme am Widerstand als gegeben erachtet. Drei von den 21 angegriffenen Personen werden wegen ihrer Verstrickung in nationalsozialistische Maßnahmen von dem Ausschuß als ungeeignet zur Weiterverwendung im Auswärtigen Dienst bezeichnet. Auch wenn man dieses Urteil, dessen Nachprüfung natürlich mir, als dem verantwortlichen Minister, obliegt, als zutreffend unterstellt, ergibt sich, daß die am Auswärtigen Amt öffentlich in der Presse geübte Kritik über ihr Ziel hinausgegriffen hat.

(Abg. Dr. Reismann: So hatte ich mir die Antwort gedacht! 10 von 21 sind angeschlagen!)

An dieser Stelle muß ich einen Umstand hervorheben, der, wie es scheint, nicht die Aufmerksamkeit des Ausschusses gefunden hat. Der Beschluß des Bundestages vom 24. Oktober 1951 mißt in Ziffer 1 dem Vertrauen des Auslandes an der Gestaltung des deutschen Auswärtigen Dienstes große Bedeutung bei.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Soweit das Ausland in der Alliierten Hohen Kommission vertreten ist, hat es den Aufbau des Aus-


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

wärtigen Dienstes von Anfang an auf das genaueste verfolgen können und hat nach der damaligen Rechtslage sehr weitgehende Einspruchsmöglichkeiten gehabt. Außerdem hat jede Regierung, in deren Land ein deutscher diplomatischer oder konsularischer Vertreter entsandt wird, die Möglichkeit, ihm das Agrément bzw. das Exequatur zu versagen, wenn sie gegen die Person Bedenken hat. In keinem einzigen Fall wurde das bisher verweigert, auch nicht von den Regierungen, die das gesamte Aktenmaterial des früheren Auswärtigen Amtes, soweit es eben noch vorhanden ist, in Besitz haben. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, daß das Vertrauen des Auslandes in die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik durch die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes gefährdet war.

(Zustimmung in der Mitte.)

Wohl aber muß man heute sagen, daß die übersteigerten Angriffe in der Presse auf das Amt dem Ansehen der Bundesrepublik im Ausland abträglich gewesen sind.

(Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Das ist ja nun ein bißchen stark. — Abg. Renner: Was zu beweisen wäre! — Weiterer Zuruf von der SPD: Nun dreht man den Spieß um. — Abg. Dr. Horlacher: Im Gegenteil, das war notwendig!)

Der Bericht enthält eine große Zahl von Feststellungen, Anregungen und Empfehlungen. Ich bin überzeugt, Sie werden mir darin zustimmen, daß die Empfehlungen mir die verfassungsmäßige Verantwortung nicht abnehmen können.

(Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

Obwohl der Bericht vom Bundestag noch nicht behandelt worden ist, — —

(Abg. Renner: Das heißt, Sie kümmern sich um die Empfehlungen nicht!)

— Wir sind in der Bundesrepublik!

(Abg. Renner: Ja, ja, und Sie heißen Adenauer!)

— Gott sei Dank nicht Renner!

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Obwohl der Bericht vom Bundestag noch nicht behandelt worden war, habe ich alle Hinweise und Feststellungen sorgfältig erwogen, um zu entscheiden, wieweit ihnen entsprochen werden kann. Ich kann Ihnen heute mitteilen, daß ich auf Grund meiner bisherigen Prüfung folgende Maßnahmen getroffen habe. In den Fällen, in denen der Ausschuß eine disziplinar- oder strafrechtliche Würdigung des Verfahrens anheimstellt, ist eine Untersuchung gemäß den Vorschriften der Dienststrafordnung durch eine nicht dem Auswärtigen Amt angehörende Persönlichkeit eingeleitet worden.

(Abg. Fisch: Was soll mit den Kerlen geschehen?)

Der Ausschuß hat nicht nur das Verhalten der betroffenen Personen während der nationalsozialistischen Zeit geprüft, sondern weiterhin eine politische und fachliche Bewertung sowie darüber hinaus Empfehlungen bezüglich der weiteren Verwendung oder Beförderung ausgesprochen. Diese Werturteile, die für die Ehre und Zukunft der Betroffenen von großer Bedeutung sind, werden durch den Bericht in die Öffentlichkeit gebracht und sind in der Presse zum Teil abgedruckt und kommentiert worden, ohne daß die so beurteilten Beamten selbst Gelegenheit hatten, zu den Ausführungen des Ausschusses Stellung zu nehmen.

(Hört! Hört! in der Mitte und rechts.)

Ich habe den Beamten deshalb anheimgestellt, sich ihrerseits zu den Feststellungen des Ausschusses dienstlich zu' äußern. Diese Äußerungen werden bei der Prüfung der einzelnen Fälle berücksichtigt werden.
Zu der Frage 3 des Beschlusses vom 24. Oktober 1951 nach den Maßnahmen, die getroffen wurden, um Angriffe auf Verwaltungsangehörige des Auswärtigen Dienstes abzuwehren, erkläre ich, daß ich künftig in größerem Umfang als bisher, wo der Tatbestand dementsprechend liegt, strafrechtlich wegen Beleidigung des Auswärtigen Dienstes vorgehen werde.

(Zurufe von der SPD. — Abg. Renner: So ist es richtig! Das ist die richtige Lösung! — Gegenruf rechts: So ist es auch richtig!)

Weit mehr aber als mit solchen juristisch-technischen Hilfen wird dem Auswärtigen Amt und allen seinen Angehörigen gedient sein — ich komme jetzt mit einer sehr herzlichen Bitte — mit einem Abbau des Mißtrauens und auch des Unverständnisses,

(Zuruf von der SPD: Und der Nazis!)

das diesem Dienst vielfach noch entgegengebracht wird. Es ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in andern Ländern eine Tatsache, daß über den Auswärtigen Dienst weniger Klarheit herrscht als über die anderen Zweige der öffentlichen Verwaltung. In Verkennung der rechtlichen und der tatsächlichen Lage wird dem einzelnen Angehörigen dieses Dienstes eine politische Entscheidungsbefugnis beigelegt und eine Verantwortung zugeschoben, die er in Wirklichkeit gar nicht besitzt. Die Verantwortung für die Außenpolitik trägt in jedem Lande die Regierung allein. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich eine solche Binsenwahrheit noch ausspreche; aber es scheint mir das nötig zu sein: in jedem Staate hat der Beamte eines jeden Ministeriums die Weisungen der allein verantwortlichen Regierung loyal durchzuführen. Das gilt in vollem Umfange auch für das Auswärtige Amt.
Das deutsche Auswärtige Amt war ein vorzügliches Instrument in den Händen der Männer, die in der Zeit bis 1932 Deutschland nach dem Zusammenbruch von 1918 zu einem allseits geachteten Mitglied in der Gemeinschaft der Nationen gemacht haben. Dieses Instrument ist später von der nationalsozialistischen Regierung mißbraucht und zum Teil verdorben worden.

(Abg. Renner: Das sitzt heute bei Ihnen!)

Dem neuen Auswärtigen Amt muß man die Schwierigkeiten zugute halten — ich bitte Sie, das zu tun —, mit denen es zu kämpfen hat. Das Amt trat als letztes Bundesministerium ins Leben, und zwar viel früher, als man im Jahre 1949 erwarten konnte. Erfahrene Beamte aus früherer Zeit standen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Die räumliche Unterbringung und der technische Apparat konnten bisher nicht mit den ständig wachsenden Aufgaben Schritt halten. Diese Schwierigkeiten sind im Abklingen. Mit dem Fort-


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

schreiten der Zeit wird das Amt und insbesondere der Personalbestand von selbst ein anderes Gesicht erhalten.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Die Zahl der alten Beamten, die zur Wiederverwendung noch zur Verfügung stehen, ist klein. In wenigen Jahren werden die aus den verschiedensten Berufen übernommenen neuen Kräfte und vor allem der im Amt selbst ausgebildete jüngere Nachwuchs in die entscheidenden Stellungen aufgerückt sein.
Als Außenminister darf ich an dieser Stelle sagen, daß das Auswärtige Amt bei der Vorbereitung und bei der Durchführung der schwierigen Verhandlungen des letzten Jahres in steigendem Maße wertvolle Arbeit geleistet hat, für die jeder den Beamten dankbar sein muß. Von der Schwierigkeit und dem Umfang der Arbeit, die da geleistet worden ist, kann sich der Außenstehende einfach keinen Begriff machen. Die Leistungsfähigkeit des Auswärtigen Amtes wird wachsen mit dem Vertrauen, das man ihm gewährt. Die so erfreuliche Entwicklung kann aber nicht gedeihen, wenn das Auswärtige Amt in seiner Aufbauarbeit immer wieder durch solche Angriffe in der Presse gestört wird. Man fragt sich daher, wer eigentlich einen Vorteil davon hat, wenn immer wieder dadurch das Instrument der deutschen Außenpolitik in seiner Wirksamkeit behindert wird. Der Auswärtige Dienst darf die Kritik nicht scheuen. Er darf aber auch Verständnis beanspruchen.
Ich begrüße es — und ich sage das sehr unterstrichen —, wenn die Volksvertretung und die Öffentlichkeit auch künftig den Aufbau und die Tätigkeit des Auswärtigen Amtes mit Aufmerksamkeit verfolgen. Das Grundgesetz gibt reiche Möglichkeiten für eine fruchtbare Mitgestaltung. Es wäre erfreulich, wenn sie aufbauend genützt würden. Auch der Auswärtige Dienst ist ein Dienst des Volkes und ein Dienst am Volke. Er muß, wenn er seiner Aufgabe gerecht werden soll, vor allem von dem Verständnis und dem Vertrauen des eigenen Volkes getragen sein.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Das wird ihm, so hoffe ich, in wenigen Jahren in starkem Maße beschieden sein, wenn . die begabte Jugend aus allen Schichten diesem Dienst zustrebt, damit er wirklich ein Spiegelbild des ganzen Volkes werden kann.
Wenn die Arbeit des Untersuchungsausschusses dazu beigetragen hat, Mißverständnisse zu klären, Irrtümer zu beseitigen, wirkliche Mißstände aufzudecken, die Bahn für eine ungestörte Aufbauarbeit frei zu machen und im deutschen Volke ein tieferes Interesse für diesen Dienst zu wecken, so betrachte ich das Ergebnis der Arbeit des Untersuchungsausschusses trotz der Bedenken, die ich im einzelnen geltend machen mußte, als einen Gewinn für uns alle.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0123401800
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Redezeit von 120 Minuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0123401900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat vorhin ausgeführt, daß es die Aufgabe des Ausschusses gewesen sei, ein zeitbedingtes politisches Urteil abzugeben. Ich glaube, in dieser Aufgabenstellung liegt der Fehler. Ein Untersuchungsausschuß im Sinne des Grundgesetzes, auch im Sinne der Weimarer Verfassung, hat nur Tatsachen festzustellen, aber kein Urteil abzugeben.
Meine politischen Freunde erkennen den Grundsatz an, daß es eine der wichtigsten nationalen Aufgaben ist, das Mißtrauen gegenüber unserem Lande zu überwinden, eine Verpflichtung und ein Prinzip, das unsere auswärtige Politik beherrschen muß. Diese Aufgabe wird aber nicht dadurch erfüllt, daß man das eigene Nest fortgesetzt beschmutzt.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und KPD. — Abg. Dr. Reismann: Unerhört!)

Das Beschießen von Beamten durch die Presse dient dem Ziel nicht, im Ausland das Vertrauen in die Bundesrepublik herzustellen. Der Herr Bundeskanzler hat zu diesem Kapitel das Notwendige gesagt.

(Zuruf links: Nur nicht daran rühren!)

Auch die Ergebnisse und die Darstellung des Untersuchungsausschusses haben diesem Ziel nicht gedient, sondern erst Unruhe erzeugt. Es handelt sich um Angriffe, die sehr lebhaft an die Polemik und die Presseerzeugnisse unmittelbar nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945/46 erinnern, Betrachtungsweisen, die wir für überwunden hielten und deren Überwindung eine Notwendigkeit im deutschen Leben ist.
Besonders ist uns aufgefallen, daß man sich bei den Untersuchungsergebnissen auf die Beweiswürdigung der Nürnberger Prozesse stützt. Auf der andern Seite ist in Art. 6 des Überleitungsvertrages die Nichtanerkennung dieser Verfahren eine Voraussetzung bei dem Lösungsversuch der Frage der sogenannten Kriegsverbrecher, eine Voraussetzung, die, soviel ich weiß, von allen Parteien dieses Hauses geteilt wird. Hier stützt man sich aber auf dieses einseitige Beweismaterial. In der Propaganda und in Wahlversammlungen lehnt man, wenn es um die Frage der sogenannten Kriegsverbrecher geht, diese Rechtsgrundlagen ab. Man muß da wirklich fragen: „Erkläret mir, Graf Örindur, diesen Zwiespalt der Natur".
Ich habe nicht die Absicht, mit meinen Darlegungen irgendeinem der Mitglieder des Ausschusses einen Vorwurf zu machen. Denn ich behaupte, daß die falsche Stellung der Aufgabe, die vom Plenum beschlossen worden ist, einen großen Teil dazu beigetragen hat, daß dieses Verfahren Mängel aufweist. Die Ansicht — ich möchte nun in eine staatsrechtliche Würdigung eintreten —, daß der Untersuchungsausschuß nach dem Grundgesetz nur Tatsachen zu untersuchen und kein Urteil abzugeben hat, ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur auch schon zur Weimarer Zeit eine feststehende Grundauffassung gewesen. In dieser Hinsicht verstößt der vorliegende Bericht in mehrfacher Beziehung gegen die verfassungsrechtliche Kompetenz dieses Hauses. Er enthält außer den Feststellungen noch eine Reihe von Empfehlungen, welche als Anweisungen an die Bundesregierung formuliert sind. Es steht fest, daß der Bundestag gegenüber der Bundesregierung das Interpellationsrecht hat und ihr gegenüber die parlamentarische Kontrolle in Form des Mißtrauensvotums ausübt, daß er ihr aber keine Weisungen für die Führung der Geschäfte im allgemeinen oder auch in einzelnen Angelegenheiten erteilen kann.


(Dr. von Merkatz)

Mit dieser Aufgabenstellung stimmt es weiter nicht überein, daß der Ausschuß das als Anlage abgedruckte Schreiben vom 14. Mai 1952 an den Bundesaußenminister gerichtet hat. In diesem Schreiben werden sehr konkret gefaßte Urteile über die zu untersuchenden Beamten abgegeben, welche den Sinn von Anweisungen oder Zustimmungen zu personalrechtlichen Maßnahmen der Bundesregierung haben. Man muß der Bundesregierung sogar den Vorwurf machen, daß sie ein solches Schreiben überhaupt angenommen hat, daß sie sogar mündliche Abmachungen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses getroffen hat, wie im Falle Grundherr, über den im einzelnen noch zu sprechen sein wird.
Denselben unzulässigen Charakter tragen die sogenannten Voten zu den einzelnen Feststellungen. Über die Beibehaltung oder anderweitige Verwendung der Beamten werden ganz bestimmte Vorschläge gemacht, die diesem Hause nicht zustehen. Man kann auch kaum sagen, daß der Ausschuß sich vielleicht im Ausdruck vergriffen hat und selbst nicht eine rechtliche oder politische Verbindlichkeit seiner Empfehlungen und Voten behaupten wollte. Denn in den Vorbemerkungen zu Teil II auf Seite 5 spricht er von einer Urteilsfindung, die dem Bundestag durch den Bericht ermöglicht werden soll. Der Bericht ist also gewissermaßen als Urteilsoder Entscheidungsentwurf gedacht, was über die Befugnisse des Bundestags und erst recht des Ausschusses hinausgeht.
Ganz besonders muß Ziffer 4 der Empfehlungen beanstandet werden, weil darin ein Zweierausschuß zur laufenden Kontrolle des Auswärtigen Amts vorgesehen wird.

(Widerspruch.)

Ein Untersuchungsausschuß kann seine Aufgaben nur selbst wahrnehmen. Außerdem ergibt schon die gegenwärtige Verfassungspraxis, daß ein Ausschuß oder Unterausschuß des Bundestags nicht zur laufenden Kontrolle der Verwaltung eingesetzt werden kann. Der Bundestag hat am 2. März 1950 anläßlich der Untersuchung der Auftragsvergebungen beim Ausbau von Bonn einen Antrag der SPD, Drucksache Nr. 443, einen Siebenerausschuß zu einer solchen Überwachung der Vergebung von Aufträgen einzusetzen, abgelehnt.

(Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

Schließlich erscheint es nach den Grundsätzen des Berufsbeamtentums — aber dazu hat der Herr Bundeskanzler das Notwendige schon ausgeführt — unzulässig, daß die Personalakten, die geheimzuhalten sind, der Öffentlichkeit in der Form, wie das in dem Bericht geschehen ist, zugänglich gemacht worden sind; das ist ein Verstoß gegen einen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der bereits nach Art. 129 der Weimarer Reichsverfassung galt und heute auch in der Bundesfassung des Beamtengesetzes in § 42 wieder seinen Ausdruck gefunden hat. Gewiß können Gerichte zur Aufklärung eines Sachverhalts die Personalakten anfordern; es ist aber nicht möglich, daß der Ausschuß in dieser Form Veröffentlichungen vornimmt.
Meine Zeit ist beschränkt. Ich unterstreiche das, was der Herr Bundeskanzler hinsichtlich der Einzelheiten des Verfahrens gesagt hat, und brauche dem nichts weiter hinzuzufügen. Ein grober, ein sehr grober Verfahrensverstoß besteht darin, daß Zeugen, die tatsächlich Beschuldigte waren, unter Eideszwang, wie das nur nach der englischen Prozeßordnung möglich ist, vernommen worden sind.
Zusammenfassend möchte ich zum Ausdruck bringen: Der Ausschuß hat unter Überschreitung seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse, allerdings durch den Beschluß des Bundestags dazu verleitet, die Befugnisse eines Tribunals übernommen, hat schwere Verstöße gegen die Verfahrensregeln insbesondere bei der sinngemäßen Anwendung der Strafprozeßordnung begangen, Beschuldigte als Zeugen unter Eideszwang vernommen und schlägt dem Plenum vor, sich die Befugnisse einer Mitregierung auf dem Gebiet der Personalpolitik anzumaßen.

(Abg. Dr. Becker — Das steht in den Schlußempfehlungen; wir können uns darüber persönlich unterhalten. — Dieses Verfahren gefährdet die rechtsstaatliche Ordnung und bedeutet ein gefährliches Präjudiz einer politischen Parlamentsjustiz, die wir ablehnen. (Abg. Dr. Horlacher: Unerhört! — Weitere Zurufe.)


(Lachen links)

Wir betrachten die Ausführungen und die Wertungen politischer Art, die in diesem Bericht stehen, als eine gefährliche politische Beckmesserei. Für besonders verwerflich halten wir die Beurteilung der Fälle von Bargen, Dittmann und von Grundherr. Im letztgenannten Fall handelt es sich um einen Beamten, der nach langer Dienstzeit unmittelbar vor Erreichung der Altersgrenze diese schwere Enttäuschung hinnehmen mußte, etwas, was man bestimmt hätte vermeiden können, was man auch der Bundesregierung, soweit ich orientiert bin, zugesagt, aber dann nicht gehalten hat; denn am Schluß der Würdigung steht doch das, was diesen Mann diffamiert. Das bedeutet einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Wir halten eine Diffamierung des Auswärtigen Dienstes in dieser Art für einen Fehler. Besonders geht die Diffamierung und damit eine Erschwerung der künftigen Arbeit des Auswärtigen Amts aus dem Text der sogenannten Zusammenfassung hervor.
Wir haben hinsichtlich dieser Frage für die Zukunft einige Wünsche. Bei der Wiedergutmachung
— auch wir treten dafür ein, daß das Wiedergutmachungsgesetz angewendet wird — sollte — und das ist ein Wunsch, den wir hier ausdrücken, nicht eine Empfehlung im Sinne des Ausschusses — auch auf die alten Beamten Rücksicht genommen werden, deren Rückkehr in den Dienst und deren Wiedereinstellung wesentlich erschwert ist.

(Abg. Dr. Horlacher: Ohne Rücksicht darauf, was sie vorher getan haben?)

— Dann würden sie ja nicht unter das Wiedergutmachungsgesetz fallen, Herr Kollege. Sie wissen, welchen Personenkreis ich meine.
Ferner sieht meine Fraktion von dem ausdrücklichen Antrag, eine Mißbilligung gegenüber diesem Bericht auszusprechen, ab,

(Abg. Dr. Horlacher: Das ist ja ein Schmarren!) und zwar aus dem Grund, weil der Hauptfehler in der Aufgabenstellung und weniger in der Durchführung des Verfahrens — außer den Mängeln, die ich bereits erwähnt habe — liegt. Nur dadurch ist es zu einer Beurteilung gekommen, die wir ablehnen. Aber meine Fraktion wird dafür stimmen, daß dieser Bericht wegen seiner fehlerhaften Verfahrensgrundlagen vom Bundestag verworfen werden möge.

