Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dieser Antrag zeigt, welche Nachteile das längere Verbleiben der Besatzungstruppen in unserem Lande hat. Ich bin der Meinung, die Diskussion und auch der Antrag selbst gehen völlig am Kernproblem vorbei. Es ist doch nicht so, daß unsere Frauen, unsere Jungen und Mädel schuldig sind, sondern schuldig sind diejenigen, die sie in die Situation hineingebracht haben. Ich bin sehr einverstanden mit Frau Dietz, wenn sie sagt, daß ganz Rheinland-Pfalz ein Notstandsgebiet ist. Jawohl, es ist ein Notstandsgebiet. Aber warum? Weil dort heute bereits Kriegsschauplatz ist. Die ganze Rote Zone ist ein einziges Kriegsaufmarschgebiet, und dort herrschen die Verhältnisse, mit denen Sie sich heute beschäftigen müssen.
Auf einer Tagung von Jugenddelegierten und Wohlfahrtsverbänden, die kürzlich in Düsseldorf stattgefunden hat, wurde in einem Bericht hervorgehoben, daß die Jugend seit Jahrhunderten nicht mehr derart gefährdet worden sei wie heute. Das ist in der Tat so. Ganz besonders kraß tritt die sittliche Gefährdung der Jugend dort in Erscheinung, wo die Besatzungstruppen konzentriert sind und nicht nur bei Kriegsübungen, sondern auch in der übrigen Zeit die Bevölkerung in Angst und Schrecken halten.
Wenn ich mir anhören muß, was für eine Perspektive der Herr Innenminister Lehr für unsere Jugend in jenen Gebieten aufstellt, dann muß ich sagen, das ist wahrlich nicht erfreulich für unsere Jugend. Sie wollen in den Gebieten, wo die Besatzungstruppen solche Verhältnisse schaffen, Zwangserziehung anordnen, Asyle und alle solche Dinge einrichten; sie wollen mit Polizeimaßnahmen dort vorgehen, während eine andere Schlußfolgerung notwendig gewesen wäre. Um Truppenübungsplätze, Kasernen und Baustellen der f remden Besatzer herum sind heute sogar schulpflichtige und minderjährige Mädchen anzutreffen und dort in eine solche Situation hineingebracht worden.
So berichtet der Bürgermeister von Kaiserslautern, daß bei einer Razzia in der Dännerkaserne über 20 Mädchen und Knaben unter 14 Jahren ermittelt und festgenommen wurden, mit denen die amerikanischen Besatzer Unzucht getrieben hatten. Seitdem in Wiesau ein Kriegsflugplatz gebaut wird, sind ähnliche Dinge, die unsere Jugend verderben, dort an der Tagesordnung. Mitte des Jahres gab es in dem vom Antrag umschriebenen Gebiet 3368 uneheliche Kinder, aber nur 4 Besatzer zahlen Alimente. Meldungen über Vergewaltigungen, Mißhandlungen an deutschen Frauen und Mädchen durch die amerikanischen Besatzungstruppen sind fast täglich in der westdeutschen Presse und insbesondere in der Lokalpresse zu lesen.
Es gibt eine Reihe von Beispielen, die Ihnen bekannt sind. Ein junger Einwohner aus Gimbsweiler brachte nach einer Tanzveranstaltung sein Mädchen nach Hause. Plötzlich stürzten sich drei USA-Soldaten auf ihn und brachten ihm schwere Verletzungen mit dem Rasiermesser bei. In Pirmasens mißhandelte ein amerikanischer Besatzungssoldat ein junges Mädchen mit solcher Brutalität, daß es in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußte. — Auf der Straße von Kusel nach Dielenkopf versuchten zwei amerikanische Soldaten eine 27jährige Ehefrau ins Auto zu zerren, wobei ihr sämtliche Kleider zerrissen wurden.
Also nicht unsere Frauen sind schuld, sondern schuld sind die Verhältnisse, die durch die Besatzungstruppen geschaffen werden. Deutsche Frauen und Mädchen sind leider billige Vergnügungsobjekte für amerikanische Offiziere und Soldaten geworden.
Eine andere Seite der Gefährdung der Jugend ist das Wohnungselend in diesem Gebiet. Elendsbaracken sind es, die in Kaiserslautern zwischen der Hauptverkehrsstraße nach Mainz und der Fabrikanlage der Zschocke-Werke stehen. 2000 Menschen vegetieren dort unter unwürdigsten Verhältnissen. Zumeist sind es kinderreiche Familien. In Zweizimmerwohnungen müssen durchschnittlich sieben Personen zusammensein; in vielen Wohnungen müssen daher erwachsene Geschwister beiderlei Geschlechts in einem Zimmer wohnen. Angesichts dieser der Zivilisation Hohn sprechenden Zustände wurden in dem gleichen Gebiet modern eingerichtete Besatzungswohnungen gebaut; in dem gleichen Gebiet werden auch immer neue Kriegsflugplätze, Kasernen und Flugzeuge gebaut.
Es ist also Geld dafür vorhanden.
Wollen Sie der sittlichen Gefährdung unserer Jugend unter diesen Umständen wirklich entgegentreten,
dann genügt nicht die Einrichtung von Tagesstätten, von Asylen, dann genügen nicht die Maßnahmen, die Ihnen der Herr Innenminister Lehr genannt hat, sondern dann müssen Sie eine einzige Forderung stellen: Schluß mit der Kriegsvorbereitung, Abzug der Besatzungstruppen!
Der Abzug der Besatzungstruppen ist möglich, wenn Sie sich zum Zwecke einer friedlichen Verständigung zusammensetzen mit den Vertretern der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik,
damit wir einen Friedensvertrag bekommen. Dann können wir der Lösung auch der Probleme der deutschen Jugend nähertreten.