Rede von
Lambert
Schill
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU hat den Antrag auf Drucksache Nr. 3701 gestellt, um einem großen Notstand in den Dürregegenden unseres Bundesgebietes zu begegnen. Der Herr Kollege Horlacher hat dazu schon grundsätzlich Stellung genommen; er hat uns auch einige Beispiele aus seinem Heimatland Bayern angeführt.
Ich selbst möchte Ihnen einiges über die Dürreschäden im Bundesland Baden-Württemberg vortragen. Wir können das Jahr 1952 als Trockenjahr
nicht mit den zwei anderen Trockenjahren 1947 und 1949 vergleichen, deren Trockenperioden kürzer waren. Das Trockenjahr 1952 war einmal durch die Länge der Trockenheit, dann aber auch durch die Hitzegrade viel gefährlicher. Wir hatten in diesem Sommer, den August eingerechnet, eine durchschnittliche Niederschlagsmenge von nur 40 °/o, im Juli sogar nur eine Niederschlagsmenge von 10 bis 25 °/o. Es gab ungewöhnliche Hitzegrade, mit denen die vom Jahre 1947 keinen Vergleich aushalten. Erschwerend kommt für das ganze Gebiet der Rheinebene hinzu, daß sich der Grundwasserstand in den letzten Jahren ständig gesenkt hat. Durch den Bau des französischen Seitenkanals ist die Frage der Senkung des Grundwasserstandes noch brennender geworden. Wir werden uns daher in Zukunft auch mit den wasserwirtschaftlichen Verhältnissen in diesem Gebiet eingehend zu beschäftigen haben.
Im ganzen Land Baden-Württemberg sind Dürreschäden vorhanden. Im Gegensatz zu meinem Kollegen Höhne, der davon sprach, daß man nicht von einer Dürrekatastrophe reden sollte, möchte ich meinen, daß in vielen Gebieten unseres Landes eine wirkliche Dürrekatastrophe vorhanden ist. Im südbadischen Raum, also im bisherigen Land Baden, hat die Abwicklungsstelle des früheren Landwirtschaftsministeriums seit Wochen genaue Erhebungen über die eingetretenen Schäden vorgenommen. Diese Erhebungen wurden in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und dem Bauernverband durchgeführt und sehr sorgfältig vorgenommen. Die Ermittlungen geben heute ein ganz klares Bild der wirklichen Lage. In der Hauptsache sind die Rheinebene und die Randgebiete betroffen, also jene Gegenden, in denen der Kartoffelbau, die Sonderkulturen — Obst und Tabak — und das Grünland heimisch sind.
Die sorgfältigen Erhebungen über die Auswirkungen der Trockenheit ergeben folgendes Bild. Im Getreidebau ist durch die Notreife, die kleine Körner zur Folge hat, ein Ausfall von 15 %, beim Ackerfutterbau, also bei Klee oder Klee- und Grasgemisch, ein solcher von 50 %, beim Wiesenfutterbau ein völliger Ausfall des zweiten Schnittes. also ein solcher von 30 % des gesamten Rauhfutteranfalles, zu verzeichnen. Bekanntlich soll das Rauhfutter für sechs Monate reichen. Die betroffenen Gebiete werden also zwei Monate, und zwar für die Übergangszeit vom Ausgang des Winters bis zum Anfall von Grünfutter ohne Rauhfutter sein. Die Auswirkungen auf den Milchertrag und auf die Fleischerzeugung kann sich jeder selbst ausmalen.
Sehr schlimm sind die Folgen der Trockenheit im Kartoffelbau. Der Ernteausfall wird hier durchschnittlich mit 50 % angenommen. Wenn man weiß, daß gerade die kleineren Betriebe ihre Schweine mit den Kartoffeln gemästet haben, kann man sich von der Auswirkung gerade auf diesem Sektor ein Bild machen. Dazu kommen die schlechte Qualität und die geringe Haltbarkeit der Kartoffeln. Zu Speisekartoffeln wird nur ein kleiner Teil Verwendung finden können. Saatkartoffeln gibt es aus der diesjährigen Ernte überhaupt nicht. Was das für unsere Landwirtschaft bedeutet, die ihr Kartoffelsaatgut aus dem Norden beziehen muß, kann sich jeder selbst ausrechnen. Bei den Sonderkulturen haben in der Hauptsache Obst. Gemüse und Tabak gelitten. Dort ist ein Ausfall in den Erntemengen, aber auch in der Qualität zu verzeichnen.