Meine Zeit ist um.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)



(Dr. von Merkatz)

— Dieser Bundestag ist dafür da, daß jede politische Meinung und Richtung, die hier vertreten ist, ihren Ausdruck findet. Sie haben Ihren Ausdruck lang und breit gefunden, also haben auch wir das Recht, unsere Meinung zu sagen. Ich betone nochmals: in dem, was ich hierzu sachlich zu bemerken habe, liegt kein Vorwurf gegen irgendeines der Mitglieder dieses Ausschusses. Denn auch die Verfahrensverstöße sind darin begründet, daß vorher keine genaue und richtige Geschäftsordnung gemacht worden ist. Ein dahingehender Antrag, der im Geschäftsordnungsausschuß gestellt war, ist dort abgelehnt worden. Derartige Untersuchungsausschüsse leiden darunter, daß eben diese genauen Verfahrensregeln fehlen. Bei Aufstellung einer Geschäftsordnung wäre die Frage, daß ein Zeuge nicht unter Eideszwang vernommen werden kann, wenn er in Wahrheit Beschuldigter ist, bestimmt aufgetaucht und hätte eine vernünftige Regelung gefunden.
Hinsichtlich der politischen Bewertung der Vergangenheit habe ich vorhin den Ausdruck von der politischen Beckmesserei gebraucht. Wir sind nicht so vermessen, in dem politischen Urteil, das hier ausgesprochen ist, das historische Urteil, d. h. die Findung der Wahrheit zu sehen. Es wird sehr schwer sein, da einen gültigen Maßstab zu finden. Immerhin hat uns sehr gefreut, daß dieser Bericht hinsichtlich der Frage des Widerstands einen sehr klärenden Satz enthält, und zwar an der Stelle, an der der Brief an Halder in der Frage von Etzdorf beurteilt ist. Es ist dort von den beiden Gruppen der Widerstandskämpfer die Rede, von denen die eine Gruppe dafür eintrat, daß Deutschland eine gute Verhandlungsposition behalten müsse, während es von der anderen heißt, daß sie auch eine deutsche Niederlage in Kauf nehmen wollte. Dieser Ausdruck „in Kauf nehmen" schließt die Zusammenarbeit mit dem Feinde aus, die eine Niederlage herbeiführen sollte. Diese Erkenntnis und diese Formulierung, dieses Ziehen einer feinen Grenzlinie ist, glaube ich, ein Beitrag zur Klärung eines sehr schwierigen Problems. Wenn dann festgestellt wird, daß es Personen gibt, die das Mißtrauen in Deutschland auf Grund ihrer Vergangenheit verstärken könnten, so muß ich — und dazu fühle ich mich verpflichtet — im Namen meiner politischen Freunde hinzufügen: auch diejenigen, die mit dem Zweck und dem Ziel, eine militärische Niederlage herbeizuführen — ein großer Unterschied gegenüber „in Kauf zu nehmen"! —, mit dem Feind zusammengearbeitet haben, tragen nicht dazu bei, das Vertrauen in unser Land zu stärken.

(Sehr richtig! rechts — Zurufe links.)

Wenn man schon Prinzipien aufstellt, dann soll man sie in eine feine Abwägung untereinander bringen. In allen diesen Punkten hat der Bericht seine schwierige Aufgabe nicht immer voll erfüllt.
Wir beantragen, den Bericht abzulehnen, und zwar um ein Präjudiz zu schaffen, daß solche politischen Parlamentstribunale nicht wieder errichtet werden.

(Lebhafter Beifall rechts. — Abg. Dr. Horlacher: Das ist j a geschäftsordnungswidrig! — Zurufe links.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0123402000
Das Wort hat der Abgeordnete Brill als Berichterstatter.

Dr. Hermann Louis Brill (SPD):
Rede ID: ID0123402100
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter eine Bemerkung an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers, die, glaube ich, zur Aufklärung dienen kann. Der Herr Bundeskanzler ist der Auffassung, daß das ganze Verfahren mit außerordentlichen Verfahrensmängeln belastet ist. Ich muß dazu berichten, daß sich der Untersuchungsausschuß wiederholt und eingehend mit Verfahrensfragen beschäftigt hat, nicht nur in abstrakter Weise unter Gebrauch der üblichen juristischen Regeln für die Auslegung des Grundgesetzes, sondern auch unter Rückgriff auf die zur Verfügung stehende Literatur. Der Untersuchungsausschuß ist in allen Fällen, in denen Entscheidungen darüber, wie das Verfahren zu gestalten sei, getroffen werden mußten, der Auffassung gewesen, daß die Beschlüsse des Deutschen Juristentages aus dem Jahre 1926, die Rechtsprechung des ehemaligen Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich und die Literatur, wie sie insbesondere in dem großen zweiteiligen Kommentar zur Weimarer Reichsverfassung von Anschütz aufgeführt ist, genügend zuverlässige Unterlagen bieten, um zu einem richtigen Verfahren zu kommen. Zu den weiteren Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers habe ich nichts zu sagen.
Der Herr Abgeordnete von Merkatz hat dann unter anderem das Verfahren des Ausschusses angegriffen, indem er erklärt hat, hier handele es sich um Parlamentsjustiz. Als Berichterstatter des Ausschusses habe ich darzulegen, daß wir in keinem Stadium des Verfahrens an etwas auch nur Ähnliches gedacht haben. Unser Bemühen war immer, die Tatsachen festzustellen und auf Grund der Tatsachen Empfehlungen zu geben; sonst nichts.
Nun hat der Abgeordnete von Merkatz noch gesagt, die Empfehlung, die unter Abschnitt IV Nr. 4 gegeben worden ist, bedeutet eine Verewigung des Untersuchungsausschusses mit dem Ziele, eine parlamentarische Nebenregierung einzusetzen. Ich beziehe mich in diesem Punkte zunächst einmal auf das, was ich vorhin über die Zuständigkeiten eines Untersuchungsausschusses gesagt habe, und füge hinzu, der Ausschuß ist einstimmig der Auffassung, daß mit der Berichterstattung in dieser Sitzung seine Aufgabe erledigt und er damit kraft Gesetzes, nämlich nach dem Grundgesetz, aufgelöst ist. Wenn er Ihnen in Abschnitt IV unter Nr. 4 eine besondere Empfehlung machte, so liegen dazu besondere Gründe vor. Gestatten Sie zunächst einmal, daß ich die Empfehlung vorlese:
Der Bundestag beauftragt die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Nr. 47 in ihrer Gesamtheit,
— ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auf den Ausdruck zu achten: nicht den Untersuchungsausschuß, sondern die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in ihrer Gesamtheit —
zwei Personen mit außenpolitischer und juristischer Bildung und Erfahrung mit der Nachprüfung der bisher vorliegenden Beschwerden über die Personalpolitik des AA zu betrauen. Sie haben dem Bundestag in geeigneter Weise über das Ergebnis dieser Prüfung zu berichten.
Ich will ihnen die Motive erklären, aus denen wir zu dieser Empfehlung gekommen sind. Noch bevor der Untersuchungsausschuß seine Tätigkeit aufgenommen hatte, gingen bei dem Vorsitzenden und bei einzelnen Mitgliedern in großer Zahl Beschwerden gegen die bisherige neue Personalpolitik ein. Sie bezogen sich insbesondere auf die Abweisung von Bewerbern.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf des Abg. Renner.)



(Dr. Brill)

Es war nicht die Aufgabe des Untersuchungsausschusses, zu diesen Beschwerden Stellung zu nehmen; denn die Aufgaben waren j a durch die drei Fragen, die ich in meinem Hauptbericht vorgetragen habe, ganz genau umrissen. Die Briefe sind auch in ihrer großen Mehrzahl — sie haben jetzt, glaube ich, die Zahl von 300 erreicht — keine Petitionen an den Bundestag, sondern Schreiben an den Untersuchungsausschuß. Sie müssen aber nach der Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses irgendwie erledigt werden. Der Untersuchungsausschuß hat deshalb diesen Vorschlag gemacht, um eine völlig unparteiische Erledigung zu ermöglichen. Zwei Persönlichkeiten, die in der Außenpolitik bewandert sind und die juristische Kenntnisse besitzen, sollten diese Prüfung als Sachverständige vornehmen. Diese Personen sollen nach der Intention des Ausschusses nicht dem Bundestag angehören.
Was wir vorschlagen, ist absolut nichts Ungewöhnliches. Der in meinem Hauptbericht erwähnte Ausschuß des Reichstags zur Untersuchung der Kriegsursachen hat Sachverständige, die dem Reichstag nicht angehörten, in großer Zahl vernommen und sich von ihnen Prüfungsberichte über Tatbestände, die aktenmäßig festliegen oder die sonst historisch zu erfassen sind, erstatten lassen. Ich erinnere beispielsweise an den Ihnen wahrscheinlich allen bekannten Wehrwissenschaftler und ehemaligen General von Kuhl, an den früheren Reichstagsabgeordneten Dittmann. Der auf Grund eines besonderen Gesetzes eingesetzte sogenannte Enqueteausschuß zur Untersuchung der Produktions- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft hat sogar ständige Sachverständige zur Prüfung bestimmter Tatbestände bestellt. Es ist also kein Vorschlag, der irgendwie aus der Luft gegriffen wird, den wir Ihnen hier machen. Aber ich habe schon in meinem Hauptbericht gesagt, die Empfehlungen sind Ihnen unterbreitet worden, um nach Ihrem Ermessen davon Gebrauch zu machen. Halten Sie es also bitte mit der Empfehlung unter IV, 4 so, wie Sie es für richtig halten. Nur möchte ich betonen, die bei dem Untersuchungsausschuß eingegangenen Beschwerden können nicht unbeachtet bleiben. Sie müssen untersucht und entschieden werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0123402200
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0123402300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege von Merkatz hat in seiner Rede eigentlich, glaube ich, zwei wesentliche Punkte ausgelassen, nachdem er hier ein glühendes Bekenntnis zum Auswärtigen Amt in alten und neuen Tagen abgelegt hat.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. Horlacher: Das war traurig! Sehr traurig war das!)

Es fehlten noch zwei Feststellungen, die erste: Der Bundestag wolle beschließen, die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Nr. 47 samt und sonders in den Anklagezustand zu versetzen.

(Sehr richtig! bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU.)

Das war die erste Feststellung.

(Zuruf rechts: Das kommt noch!)

Und das zweite, was eigentlich in dieser Rede von
einem anderen Standpunkt aus hätte gesagt werden müssen und was die Rede deshalb so verhängnisvoll macht, weil es nicht in ihr enthalten war, wäre doch immerhin der Versuch gewesen, anzuerkennen, daß das Auswärtige Amt in bestimmten kritischen Perioden seiner Geschichte sich nicht so benommen hat, als daß Demokraten heute nicht darüber nachdenken sollten, wie man es besser machen kann!

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Dadurch, daß das fehlt, hat diese Rede einen Akzent bekommen, verehrter Herr Kollege von Merkatz, der gerade das erreicht, was Sie dem Bericht des Untersuchungsausschusses unterschoben haben, nämlich erneut im Ausland Zweifel an der demokratischen Entwicklung unseres Volkes zu wecken.

(Beifall bei der SPD.)

Denn diese Rede wurde von einem Vertreter der Regierungsparteien gehalten, nicht von einem Vertreter der Opposition. Ich möchte aber die Freunde des demokratischen Deutschland in der Welt bescheiden darauf aufmerksam machen, daß Herr von Merkatz in seine Rede ein Selbstbekenntnis eingeflochten hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Und dieses Selbstbekenntnis war der Satz: „Meine Zeit ist um!"

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

Das wollen wir dem Ausland zur Tröstung mit auf den Weg geben. So, wie er es mit der Redezeit gehalten hat, ist es hoffentlich auch in der Politik. Er ist der Repräsentant einer Anschauung, die sich selbst überlebt hat.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Und nun zur Sache selbst! Der Auswärtige Dienst muß eine fleckenlose Visitenkarte des demokratischen Deutschland sein.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Wer in die Geschichte der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft — ob mit oder ohne eigenes Verschulden — allzu sichtbar verstrickt worden ist, sollte in bestimmten Positionen nicht verwendet werden, um des Ansehens der Bundesrepublik willen.

(Abg. Dr. Horlacher: Aus eigenem Anstand sollte er verschwinden!)

Auch die Personenauswahl für diesen besonders ins Auge fallenden Dienst muß Vertrauen zum neuen Deutschland und nicht das Gegenteil erreichen. Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten, die beim Aufbau des Auswärtigen Dienstes vorgelegen haben. Es ist erklärlich, daß manches Unbehagen und manche Kritik im In- und Auslande zunächst auch in manchen Punkten über das Ziel hinausgeschossen sein mögen. Sicher sind Fachkräfte erforderlich, um einen Apparat wie den Auswärtigen Dienst aufzubauen; aber das Entscheidende ist doch, ob man von der Konzeption ausgehen muß, daß es zwingend geboten sei, den Apparat der Wilhelmstraße im wesentlichen unversehrt nach der Koblenzer Straße überzuführen. Das ist doch das Problem, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben, oder wenigstens eins der Probleme.
Restaurationstendenzen gibt es gewiß überall; aber mir ist in den drei Jahren meiner Mitarbeit in diesem Hohen Hause keine Behörde zu Gesicht gekommen, die sich in dieser Vollkommenheit als direkten Fortsetzer der Tradition eines Berliner


(Erler)

Ministeriums fühlt und benimmt, wie es beim Auswärtigen Amt der Fall gewesen ist.

(Abg. Renner: Das ist auch politisch eine Fortsetzung!)

Ich möchte mich hier mit einem Satz beschäftigen, der von den Pflichten der Beamten handelte. Selbstverständlich hat jeder Beamte die Pflicht, loyal die Weisungen der Regierung auszuführen, die die politische Verantwortung trägt. Aber ich meine, man kann nicht einfach einen Teil der deutschen Geschichte und die Lehren, die wir aus ihr zu ziehen haben, streichen. Man weiß, daß es in bestimmten Situationen Beamte gegeben hat, die über das Maß des von ihnen Geforderten hinaus Weisungen provoziert haben, und — auch das hat
es gegeben —, daß es Beamte gegeben hat, die an Verbrechen mitgewirkt haben. Ich spreche nicht von denen, die hier Gegenstand der Untersuchungen gewesen sind; aber es hat Prozesse vor deutschen Gerichten gegen solche Beamte gegeben, und wir sind es unserem Volke und unserer Beamtenschaft schuldig, hier einen deutlichen Trennungsstrich zu jenen Elementen zu ziehen, die in ihrer Eigenschaft als Beamte sogar an Verbrechen aktiv mitgewirkt haben.
Und dann gab es den großen Gewissenskonflikt, der in jedem Beamtenherz eigentlich hätte ausgetragen werden müssen: Wie weit der Beamte einer Weisung nachgehen darf, wenn sie seinem Gewissen zuwiderläuft. Ich weiß, daß der unmittelbare Zwang und die unmittelbare Not manchen zur Ausführung von Weisungen gezwungen haben, die ihm gegen das Gewissen gingen. Aber so mancher z. B. gerade im Dienst im Auslande hatte doch die Möglichkeit, der Stimme des Gewissens leichter Ausdruck zu verschaffen, als ein anderer, der hier im Inlande unmittelbar dem nationalsozialistischen Druck ausgesetzt war.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Was hat der Ausschuß — denn das ist nun das Thema, mit dem wir uns zu befassen haben — sachlich festgestellt? Zu welchen bestimmten Ergebnissen können wir kommen? Hat sich die Einsetzung dieses Ausschusses überhaupt gelohnt? Ich meine: j a! Wenn die Frage, ob im Auswärtigen Amte Personen beschäftigt wurden oder werden, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, eindeutig mit einem Ja beantwortet werden mußte, dann ist damit ein Signal für jeden Demokraten gegeben, sich mit diesem Tatbestand im Sinne einer Abkehr von dem, was aufgedeckt worden ist, auseinanderzusetzen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn der Ausschuß weiter bestimmte Einflüsse ermittelt hat, auf welche die Beschäftigung dieser Personen zurückzuführen ist, und dann meint, daß es Sache des Bundestages sei, aus diesen Antworten Folgerungen abzuleiten, dann würden wir unsere Pflicht versäumen, wenn wir diese Folgerungen nicht zögen, auch wenn diese Folgerungen nicht unbedingt hier vor versammelter Mannschaft gezogen werden müssen. Aber wir müssen nach Mitteln und Wegen suchen, diese Folgerungen zu ziehen.
Wenn weiterhin der Ausschuß auf die Frage, welche Maßnahmen getroffen worden sind, um Mißgriffe in der Personalpolitik aufzudecken und zu verhüten, zu dem Ergebnis kommt, daß das, was vorher geschehen ist — nämlich das Untersuchungsverfahren, das infolge der Art der Durchführung gar keine Mißgriffe aufdecken konnte —, eben kein Ergebnis brachte, daß die Bundesregierung lediglich zu handeln begann, als der Ausschuß schon bestimmte Mißstände aufgedeckt hatte, dann ist doch damit klargelegt, daß bis zur Einrichtung dieses Ausschusses praktisch eben nichts geschehen war, um den Mißständen zu Leibe zu gehen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Das ist der Sachverhalt, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.
Wesentlich sind die tatsächlichen Feststellungen des Ausschusses und für die Arbeit des Parlaments die Schlußempfehlungen; nicht die Empfehlungen
zu den einzelnen Personen — da brauchen wir heute kein großes Scherbengericht zu veranstalten —, sondern die Schlußempfehlungen, damit wir zu konstruktiven Vorschlägen für die Zukunft kommen. Das ist die Aufgabe, die das Hohe Haus hier und heute hat.
Nun muß ich zu meiner Bestürzung auch in der Pressekorrespondenz einer der Regierungsparteien lesen, daß dieser Bericht sehr viele dunkle Stellen enthalte. Meine verehrten Damen und Herren, dunkel ist nicht der Bericht, sondern dunkel sind leider Gottes die Tatbestände, mit denen er sich zu befassen hatte

(Sehr gut! bei der SPD)

und die trotz großer Mühe nicht hinlänglich aufgeklärt werden konnten.

(Abg. Renner: Und was nicht untersucht wurde, ist auch noch dunkel!)

Es wird dann hier gesagt, der Ausschuß habe die Prärogative, die Vorrechte der Exekutive verletzt. Ich will hier ein offenes Bekenntnis ablegen. Wir befinden uns in unserer verfassungsrechtlichen Entwicklung in Deutschland nicht in einem Zustand, in dem das Parlament in der Gefahr steht, über seine Grenzen hinauszugreifen, sondern in einem Zustand, 'in dem das Parlament als Ganzes sich sogar dagegen wehren muß, daß die Exekutive allzu oft und allzu nachdrücklich die Befugnisse der gewählten Volksvertretung beeinträchtigt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zustimmung des Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Das ist der Sachverhalt. Auch von diesem Standpunkt her

(Bewegung bei der SPD — Zuruf von der SPD: Ihre Leute haben mitgeklatscht!)

erschüttert mich ein wenig die Rede des Kollegen von Merkatz, die eigentlich einer Gedankenwelt des Autoritätsstaates entspricht, der in Deutschland für immer der Vergangenheit angehören sollte.
Was gab eigentlich dem Parlament Anlaß, sich hier einzuschalten? Wir hätten diesen ganzen Ausschuß nicht gebraucht, wenn die Bundesregierung rechtzeitig gehandelt hätte.

(Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Die Bundesregierung, die noch, als der Ausschuß seine Tätigkeit begann, die Mißstände abgeleugnet und beschönigt hat,

(Hört! Hört! links)



(Erler)

statt sie selbst aufzudecken und zu beseitigen, trägt doch die Verantwortung dafür, daß es erst zu dieser öffentlichen Untersuchung kommen mußte.

(Erneute Zustimmung bei der SPD.)

Das müssen wir hier festhalten. Ich will aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. So viel von den einzelnen Beamten und ihrem mehr oder weniger richtigen Verhalten die Rede ist — für das Parlament gibt es nur einen Verantwortlichen. Das geht gar nicht anders; das ist das System der parlamentarischen Demokratie. Dem Parlament, uns gegenüber, trägt die Verantwortung für das, was geschehen ist und was weiterhin geschieht, der verantwortliche Ressortminister, auch wenn der Minister der Herr Bundeskanzler ist.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich nehme es keinem der beteiligten Beamten übel, daß er sich um eine Verwendung in seinem erlernten Beruf bemüht hat. Doch, ein klein wenig! Bei manchem wäre es eine Frage des Taktes gewesen, sich nicht allzu rechtzeitig wieder in den Vordergrund zu drängen.

(Sehr gut! bei der SPD. — Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Aber verantwortlich für die Wiederverwendung dieser Leute, verantwortlich für die Methode der Personalauswahl ist dem Parlament gegenüber — ohne Rücksicht auf die innere Geschäftsverteilung — der Ressortminister, der Bundesminister des Auswärtigen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Überlastung mit vielen anderen Aufgaben, z. B. dadurch, daß der Ressortminister gleichzeitig noch die nicht kleine Aufgabe des Bundeskanzlers wahrzunehmen hat, ist keine Entschuldigung. Das hat er selbst zu vertreten; das hätte er rechtzeitig ändern können.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es ist auch keine Entschuldigung, daß es im Auswärtigen Amt in den schwierigen Zeiten des Aufbaues nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig klare
Zuständigkeitsabgrenzungen zu schaffen, damit
derartige Pannen nicht passierten. Der Ressortminister muß sein Amt so organisieren, daß er die Zeit
und daß er die Mitarbeiter hat, um das Vorkommen derartiger Fehlentscheidungen zu verhindern.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Dem Parlament gegenüber haftet gewissermaßen er für die Folgen einer fehlerhaften Organisation, die abzustellen seine Aufgabe gewesen wäre.
Der Herr Kanzler hat uns versichert, er habe den Bericht sehr aufmerksam gelesen, und die Darstellung, die er gegeben hat, zeugt davon. Aber der Geist der Darstellung war doch in manchen Punkten nicht von dem Willen diktiert, aus den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses des Bundestags ein Maximum an konkreten positiven Folgerungen für die Zukunft zu ziehen, sondern doch allzusehr auch von dem Bestreben — es mag nicht seines gewesen sein, das mag auch an der Organisation der Behörde liegen —,

(Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD)

zu ergründen, welche schwachen Stellen dieser Bericht hat und wie man sich nach Möglichkeit um die Ausführung dieser Empfehlungen drücken kann. Das ist aber nicht der Sinn der Stellungnahme der Bundesregierung.

(Zuruf von der SPD: Ist auch nicht demokratisch!)

Es gibt leider außer dem Herrn Bundeskanzler — aber dafür ist er verantwortlich — im Auswärtigen Dienst noch eine Nebenregierung, und auf diese Nebenregierung muß ich kurz zu sprechen kommen. Der Ausschuß hat es getan, aber der Satz ist leider offenbar der sonst sehr aufmerksamen Lektüre des Herrn Bundeskanzlers entgangen. Auf Seite 36 in Abschnitt IV Nr. 2 letzter Satz heißt es:
Dem Leiter der Personalabteilung müssen die
ihm nach der gemeinsamen Geschäftsordnung
für die Bundesministerien zustehenden Befugnisse, insbesondere das Recht des unmittelbaren
Vortrags beim Staatssekretär, tatsächlich eingeräumt werden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das war nun keine übertriebene Genauigkeit irgendwelcher wild gewordenen Bürokraten, sondern das war ein Satz, der sich, bewußt um Abhilfe bittend, gegen einen Sachverhalt richtete, den der Ausschuß nicht für richtig hält. Es gibt nämlich außer der Personalabteilung noch die Mitwirkung eines Mannes, der nach dem Geschäftsverteilungsplan mit Personaldingen überhaupt nichts zu tun hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0123402400
das ist Herr Ministerialdirektor Blankenhorn.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist heute nämlich anders, als es in normalen Zeiten in einer Verwaltung üblich ist. Der Personalchef des Auswärtigen Amts hält nicht dem Herrn Staatssekretär Vortrag, der übrigens kein Staatssekretär, sondern ein Reisemarschall ist. Wir brauchten eigentlich noch einen Staatssekretär, der wirklich Behördenchef wird; aber das ist eine Frage, die auch in den Empfehlungen steht. Vielleicht denkt der Herr Bundeskanzler darüber einmal nach. Es gibt außer dem Personalchef heute Herrn Ministerialdirektor Blankenhorn, der laufend von dem offiziellen Personalchef der Bundesregierung für den Auswärtigen Dienst Vortrag entgegennimmt

(Hört! Hört! bei der SPD)

und die wesentlichen Personalfragen vorab bespricht und zum Teil auch ohne Auftrag vorab entscheidet.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Die Aussage des Herrn Ministerialdirektors vor dem Ausschuß, daß er seit geraumer Zeit nichts mehr mit der Personalpolitik zu tun habe, ist also, gelinde gesagt, überholt. Herr Blankenhorn ist heute in die Personalpolitik stärker als in vergangenen Zeiten eingeschaltet.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun hat der Herr Bundeskanzler ausgeführt: ja, aber das Vertrauen des Auslands zu dem Aufbau des Auswärtigen Amts sei doch immer vorhanden gewesen. Vielleicht entsinnt sich der Herr Bundeskanzler, ob ihm nicht von den Vertretern einer Regierung der drei Mächte gerade zu der Person des Herrn Blankenhorn bedeutet wurde, daß er in einem bestimmten Land nicht genehm sei.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wenn dann dieser Mann gleichzeitig für die Personalpolitik eine entscheidende Mitverantwortung trägt, steht das im klaren Widerspruch zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers vor diesem Hause.

(Hört! Hört! bei der SPD.)



(Erler)

So kann kein taugliches Instrument für die Außenpolitik der Bundesregierung zustande kommen. Das Auswärtige Amt muß ein Instrument für jede demokratische Regierung sein, und zwar ohne Rücksicht auf die jeweiligen Koalitionsverhältnisse.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es sollte die wechselnden Mehrheiten dieses Hauses überdauern und nicht durch die Art seiner Zusammensetzung allzu schnellen Personenwechseln im Auswärtigen Dienst unterworfen sein.
Deshalb ist die Existenz einer zweiten Nebenregierung, nämlich der Nebenregierung .des Herrn Ministerialdirektors Globke im Bundeskanzleramt, besonders verhängnisvoll,

(Zuruf von der SPD. Ausgerechnet!)

der mit dem Auswärtigen Amt von Amts und Dienst wegen überhaupt nichts zu tun hat, aber dennoch in Personalfragen einen weitreichenden Einfluß zu verschaffen mit Erfolg sich bemüht.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die Herausgabe eines Kommentars zu den Nürnberger Gesetzen und die Tätigkeit im Bundeskanzleramt, also in einer anderen Behörde, rechtfertigen nicht eine aktive Mitwirkung bei der Personalpolitik und bei der Personalauswahl des Außenministeriums.

(Beifall bei der SPD.)

Das sollte der Minister selbst in seiner Hand behalten.
Das Instrument, das Auswärtige Amt, das nun entsteht — diese Bemerkung sei mir am Rande gestattet; sie gehört nicht unmittelbar zum Thema des Untersuchungsausschusses —, sollte, wenn man es aufbaut, aber auch benutzt werden. Was wir heute leider haben, ist ein verhältnismäßig großer Apparat des Auswärtigen Dienstes, dessen Arbeitsergebnisse für die praktische Politik der Bundesregierung überhaupt nicht ausgenutzt werden; denn neben diesem Auswärtigen Amt gibt es so eine Art inneres Kabinett, eine Art persönlicher Stab, der die eigentlichen politischen Entscheidungen fällt, ohne daß die Berichte, die aus den Ländern einlaufen, ohne daß die vielfältigen Möglichkeiten eines solch großen politischen Apparates überhaupt ausgenutzt werden. Wenn der Herr Bundeskanzler hier für Abhilfe sorgte, würde er dieser und der nächsten Regierung einen sehr wertvollen Dienst erweisen.
Der Untersuchungsausschuß hat nicht alle Fälle behandelt, die vielleicht hätten behandelt werden können. Es tauchen neue auf. Sie selbst verfolgen ja die Ausführungen in der Presse. Die allgemeinen Empfehlungen, die der Ausschuß gibt, sollen für die Zukunft vorbeugen. Es gibt aber eine gewisse Übergangszeit, in der Fehler noch nicht abgestellt sind. Bei den Fehlern, die sich jetzt, nach Beendigung der Arbeiten des Untersuchungsausschusses, herausstellen, möchte ich wünschen, daß die Bundesregierung von sich aus energisch aufklärt und handelt und nicht etwa wieder wartet, bis sich das Parlament gezwungen sieht, sich einzuschalten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Das normale Verhältnis zwischen Parlament und Regierung ist von ganz allein da, wenn die Regierung rechtzeitig eingreift und den Meldungen nachgeht, wie sie jetzt in den Blättern unwidersprochen zu finden sind und nach einigen persönlichen Erhebungen nicht jeder Begründung entbehren, wonach ein Gegner des Nationalsozialismus auserkoren war, im Auswärtigen Amt verwendet zu werden. Er wird zur Vorstellung aufgefordert und dann, nachdem große Reisekosten nach Südamerika entstanden sind, wieder zurückgeschickt. Man bedeutet ihm: Die Deutschen — sprich: die Nationalsozialisten — in dem Lande, wo wir dich hinschicken wollten, wollen dich nicht haben; denn du hast dich in deiner Tätigkeit gegen das Dritte Reich zu sehr exponiert.

(Lebhafte Rufe der SPD: Hört! Hört!)

Oder wenn ein Konsul im Dienst verwendet wird, der seinerzeit einem jüdischen Mitbürger riet, nach Deutschland zu reisen, und gleichzeitig einen Bericht vom Stapel ließ — nicht an die Gestapo; es war wohl ein bißchen anders, wahrscheinlich gibt es Ermittlungen darüber —, der zur Veranlassung wurde, daß der Mann verhaftet wurde und viele Jahre im KZ verbrachte:

(Abg. Renner: Sehr gut!)

das sind Dinge, die zu ändern die Regierung nicht eine Sekunde zögern sollte.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr gut! — Zustimmung bei der SPD.)

Das Zögern von damals war der Anlaß für diesen Ausschuß. Wenn man sich über das Vorgehen des Parlaments beklagt, dann sollte man wenigstens insofern Folgerungen ziehen, als man jetzt rechtzeitig handelt und nicht wieder durch schädliches Zögern die Dinge nur schlimmer werden läßt.
Warum wird ein Mann auf leitendem Posten in das Ausland geschickt, über den dem Auswärtigen Amt durch den Untersuchungsausschuß so zahlreiche schwerwiegende Bekundungen zugegangen sind, daß mindestens in der deutschen Öffentlichkeit das Vertrauen zur Amtsführung dieses Mannes Schaden leiden müßte? Warum ist die Angelegenheit nicht ordnungsgemäß untersucht worden? Dabei erblicke ich — entschuldigen Sie das harte Wort — in einem Schetter-Verfahren, wie wir es erlebt haben, keine ordnungsmäßige Untersuchung. Der einzig richtige Weg ist die Prüfung durch einen unabhängigen Richter. Das kann man einmal wagen. Das tut auch der Würde des betreffenden Beamten keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Wenn die gegen ihn erhobenen Anwürfe nicht in der Dunkelkammer bereinigt — das sieht nach Vertuschen aus —, sondern vor einem unabhängigen Dienststrafgericht geklärt werden, dann ist ein Freispruch dort wegen erwiesener Unschuld eine viel bessere Ehrenerklärung als ein Vermerk, daß die Sache zu den Akten geschrieben werden mußte, weil angeblich an den Behauptungen allzuwenig dran ist. Dann bliebe doch immer das unbefriedigende Gefühl, daß die Untersuchung nicht mit dem erforderlichen Nachdruck geführt worden ist.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zur Regierungserklärung. Die Untersuchung war kein Strafprozeß. Alle Analogien in dieser Richtung gehen fehl. Die Dokumente — das mag auch dem Kollegen von Merkatz gesagt sein —, die verwendet worden sind, sind mit allen Beteiligten offen durchgesprochen worden. Sie hatten alle die Möglichkeit, zu diesen Dokumenten jede Art Erklärungen abzugeben. Es ist doch nicht einfach so, daß dieser Ausschuß etwa auf die Beweiswürdigung im Urteil des Nürnberger Gerichtes zurückgegriffen hätte, sondern er hat auf die Akten des Auswärtigen Amtes zurückgegriffen, für die es leider Gottes


(Erler)

heute nur diese Quelle gibt. Wenn es eine andere Quelle gäbe, hätten wir uns die Akten auch noch da hergeben lassen. Aber dort waren sie zu finden.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ist Herrn von Bargen die dritte Sache vorgelegt worden? Das halte ich für ausgeschlossen!)

— Mit Herrn von Bargen sind in seiner Gegenwart sämtliche Dokumente besprochen worden. Wenn Sie die Druckfehlerberichtigung des Ausschusses lesen — —

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Da handelt es sich gewiß um Druckfehler! So geht das nicht!)

— Natürlich, lesen Sie die Dinge im Zusammenhang. Das zweite Dokument ist doch ein Bericht des Herrn von Bargen. Aber das erste, und zwar des Herrn von Bargen ist so schlimm, daß ich mich für eine Partei schäme, die sich für ihn einsetzt.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Gerechtigkeit gebührt auch dem Verbrecher!)

Ein normaler Mensch mit normalem Verstehen der Schwierigkeiten — —

(Lebhafte Zurufe rechts.)

— Gut, wenn Sie es wünschen, daß sich die Öffentlichkeit ein Bild darüber macht, was in diesem ersten Bericht drinsteht, bin ich gezwungen, diesen Bericht nun einmal in einigen Sätzen zu verlesen. Dann werden Sie selbst urteilen können, ob dieser Bericht es rechtfertigt, sich mit dieser Herzenswärme für Herrn von Bargen einzusetzen.
Auf Grund der in der Judenverordnung des Militärbefehlshabers vom 28. -10. 1940 enthaltenen Verpflichtung haben sich rund 42 000 Männer und Frauen (über 16 Jahre) gemeldet. Hiervon waren 38 000 nichtbelgische Staatsangehörige. Insgesamt dürften 52 000 bis 55 000 Juden einschließlich der nichtmeldepflichtigen Kinder in Belgien gelebt haben. Hiervon sind 15 000 Männer, Frauen und Kinder nach dem Osten abgeschoben worden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Weitere Transporte werden demnächst Belgien verlassen. Unter den Abgeschobenen befinden sich Staatenlose, ehemalige Deutsche, Tschechen, Polen, Holländer, Rumänen, Griechen, Slowaken, Russen, Norweger, Luxemburger, Kroaten und Angehörige der drei baltischen Staaten. Gleichfalls befinden sich auch einige Belgier hierunter, die deswegen verschickt werden, weil sie in der Öffentlichkeit den Judenstern nicht getragen haben.
Zunächst wurde ein „Arbeitseinsatzbefehl" über die „Judenvereinigung" den von der Abschiebung Betroffenen zugestellt. Da jedoch im Laufe der Zeit durch Gerüchte über Abschlachten der Juden usw. dem Arbeitseinsatzbefehl nicht mehr Folge geleistet wurde, wurden die Juden durch Razzien und Einzelaktionen erfaßt. In der letzten Zeit sind illegale Abwanderungen nach Frankreich, insbesondere nach dem unbesetzten Gebiet und nach der Schweiz festgestellt worden. Vorsichtig geschätzt dürften etwa 3000 bis 4000 Juden nach der Schweiz ausgewandert sein. Genaue Angaben lassen sich jedoch nicht darüber machen.
Das ist eine freundliche Einladung, daß nun endlich einmal etwas passiert, damit sich die Juden nicht weiter in dieser unerhörten Weise der Abschlachtung entziehen und in die Schweiz ausreißen!

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Damit verdrehen Sie völlig den wahren Sinn!)

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Nein,
man muß genau von der tatsächlichen
Situation ausgehen!)
— Herr v. Rechenberg, Sie können nachher hierzu sprechen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und KPD.)

Ich selbst habe mir in eingehenden persönlichen Vernehmungen einen Eindruck von Herrn von Bargen gemacht und meine, daß er keine Zierde des deutschen Auswärtigen Amtes ist.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das kann richtig sein, hat aber nichts damit zu tun, daß man gerecht sein muß!)

Dann sollen Sie auch noch das Telegramm des
Herrn von Bargen vom 9. Juli 1942 hören: Militärverwaltung beabsichtigt, gewünschten Abtransport von 10 000 Juden durchzuführen. Militärverwaltungschef gegenwärtig im Hauptquartier, um Angelegenheit mit Reichsführer SS zu erörtern. Bedenken gegen Maßnahme könnten sich einmal daraus ergeben, daß Verständnis für Judenfrage hier noch nicht sehr verbreitet und Juden belgischer Staatsangehörigkeit in Bevölkerung als Belgier angesehen werden. Maßnahme könnte daher als Beginn allgemeiner Zwangsverschickungen ausgelegt werden. Auf der anderen Seite sind Juden weitgehend in hiesigen Wirtschaftsprozeß eingegliedert, so daß Schwierigkeiten auf Arbeitsmarkt befürchtet werden könnten.
Und nun kommt das Entscheidende:
Militärverwaltung glaubt jedoch, Bedenken zurückstellen zu können, wenn Verschickung belgischer Juden vermieden wird. Es werden daher zunächst polnische, tschechische, russische und sonstige Juden ausgewählt werden, womit das Soll theoretisch erreicht werden könnte.

(Lebhafte Rufe von SPD und KPD: Unerhört! — Anhaltende erregte Zurufe links.) Praktische Schwierigkeiten sind insofern zu erwarten, als durch Bekanntwerden beginnender Abschiebungen aus Frankreich und Holland im hiesigen Judentum schon gewisse Unruhe entstanden ist und daher Juden versuchen werden, sich Zugriff zu entziehen. Für Zwangsmaßnahmen aber reichen vorhandene Polizeikräfte nicht aus ....

Das ist Bargen!

(Rufe links: Pfui! — Anhaltende erregte Zurufe links.)

Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, wir wollen uns wieder beruhigen. Wenn mich Herr von Rechenberg nicht so temperamentvoll unterbrochen hätte, hätte ich es für richtiger gehalten, daß wir uns damit begnügt hätten, Herrn von Bargen nicht mehr im Auswärtigen Amt zu sehen;

(Zurufe von der KPD)

aber so war es erforderlich, der Öffentlichkeit einmal die Gründe aufzuzeigen, daß er hoffentlich, Herr Bundeskanzler, im Amt nicht wieder auftaucht.


(Erler)

Gegen den Ausschuß ist ein Vorwurf daraus hergeleitet worden, daß er sich in der Notwendigkeit gesehen hat, Akten zu sichern. Herr Bundeskanzler, ein offenes Bekenntnis! Leider war das nötig. Leider haben sich Dinge abgespielt, die den Ausschuß dazu gezwungen haben, sich zu vergewissern, daß an den Personalakten vom Tage der Untersuchung ab nichts mehr geändert wird.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es hat im Amt eine Liste der Angehörigen des Sicherheitsdienstes der SS gegeben, die im Auswärtigen Amt einmal tätig waren. Diese Liste hat ein Beamter einem andern ausgehändigt. Der zweite weiß angeblich nichts mehr davon. Die Liste ist praktisch verschwunden.

(Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

Es gibt eine andere Liste über die in den Auslandsvertretungen tätigen früheren SD-Leute. Diese Liste wird Gott sei Dank neuerdings gelegentlich vor personalpolitisch wichtigen Entscheidungen benutzt. Es ist nie ein Beamter auf die Idee gekommen, im Untersuchungsausschuß zu beichten, daß es diese Liste, die für die Arbeiten des Ausschusses von unschätzbarem Wert gewesen wäre, überhaupt gibt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Also die Behauptung, daß das Amt als Ganzes den Untersuchungsausschuß in seinen Arbeiten denkbar gefördert und unterstützt hätte, ist leider nicht ganz richtig.

(Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

Nun zur Frage der Statistik. Der Herr Bundeskanzler sagt mit Stolz: Auf soundso viel Leute ist geschossen worden, und es sind nur sehr wenig Leichen auf der Strecke. Nun, ganz so kann man an die Frage nicht herangehen. Das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sollte nicht einfach darin bestehen, daß man der erstaunten Öffentlichkeit wie in einem Drama Shakespeares möglichst viel gefallene Helden produziert, sondern das Entscheidende ist doch, daß wir bestimmte organisatorische und politische Vorkehrungen für die Zukunft treffen, um zu einem anständigen Aufbau dieser Behörde zu kommen. Das ist doch der Hauptakzent und ist der Hauptwert der Arbeiten des Ausschusses. Aber wenn man schon Statistik treibt, dann sei nicht verschwiegen, daß nach einer nichtamtlichen Statistik — aber vielleicht kann der Herr Bundeskanzler einmal eine amtliche anfertigen lassen —, wenn man nur von den Referatsleitern nach oben geht, im heutigen Auswärtigen Amt mehr als drei Viertel der Beamten, ehemals — mit welcher Entlastung auch immer — der NSDAP angehört haben.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie wissen, daß bestimmt nicht die Stunde und der Ort gegeben sind, irgendwie ein schematisches Säuberungsverfahren in Gang zu bringen. Aber eine derartige Massierung dieser Kräfte an einer politisch so exponierten Stelle ist für unseren Staat ungesund. Das ist doch das mindeste, was man sagen 'muß.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der KPD: Aber ohne die kann doch Adenauer nicht arbeiten!)

Den Empfehlungen des Ausschusses ist nicht so entsprochen worden, wie der Herr Bundeskanzler es hier darstellt. Ich meine hierbei nicht die einzelnen Empfehlungen zur Person, sondern allgemein. Der Außenminister hat nicht dafür gesorgt, daß der Bericht im Auswärtigen Amt daraufhin untersucht wird, was nun Positives geschehen muß.

(Hört! Hört! links.)

Ich meine, es ist geradezu ein Symbol, daß entgegen den Arbeitsergebnissen dieses Ausschusses eine Persönlichkeit wie der zweifellos mit fachlichen Qualitäten ausgestattete Herr Pfeiffer zum Leiter der Personalabteilung mindestens kommissarisch bestellt worden ist, obwohl die Bundesregierung seinerzeit selbst beschlossen hatte, daß es in keinem Ministerium einen Leiter der Personalabteilung geben darf, der Mitglied der nationalsozialistischen Partei gewesen ist.

(Hört! Hört! links.)

Gerade für das Auswärtige Amt und gerade nach der Kritik, der es ausgesetzt war, und nach den Arbeiten dieses Ausschusses ist dieses Verhalten der Bundesregierung nicht dazu angetan, uns glauben zu machen, daß die Bundesregierung Wert darauf legt, zum Parlament als Ganzem ein echtes Verhältnis des Vertrauens herzustellen.
Nun müssen wir Konsequenzen aus unserer Arbeit ziehen. Diese Konsequenzen, Herr Kollege von Merkatz, sind das, was der Ausschußbericht mit der „Urteilsfindung" meinte. Da wird niemand zum Köpfen und Hängen verurteilt, sondern der Bundestag bildet sich ganz einfach ein Urteil über das, was zu geschehen hat. Das ist immerhin auch eine Urteilsfindung! Sie brauchen hier gar nicht die scharfe Sonde Ihres juristischen Sachverstandes anzusetzen. Das sagt der gesunde Menschenverstand ganz von selbst.
Wir haben Ihnen eine Entschließung unterbreitet, und ich würde Sie bitten, dieser Entschließung zuzustimmen. Sie liegt Ihnen als Umdruck Nr. 676 vor. Sie enthält einmal zwei Aufträge an die Bundesregierung. Diese soll berichten, welche dienstlichen Maßnahmen sie im Zusammenhang mit den Arbeiten dieses Ausschusses durchgeführt hat. Und zwar verstehen wir darunter nicht irgendwelche Dunkelkammer- oder SchetterVerfahren, keine Untersuchung durch einen Ministerialdirektor aus Mainz, der nachher irgendein Gutachten abgibt. Diese Berichterstatter sind ja von der Behörde ausgewählt. Wir möchten, daß der einzige klare Weg gegangen wird, den die Exekutive in diesem Falle hat, nämlich die Anwürfe durch ein unabhängiges, dazu geschaffenes Dienststrafgericht untersuchen zu lassen. Diesem Richterspruch muß sich jeder beugen, der Betroffene und auch das Parlament; das ist selbstverständlich. Aber diese Untersuchung durch unbefangene, unabhängige Richter, die nicht Teil der Bürokratie sind, muß durchgeführt werden.
Als zweites wünschen wir, daß die Bundesregierung einen Bericht über die Rechtsgestaltung und die Einstellungsbedingungen des auswärtigen Dienstes in anderen Ländern vorlegt, weil man aus gewissen Erfahrungen, auch wenn man sie nicht einfach kopiert, immerhin lernen kann.
Dann geht unser Auftrag an den auswärtigen Ausschuß, daß er sich zu diesem Bericht der Bundesregierung äußert und evtl. Grundgedanken für ein Gesetz über den auswärtigen Dienst erarbeitet, welches die Rechtsstellung der Beamten zu regeln und gewisse Organisationsprinzipien festzulegen


(Erler)

hätte, das auch einmal das Chaos der Besoldungsvorschriften für den Auslandsdienst nicht allein der Willkür einzelner Rundverfügungen überläßt, sondern kodifiziert, genau so wie wir für den Inlandsdienst klare gesetzliche Vorschriften haben, und das vor allem auch die Methoden der Personalauslese objektiviert, um irgendwelchen politischen oder anderen Willkürmaßnahmen vorzubeugen.
Der auswärtige Dienst darf kein Monopol sein, und er soll keine Inzucht treiben. Die allgemeine Beamtenausbildung, wie sie sonst für den öffentlichen Dienst geübt wird, muß auch für den auswärtigen Dienst qualifizieren. Außenseiter sollte man es bei entsprechenden Leistungen nicht ihr Leben lang fühlen lassen, daß sie ihre Erfahrungen einmal woanders erworben haben als auf der Diplomatenschule, sei es auch die jetzige von Speyer. Gemeinsames Interesse von uns allen sollte zu diesen Vorschlägen führen; dann schaffen wir Vertrauen zum demokratischen Deutschland. Fehler in der Organisation müssen wir erkennen und abstellen, damit sie beim Neuaufbau vermieden werden können. Jede Außenpolitik bedarf eines tauglichen Instruments. Das jetzige Auswärtige Amt ist das leider noch nicht. Daher müssen wir uns gemeinsam bemühen, es zu einem besseren zu machen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0123402500
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0123402600
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Zu den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Erler möchte ich einige Worte sprechen. Ich möchte vorausschicken, daß es mir ebenso wie ihm am Herzen liegt, das Auswärtige Amt so zu gestalten, wie er das in seinen Schlußworten ausgeführt hat. Ich bin doch bei Gott nicht der Mann, der darauf ausgeht, frühere Pgs in maßgebende Stellungen zu bringen.