Bei einer Zusammenstellung der Trockenschäden ergibt sich allein in unserem früheren kleinen Land Südbaden in Geld ausgedrückt ein Einnahmeausfall von 80 bis 100 Millionen DM. Das ist also eine sehr ernste Angelegenheit. Das sind etwa 20 bis 25 % der Roheinnahmen der Landwirtschaft überhaupt. Aber das ist nicht alles. Die Trockenheit hat noch nachhaltige Auswirkungen auf die nächste Ernte, und zwar auf allen Gebieten, beim Getreidebau, beim Kartoffelbau und beim Futterbau. Man braucht nur an die ganzen Kleeeinsaaten oder die Einsaaten an Kleegras zu denken, die vollständig vernichtet sind. Das wird sich ja erst im nächsten Jahr auswirken.
Aber auch die Preisbildung für Schlachtviehverkäufe in den Notgebieten hat sich heute schon so ausgewirkt, daß die Preise schon 20 % unter den seitherigen Preisen liegen. Dazu kommt, daß die meisten dieser Trockengebiete in den letzten Jahren durch Maul- und Klauenseuche oder Hagelschäden schwer gelitten haben.
Die Größe der Dürrekatastrophe bringt es mit sich, daß die Landwirtschaft aus sich selbst heraus diesen Schaden nicht tragen kann. Sie wäre dann zu einem Rückgang ihrer Erzeugung und einer zunehmenden Verschuldung verurteilt. Wir haben in unserem Antrag auch nicht von einer Erhöhung der Preise gesprochen. Wir wissen gut genug, daß diese Erhöhung einmal angesichts des großen Schadens ohne Bedeutung ist und daß sie ferner eine Preiserhöhung für andere Dinge nach sich zieht, die wir nicht wollen. Wir haben aber die Bundesregierung gebeten, Maßnahmen einzuleiten, die notwendig sind, um die Schäden wenigstens zu mildern. Der Herr Kollege Horlacher hat bereits hingewiesen auf die Bereitstellung der notwendigen Mittel zur Beschaffung von Futtermitteln, auf die Herausnahme von Vieh aus den überfahrenen Schlachthöfen, um Preisdruck zu vermeiden, ferner auf verbilligte Kredite und auf Frachtverbilligung. Gerade dieser letzte Punkt scheint mir besonders wichtig zu sein, weil ja auf die großen Entfernungen von Norden nach Süden die Fracht oft mehr kostet als das Heu und Stroh selbst. Ich möchte aber gleich der Meinung Ausdruck geben, daß die Deutsche Bundesbahn in Anbetracht ihrer finanziellen Lage und ihrer schweren Belastungen nicht fähig sein wird, diese Ausfälle an Frachten selbst zu tragen.
Herr Kollege Horlacher hat auch auf die Zinsverbilligung oder die Zuschüsse für den Kauf von Saatkartoffeln, Futter, Sämereien und Düngemitteln sowie auf Steuernachlässe und Zinsstundung hingewiesen. Der Herr Kollege Höhne hat ausgeführt, daß die SPD diesen Punkt 6 bezüglich Steuernachlässe sehr scharf prüfen müsse. Aber wenn wir verhindern und vermeiden wollen, daß ein Rückgang in der Erzeugung eintritt, müssen wir den Bauern Gelegenheit geben, ihre wenigen Gelder für den Kauf von Produktionsmitteln anzulegen; die Steuer kommt in Gottes Namen einmal später.
Das ist die Lage, wie sie sich auf Grund der bisherigen Feststellungen darstellt. Sie ist außerordentlich ernst, insbesondere deshalb, weil es sich in der Hauptsache um kleine Betriebe handelt, die sowieso schwer um ihre Existenz ringen. Wir bitten die Bundesregierung, alles zu tun, um die eingetretenen Schäden zu mildern. Wir müssen verhindern, daß im nächsten Jahr -eine Produktionsminderung in der Landwirtschaft eintritt. Das könnten die landwirtschaftlichen Betriebe nicht er-
tragen, und die Ernährung unseres Volkes könnte es schon gar nicht.