(Lachen bei der KPD. — Abg. Renner: Na, na! — Abg. Fisch: Kein Engel ist so rein, nein, nein!)

— Ach, fragen Sie doch Herrn Renner! Dessen erste Karte, als er aus dem Konzentrationslager entlassen wurde, galt mir.

(Abg. Renner: Das war ein großer Irrtum von mir! — Große Heiterkeit. — Abg. Majonica: Aber nicht der einzige, Herr Renner! — Abg. Renner: Daß ich damals —1945 — angenommen habe, Sie hätten sich zu einem Demokraten entwickelt, war wirklich ein großer Irrtum!)

— Ich habe die Karte nicht mehr, sonst gäbe ich sie Ihnen wieder.

(Heiterkeit.)

Lassen Sie uns doch einmal versuchen, die Dinge auf das richtige Maß zurückzuführen. Ich greife Ihre letzte Bemerkung, Herr Erler, betreffend die Diplomatenschule in Speyer auf. Lassen Sie sich doch bitte einmal vom Auswärtigen Amt ein Verzeichnis über die Herkunft der jungen Leute geben, die dort angenommen worden sind. Dann werden Sie sehen, daß die Leute aus allen Schichten hergenommen sind.

(Zuruf von der SPD: Das hat er ja gar nicht bestritten!)

— Doch, er hat die Diplomatenschule auch mit angegriffen.

(Zurufe von der SPD.)

— Meine Damen und Herren, vielleicht hören Sie mich einmal in Ruhe und ohne Unterbrechungen an. Ich will doch versuchen, im Interesse des Auswärtigen Amtes, im Interesse unseres Ansehens im Ausland und auch im Interesse der Zusammenarbeit mit dem Parlament die Dinge möglichst ruhig darzustellen, wie ich sie ansehe.
Der Auftrag, den der Untersuchungsausschuß vom Parlament bekommen hat, war folgender: „Wurden oder werden im auswärtigen Dienst, insbesondere auch im Auswärtigen Amt, Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?" Dann hat der Ausschuß ein Verzeichnis aller im auswärtigen Dienst tätigen Leute angefordert. Untersucht sind nur die Fälle der 21 Personen, die in der „Frankfurter Rundschau" genannt waren. Von diesen 21 Personen hat der Ausschuß drei als ungeeignet für den auswärtigen Dienst bezeichnet, darunter Herrn von Bargen, der nicht Beamter, sondern Angestellter war, und der, wie ich höre, jetzt uns beim Arbeitsgericht verklagen wird, weil er zu Unrecht entlassen sei. Dann hat der Ausschuß Herrn Dittmann wegen seines Verhaltens vor dem Ausschuß als ungeeignet bezeichnet, nicht etwa deshalb, weil Herr Dittmann in der nationalsozialistischen Zeit etwas getan habe. Bei Herrn von Grundherr ist der Tatbestand nicht völlig geklärt worden. Im Ausschuß ist gesagt worden: Wenn Herr von Grundherr freiwillig ausscheidet, wollen wir diese Angelegenheit nicht weiter untersuchen. Herr von Grundherr, der ungefähr die Altersgrenze erreicht hatte, ist freiwillig ausgeschieden.
Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis, und nun hören Sie bitte mal eine Statistik über die Anzahl der im Auswärtigen Dienst beschäftigten Personen und ihre Zugehörigkeit zum früheren Auswärtigen Amt. Ich möchte das namentlich deshalb sagen, weil Herr Abgeordneter Erler ausgeführt hat, man wolle nicht, daß das Auswärtige Amt von der Wilhelmstraße nach der Koblenzer Straße verpflanzt werde, was ich ebensowenig will. Es werden in Bonn insgesamt 210 Beamte und Angestellte beschäftigt. Davon sind ehemalige Mitglieder des Auswärtigen Amtes 64, neu eingestellt 146. Beamte und Angestellte der Auslandsvertretungen sind zusammen 223, davon frühere Leute des Auswärtigen Amtes 76, neu eingestellt 147. In den Wirtschaftsabteilungen bei den Auslandsvertretungen sind insgesamt 121 beschäftigt, davon ehemalige Mitglieder des Auswärtigen Amtes 8, neu eingetreten 113. Das sind insgesamt am 1. Oktober 1952 576 Personen, davon ehemalige Mitglieder des Auswärtigen Amtes 158, neu 418.

(Abg. Erler: Herr Bundeskanzler, von welchem Rang an aufwärts? — Weitere Zurufe.)

— Darauf komme ich jetzt.

(Abg. Dr. Reismann: Die Referatsleiter, Herr Bundeskanzler!)

Nun hat Herr Erler erklärt, und zwar zutreffend erklärt: Je höher man nach oben geht, desto mehr sind die Pgs vertreten; ich glaube, er hat gesagt: vom Ministerialdirigenten aufwärts.

(Abg. Erler: Referatsleiter!)

Sie haben recht darin, Herr Erler. Aber wenn Sie
mal von oben nach unten gehen, möchte ich


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

zunächst feststellen, daß weder der Außenminister noch der Staatssekretär Pgs gewesen sind.

(Große Heiterkeit. — Abg. Schoettle: Das fehlte uns gerade noch! — Abg. Erler: Herr Seebohm bedauert das!)

Also, wenn wir die Spitze betrachten, dann müssen Sie doch die beiden auch hinzunehmen, Herr Erler! Nun ist es richtig, daß unter den Beamten, die Herr Erler genannt hat, also vom Referenten an aufwärts, wenn ich die Zahl richtig im Kopfe habe, etwa 66 % frühere Pgs gewesen sind. Aber ich glaube, wenn Sie sich die Dinge einmal in Ruhe überlegen, dann werden Sie nicht sagen können, daß man anders hätte verfahren können. Man kann doch ein Auswärtiges Amt nicht aufbauen, wenn man nicht wenigstens zunächst an den leitenden Stellen Leute hat, die von der Geschichte von früher her etwas verstehen.

(Zurufe links: Aha! — Weitere Zurufe links.)

— Nein, meine Damen und Herren, nicht die etwas von der Politik verstehen, die aber erstens Sprachen verstehen und zweitens die Art und Weise verstehen, wie mit den anderen diplomatischen Diensten verkehrt werden kann. Das gehört nun einmal dazu.

(Zurufe von der SPD.)

Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen doch folgendes sagen. Ich weiß, daß Organisationen, die Ihnen nahestehen, in diesem Punkt viel weitherziger sind.

(Abg. Mellies: Nennen Sie doch einmal welche, Herr Kanzler!)

— Soll ich sie nennen? Gern will ich Ihnen eine nennen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat mir als Mitglied der Hohen Behörde einen Herrn vorgeschlagen, der Pg gewesen ist.

(Sehr gut! und Heiterkeit rechts. — Unruhe und Zurufe von der SPD.)

— Meine Damen und Herren, ich bin noch nicht fertig. Ich habe auf den Vorschlag gesagt: So sehr ich die Tüchtigkeit dieses Herrn und eines zweiten Herrn, der es genau so war, schätze — und ich schätze sie wirklich —, so sehr werden Sie verstehen müssen, daß ich in der ersten supranationalen Behörde doch Schwierigkeiten bekomme, wenn ich da ausgerechnet einen früheren Parteigenossen präsentiere; denn die Mitglieder der Hohen Behörde mußten von sämtlichen Regierungen gewählt werden. Ich habe dann gesagt: Wir wollen uns und auch den betreffenden Herrn doch nicht der Gefahr aussetzen, daß er abgelehnt wird. Wissen Sie, was ich zur Antwort bekommen habe? „Über derartige Überlegungen sind wir längst hinausgewachsen."

(Heiterkeit und Zurufe: Aha! bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Aber im übrigen paßte der neue Vorschlag auch besser in Ihr Konzept, Herr Kanzler!)

Nun möchte ich zu einigen Einzelanführungen des Herrn Kollegen Erler Stellung nehmen. Erstens. Er hat von der Liste gesprochen derjenigen, die früher, ich glaube, beim SD gewesen seien. Er hat gesagt: Sie hätten die Sicherstellung der Akten verlangen müssen, weil diese Liste —wenn ich ihn recht verstanden habe — verschwunden gewesen sei. Nun möchte ich darauf folgendes sagen. Eine solche Liste war tatsächlich da.

(Abg. Dr. Horlacher: Ja, sie war tatsächlich da!)

— Ich bin ja noch nicht fertig, Herr Horlacher, nicht so temperamentvoll!

(Heiterkeit.)

Die Liste war da, und zunächst stelle ich fest, daß keiner, der auf dieser Liste stand, angestellt worden ist. Dann stelle ich aber zweitens fest, daß Herr Kollege Erler hier gesagt hat: Deswegen hätten sie — weil eine solche Liste verschwunden sei — die Sicherstellung der Personalakten verlangen müssen.

(Abg. Erler: Nein, nein, das ist nur ein Beweis, wie nötig es war!)

— Aha, gut. Ja, ich bin noch nicht fertig, Herr Erler. Ich habe eben erklärt, daß schon einmal eine Untersuchung durch einen Unterausschuß des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten stattgefunden hat, und während dieser Untersuchung hat das Auswärtige Amt dem Herrn Luetkens eine Abschrift dieser Liste übergeben.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Und die Urschrift ist auch noch da, Herr Erler.

(Lachen rechts.)

Ich habe, weil Herr Erler sehr schnell sprach und die Akustik dort, wo ich sitze, nicht gut ist, nicht verstanden, was er ausgeführt hat

(Abg. Renner: Sie kommen ja bald von Ihrem Thron herunter!)

— ja, Sie versteht man mit Ihrer Stimme immer, Herr Renner, das weiß ich —, habe nicht verstanden, was er ausgeführt hat bezüglich des Nicht-Nazis, der von Südamerika zurückgeschickt worden sei. Vielleicht sind Sie so freundlich, Herr Erler, und geben mir an, was Sie damit gemeint haben. Mir ist davon nichts bekannt; mir ist auch nicht bekannt, daß einer zurückgeschickt worden ist.
Endlich hat Herr Erler gesagt, daß meine Angabe, noch kein Diplomat sei vom Ausland zurückgewiesen worden, weil er Pg gewesen sei, wohl nicht ganz zutreffend sei, weil Herr Blankenhorn von einer Macht, die in der Hohen Kommission vertreten sei, zurückgewiesen worden sei. Herr Erler, ich weiß nichts davon und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese Macht mitteilen würden.

(Abg. Erler: Die USA!)

— Herr Blankenhorn ist nie für eine Stelle in den USA in Aussicht genommen gewesen, ich weiß wirklich nicht, inwiefern behauptet werden kann, er sei von den USA zurückgewiesen. Ich unterstelle den guten Glauben des Herrn Erler ganz selbstverständlich, dafür kenne ich ihn. Aber was für Märchen über das Auswärtige Amt erzählt werden und mit welcher Phantasie ein Auswärtiges Amt betrachtet wird, ist geradezu fabelhaft.
Nun zu der Rolle des Herrn Blankenhorn, Herr Erler! Herr Blankenhorn hat in der ersten Zeit, als wir noch kein Auswärtiges Amt hatten, bei den Verhandlungen und dem Verkehr mit der Hohen Kommission mitgearbeitet. Als wir zur Bildung eines Auswärtigen Amts kamen, habe ich Herrn Blankenhorn gefragt, ob er mir einen Herrn nennen könne, der genügend Kenntnisse über Persönlichkeiten habe, die früher im Auswärtigen Dienst gearbeitet hätten, damit man damit anfange aufzubauen. Herr Blankenhorn hat mir den Herrn Haas genannt, und ich habe Herrn Haas berufen. Ich erkläre Ihnen hiermit ausdrücklich, daß Herr Blankenhorn seit der Zeit mit der Be-


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

arbeitung der Personalpolitik überhaupt nichts mehr zu tun gehabt hat.

(Abg. Mellies: Offiziell nicht, aber inoffiziell um so mehr!)

— Herr Mellies, was soll man nun darauf sagen? Sie sagen: „Offiziell nicht, aber inoffiziell um so mehr!" Dann bitte, bringen Sie mir doch das Material dafür!

(Abg. Mellies: Sehr schade, daß der Ausschuß sich damit nicht beschäftigt hat; das wäre viel interessanter gewesen!)

— Ich kann nur erklären, meine Damen und Herren, daß Herr Blankenhorn weder mir, noch, wie ich annehme, auch dem Staatssekretär in Personalfragen Vortrag hält. Das tuen andere Leute.

(Abg. Dr. Horlacher: Der harmloseste Mann, den es gibt!)

Noch ein Wort, weil der Name genannt worden ist, zu Herrn Globke. Herr Globke erfreut sich auf der linken Seite des Hauses einer ganz außerordentlichen Beliebtheit.

(Abg. Mellies: Nein, wir empfinden es als eine Schande, daß er da beschäftigt wird!)

— Dagegen muß ich sehr nachdrücklich protestieren, meine Damen und Herren,

(anhaltende Zurufe von der SPD)

daß einem im Amt befindlichen Ministerialdirektor vorgeworfen wird, es sei eine Schande, daß er im Amt sei.

(Abg. Mellies: Jawohl, jemand, der an den Nürnberger Rassegesetzen beteiligt gewesen ist, gehört nicht in den Dienst der Demokratie und der Bundesrepublik!)

Ich kann Ihnen darauf nur sagen, daß Herr Globke, als dieser Punkt im Bundestag erörtert wurde, eine ganze Reihe von Dankschreiben von Juden vorgelegt hat, denen er geholfen hat.

(Zuruf von der SPD: Sind das Telegramme, wie sie vom Gewerkschaftsbund kommen? — Abg. Mellies: Seinen Konzessionsjuden hat jeder Nazi!)

— Er ist ja nie Nazi gewesen!

(Zuruf von der SPD: Das ist noch schlimmer! — Heiterkeit und weitere lebhafte Zurufe von der SPD.)

— Ich höre einen Zwischenruf: „Das ist noch schlimmer!"

(Große Heiterkeit.)

Also wenn er Nazi ist, taugt er nichts, und wenn er nicht Nazi ist, ist es noch schlimmer.

(Anhaltende Heiterkeit. — Abg. Dr. Greve: Daß er Judenreferent gewesen ist, ist noch schlimmer! — Abg. Rische: Herr Pferdmenges war auch nie Nazi, hat aber finanziert!)

Ich meine, wir sollten jetzt mit der Naziriecherei Schluß machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Denn verlassen Sie sich darauf: wenn wir damit
anfangen, weiß man nicht, wo es aufhört.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rische: Bei der Schattenarmee, bei den Mordlisten hört es auf!)

Ich bitte Sie nun nochmals, diese ganze Frage wirklich in Ruhe zu betrachten; ich bitte Sie darum auch im Interesse der Leute, die davon betroffen worden sind. Auch diese Männer haben ein Recht
darauf, objektiv behandelt zu werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bitte auch darum im Interesse des Aufbaus des Auswärtigen Amts. Glauben Sie denn, daß man schließlich noch junge befähigte Leute bekommt, die in den Auswärtigen Dienst treten, wenn das nun alles hier in derartiger Weise behandelt wird?

(Abg. Mellies: Der Grund, weshalb das erörtert wird, ist der Außenminister!)

Endlich bitte ich darum im Interesse des Ansehens
der Bundesrepublik im Ausland. Das ist ein Gesichtspunkt, für den, wie ich hoffe, der weitaus
größte Teil dieses Hauses auch Verständnis hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Im Ausland ist genug Schaden angerichtet worden!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0123402700
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0123402800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die CDU/CSU der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Nr. 47 zustimmte, hatte sie weder die Absicht, einer neuen Entnazifizierung zuzustimmen, noch beabsichtigte sie, irgendeine Art von Parlamentsjustiz aufzurichten, noch hatte sie die Absicht, der Einführung von Sondergesetzen oder auch von Sonderrechten für den Auswärtigen Dienst zuzustimmen. Wir waren allerdings auch nicht der Meinung, die hier in den Ausführungen unseres Kollegen von Merkatz zum Ausdruck gekommen ist, und wir waren auch nicht der Meinung, daß das Auswärtige Amt dazu herhalten sollte, daß die Opposition auch einmal eine Chance bekomme. Unser Ziel war vielmehr schlicht und einfach, eine möglichst genaue sachliche Prüfung zu veranstalten, eine sachliche Prüfung nämlich der gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amtes nun schon seit längerem erhobenen, zum Teil höchst massiven Angriffe. Unbekümmert um Lob und Tadel hat nunmehr der Untersuchungsausschuß seine Ergebnisse vorgelegt. Diese Ergebnisse sind der Gegenstand der Debatte.
Ich muß gestehen, daß ich mit meinem Kollegen Erler im Ausschuß in vielen Stücken einig war und auch in vielem mit dem übereinstimme, was er hier dargelegt hat. Aber ich möchte doch den Akzent unserer Auseinandersetzung noch einmal auf den Punkt bringen, der hier, wie ich meine, zunächst zur Debatte steht, und das sind nicht die zukünftigen organisatorischen Maßnahmen im Auswärtigen Amt, sondern das ist zunächst die Frage: Was ist an jenen zum Teil unerhörten Angriffen eigentlich dran? Die Ergebnisse haben gezeigt: 21 Personen wurden angeschossen, 2 Herren sind von vornherein ausgeschieden, 2 Herren wurden disqualifiziert für den Auswärtigen Dienst, im übrigen aber, weil wir Menschenfreunde sind, für die übrigen Bundesbehörden als verwendbar erklärt. Das steht auch im Ausschußbericht.

(Zuruf des Abg. Renner.)

Also gegen 17 Herren keine Bedenken, 5 davon wurden ausdrücklich mit dem bescheidenen Plus, das wir zu vergeben haben, ausgestattet, d. h. als geeignet erklärt, und bei 8 sind bescheidene Vorschläge für die Verwendung in der nächsten Zeit an unsere Empfehlungen geknüpft.
Nun frage ich mich, ob in Anbetracht dieses Ergebnisses nicht der Schluß erlaubt ist, daß die oft sehr summarischen Angriffe — nicht nur in der


(Dr. Gerstenmaier)

„Frankfurter Rundschau", sondern auch bei einigen Rundfunkstationen und anderen — gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amts, hinter das wir uns trotz allem stellen, nicht nur, wie der Herr Bundeskanzler hier sehr zurückhaltend gesagt hat, über das Ziel hinausschossen, sondern eigentlich in ihrem Kern zusammengebrochen sind. Nun, ich weiß, daß mit diesen Feststellungen keine Lorbeeren zu ernten sind. Das ist nicht sehr populär. Aber wir sind es der Gerechtigkeit schuldig, daß diese Feststellung getroffen wird. Wir sagen jedoch auch, daß das die eine Seite der Sache ist. Auf der andern Seite möchte ich den Versuch machen, das, was in meiner in dieser Sache in Nuancen verschieden denkenden Fraktion gedacht und empfunden wird, mit einigen Sätzen darzulegen. Ich hoffe, dabei meinen Kollegen auch in der Verschiedenheit der Nuancen einigermaßen gerecht zu werden.
Ich glaube, daß wir uns darin einig sind, daß die Arbeit des Untersuchungsausschusses — und darin stimme ich mit dem Herrn Kollegen Erler überein — mitnichten für die Katz war, sondern daß sie höchst nützlich war. Weshalb? — Nicht nur deshalb, weil hier einer Reihe von schwer angegriffenen Dienern des Staates Genugtuung geschehen ist, sondern weil darüber hinaus die öffentliche Klarstellung der Maßstäbe und Richtlinien, die an den deutschen Auswärtigen Dienst jetzt und in Zukunft angelegt werden sollen, nach unserer Überzeugung notwendig ist. Dafür halten wir auch diese Debatte samt der Arbeit des Untersuchungsausschusses für gut. Von Anfang an waren wir uns dessen bewußt und haben in der Arbeit des Ausschusses auch Wert darauf gelegt, uns jedes Übergriffs in die Zuständigkeit der Exekutive zu enthalten.
Ich sage also: Wir halten bei allem Respekt vor der Zuständigkeit der Exekutive diese Debatte und die Arbeit des Untersuchungsausschusses für gut. Es ist wahr, daß alle Bundesministerien bei ihrem Aufbau unter besonderen Schwierigkeiten gearbeitet haben. Die Schwierigkeiten, die dem Aufbau des Auswärtigen Amts entgegenstanden — das muß sich eine einigermaßen objektive Vergegenwärtigung selber sagen — lagen noch beträchtlich über dem, was die anderen Bundesministerien an Widrigkeiten und Schwierigkeiten bei ihrem Aufbau zu überwinden hatten. Ich meine, man sollte hier den Leuten, die in jener Situation den Mut zum Provisorium gehabt haben, auch einmal ein Wort des Dankes sagen. Ohne diesen Mut zum Provisorium war ein neuer deutscher Auswärtiger Dienst gar nicht zu machen.
Mut zum Provisorium kann heißen: Mut zur Aktion, Mut zum Vorwärtsgehen. Aber es kann eines Tages auch heißen: Alles-laufen-lassen. Wir meinen das erstere, wenn wir den Mut zum Provisorium, der beim Aufbau des Auswärtigen Amts an den Tag gelegt worden ist, anerkennen und loben. Wir wissen auch, daß ein Provisorium immer das Inkaufnehmen von Ungenauigkeiten, von Unzulänglichkeiten und Fehlern bedeutet.
Ich meine, daß in diesem Punkte die Kritik des Herrn Kollegen Er l e r nicht nur alles herausgeholt hat, was in der Sache ist, sondern auch noch etwas dazugeholt hat, was nicht in der Sache liegt. Er hat nämlich etwas pauschal von der ganzen „fehlerhaften Organisation" gesprochen. Meine Damen und Herren, dieses Provisorium war nicht eine „fehlerhafte Organisation", sondern dieses Provisorium war das, was unter den gegebenen Möglichkeiten, Umständen und Zuständen im Augenblick möglich war. Ich denke, daß es fair wäre, das hier auch einmal zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte mich deshalb in diesem Punkte der Würdigung des Ganzen durch den Herrn Bundeskanzler anschließen.
Aber ich füge hinzu: Provisorien müssen rechtzeitig beendet werden. Es liegt in ihnen, daß man sie nicht einfach uferlos laufen lassen kann. Ich meine, daß das Auswärtige Amt jetzt — jetzt, meine Damen und Herren! — aus seinem Provisorium definitiv heraus muß und daß es energisch vorwärtsgebracht werden muß zu einer klaren, verantworteten und vorgestellten Gestalt. Die Anregungen dafür sollten nicht als unziemliche Einmischung, sondern als erwägenswerte Förderung aufgenommen werden, auch wenn sie vom Parlament oder von einem parlamentarischen Gremium, nämlich von einem nicht gerade sehr beliebten Untersuchungsausschuß kommen. Ich bedanke mich deshalb für die staatsmännisch abgewogenen Worte, die der Herr Bundeskanzler dem Untersuchungsausschuß und seinem Bericht in diesem Punkte hat angedeihen lassen.

(Zurufe von der SPD.)

Wichtiger als die technischen und organisatorischen Vorschläge ist uns jedoch die Verständigung über die personellen Maßstäbe, die in Zukunft im Auswärtigen Dienst angelegt werden und nach unserer Überzeugung anzulegen sind. Ich habe hier weder den Ehrgeiz noch die Aufgabe, einen Katalog dafür vorzutragen, aber ich glaube, mich in Übereinstimmung mit meinen Freunden zu befinden, wenn ich mir hier einmal erlaube, sechs Punkte dafür zur Diskussion zu stellen.
Wir meinen erstens, daß die bloße Zugehörigkeit zum alten Auswärtigen Amt oder die formale Zugehörigkeit zu einer nationalsozialistischen Organisation allein weder im Positiven noch im Negativen ein maßgebendes, geschweige gar ein ausreichendes Kriterium sein kann. Im Positiven besagt das: Man kann von der deutschen Diplomatie der vergangenen Jahre vor dem „Dritten Reich" und während des „Dritten Reiches" gewiß nicht verlangen, daß sie die Katastrophe überhaupt verhindert hätte. Aber die Bemerkung muß dennoch erlaubt sein, daß der ganze diplomatische Sachverstand uns vor der Katastrophe nicht bewahrt hat und offenbar nicht bewahren konnte.

(Abg. Dr. Horlacher: Das konnte er nicht!)

Es folgt daraus wieder eine Banalität, meine Damen und Herren, die wir aber in dieser Debatte eben wieder einmal aussprechen müssen: Es gab und es gibt auch außerhalb der Karrierediplomatie Leute, die sich für die Diplomatie und für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, wie wir meinen, bestens eignen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn es dafür eines Beweises bedürfte, dann würde ich den Beweis aus den Zahlen nehmen, die der Herr Bundeskanzler eben vorgetragen hat. Ich finde die Zahlen eigentlich recht anständig: Von 576 neuen Referenten, die eingestellt worden sind, also von 576 Beamten und Angestellten des höheren Dienstes haben dem alten Auswärtigen Amt 158 angehört. Also finden sich auch Leute außerhalb der alten Karriere, die für diese Sache offenbar bestens verwendbar sind. Wir möchten das unterstreichen.

(Abg. Erler: Das war nicht alles höherer Dienst!)

Doch, das war nur höherer Dienst!

(Zuruf von der SPD: Chauffeure!)



(Dr. Gerstenmaier)

Und nun im Negativen. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir auch in dieser Debatte den Mut haben sollten, zu sagen — und ich bedaure es, daß unser Kollege von Merkatz seine Ausführungen nicht auf diesen Punkt gebracht hat, in dem wir wahrscheinlich in diesem Hause weitgehend mit ihm einverstanden sind —: Wir glauben, daß die platte, formalistische Eindeutigkeit, sozusagen die Banalität der Optik, die Banalität des Fragebogens uns natürlich noch nicht über die eigentlichen Schwierigkeiten hinweghilft. Wir haben es ja gesehen. Warum ist denn die Entnazifizierung ein totaler Fehlschlag? Weil das ganze verdammte Fragebogensystem uns nicht davor bewahrt hat und offenbar das deutsche Volk auch nicht rettet vor der Wiederkehr von nun allerdings höchst unerwünschten Figuren der Vergangenheit. Wir sind also in diesem Punkte sehr zurückhaltend und haben erhebliche Vorbehalte gegen die Anwendung dieser platten Eindeutigkeit des sogenannten Fragebogens.
Wir meinen auch, daß die Zugehörigkeit zum alten Auswärtigen Amt nicht besagt, daß alles einfach, dumpfes Herdenvieh gewesen sei, was dort gearbeitet, sich bemüht, Karriere gemacht, aber auch gelitten und gekämpft hat. Wir glauben also nicht, daß man einem Beamten einfach deshalb von vornherein eine Schuldvermutung weiterhin entgegenbringen oder ihn benachteiligen dürfte, weil er aus dem alten Auswärtigen Amt stammt. So geht die Sache nicht.
Auf der andern Seite: Wenn so etwas aus Gründen der Gerechtigkeit und der Fairneß ausgesprochen wird, möchten wir nicht, daß darüber mit uns sozusagen Kegel gespielt wird. Wir möchten nicht, daß auf Kosten dieser Fairneß und Gerechtigkeit diejenigen, die wir allerdings nicht wiedersehen möchten, wieder fröhlichen Einzug halten. Das soll hier frei ausgesprochen werden.
Es scheint mir in dieser Debatte also ein Akzent doch dahin zu legen zu sein, daß wir uns davor hüten sollten, gegen die alten Angehörigen des Auswärtigen Dienstes höchst präzis praktizierte Schuldvermutungen auszubringen. Meine Damen und Herren, nicht nur die Toten sind eindeutig. Oder muß man wirklich erst gehängt werden, ehe die Eindeutigkeit akzeptiert wird? Ich möchte das insbesondere im Hinblick auf den hier wiederholt angesprochenen Ministerialdirektor Blankenhorn sagen. Ich würde mich einer fahrlässigen Unterlassung schuldig machen, wenn ich nicht sagen würde, daß ich persönlich dazu stehe, weil ich mich davon überzeugt habe — in anderen Jahren und zu anderen Zeiten —, daß dieser Mann richtig stand. Ich begrüße es, daß der Untersuchungsausschuß sich dieser Auffassung einmütig und voll angeschlossen hat und die volle, runde Qualifikation des Ministerialdirektors Blankenhorn für den Auswärtigen Dienst auch schriftlich und amtlich niedergelegt hat.
Anfügen darf ich, daß ich persönlich der Meinung bin, daß der sogenannte Widerstand, der heute natürlich schwer zu Papier zu bringen ist, nicht nur in einer Summe von nachweisbaren Fakten in der Vergangenheit bestehen kann, sondern sich auch heute in Haltung und Gesinnung deklarieren sollte und daß wir der Mitarbeit von Männern solcher Haltung und Gesinnung auch in Zukunft — vor allem im Bereich des Auswärtigen Amts und des auswärtigen Dienstes — eine Bahn brechen sollten. Ich denke, daß der Herr Bundeskanzler wohl beraten ist, wenn er sich von Männern dieser Art zuweilen einen Rat geben läßt. Im übrigen bin ich natürlich der Meinung, daß der nachgewiesene Widerstand allein — verehrter Herr Kollege Horlacher, da werden auch Sie mit mir einig sein —

(Abg. Dr. Horlacher: Ich habe j a gar nichts gesagt!)

— aber ich weiß, was Sie in dieser Sache denken, denn wir denken hier gleich! —,

(Heiterkeit)

der nachgewiesene Widerstand allein ist nach unserer Überzeugung nach keine Qualifikation für den Auswärtigen Dienst. Es soll also niemand kommen und sagen: „Ich spaß soundso lange im KZ, und ich möchte nun Botschafter in Tokio werden!" Das allein genügt noch nicht. Aber indem wir das sagen, möchten wir auch nicht in die Situation kommen, daß wir eines Tages erleben müssen, daß Urteile wie ein formell vielleicht nicht aufgehobenes politisches Zuchthausurteil aus dem „Dritten Reich" eine Verwendung auf diplomatischen Posten verhinderten. Kurzum: wir meinen, daß dem Widerstand eine faire Chance bei der Vertretung Deutschlands gegenüber der Welt gegeben werden sollte.
Ein zweiter Punkt. Wir sind wirklich der ernsten Meinung, daß es völlig deplaciert wäre, das Auswärtige Amt als eine Art Versorgungsanstalt zu betrachten. Es gibt persönliche Rechtsansprüche, die nicht nur gewürdigt, sondern auch in irgendeiner Weise honoriert werden müssen. Aber wer da meint, das Auswärtige Amt sei gerade der richtige Platz, um nun diese persönlichen Ansprüche zur Geltung zu bringen, und wer nicht bereit ist, zu erkennen, daß alle persönlichen Rechtsansprüche hinter den politischen Notwendigkeiten, das soll heißen in diesem Fall: hinter den sachlichen Notwendigkeiten des Dienstes zurücktreten,

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!) der ist weiß Gott fehl am Platze.

Zu dem Fall Bargen! Ich hatte nicht die Absicht, hier auch nur einen Namen zu nennen; nachdem aber nun dieser Name in der Diskussion fiel, kann ich nur sagen: Mein lieber Freund von Rechenberg, was ich Herrn von Bargen übelnehme und was ich mich nicht scheue hier auszusprechen, das ist, daß der Mann offenbar kein Verständnis dafür hat — und sich darum selber disqualifiziert für die Verwendung im Auswärtigen Dienst —, ich sage, daß er kein Verständnis dafür hat, daß ein Name, der unter einem solchen Dokument steht — ganz gleichgültig, ob man es nun aus der damaligen Situation heraus für seine persönliche Tragik und nicht für seine Schuld hält —, daß ein solcher Name in jeder Hinsicht ungeeignet ist, die Bundesrepublik Deutschland, das soll heißen, das neue Deutschland vor einer Welt zu vertreten, in der es auch heute noch eine schwere und bittere Aufgabe ist, den Berg von Schmutz und Schande abzutragen, der auch heute noch auf dem deutschen Namen in der Welt liegt.

(Beifall in der Mitte.)

Leute, die dafür kein Verständnis haben, sollen uns nicht kommen und Ansprüche stellen zur Verwendung im Auswärtigen Dienst.

(Abg. Dr. Horlacher: Der war dumm genug!)

Aber wenn so was passiert und der Mann nicht zur
Einsicht zu bringen ist, dann muß eben von Amts
wegen entsprechend verfahren werden. Auch hier


(Dr. Gerstenmaier)

ist der Ausschuß human gewesen und hat noch ausdrücklich niedergelegt: Gegen die Verwendung im übrigen Bundesdienst keine Bedenken!

(Abg. Paul [Düsseldorf]:: Verfassungsschutzamt! — Lachen in der Mitte.)

Spätestens an einem solchen Punkt wird doch deutlich, daß die Aufgabe des deutschen diplomatischen Dienstes heute noch ein ganzes Maß schwerer ist als in früheren Jahren, auch schwerer als nach dem ersten Krieg. Denn bis zu diesem Augenblick ist es — ich wiederhole es — eine unerhört schwere Aufgabe, mit dem Schmutz und der Schande in der Welt fertig zu werden, die auch jetzt noch draußen auf dem deutschen Namen liegen. Dazu einen Beitrag zu leisten, ist doch eine Pflicht und Aufgabe des Auswärtigen Dienstes. Ich glaube zwar, der Auswärtige Dienst wäre überfordert, wenn wir von ihm verlangen sollten, daß er diese Aufgabe überhaupt und allein übernehmen soll. Das können wir nur alle zusammen in mühseliger, geduldiger und entsagungsvoller Arbeit machen. Aber der Auswärtige Dienst hat dafür in seinem Teil einen echten, permanenten Beitrag zu leisten. Deshalb müssen an ihn besonders harte und schwere Anforderungen gestellt werden. Jemand, der sich dazu nicht eignet, kann keinen Anspruch darauf erheben, im Auswärtigen Dienst irgendwelche Verwendung öder irgendeine Position zu finden. Das ist ein sachliches Gebot und hat mit rechtlichen Ansprüchen gar nichts zu tun. Wir stehen nicht an zu verlangen, daß sich dieser sachliche Gesichtspunkt endlich durchsetzt und auch von den Herren, die davon betroffen sind, akzeptiert wird.
Meine Damen und Herren, wir sind sicher übereinstimmend der Überzeugung, daß diese Aufgabe — einschließlich der schwierigen technischen und materiellen Aufgaben des diplomatischen Dienstes — einer sorgfältigen fachlichen und sachlichen Eignung bedarf. Wir sind deshalb auch der Meinung, daß diese bestehenden Schwierigkeiten weder durch persönliche Ansprüche noch durch Ignorieren oder dreistes Bagatellisieren gebannt werden. Es ist keine gute Sache, daß sich dieses dreiste Bagatellisieren der Situation. in der sich Deutschland auch heute noch in der Welt befindet, da und dort allmählich immer unverfrorener ausbreitet.
Ein dritter Gesichtspunkt, der sich aus dem Gesagten ergibt. Wir glauben also, daß Fähigkeit und Charakter, Takt und Mannesmut in gleicher Weise Voraussetzungen für den Auswärtigen Dienst sind wie das Fehlen von Servilität oder Büßerkrampf. Wir wissen, wie schwer und wie schmal die Grenze ist, auf der hier entlang gegangen werden muß. Wir wünschen von deutschen Diplomaten weder Servilität noch Büßerkrampf, aber wir wünschen auch nicht jene hurtige Einfalt, die von der schwierigen Situation, in der sich Deutschland befindet und von unserer jüngsten Geschichte nichts zu wissen scheint und nach dem Rezept verfährt: Mein Name ist Hase. Diese hurtige Einfalt ist gewiß keine Voraussetzung für den Auswärtigen Dienst. Vielleicht könnte sich dieses Haus ganz allgemein darauf einigen, daß es uns auch im Auswärtigen Dienst kurz gesagt weniger auf den Lack als auf den Kern ankommt.

(Abg. Renner: Richtig!)

Viertens: Es ist auch nicht ganz überflüssig, ein Wort der zurückhaltenden Warnung an jenes exklusive Kastenbewußtsein zu richten, das sich vielleicht hin und wieder zeigt und das natürlich wie ein Hornissenstich auf das öffentliche Bewußtsein wirkt. Gegen nichts ist unser Volk und auch seine Volksvertretung empfindlicher als gegen Zeichen oder gegen den Stil oder gegen die Symptome eines exklusiven Kastenbewußtseins. Das muß ebenso vorbei sein wie das Klassenbewußtsein.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir das sagen, dann müssen wir fünftens auch das andere sagen. Wir müssen warnen vor dem Ressentiment, das einer ganzen Schicht einfach entgegengebracht wird ohne Kenntnis der besonderen Schwierigkeiten und Mühsale, unter denen diese Menschen zu tragen haben. Es ist doch ein Tatbestand, daß viele Menschen, wenn das Wort Diplomatie fällt, sofort Kinovorstellungen damit verbinden. Diese Kinovorstellungen sind doch Kitsch. Sich danach eine Vorstellung über diplomatische Konventionen und Usancen zu machen, ist Blödsinn. Wir sollten einem Ressentiment von so primitiver, aber auch von sehr viel subtilerer Art widerstehen.

(Abg. Dr. Horlacher: Aber auch keine Restaurierung!)

— Auch keine Restaurierung; das meine ich mit Kastengeist.
Sechstens, meine Damen und Herren, freue ich mich, daß der Herr Bundeskanzler hier einen verstärkten Rechts- und Ehrenschutz für jeden treuen Diener des Staates im Auswärtigen Dienst angekündigt hat. Ohne diesen Rechts- und Ehrenschutz und ohne das Bewußtsein, daß man sich auf ihn verlassen kann, kann insbesondere der Auswärtige Dienst nicht wahrhaft wirksam aufgebaut und charaktervoll durchgeführt werden;

(Abg. Kunze: Sehr richtig!)

denn noch mehr vielleicht als irgendwo anders bedarf es hier eines sorgsamen und wirksamen Rechts- und Ehrenschutzes. Denn hier sind persönliche und öffentliche Interessen und Gesichtspunkte, allgemeine und private, oft eng und untrennbar miteinander verbunden.

(Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, ich bin am Schluß. Zu dem, was Herr Kollege von Merkatz in seinen Ausführungen gesagt hat, kann ich mir, da ich nicht Jurist bin, vielleicht gestatten, kurz folgendes zu sagen. Wir stolpern nicht über formalistische Zwirnsfäden, auch wenn sie im Namen des heiligen und von uns natürlich gebührend respektierten Rechts gespannt werden. Wir stolpern nicht darüber. Wir sehen auf die Sache selbst und haben uns für das Notwendige entschieden. Wer heute als deutscher Diplomat hinausgeschickt wird, dem überträgt die Nation eine ebenso schwere wie ehrenvolle Aufgabe. Sollte es unangemessen oder unerlaubt sein, dafür auch besondere Maßstäbe anzulegen? Es ist nicht nur das Recht, sondern es ist die Pflicht der Regierung, das zu tun, und es ist ein undiskutierbares Recht der Vertretung des Volkes, mit dafür zu sorgen und dabei ihr Wort in der ihr geeignet erscheinenden Weise zu sagen.
Es liegen vor uns zwei Anträge. Ich bedaure, sagen zu müssen, daß ich auch namens meiner Freunde empfehle, den Antrag der Deutschen Partei abzulehnen. Wir möchten dem Antrag des Ausschusses zufallen, den Bericht im ganzen zur Kenntnis zu nehmen. Hinsichtlich des Antrags der Sozialdemokratischen Partei beantragen wir, ihn im ganzen dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.

(Beifall in der Mitte.)



Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123402900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brill als Berichterstatter.

Dr. Hermann Louis Brill (SPD):
Rede ID: ID0123403000
Meine Damen und Herren! Ich fürchte, daß ich meine Pflicht als Berichterstatter des Ausschusses verletzen würde, wenn ich nicht einer Darstellung, die der Herr Bundeskanzler in seiner letzten Rede gegeben hat, entgegentreten würde. Es handelt sich um den Fall v. Grundherr. Wenn ich den Herrn Bundeskanzler richtig verstanden habe, hat er gesagt, der Fall Grundherr sei im Ausschuß ungeklärt geblieben und mit Rücksicht auf das hohe Alter und den Gesundheitszustand dieses ehemaligen Botschafters in Athen hätten wir der Bundesregierung nahegelegt, den Herrn v. Grundherr zu verabschieden. Das haben Sie tatsächlich gesagt.

(Bundeskanzler Dr Adenauer: Ich habe gesagt: mir ist vom Staatssekretär erklärt worden, daß der Ausschuß gesagt habe, wenn Herr Grundherr an der Grenze steht, auszuscheiden, dann brauchen wir den Fall nicht weiter zu diskutieren!)

— Aber bevor wir diese Courtoisie — ich glaube, etwas unrichtig — angewendet haben, hat, wie Sie sich auf Seite 14 des gedruckten Berichtes überzeugen können, Herr Bundeskanzler —, ich gebrauche den Ausdruck, der hier steht — ,;eine sehr eingehende Untersuchung" stattgefunden. Es heißt in dem Bericht weiter: „der Ausschuß ist dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen, als es Herr Dr. Schetter erzielen konnte". Unter Berücksichtigung des hohen Alters und des Gesundheitszustandes des Herrn v. Grundherr haben wir gesagt, daß es „im Interesse der Bundesrepublik" liege, wenn der Botschafter v. Grundherr so schnell wie möglich verschwindet. Wir haben das auch dokumentiert, meine Damen und Herren. Schlagen Sie doch bitte Seite 58 des gedruckten Berichtes auf. Sie finden da ein von Herrn v. Grundherr aufgesetztes Telegramm des Auswärtigen Amts an die diplomatische Vertretung in Kopenhagen. Dieses Telegramm heißt:
Reichsaußenminister ersucht Sie, über die Art der Durchführung des Abtransports der Juden, der im Prinzip beschlossen ist, genaue Vorschläge zu machen, die insbesondere auch enthalten sollen, wieviel Polizeikräfte sie dazu benötigen, damit hier diese Polizeiabteilungen . . . . freigemacht werden können.
Als ich dem Herrn v. Grundherr dieses Telegramm über den Tisch hingehalten und ihn gefragt habe, ob er dieses Dokument kenne, erbleichte er und hat sich dazu bekannt. Er hat im einzelnen geschildert, wie dieses Telegramm zustande gekommen ist. Er habe es einer Stenotypistin wörtlich — so wie es hier steht — diktiert. Abgesehen von der Tatsache, die ich hier aus dem Protokoll herausgreifen will — ich kann es Ihnen nicht wörtlich mitteilen —, daß es dieser gewesene Botschafter im Königreich der Helenen gewesen ist, der als Referent des Auswärtigen Amts jahrelang die QuislingPartei finanziert hat,

(Hört! Hört! bei der SPD)

indem er die von Ribbentrop zur Verfügung gestellten Mittel dem Finanzbeauftragten von Quisling ausgehändigt hat,

(erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

hat dieses Telegramm allein für den Ausschuß genügt, den Fall Grundherr als restlos geklärt anzusehen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123403100
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0123403200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Notgedrungen muß sich der Bundestag heute einmal mehr mit einer Skandalaffäre beschäftigen.

(Zuruf von der Mitte: Unerhört!)

— Na, ist es keine? Er muß sich beschäftigen mit der Personalpolitik bzw. der Personenauswahl in Dr. Adenauers Außenamt. Es geht diesmal um die Tatsache — ich zitiere den Ausschußbericht —, daß „mit Vorwissen und unter Duldung unmittelbarer Vorgesetzter eine Gruppe ehemaliger Nationalsozialisten es fertig gebracht hat, Personen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sich bedenkenlos und mit vollem Einsatz ihrer Person im Außendienst für die Hitler-Kriegspolitik eingesetzt haben, im Bonner Außenamt „zu reaktivieren". Darum geht es. Adenauers Außenministerium ist — das verraten die Zahlen, die in dem Bericht stehen — zu einem Sammelbecken der „alten, bewährten" Nazidiplomaten und Auslandsagenten geworden.

(Abg. Kunze: Aber, aber, Herr Renner!)

Heute läuft die Diskussion um diesen Bericht bewußt, sage ich, und leider auch gefördert durch die Darstellung, die der Herr Berichterstatter gegeben hat, in der Linie, hier nicht die tatsächlichen Dinge zu diskutieren, die in dem Ausschußbericht stehen, sondern nach dem Vorgehen des Herrn Bundeskanzlers, 'darüber zu sprechen, ob dieser Ausschuß seine Kompetenz überschritten, ob er sich in die Rechte der Exekutive sträflich eingemischt hat. Kein Mensch außer dem Kollegen Erler hat Tatsachen aus diesem Bericht vorgebracht. Wir hören jetzt in der Diskussion, daß es eine Menge von Tatsachen gibt, die im Ausschuß vorgetragen worden sind, aber bedauerlicherweise in diesem Bericht nicht enthalten sind. Das hätte man hier aufzeigen müssen, um das tatsächliche Charakterbild dieser Personen klar herauszustellen.
Im übrigen ist der Skandal von uns Kommunisten im Bundestag des öfteren angesprochen worden. Aber erst als die Mißstände durch Veröffentlichungen in der bekannten westdeutschen bürgerlichen Zeitung einfach nicht mehr totgeschwiegen werden konnten, beschloß der Bundestag vor beinahe Jahresfrist die Bildung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die Bundespressestelle antwortete auf diesen Beschluß des Bundestags mit der lapidaren Feststellung: Bei uns ist alles in Ordnung. Sie bezog sich dabei auf die Tatsache, daß das damals im AA beschäftigte Personal ja auch durch einen Unterausschuß des Bundestags überprüft worden sei. „Alles in Ordnung". Der Ausschuß selber forderte vom Herrn Bundesaußenminister — über die Postkarte unterhalten wir uns aus Zeitmangel bei anderer Gelegenheit—(Heiterkeit)

eine Liste aller im Dienst des AA stehenden Personen des höheren, des gehobenen und mittleren Dienstes mit allen üblichen Angaben, Personalangaben, Angaben über dienstliche Vergangenheit usw. usw.
Der Herr Bundesaußenminister pariert nun in seiner typischen Art und Weise dieses Ansinnen, indem er seinerseits einen hier auch bereits genannten Oberlandesgerichtspräsidenten a. D., den Herrn Dr. Schetter, heranzieht, der die vom Bundestagsausschuß geforderten Angaben zusam-


(Renner)

menstellen soll. Der Ausschuß urteilt über die Art, wie Herr Schetter diese Untersuchung durchgeführt hat, so:
Mißstände in der Personalpolitik sind durch das Ergebnis der Schetterschen Untersuchungen infolge der angewandten Methoden nicht aufgedeckt worden.
Dabei konnte auch gar nichts aufgedeckt werden. Außerdem wollte Herr Adenauer auch nicht, daß etwas aufgedeckt wird. Es gibt ja auch nach seiner heutigen Haltung dort auch gar nichts aufzudecken. Es sieht auch nach dem Ausschußbericht so aus, als wenn kaum etwas hätte aufgedeckt werden können. Der Ausschuß hat sich nämlich in vornehmer Zurückhaltung darauf beschränkt, 21 bzw. 22 Personen ein bißchen abzukratzen. Bei einem konnte er nichts erreichen, weil seine Personalakten bis heute nicht vorliegen. So blieb es bei den 21. Es müßte vom Bundestag auf das heftigste und entschiedenste kritisiert werden, daß sich dieser Ausschuß einer so vornehmen Zurückhaltung befleißigt hat. Das muß um so mehr ausgesprochen werden, weil der Ausschuß in seinem Bericht selbst feststellt, daß auch das Material, das ihm vorgelegen habe, außerordentlich dürftig ist. Man hätte also tiefer kratzen müssen.
Ich habe keine Zeit, mich mit den Feststellungen auseinanderzusetzen, die hier gemacht worden sind — mit den falschen Feststellungen —, wie man das angezogene Material ausgewertet hat. Im Ausschußbericht steht ein Satz:
Maßgebend für die Verwendung dieses Materials war lediglich das Interesse, das in der Ziffer 1 des Bundestagsbeschlusses umschrieben ist:
Wurden oder werden im Auswärtigen Dienst Personen beschäftigt, deren Verhalten während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geeignet ist, künftig das Vertrauen des In- und Auslandes zur demokratischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden?
Also Punkt 1 im SPD-Antrag. Übrigens eine sehr
naive Zumutung an Herrn Adenauer, von ihm zu
erwarten, daß er diese Demokratisierung garantieren soll!
Und dann wurde untersucht! Untersucht mit dem jämmerlichen Ergebnis, daß selbst die FDP-Fraktion heute von einem „Bericht voller Rätsel" spricht. Der Ausschuß ist aber gezwungen, in seinem Bericht einstimmig anzuerkennen, daß die Frage Nr. 1 bejaht werden muß. Obwohl der Ausschuß selber bei einigen der überprüften Beamten schwerste Fehler und Vergehen feststellt, kommt er in keinem Falle zu der Forderung, daß diese Beamten aus dem Dienst der Bundesregierung zu entlassen sind. Er erklärt sie höchstens als ungeeignet für den Außendienst oder als ungeeignet für die Personalabteilung des AA. Aber gegen ihre Wiederverwendung bei anderen Bundesbehörden ist kein Bedenken erhoben worden. Einstimmig war man also im Ausschuß der Auffassung, daß diese so charakterisierten Beamten auf das eigene deutsche Volk bedenkenlos losgelassen werden sollten und könnten. Mit Recht hat mein Kollege Rische gesagt, wo man sie brauchbar einsetzen könne: bei Herrn Lehr oder bei Herrn Jakob Kaiser! Dort sind solche Leute zu gebrauchen.

(Heiterkeit.)

Aber noch eines! Ein Beweis dafür, wie die leitenden Figuren im Außenamt und wie der Herr Außenminister selber den Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit mißachten, war doch wohl sein heutiges Auftreten hier vor dem Bundestag.
Es ist ein einstimmig gefaßter Beschluß, und er
stellt sich hier hin und versetzt diesem Ausschuß
die reinsten Tiefschläge und Magenschläge in seiner beliebten Art des Praeceptor West-Germaniae

(schallendes Gelächter)

und mutet uns zu, anzuerkennen, daß sich dieser Ausschuß Rechte angemaßt habe, die ihm nicht zuständen.
Im übrigen läuft der Ausschußbericht darauf hinaus, ihn selber und seinen Herrn Hallstein von jeder Verantwortung freizusprechen an dem, was dort an skandalösen Personalverhältnissen tatsächlich vorliegt. Wer will uns aber erzählen, daß Herr Dr. Adenauer die Vergangenheit dieser Beamten nicht genau gekannt hat? Wer will uns erzählen, daß er sich von seinem Herrn Dr. Blankenhorn diese prominenten Nazi-Diplomaten und Auslandsagenten aus der Wilhelmstraße sozusagen als „undemokratische Kuckuckseier" in das Nest seines Außenamtes hat legen lassen? Dieser Dr. Adenauer, der doch berühmt ist, wegen seiner „glücklichen Hand im Einsatz der ihm Nahestehenden", dessen Macht als CDU-Vorsitzender seinerzeit doch so groß war, daß er per Telephon Minister bei uns in NordrheinWestfalen eingesetzt hat.

(Zurufe von der CDU: Auch Sie! Sie waren doch selbst Minister! — Große Heiterkeit.)

— Mich hat er nicht eingesetzt! Mich hat er bei einer ihm passenden Gelegenheit hinausgeworfen. Also machen Sie hier nicht solche Mätzchen!

(Erneute Heiterkeit.)

Nun noch ein Wort zu Herrn Dr. Adenauer. Wer nimmt ihm das eigentlich ab? Der Mann hat doch seine eigene Vergangenheit. Wir haben ihm doch, als er seinerzeit Zentrums-Oberbürgermeister in Köln war, nachgesagt, daß er sich sogar persönlich und direkt einschaltete, wenn es darum ging, eine Schulhausmeisterstelle zu besetzen. Das haben wir ihm doch schon vor dreißig Jahren vorgehalten. Uns einreden zu wollen, daß in der Verwaltung ohne Wissen und Zustimmung des Herrn Adenauer etwas geschehen könne, das ist eine Beleidigung des ganzen Bundestags.
Nein, diese Ribbentropler, die in der Nazizeit Hitlers Außenpolitik im Ausland, in den besetzten Gebieten durchgeführt haben, sitzen mit Willen Adenauers in seinem Außenamt. Gestützt auf ihre Erfahrungen und ihre unter Hitler bewährte bedenken- und hemmungslose Einsatzbereitschaft will er, Adenauer, seine Außenpolitik durchführen. Weil Adenauers außenpolitische Konzeption die gleiche ist, wie Hitler sie durchzusetzen versucht hat, ist die Clique Hitler-Ribbentrops heute im Bonner Außenamt versammelt. Sie soll ihm helfen, seine „dynamische Außenpolitik" zu realisieren, als deren Zielsetzung sein Staatssekretär die ,,Integration Europas bis zum Ural" und er selber „die Befreiung Osteuropas" proklamiert hat. Diese Politik, die die Lösung der deutschen außenpolitischen Probleme nur mit dem Instrument des Krieges vorsieht, die die durchaus gegebenen positiven Möglichkeiten einer friedlichen Lösung nicht einmal ins Auge faßt, diese Politik der Unterordnung der Interessen des deutschen Volkes unter die Profitinteressen der aggressiven Atlantik-Kriegsblockstaaten, diese volksfeindliche Politik der westdeutschen und internationalen imperialistischen Monopolkapitalisten steht heute hier unter Anklage. Adenauers Politik steht heute hier unter Anklage.

(Uhu-Rufe von der Mitte.)



(Renner)

Der Vorschlag des Ausschusses, einen zweiten Staatssekretär in das Außenamt zu entsenden, löst das anstehende Problem wirklich nicht. Wir lehnen den Ausschußbericht ab, weil er völlig ungenügend und völlig unzulänglich ist, weil er die tatsächlich bestehenden Verhältnisse in dem Spitzenbeamtentum nicht genügend klärt bzw. beseitigt.
Wir sind der Auffassung, daß der Herr Bundeskanzler Adenauer, daß der Herr Außenminister Adenauer mit seinem ganzen Stab von „erfahrenen Ost-Spezialisten" verschwinden muß, damit unser Volk zum Frieden und zur Wiederherstellung seiner Einheit kommt. Darum geht unser Kampf, darum geht der Kampf des gesamten deutschen Volkes. Darum sollte sich auch der Bundestag etwas mehr bemühen, als diese Fragen mit der heute hier beliebten Methode der Verniedlichung der bestehenden Probleme zu klären. Wer Adenauer bekämpfen will, wer die Mißstände in seinem Außenamt abstellen will, der muß ihn „abstellen"; denn er ist der Verantwortliche.

(Lachen bei den Regierungsparteien.)

— Er hat ja selber gesagt: Ich bin für alles verantwortlich. Lachen Sie doch nicht so. Er hat sich ja selber mit breiter Brust vor diese ehemaligen Nazi-Auslands-Agenten gestellt, die, wie heute hier leider nur teilweise bekanntgegeben worden ist, maßgebend an den Kriegsverbrechen eines Hitler im besetzten Ausland beteiligt waren. Da lachen Sie noch.

(Abg. Kunze: Wir lachen über Sie!)

— Herr Kunze, Sie sagen doch, Sie seien ein Christ. Schämen sollten Sie sich ein bißchen.

(Erneutes Lachen in der Mitte. — Abg. Strauß: Wir lachen ja bloß wegen der Postkarte!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123403300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0123403400
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Mir ist bei der Verteidigungsrede des Herrn Bundeskanzlers aufgefallen — was ich aber auch nicht anders erwartet hatte —, daß er auf das Problem und auf den Bericht des Ausschusses kaum eingegangen ist. Angriff ist die beste Verteidigung, das haben wir immer schon gewußt, und das konnte man hier auch nicht anders erwarten. Schon in der Mitte seiner Rede war er so weit, uns klarzumachen, daß es eigentlich ein unerhörter Affront gegen das Auswärtige Amt und gegen die Bundesregierung sei, daß überhaupt ein solcher Ausschuß da getagt habe und wie er verhandelt habe. Dabei eine besondere Ironie: Als der Herr Bundeskanzler Kritik an der Verfahrensweise des Ausschusses übte, da hätte ich ihm, wäre ich nicht so weit weg gewesen, gern zugerufen, daß das ja das Verfahren des Herrn Schetter und seines Auftrags gewesen ist; denn Herr Schetter ist doch hingegangen und hat als Entlastungsbeweis, wie er es nannte, die Beschuldigten vernommen. „Widerlegt durch die Einlassung des Beschuldigten" findet man bei Herrn Schetter. Aber bei dem Verfahren, um das es sich hier handelte, drehte es sich nicht um ein Verfahren gegen irgend jemand, sondern um ein sine ira ac studio geführtes Verfahren im Interesse des Bundestags zur Klärung der Verhältnisse an sich. Es ist vollkommen verschoben, die ganze Perspektive ist schief, wenn der Herr Bundeskanzler hingeht und sagt, es habe sich um ein Verfahren gegen diese Personen gehandelt, die da als Zeugen aufgetreten seien. Im übrigen können sich die Personen, die da vernommen worden sind, über das Verfahren am wenigsten beklagen, da sie j a, wenn man schon von Beschuldigten reden will, gestanden haben, wenn auch nur nach Zögern und nur „ungefähr der Wahrheit nahekommend", wie es da heißt. Also sie haben ja gestanden. Es dreht sich gar nicht darum, daß man ihnen erst noch etwas beweisen müßte, und der Rest lag doch in Dokumenten beweisbar fest.
Der Herr Bundeskanzler hat dann mit Vergnügen, damit er nicht Gelegenheit nehmen mußte, auf die Vorwürfe selbst einzugehen, einige Vorwürfe aus der Diskussion aufgegriffen und ist auf die Statistik eingegangen. Er hat selber berichtet, in welchem Maße sich nun eigentlich Pgs sowie neue und alte Beamte auf das Amt verteilen. Auch das verschiebt die Problemstellung absolut. Es kommt- nicht darauf an, ob hier der eine oder der andere Pg mehr oder weniger dabei ist, der eine oder andere mehr oder weniger aus dem alten Amt ist. Es kommt auf den Geist dieses Amtes an, und der Geist dieses Amtes charakterisiert sich nicht bloß in dem Ausschußbericht, sondern auch durch das gesamte Auftreten in der Öffentlichkeit als der Geist der kompletten Restauration der alten Wilhelmstraße Ribbentropscher Prägung und nicht etwa aus der demokratischen Zeit.
Der Herr Bundeskanzler hielt es für richtig, uns mit einer Statistik zu bedienen. Er fing dabei bei sich selbst und dem Herrn Staatssekretär an, als ob er sagen wollte, daß vorläufig diese beiden wenigstens noch von anderem Geiste seien, — wie lange denn eigentlich noch? Ich habe ihm zugerufen, daß er doch sagen möchte, wie es mit den Referatsleitern und aufwärts sei. Hier kann ich eine Statistik, die ich in der Hand habe, ihm überlassen, wenn er sie nicht selber kennen oder wenn ihn das Amt wieder nur mit halber Wahrheit bedient haben sollte, wonach auf 64 Referatsleiter der alten Art 18 andere kommen. Und wie werden die behandelt? Sie werden schlecht behandelt. Sie werden vergrault, weggeekelt, so daß sie möglichst wenig Lust haben zu bleiben, mit Umzugsgeldern und Bezügen schlecht bedient, wenn sie ins Ausland gehen. Auf die Art und Weise bekommt man keinen! Sie haben sich darüber zu beklagen, daß sie diesen Kastengeist des alten Amtes immer wieder gegen sich aufgebracht sehen. Aber der alte Geist ist dann natürlich und selbstverständlich, wenn man keine neuen Menschen bekommt und sagt, man habe keine. Wenn der Herr Bundeskanzler zu seiner Entschuldigung für die Zeit des Aufbaus des Amtes immer wieder darauf hinweist: Wir haben keine anderen, so ist das doch nicht wahr. Es ergibt sich aus dem Bericht, der uns vorliegt, daß 140 Personen, qualifizierte und einwandfreie Kräfte, sofort bei den ersten Vorarbeiten bekannt waren. Sie waren unter der Ägide des Herrn Pünder von dem Herrn Hummelsheim in einer Liste erfaßt worden; aber man hat sie überhaupt nicht beachtet. Und dann sagt man: Wir hatten keine anderen, wir hatten keine besseren. So liegen die Dinge, um auf diese nebensächlichen Fragen einmal einzugehen, über die der Herr Bundeskanzler so gern gesprochen hat, um der Hauptsache aus dem Wege gehen zu können.
Es ist doch so, daß seit Jahr und Tag, seit 1950 öffentlich und privat Beschwerden an den Herrn Bundeskanzler gekommen sind. Ich habe zwei Briefe geschrieben; aber er hat es nicht für notwendig gehalten, darauf zu antworten. Das wundert


(Dr. Reismann)

einen bei der Methode seines Amtes nicht. Ich habe später festgestellt, daß sein Büro erklärt, die Briefe seien nicht übergekommen, während das Auswärtige Amt erklärt, sie seien übergekommen. Da aber beide offenbar nicht lügen, kann ich nur sagen: Hier gilt der Satz der allgemeinen Logik, daß Ja nicht zugleich Nein sein kann, offenbar nicht. Tatsache war, daß ihm meine Briefe erst bekannt wurden, als Herr Blankenhorn krank war. Da hat er meine Briefe mit den Beschwerden erst zu sehen bekommen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das Auswärtige Amt läuft unter der Ägide von Herrn Blankenhorn, und jeder Beamte weiß, daß er die entscheidende Personalstelle ist. Wenn es nur der Herr Bundeskanzler nicht weiß, so verstehe ich das nicht. Jeder im Amt weiß, daß Herr
Blankenhorn die entscheidende Personalstelle im Amt ist. Unter seiner Ägide führt das Amt ein Eigenleben, das sich kein Parlament auf die Dauer gefallen lassen kann.
Es ist eben von dem Unterausschuß unter dem Herrn Seelos die Rede gewesen. Aber dabei muß ich daran erinnern, daß auch damals andere Warnungen ausgesprochen worden sind, und noch während das Wort nicht kalt war, wurde der Mann, vor dem gewarnt wurde — das war der Ortsgruppen- und gleichzeitig Landesstellenleiter der NSDAP in Tirana —, vom Amtmann zum Regierungsrat befördert, und hinter dem Rücken des Ausschusses machten sich diese selben Beamten darüber lustig, daß der Ausschuß etwas gesagt hatte, und sagten: Quantité négligeable, darum brauchen wir uns nicht zu kümmern.

(Hört! Hört! links.)

In der damaligen Zeit ist verlangt worden, daß verschiedene Dinge abgestellt werden. Wir haben damals schon unter diesem Untersuchungsausschuß darauf hingewiesen, daß die hemmungslose Beschäftigung der in Nürnberg belasteten Personen auf die Dauer Gefahren für das Ansehen des Deutschen Bundes zur Folge hätte. Ich selbst habe mich erboten, einen Schlüssel zur Auffindung der Belasteten zur Verfügung zu stellen. Man hat keinen Gebrauch davon gemacht. Man war sichtlich betreten, daß man davor gewarnt wurde. Die Verantwortung für das Verderben des guten Rufes trifft doch nicht die, die die Mißstände rügen, sondern die, die die Mißstände zu vertreten haben. Und, Herr Bundeskanzler, nachdem Sie öffentlich und privat seit zwei Jahren und mehr aufgefordert sind, sie abzustellen, sind Sie dafür verantwortlich. Die politische Verantwortlichkeit trifft Sie und neben Ihnen den Herrn Staatssekretär. Sie können sich nicht damit entschuldigen, daß Sie überlastet seien. Es ist oft genug davon die Rede gewesen, daß ein ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht, in der Eile der Arbeiten, die Sie und den Herrn Staatssekretär sonst traf, für das Auswärtige Amt nötig sei. Aber Sie haben es nicht gewollt, und es muß Ihnen bekannt sein, daß nicht nur in Abwesenheit, sondern auch in Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs der Herr Blankenhorn die Personalpolitik leitet und daß nichts an den Herrn Staatssekretär geht, das er nicht zuvor zur Kenntnis genommen und gebilligt hätte.
Wenn man Ihnen das vorenthält, dann ist das einer der Ausdrücke von Unwahrhaftigkeit, die in diesem Amt immer wieder vorkommen. Auch den Unterausschuß Seelos hat man damit bedient. Meine Redezeit gestattet mir nicht, das näher auszuführen, aber ich bin bereit, Ihnen das schwarz auf weiß zu geben. Ich habe es dem Herrn Bundesjustizminister schon einmal schwarz auf weiß gegeben, um ihm zu sagen, daß das Bundesjustizministerium absolut korrekt verfahren ist, da er diesen Vorwurf auf sich bezogen hatte.
Der Bericht des Ausschusses, der angeblich so milde verfahren sein soll, beweist doch in Wirklichkeit, daß die Pressevorwürfe keinesfalls übertrieben waren. Ich erinnere daran, daß der Ausschußbericht für drei Personen erklärt, sie seien überhaupt nicht mehr im Auswärtigen Amt zu beschäftigen, von zwei Personen erklärt, sie seien so untragbar, daß man sie während des Verfahrens nach Hause schicken mußte, um das Ansehen des Bundes nicht allzu sehr zu belasten. Das muß hier ausgesprochen werden, da Sie aus dem milden Vorgehen dieses Ausschusses Ergebnisse zu ziehen wagen, die es notwendig machen, es Ihnen .deutlicher zu sagen. Dann sind zwei Personen nicht mehr für die Personalabteilung tragbar und sechs Personen nicht im Ausland. Von 21 Personen sind also zehn schwer angeschlagen, und da wagt man noch in der Diskussion zu sagen, das wäre ein günstiges Ergebnis.
Dann kommt dazu: wie beurteilt man die, die noch im Amt geblieben sind? Da heißt es, daß der Leiter der Personalabteilung — Haas war es damals — Auffassungen von den Notwendigkeiten der Personalpolitik gehabt habe, die nicht der tatsächlichen Lage der Bundesrepublik entsprechen; d. h. also doch, deutlicher und mit weniger höflichen Worten gesagt, daß der Mann eine Personalpolitik gemacht hat, die untragbar war. Aber man könnte auch die sonst Verbliebenen, die später etwa pensioniert worden sind, einmal durchleuchten, und man hätte fragen können, wo denn eigentlich die Akten des Herrn geblieben sind, der in Bukarest war, später die Personalabteilung geleitet hat und jetzt pensioniert worden ist. Gerade diese Bukarester Zeit fehlt in seinen Personalakten. Überhaupt scheint es merkwürdig, daß die Engländer aus London nur die Teile der Personalakten zurückgeschickt haben, die der leitenden Clique dieses Amtes passen, und die anderen sind abhanden gekommen. Deutlicher kann man hier nicht werden mit dem Verdacht; er ist auch nicht zu beweisen.
Aber es fällt auf, daß mit zweierlei Maß gemessen wird. Wenn z. B. unser angesehener Vertreter in Holland wegen irgendeiner Formalie zurückgerufen wird, dann fragt man sich, warum dieses Maß so streng bei diesen und nicht auch bei denen angewandt wird, die vor dem Ausschuß halbe oder ganze Unwahrheiten gesagt haben, nicht auch bei denen, die Fragebogen frisieren. Bei den Friseuren ihrer Vergangenheit und bei den Friseuren der politischen Darstellung der Dinge, die sie vor dem Ausschuß darzulegen haben, ist man so großzügig. Und dann das Alter! Der eine, der sich in Holland Verdienste errungen hat, der der Angesehenste seiner Zunft war, der dort sehr beliebt war und der für den Bund Ansehen warb, der wird zurückgezogen, während man einen anderen Herrn im Alter von über 65 Jahren noch in die Tropen hinausschickte. Der über 65jährige nahm dann noch einen anderen mit sich, einen Freund, den er zum Leiter seiner Wirtschaftsabteilung machte. Das ist ein Beamter, der dreimal wegen Gewalttätigkeit aus dem Amt entlassen werden mußte und der jetzt schnell noch eine Stelle bekommt, damit man ihn pensionieren kann. So liegen die Dinge. Wir sind keine Pensionsanstalt, da haben Sie vollkommen recht, Herr


(Dr. Reismann)

Kollege Gerstenmaier. Aber wir sind auch keine Pensionsanstalt, um rasch die Leute jetzt noch zu pensionieren, die ohnehin untragbar waren. Ich werde in einem besonderen Antrag darauf zurückkommen und verlangen, daß man die regreßpflichtig mache, die solche Pensionen verschuldet haben. Glauben Sie eigentlich, die Bevölkerung wird sich das gefallen lassen, daß man da einfach hingeht und Personen einstellt, von denen sich in ganz kurzer Zeit ergibt, daß sie untragbar sind, nur um ihnen aus Freundschaftsgründen noch eine hohe Pension zu verschaffen? Das ist der Kern der Dinge, die ich rüge, daß man Personalpolitik nach persönlichen Gesichtspunkten macht. Es mag die Zugehörigkeit zu bestimmten Cliquen, zu bestimmten Verbindungen oder zu was sonst sein; das ist egal. Allemal ist es so gewesen. Nach persönlichen Gesichtspunkten ist von dieser Gesellschaft, die das Auswärtige Amt bisher beherrscht hat, die Personalpolitik gemacht worden.
Und nun, verehrter Herr Bundeskanzler, zu dieser schröcklichen Drohung, daß Sie nun mit einem Strafverfahren gegen die Leute vorgehen werden. Diese Drohung können wir auch anders herum fassen. Würden Sie nicht bitte die Güte haben, mit Disziplinarverfahren gegen die Leute vorzugehen,

(Sehr richtig! links)

die verschuldet haben, daß dieses Thema in mehreren Debatten immer wieder aufgerührt werden muß, damit überhaupt etwas geschieht! Es fehlt gerade noch, daß Sie sagten, die Abgeordneten müßten mit Disziplinarverfahren verfolgt werden. Das fehlte gerade noch!

(Zurufe von der SPD: Kann noch kommen! — Heiterkeit.)

Aber bei der Presse würden Sie jedenfalls Schwierigkeiten haben, ein Strafverfahren zum Erfolg zu bringen. Denn das, was die Presse bisher dargelegt hat, hatte gute Gründe und gute Tatsachen für sich.
Ich kann leider nicht das Material, das ich im übrigen noch zu der Sache habe, vortragen. Es finden sich andere Gelegenheiten. Wenn in dieser Sache nicht unserem Wunsche entsprechend die Dinge abgestellt werden, wenn man ausweicht, wenn dieses Amt die alte Methode weiter verfolgt, diese Vorwürfe an sich abrollen zu lassen wie das Wasser an der Ente und eine Zeitlang die Ohren anzulegen, und hinterher einfach weitermacht — eine entsprechende Weisung konnte man fast aus den Worten des Herrn Bundeskanzlers entnehmen —, dann darf man sich nicht wundern, wenn ich immer wieder auf dieses Thema zurückkomme. Ich kann mich nicht damit zufrieden geben, daß man mir durch Begrenzung der Redezeit die Auswertung von Einzelheiten unmöglich macht. Es findet sich z. B. bei der Etatberatung immer noch Gelegenheit, darauf zu kommen. Ich bin bereit, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen, wenn ich merke, daß ein neuer Wind und ein neuer Geist in das Auswärtige Amt einkehren. Aber unter diesen Umständen nicht.

(Abg. Lücke: Der soll wohl Reismann heißen?)

— Ich habe schon einmal gesagt, daß das unter dem Herrn Bundeskanzler Adenauer kaum in Frage kommen dürfte. Aber wenn Sie nichts Besseres wissen — —

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123403500
Herr Abgeordneter, Sie haben die Zeit überschritten. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0123403600
Ich danke für die Nachsicht. Ich habe auch nicht mehr das Bedürfnis, weitere Ausführungen zu machen.

(Heiterkeit.)

Ich habe j a angekündigt, daß ich mir vorbehalte, sowohl in einem Antrag auf die Regreßpflicht als auch, wenn nichts geändert wird, demnächst bei der Etatberatung auf weitere Einzelheiten zurückzukommen.

(Beifall bei der FU und bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123403700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker (Hersfeld).

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0123403800
Meine Damen und Herren! Ehe ich als Vertreter meiner Fraktion spreche, möchte ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses Nr. 47 einige zu allgemeinen Punkten gehörende Bemerkungen machen. Dieser Untersuchungsausschuß ist mit einem eng umgrenzten Thema vorn ganzen Hause — auch von der DP - beschlossen worden. Die Voraussetzungen und die formalen Vorschriften, nach denen dieser Untersuchungsausschuß zu arbeiten hatte, befinden sich im Art. 44 des Grundgesetzes. Unsere Geschäftsordnung enthält lediglich die Bestimmung, daß noch eine ergänzende Bestimmung geschaffen werden könne.
Wir haben also nach diesen Regeln verfahren. Daß diese Regeln kümmerlich und dürftig sind, ist nichts Neues. Das war uns auch bekannt. Daß wir aber das Beste aus diesen Regeln zu machen versucht haben, diese Anerkennung dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, trotz des Geflüsters, das konzentriert von einer bestimmten Ecke aus hier beständig durch sämtliche Hallen dieses Hauses schon seit Wochen gegangen ist.
Wir haben — ich spreche immer noch als Vorsitzender des Ausschusses — Vernehmungen vorgenommen, selbstverständlich, denn das war ja unsere Pflicht. Es ist uns zum Vorwurf gemacht worden, wir hätten unter Eideszwang die Betreffenden vernommen, obwohl sie in Wirklichkeit Beschuldigte wären. Wir haben sinngemäß die Bestimmungen der Strafprozeßordnung anzuwenden. Frage: Wenn wir die Strafprozeßordnung — also ein Strafverfahren! — sinngemäß anwenden wollen, wer war angeklagt? Die Behörde oder die einzelnen Personen? Wenn die Behörde angeklagt war, waren die Personen mit Fug und Recht Zeugen.

(Zurufe von der SPD.)

— Aber bitte, wir wollen uns nicht in Spitzfindigkeiten verlieren, sondern die Situation war doch so: wir haben die Herren vernommen, und zwar alle sehr eingehend in nichtöffentlicher Sitzung. Wir haben ihnen die Eidesbelehrung gegeben. Wir haben ihnen die Belehrung gegeben, daß sie die Aussage verweigern können aus den Gründen, die das Gesetz vorsieht. Die Mehrzahl von ihnen waren Juristen und kannten die Dinge, und sie sind trotzdem immer darauf aufmerksam gemacht worden. So liegen die Dinge, und damit ist den Vorschriften Genüge geschehen. Es ist, um keinen Zwang auszuüben, nicht ein einziger von ihnen vereidigt worden. Wir sind uns darüber klar gewesen, daß sich die Herren gewissermaßen bedrückt fühlen mußten in der Rolle, die sie nun dort als Zeugen hatten, und darauf haben wir Rücksicht genommen — wenigstens was mich betrifft — bestimmt bei der Form der Vernehmung — bei den sehr ein-


(Dr. Becker [Hersfeld])

gehenden Vernehmungen — und auch durch die Unterlassung der Eidesleistung.
Die zweite Frage: Was hat der Untersuchungsausschuß zu tun? Hat er nur Feststellungen zu treffen? Keineswegs! Ich stehe auf dem Standpunkt — und der ganze Ausschuß hat diesen Standpunkt vertreten —, wenn man Feststellungen treffen will, ohne diese tatsächlichen Feststellungen irgendwie nun zu würdigen und aus der Würdigung eine Empfehlung herzuleiten, wenn man das so machen will, daß keine Empfehlungen gestattet sind, soll man die Untersuchungsausschüsse weglassen, dann haben sie keinen Zweck.
Viper eines sind wir uns aber, glaube ich, im klaren. Diese Empfehlungen haben in keiner Weise irgendwie ein imperatives Mandat. einen imperativen Zweck, sondern die Empfehlungen sind Empfehlungen, die an die Exekutive gerichtet sind, und die Exekutive hat aus eigener Verantwortung, aus eigener Entschlußkraft, auf Grund eigener Untersuchung, zu der die Empfehlungen mit heranzuziehen sind, ihre Entschlüsse zu fassen. Denn als Drittes in unserem Staate gibt es ja noch die Gerichte, und die Exekutive ist ihrerseits den Gerichten unterworfen, wenn sie etwas tut auf Grund unserer Empfehlungen, was nach dem Recht nicht haltbar ist.
Diese drei Komponenten in Übereinstimmung zu bringen, sollte meiner Ansicht nach nicht schwer sein, und ich glaube, bei gutem Willen und bei guter Zusammenarbeit ist es durchaus möglich, unter der Voraussetzung allerdings — und hier spreche ich als Vertreter des Parlaments —, daß das Recht des Parlaments, nicht nur konkrete Tatsachen festzustellen, sondern daraus Empfehlungen herzuleiten, anerkannt wird.
Wenn unser Bericht kritisiert wird, so müssen wir es hinnehmen; klar. Es ist ja Ihr gutes Recht. Aber, meine Damen und Herren, vergessen Sie doch nicht — ich spreche wieder als Vorsitzender —, Sie haben uns ja gewählt! Sie haben uns die Aufgabe ,gegeben und Sie haben uns die Bestimmungen an die Hand gegeben, nach denen wir zu arbeiten hatten, und wenn Sie dann hinterher etwas Derartiges eine Beckmesserei nennen, Herr Kollege Merkatz, ich glaube, — —(Zurufe von der SPD.)

— Nein, meine Herren, wir wollen uns nicht ereifern. Ich glaube, Herr Kollege von Merkatz, es tut Ihnen wohl jetzt schon leid, das gesagt zu haben. Soweit als Vorsitzender des Ausschusses.
Und nun als Abgeordneter der FDP! Es ist das Recht der Presse, Mißstände zu rügen. Aber man sollte darauf achten, daß derartige Rügen mit Ernst erfolgen und nicht in einer Form, die überheblich und schnoddrig ist und in der Form selbst beleidigend wirken kann. Das war das, was in der „Frankfurter Rundschau" an sich zu rügen war. Aber wie das so geht in der Welt, alles kommt doppelt vor: Auch wir haben den „Erfolg" zu buchen gehabt, daß auch wir in Aufsätzen mit der gleichen Überheblichkeit abgekanzelt worden sind. Ich betone aber ausdrücklich, daß ich nicht den Aufsatz von Herrn Kollegen Henle meine, der — abgesehen von der Überschrift — in Form und Inhalt sachlich war und den richtigen Weg zu finden suchte, auch wenn ich mit ihm in den Konsequenzen und Folgerungen nicht in allen Punkten einig gehe.
Die Frage, die wir uns vorzulegen hatten, war nun, was materiell zu geschehen hatte. Das haben wir bereits im März dieses Jahres in einer Pressekonferenz niedergelegt. Es waren folgende Grundsätze.
Erstens: Auch wenn die Aufgabe, die uns gestellt war, auf die Frage der früheren Pgs und ihrer Mitgliedschaft zugeschnitten war, haben wir, wenn andererseits rechtskräftige Urteile eines Entnazifizierungsverfahrens vorliegen, die zu respektieren sind, nicht die Aufgabe, einen Kassationshof in Spruchkammerangelegenheiten dazustellen.
Und zum zweiten haben wir nicht die Aufgabe, einen Wilhelmstraßen-Prozeß in zweiter Auflage zu führen. Davor haben wir uns auch gehütet, und, Herr Kollege von Merkatz, auf meinen Zwischenruf, wo wir Beweiswürdigungen des Wilhelmstraßen-Prozesses in unserem Bericht verwendet hätten, sind Sie mir die Antwort schuldig geblieben. Davon finden Sie nichts, sondern nur deutsche Urkunden aus solchen Prozessen haben wir verwendet.
Und die dritte Frage! Strafrechtliche Beurteilungen haben wir auch nicht auszusprechen; denn wenn irgendwo etwas nach dieser Richtung hin geschehen wäre, so wäre das Sache der ordentlichen Gerichte, und zwar auf der Grundlage des deutschen Rechts.
Was aber nach dieser negativen Abgrenzung positiv unsere Aufgabe war, war die: im Rahmen der gestellten Aufgaben festzustellen, ob bei Mitgliedern, Beamten oder Angestellter, des Auswärtigen Amtes irgend etwas aus der Vergangenheit vorlag, das den Betreffenden trotz abgeschlossenen Entnazifizierungsverfahrens untragbar machte. Das war die Aufgabe. Und diese Aufgabe haben wir nach meinem Dafürhalten sachlich erledigt. Daß wir dabei über einzelne Personen urteilen mußten - ja, mein Gott, das lag an der Aufgabe, die Sie uns gestellt haben, nicht an uns, sondern in der Natur der Dinge.
Und nun lassen Sie mich, nachdem in den heutigen Verhandlungen im wesentlichen nur die negative Seite zur Sprache gekommen ist, auch einmal etwas Positives sagen, um das Bild zu vervollständigen! Ich möchte hier einen Entschluß ausführen, den ich gefaßt hatte, als ich bei der Beweisaufnahme in diesem Untersuchungsausschuß einige der Herren und auch eine Dame mit angehört hatte. Nach dem Urteil, das ich mir damals persönlich über die Herren gebildet habe, möchte ich — und ich nenne die Namen ausdrücklich — Herrn von Etzdorf, Herrn von Kessel, Herrn Kordt, Herrn von Nostiz, Herrn Peter Pfeiffer und einer sehr couragierten und wagemutigen Frau, Frau Simonis, meiner persönlichen und vieler Freunde Hochachtung für den Mut und den Widerstandsgeist versichern, den sie damals in schweren Zeiten gezeigt haben.

(Beifall bei der FDP.)

Und ich möchte daran anknüpfen und auch jene Mitglieder des Auswärtigen Amtes — und sie sind zahlreich —, die nach den Vorgängen des 20. Juli ihr Leben haben lassen müssen, hierbei lobend erwähnen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Kürzlich hat mir in Straßburg einer unserer ausländischen Kollegen gesagt, es sei im Auslande viel zu wenig bekannt, welches andere Deutsch-


(Dr. Becker [Hersfeld])

land damals, am 20. Juli, die Hände gerührt hätte, und es läge im wohlverstandenen Interesse Deutschlands, wenn das im Auslande einmal in nachdrücklicher Form bekanntgegeben würde. Ich darf weiter bemerken: Ich weiß aus der jüngsten Zeit von deutschen Auslandskaufleuten, daß sie z. B. bei ihren Besuchen in Ostasien, in Japan oder in Südafrika bei unseren Auslandsvertretungen sehr gute Unterstützung gefunden haben, und sie haben sich mir gegenüber lobend ausgesprochen. Auch das muß ich vortragen, um meine Aufgabe loyal zu erfüllen, und ich tue es gern.
Nun kommt das Aber! Ich hätte mit dem Aber gern geschwiegen, d. h. insofern gern geschwiegen, als ich keine Namen hätte nennen wollen. Ich möchte bei diesem Schweigen auch heute noch bleiben, bin aber in einem Punkte genötigt, darauf einzugehen, und das ist der hier bei uns schon zweimal genannte Fall von Bargen. Herr von Bargen hat mit der Behauptung, es wären hinsichtlich seines Falles zwei Fälschungen — wörtlich: zwei Fälschungen! — im Bericht enthalten, gewissen Eindruck gemacht, auch, ich leugne es nicht, bei Angehörigen meiner Fraktion, die daraufhin den Wunsch geäußert hatten, man möge nach jeder Richtung hin Gerechtigkeit üben und deshalb den Punkt noch einmal prüfen.
So erklärte sich der Antrag auf eine Rückverweisung an den Ausschuß. Diese Prüfung im Ausschuß ist aber nicht nötig; denn die Tatsachen sind jetzt schon festzustellen. Was Herr von Bargen rügt und als Fälschung bezeichnet — nota bene: Herr von Bargen ist Jurist und sollte wissen, was der Vorwurf einer Fälschung bedeutet —, bezieht sich darauf, daß auf Seite 49 in Anlage 2, IV die Überschrift lautet: „Bericht Dr. von Bargens vom 4. Dezember 1942". Die Überschrift ist, wie Sie vom Herrn Berichterstatter gehört haben, von der Korrekturabteilung eingesetzt worden und nicht vom Ausschuß. Abgesandt ist der Brief in Berlin — wo Herr von Bargen nicht war; er war in Brüssel —, und adressiert ist er an die Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Brüssel, also an Herrn von Bargen. Also kann der Brief niemals — das ist für den aufmerksamen Leser von vornherein erkennbar — von Herrn von Bargen sein. In dem Bericht wird dann weiter auf einen „dortigen Drahtbericht" — das heißt von einem in Brüssel ausgegangenen Drahtbericht Nr. 602 — eingegangen. Wenn Sie eine Seite zurückschlagen, finden Sie den Bericht des Herrn von Bargen Nr. 602 hier bei uns abgedruckt. Es kann niemand mit sich selbst eine Korrespondenz führen; das dürfte wohl klar sein. Und wenn zum Schluß gesagt wird, die Fortsetzung sei unleserlich — bitte, meine Herren, hier beim Präsidenten liegt das Original, das wir abgedruckt haben. Die Fortsetzung ist unleserlich. Wenn Sie die Fortsetzung hier vorlesen können, stifte ich Ihnen eine Flasche Sekt!
Also, meine Damen und Herren, damit ist die Sache klargestellt, damit ist der Antrag auf Rückverweisung praktisch erledigt, und wir können nun auch die ganzen sonstigen Personalfragen beiseite lassen. Ich spreche darüber in der Öffentlichkeit nicht gern. Was wir bei der Arbeit unseres Ausschusses immer besonders in den Vordergrund gestellt haben, war die Tatsache, daß wir alle diese Dinge tun wollten um Deutschlands willen. Um Deutschlands willen haben wir nicht öffentlich verhandelt. Der Bericht hätte in vielen Punkten vollständiger sein können; um Deutschlands willen ist er es nicht. Um Deutschlands willen muß auch
jemand, wenn er, wie Kollege Gerstenmaier mit Recht gesagt hat, durch eine tragische Verstrickung in der damaligen Zeit seinen Namen unter ein Schriftstück hat setzen müssen, das ihn heute in einer Stellung im Ausland unmöglich macht, das um Deutschlands willen auf sich nehmen, wie viele Deutsche um Deutschlands willen manches haben auf sich nehmen müssen.

(Abg. Dr. Horlacher: Vorher haben auf sich nehmen müssen, ja! Während der anderen Zeit!)

Ich glaube, Herr Kollege Horlacher, wir sind hier einig.
Und nun die Hauptfrage, die sich aus der Presseerörterung ergab: Gibt es im Auswärtigen Amt eine Clique, die über Einstellung und Ablehnung der Einstellung entscheidet?

(Abg. Dr. Horlacher: Ja, die gibt es! Die existiert!)

— Nun mal langsam. Wir wollen alles mit Ernst und mit Ruhe behandeln.

(Abg. Dr. Horlacher: Die gibt es! Der Rattenkönig!)

Wenn jemand ein neues Amt aufbaut und, dazu berufen, zunächst diejenigen holt, die er von früher her als sachkundig kennt, dann sehe ich darin noch keine Clique. Eine Clique wird es erst dann, wenn ohne eine gewisse äußere Organisation eine innere Zusammengehörigkeit auf dem Grunde gleicher Weltanschauung, der gleichen Erziehung oder des gleichen Standesbewußtseins — oder was es immer sein mag —, eine innere Zusammenschweißung stattfindet und man den Eindruck hat: „Hier in diesen Klüngel kommt jetzt kein anderer hinein."
Frage: Haben wir das festgestellt? Wenn Sie mich als Juristen fragen, sage ich Ihnen ganz offen: Juristisch beweisbar haben wir das nicht festgestellt.
Wenn Sie mich weiter fragen: „Wie würde zu handeln sein?", dann sage ich Ihnen folgendes. Mich haben in den letzten Wochen diese von einer einheitlichen Stelle aus dirigierten Flüsterparolen, dieses einheitlich dirigierte Konzert stutzig gemacht, in denen immer nur auf angeblich formale Mängel des Berichts und seines Zustandekommens hingewiesen war,

(Zuruf von der KPD: Dittmann!)

aber auf die Sache selbst mit keinem Wort eingegangen ist. Das hat mich sehr stutzig gemacht; und wenn das ein Kennzeichen für das Bestehen einer Clique sein sollte, dann kann ich nur sehr ernstlich darum bitten, daß der künftige Leiter des Personalamts im Auswärtigen Amt ganz gehörig danach sieht, daß keine Clique mehr da ist und keine neue entsteht.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Aber die Empfehlungen, die wir gegeben haben, gehen an und für sich weiter. Die Empfehlungen bezogen sich ja nicht nur auf das personelle Gebiet. Allmählich müßte die Frage der Entnazifizierung — es sei denn, daß die Leute sich gänzlich unmöglich gemacht haben — begraben sein. Man sollte nach den Grundsätzen verfahren, die der Kollege Gerstenmaier richtig aufgezeigt hat.
Man sollte auch einmal darangehen, unser Auswärtiges Amt im besonderen Maße weiter zu organisieren. Ich möchte hoffen, daß wir in der Lage sind, z. B. wieder eine Ostabteilung zu bilden, in der Leute wie früher Dirksen, von der Schulen-


(Dr. Becker [Hersfeld])

burg, Brockdorff-Rantzau usw. eine Rolle spielen könnten. Wir möchten hoffen, daß es möglich ist, daß die Botschafter von bestimmten Gegenden, sagen wir in den arabischen oder den südamerikanischen Staaten oder wo es sei, ähnlich wie es bei anderen Ländern geschieht, wieder häufiger zusammenkommen. Wir möchten wünschen, daß eine richtige Sprachregelung, wenn ich mich so ausdrükken darf, erfolgt, d. h. daß von der Zentrale aus die einzelnen Botschafter sofort über die politische Lage, über die politische Zielsetzung, wenn es möglich ist, orientiert werden, damit sie wissen, woran sie sind. Es müßte möglich sein, daß auch in wirtschaftlichen Dingen und in kulturellen Dingen eine entsprechende Unterweisung stattfindet. Mir ist mitgeteilt worden, daß z. B. in anderen Ländern die Möglichkeit besteht, die Rundfunkstationen des betreffenden Landes außerordentlich, also durch hervorragende Schallplatten usw. usw. zu unterstützen, um die deutsche Kunst und Literatur usw. dort bekanntzumachen. Leider Gottes sind nur ganz kümmerliche abgespielte Schallplatten aus den zwanziger Jahren vorhanden. Ich erwähne das nur als Beispiel. Wir haben dit Hoffnung und den Wunsch, daß, nachdem die Verträge unterzeichnet sind, nach der Richtung hin mehr geschehen möge. Darauf zielt unsere Anregung, eventuell einen zweiten Staatssekretär einzusetzen.
Wir haben nun nach dieser Richtung hin zwei Sachanträge vorliegen: einen Sachantrag, der von der FDP vor einer Woche gestellt worden ist, und einen anderen Sachantrag von der SPD. Ich möchte vorschlagen, folgendermaßen zu verfahren: den Bericht entsprechend dem Antrag des Kollegen Gerstenmaier im ganzen zur Kenntnis zu nehmen, den Antrag der DP, für den wohl nur noch die KPD stimmen wird, abzulehnen und die beiden Sachanträge, die ich zuletzt genannt habe, dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
Ich habe nun noch einen besonderen Wunsch, der sich aus meiner persönlichen Erfahrung in der Leitung dieses Ausschusses ergeben hat, und das ist folgender.

(Abg. Dr. Horlacher: Keinen Vorsitz mehr zu übernehmen!)

— Da haben Sie recht!

(Heiterkeit.)

Ich möchte darauf aufmerksam machen: wir haben bei der Vernehmung der einzelnen Herren doch recht unterschiedliche und manchmal wenig begeisternde Erfahrungen gemacht. Die Herren, die ich vorhin genannt habe, und noch eine ganze Reihe anderer, das waren Kerle, die standen, ganz egal, ob sie sich nun als Angeschuldigte oder als Zeugen oder sonst was fühlten — nebenbei, Herr Bundeskanzler: das deutsche Recht kennt schon seit langem auch eine Vernehmung der Parteien vor Gericht; aber das nur nebenher —, die standen mannhaft da und gaben ihre Aussage wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Dann waren einige andere bei den Vernehmungen, denen man es anmerken konnte, daß schon die Tatsache ihrer Vernehmung von ihnen als eine Art Majestätsbeleidigung empfunden wurde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ferner waren einige da, die mit der Sprache nicht richtig herausgingen und die sich wanden und drehten. Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier ist etwas gutzumachen. Ich glaube, daran müssen wir mithelfen. Dem deutschen Beamtentum ist
durch die Nazizeit das Rückgrat gebrochen, und die Entnazifizierungszeit hat es nicht besser gemacht. Wir haben jetzt die Tatsache zu verzeichnen, daß sich alle Parteien darum bemühen — auch die, die anfangs nicht in dieser Richtung gearbeitet haben —, ihre Leute in die betreffenden Betriebe und Behörden hineinzubringen. Wenn wir auf dem Wege weitermachen, dann wird der Männerstolz vor Königsthronen nicht wiederkommen, sondern dann haben wir nur die Nickepeter vor Parteibüros, und zwar die Leute, die behaupten, allen Parteien nahezustehen, die sich heute von der einen Partei protegieren lassen und gleichzeitig zur anderen laufen und sagen, sie hätten schon von jeher das staatsmännische Genie des Herrn X als des Vorsitzenden der Y-Partei bewundert et cetera pp., die aber nirgends den Mut haben, eine Meinung zu äußern. Diese parteipolitischen Quallen
sind keine Musterbeispiele!

(Beifall.)

Die kommen bei jedem Regierungswechsel und zeigen auf ihre weiße Weste. Ich pfeife auf die weiße Weste, wenn hinter ihr nicht Herz, Rückgrat und Charakter stehen.

(Lebhafter Beifall.)

Wie kommen wir zu einer Besserung? Wir kommen dazu auf folgendem Wege, der uns einige Überwindung kosten wird, der aber mal gegangen werden muß. Ich rede jetzt nicht nur vom Auswärtigen Amt; ich rede nicht von allen Beamten und allen Behörden, aber von denen, denen es nottut. Wir kommen dazu, wenn wir uns darüber klar werden: die Minister und die Staatssekretäre und vielleicht noch dieser oder jener Ministerialdirektor sind politische Beamte und damit Schluß. Alle anderen sind unpolitische Beamte; insbesondere der Personalchef. Derjenige Beamte — ich wiederhole nur, was in England Rechtens sein soll —, der sich von irgendeiner Partei protegieren läßt, begeht damit ein Disziplinarvergehen. Und ich füge hinzu: derjenige Abgeordnete und die Partei, die das Protegieren fortsetzen sollten, die sollten nach einer Ehrenordnung, die wir uns zu schaffen hätten, durch öffentliche Bekanntmachung an den Pranger gestellt werden. Dann kommen wir dahin, daß wir ein entpolitisiertes Beamtentum haben, wo nur nach Sachkunde, nach Rechtschaffenheit gearbeitet wird.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Dann gilt der Satz, den ich gern einzelnen, die vor
unserem Ausschuß vernommen sind, zugerufen
hätte, der da lautet: Seid männlich und seid stark!

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123403900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Zu einer persönlichen Bemerkung hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz das Wort.

(Abg. Erler: Ich hatte mich doch gemeldet!)


Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0123404000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123404100
Meine Damen und Herren! In der von mir übernommenen Rednerliste ist Herr Abgeordneter Erler nicht erwähnt. Nachdem er mir aber sagt, er habe sich zum Wort gemeldet, möchte ich doch die Beratung fortsetzen.


(Vizepräsident Dr. Schäfer)

Die persönliche Bemerkung kommt nach der Geschäftsordnung am Schluß.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0123404200
Meine Damen und Herren! Der kleine Zwischenfall tut mir leid. Ich möchte ungern gegen die Disziplin des Hauses verstoßen, aber ich hatte mich persönlich vorhin beim Schriftführer gemeldet. Nun ein paar kurze Bemerkungen zu einigen Punkten. Erstens zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers wegen des Beamten, der aus Südamerika zurückgekommen ist.
Ich empfehle dem Herrn Bundeskanzler die Lektüre des heutigen Eingesandt des früheren preußischen Finanzministers Dr. Klepper in der „Frankfurter Rundschau". Ich beziehe mich nicht auf die „Frankfurter Rundschau" als Quelle, sondern auf den Herrn Finanzminister Dr. Klepper, der immerhin ein Mann ist, dessen politische Auffassungen auch dem Herrn Bundeskanzler sehr nahestehen sollen. Ich glaube, der Fall ist ernst genug, um eindeutig untersucht zu werden.
Das zweite ist die Mitteilung an den Herrn Bundeskanzler, daß ich mich darüber freuen würde, wenn er, entsprechend seiner heute hier abgegebenen Erklärung, mit sofortiger Wirkung abstellte, daß der Personalchef des Auswärtigen Amtes, Herr Pfeiffer, Personalfragen mit Herrn Ministerialdirektor Dr. Blankenhorn regelmäßig erörtert. Das müßte dann unterbunden werden. Wenn der Herr Bundeskanzler das nicht weiß, dann ist es betrüblich, daß ihm diese Tatsache vorenthalten worden ist. Da er aber eindeutig so etwas nicht wünscht, würde ich mich darüber freuen, wenn dieser Sachverhalt — nämlich daß der Herr Bundeskanzler das mißbilligt — dazu führte, daß sich die Praxis im Amt in dieser Frage nach den Wünschen des Herrn Bundeskanzlers richtet.

(Zuruf von der Mitte: Dann sollten Sie das nicht erörtern!)

— Ich hoffe, daß man wenigstens auf diese Weise, daß wir es hier erörtern, auch im Amt von den Meinungen und Wünschen des Herrn Bundeskanzlers Kenntnis erhält, wenn die anderen Wege nicht funktionieren.

(Heiterkeit.)

Dann der dritte Punkt. Natürlich ist es richtig, daß das Wesentliche beim Aufbau die Gestaltung eines zuverlässigen demokratischen Instruments ist. Genau so richtig ist es, daß allzuviel Wirbel und Unruhe um dieses Instrument herum für die künftige Arbeit schädlich sein kann. Aber dann muß auch in der Aufbauzeit dafür gesorgt werden, daß von Anbeginn an — und vor allem dann, wenn man irgendeinen Fehler erkannt hat — auch so verfahren wird, daß es vom Instrument her keine Unruhe gibt. Die Quelle der Unruhe liegt doch nicht bei denen, die Mißstände aufdecken, sondern sie liegt in den Mißständen selbst.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist eine in Deutschland viel zu oft geübte Praxis, daß man sich über diejenigen empört, die einen Sachverhalt aufdecken. Es gehört Gott sei Dank zur Demokratie dazu, daß Mißstände aufgedeckt werden, damit man sie beheben kann. Darin unterscheiden wir uns von den Diktaturen, wo die Mißstände zweifellos sehr viel größer sind, wo aber die Aufdeckung eines Mißstandes nicht möglich ist, weil der Aufdeckende liquidiert wird. Wir haben das alle schmerzlich in Erinnerung, und außerdem erlebt man das anderswo auf dem Erdball.
Ich möchte nur wünschen und hoffen, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund zu der Äußerung des Herrn Bundeskanzlers selbst Stellung nimmt. Ich nehme an, daß wohl in Bälde — ich kann dafür keine Erklärung abgeben, ich kenne die Praxis nicht sehr genau, wie es dort gelaufen ist — der Herr Bundeskanzler und auch die Öffentlichkeit vom DGB erfährt, was es mit diesem Sachverhalt auf sich hat.
Gewiß ist es richtig, daß wir keine allgemeine — um ein Wort aus der Debatte aufzugreifen — Naziriecherei treiben wollen. Ich meine aber, daß es doch gewisse allgemeine Prinzipien geben sollte, die, wie auch der Kollege Gerstenmaier ausgeführt hat, darin bestehen sollten, daß man nicht einfach bestimmte Dinge wiederherstellen kann.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Man kann z. B. nicht die alte NSDAP wiederherstellen, wenn es auch Leute in Deutschland gibt, die dieses Abenteuer unternehmen. Man kann auch nicht einfach, als sei nichts gewesen, das frühere Ribbentropsche Auswärtige Amt wiederherstellen.

(Erneute Zustimmung bei der SPD.)

Das ist der zweite Sachverhalt. Ich würde wirklich darum bitten, daß wir uns Mühe geben, neben der berüchtigten Frage der NSDAP diesen zweiten Sachverhalt im Auge zu behalten, damit es auf dem Gebiet kein Unglück gibt.
Dann ist heute hier — und das gehört jetzt zu den Problemen, die ich eben angeschnitten habe — eine Frage gar nicht behandelt worden, die aber in den Empfehlungen des Ausschusses ihren wohlabgewogenen Platz gefunden hat. Ich fühle mich verpflichtet, im Interesse des ganzen Deutschen Bundestages diesen Wunsch, der ein gemeinsamer Wunsch ist, nachdrücklich zu unterstreichen, daß nämlich gerade im Auswärtigen Amt das Bundesgesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes beschleunigt durchgeführt werden soll, und zwar ist besonderer Nachdruck auf die Durchführung der Wiedereinstellungsbestimmungen dieses Gesetzes zu legen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es kommt gar nicht so sehr darauf an, so wichtig das ist, daß ein Geschädigter auf honorige Weise materiell entschädigt wird. Das Wesentliche ist doch, daß diejenigen, die durch ihre politische Vergangenheit bewiesen haben, daß sie auf Gedeih und Verderb zur demokratischen Staatsform stehen, in diesem demokratischen Staat auch die entsprechende Wirkungsmöglichkeit haben.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist viel wichtiger, und das ist ein Wunsch, der, glaube ich, als Ergebnis dieser Debatte nicht untergehen sollte.

(Abg. Dr. Greve: Sie kennen den Comment des Kösener SC aber nicht genügend!)

Es ist dann noch gesprochen worden von dem Provisorium, das alles enthalte, was unter den derzeitigen Umständen nötig sei. Ich möchte der Meinung Ausdruck geben, daß dieses Provisorium nicht alles enthält, was möglich ist, und das wissen Sie doch selbst. Der Bundeskanzler ist gleichzeitig Bundesaußenminister, und außerdem hat er an seiner Dienststelle mit der rechten oder linken Hand so nebenher den mit einem recht gut ausgestatteten Apparat inzwischen versehenen Kriegs-


(Erler)

minister in spe dranhängen, auf den er auch noch aufpassen muß.

(Heiterkeit.)

Das ist einfach ein bißchen viel. Der Staatssekretär hat auch drei verschiedene Funktionen, die sich um seine Zeit und seine Interessen reißen. Das ist auch zuviel.

(Abg. Strauß: Wir sind eben sparsam!)

Wir weisen hier als Beispiel noch einmal auf diese Dinge hin, weil wir meinen, es ist wichtig, daß auch von der Spitze her die Organisation so leistungsfähig wie möglich gestaltet wird. Es ist eben keine Entschuldigung, wenn man sagt, die vier Augen derer, die dort sitzen, können das nicht alles verkraften. Es ist Ihre Schuld, wenn es nicht mehr Augen sind, und das muß der Kanzler sich sagen lassen.
Schließlich verstehe ich nicht ganz, weshalb die FDP und ein Teil der Kollegen der CDU unserer Entschließung nicht zustimmen wollen, weshalb sie sie in einen Ausschuß tun wollen. Wir wollen ja, daß sich der Ausschuß mit der Sache befaßt. Das steht in Ziffer 2 drin. Damit aber die Beratungen des Ausschusses Sinn haben, wünschen wir, daß dem Ausschuß vorher ein Bericht der Bundesregierung zu dem Thema, das der Ausschuß zu behandeln hat, vorgelegt wird. Meinen Sie nicht auch, daß das zweckmäßiger ist, als den Ausschuß nun so ins Leere hinein arbeiten zu lassen, daß es also zweckmäßiger ist, die Bundesregierung aufzufordern, dem Auswärtigen Ausschuß zunächst einen Bericht als Grundlage für die weitere Arbeit vorzulegen? Daher würde ich bitten, dem Antrag zuzustimmen und ihn nicht dem Ausschuß zu überweisen; der bekommt die Fragen sowieso serviert.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123404300
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0123404400
Meine Damen und Herren! Ich will die Diskussion nicht fortsetzen, möchte mir aber erlauben, zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD den Vorschlag zu machen, jetzt darüber nicht Beschluß zu fassen, sondern die Entschließung so, wie sie ist, erst in den Auswärtigen Ausschuß zu bringen. In der heutigen Diskussion sind von den verschiedensten Seiten so viele Gesichtspunkte in die Debatte geworfen worden, daß ich es nur für angemessen und fair gegenüber den anderen halte, wenn sie im Auswärtigen Ausschuß wenigstens noch die Möglichkeit haben, auf die Gesamtformulierung eines Beschlusses, den sie ja mitmachen sollen, Einfluß zu nehmen. Deswegen empfehle ich, diese Entschließung so, wie sie ist, dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123404500
Damit sind die Wortmeldungen erschöpft. Die Beratung ist geschlossen.
Zu einer persönlichen Bemerkung Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0123404600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung.
Mein Frontalangriff hat den Kollegen Erler veranlaßt, mir sozusagen vorweg einen Blumentopf auf den Friedhof zu schicken.

(Abg. Mellies: Auf Ihren politischen!)

— Politisch gesprochen, selbstverständlich. — Ich möchte dazu noch eines sagen. Vielleicht haben Sie mich mißverstanden, oder wir verstehen uns auf gewissen Gebieten einfach nicht. Mein Angriff ging gegen ein Verfahren, das es ermöglicht, ein politisches Tribunal aufzubauen. Das ist eine Gefahr, die bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen heraufzieht, wenn sie nicht nach sehr begrenzenden und beschränkenden Regeln tätig werden und sich auf die Feststellung der Tatsachen beschränken. Das haben bereits Erfahrungen im Weimarer Staat bewiesen. Darauf bezieht sich meine staatsrechtliche Beurteilung.

(Zuruf von der SPD: Ist das eine persönliche Bemerkung?)

Ferner hatte ich eine Beurteilung von Vorgängen, ohne daß man das Entlastungsmaterial benutzt — und das Kempner-Material enthält gewisse entlastende Gesichtspunkte nicht —, abgelehnt. Wenn man das allerdings als eine Einstellung empfindet, die nicht mehr in die Zeit gehört,

(Glocke des Präsidenten)

dann kann ich dazu nur sagen, - —

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123404700
Herr Abgeordneter, ich muß auf den begrenzten Inhalt einer persönlichen Bemerkung aufmerksam machen. Eine persönliche Bemerkung kann einen persönlichen Angriff zurückweisen, kann aber nicht eine geschlossene Diskussion fortsetzen.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0123404800
Ich will auch meine Bemerkung durchaus auf den persönlichen Bereich begrenzen. Es ist gesagt worden, daß ich als Politiker und Vertreter einer Partei nicht mehr in diese Zeit gehöre.

(Sehr richtig! links.)

Das ist der persönliche Bereich. Und darauf antworte ich.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Kein Wort habe ich zur Personalpolitik gesagt; auch hier ist der Kurzschluß: Uns zu identifizieren mit einer Gesinnung der Vergangenheit, die zu überwinden wir alle in diesem Hause bemüht sind.

(Na, na! bei der SPD.)

Gegen den Ungeist der Ressentiments habe ich mich gewandt. Wenn die Maßstäbe und Regeln, auf die ich angespielt habe, nicht mehr in diese Zeit gehören, dann allerdings, will ich fast sagen, möchte man in dieser Zeit nicht mehr sein.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Solange wir aber in dieser Zeit sind und die Möglichkeit haben, gegen diesen Ungeist anzukämpfen, werden wir es tun.

(Beifall rechts und in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0123404900
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen vor: zunächst der Antrag des Ausschusses, ferner der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD. Dann liegt noch ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, von dem mir mitgeteilt worden ist,

(Abg. Dr. Mende: Zurückgezogen!)

,daß er zurückgezogen worden ist. Wir brauchen ihn also nicht mehr zur Abstimmung zu stellen.


(Vizepräsident Dr. Schafer)

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses, der in Drucksache Nr. 3465 auf Seite 37 enthalten ist:
Der Bundestag wolle beschließen, den Bericht im ganzen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte diejenigen, die diesem Ausschußantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 676.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Ausschußüberweisung beantragt!)

— Hier ist Überweisung an den Ausschuß beantragt. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußüberweisung zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen. — Das Ergebnis wird beim Vorstand angezweifelt. Mir scheint es nicht zweifelhaft zu sein. Aber wenn das Ergebnis angezweifelt wird, müssen wir durch Hammelsprung abstimmen.

(Zurufe: Wiederholen!)

— Bei der unterschiedlichen Besetzung des Hauses sind Irrtümer nicht ausgeschlossen. Wenn hier keine Übereinstimmung besteht, muß Auszählung durch Hammelsprung erfolgen. Wir stimmen also
ab über den Antrag auf Überweisung der von der Fraktion der SPD vorgelegten Entschließung auf Umdruck Nr. 676. Wer für die Überweisung ist, stimmt mit Ja.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Die Auszählung beginnt.

(Wiedereintritt und Zählung.) Die Auszählung ist beendet.

Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 156 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 127, enthalten haben sich 6. Damit ist die Überweisung an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten beschlossen.
Die heutige Tagesordnung ist erschöpft. Die nächste, die 235. Sitzung des Deutschen Bundestages findet am Donnerstag, dem 23. Oktober 1952, 13 Uhr 30, statt.
Ich gebe noch bekannt, daß eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung eine gemeinsame Sitzung des Außenhandelsausschusses mit dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betreffend Einfuhr- und Vorratsstellen in Zimmer 210 Südflügel stattfindet. Das würde um 19 Uhr 15 sein.
Die 234. Sitzung des Deutschen Bundestages ist geschlossen.