Rede von
Frieda
Nadig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag der CDU-Fraktion weist auf Vorgänge hin, die wir leider nicht nur im Lande Rheinland-Pfalz, sondern die wir überall dort finden, wo Truppen in größerem Maße zusammengezogen sind. Ich erinere an die Verhältnisse zur Zeit der Luftbrücke in Celle, an die Zustände in Mannheim, in Kitzingen, in Unterfranken, wo mit der Zunahme der Truppen automa-
tisch das Dirnentum angewachsen ist und wo sich fast unerträgliche Verhältnisse entwickelt haben. Denken Sie auch an die letzten Dinge in Bonn; der hier eingeleitete Schulstreik hat seine Ursache doch auch in ähnlichen Verhältnissen.
Dirnentum hat es in allen Jahrhunderten gegeben. Seine tiefere Ursache liegt in den sozial-wirtschaftlichen Verhältnissen. In Zeiten der Armut und der Not ist das Dirnentum immer sehr stark angewachsen. In der Gegenwart kommen die besonderen Verhältnisse, großer Frauenüberschuß und besetztes Land, hinzu. In diesem Zusammenhang weise ich auf die gegenwärtige Arbeitslosenzahl der Frauen hin, die um vieles höher als die der Männer liegt. Hier wäre Vollbeschäftigung und Arbeitsvermittlung die beste Lösung. Es ist eine Mahnung an die Regierung und die Arbeitsamtsbehörden, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Durch Symptombehandlung ist eine Lösung des Problems nicht zu erreichen. Auf keinen Fall wollen wir, daß man auf Bordellierung und Kasernierung zurückgreift. Beides hat sich in der vergangenen Zeit als ein großer Irrtum in der Bekämpfung des Dirnentums erwiesen, ja, das Gegenteil des Gewollten wurde erzielt. Bordelle und Quartierstraßen bilden immer wieder einen sensationellen Anziehungspunkt für die Jugendlichen. Wenn wir eine ernsthafte Bekämpfung des Dirnentums wollen, müssen wir zu anderen Maßnahmen kommen.
Wir wollen positive Maßnahmen. Das hat eben der Herr Innenminister schon unterstrichen. Das Bemühen um den Schutz der Jugendlichen muß so zeitig wie möglich einsetzen. Weil bekannt ist, daß Väter und Mütter über alles viel eher als über Sexualfragen — in der Schule ist es das gleiche — mit ihren Kindern sprechen, weil wir wissen, daß die Eltern diese Aufgabe kaum oder nur ganz unzureichend erfüllen, müssen wir eine zweitbeste Lösung erstreben. Diese ist nach unserer Auffassung die Einführung eines sexualpädagogischen Unterrichts in allen Volks- und höheren Schulen, eines Unterrichts, der sich nicht nur auf die Berufsschulen erstreckt, wo wir ihn teilweise schon haben, sondern der systematisch schon in den Volksschulen beginnt und sich dann aufbaut. Wir wissen, daß die Einführung eines solchen Unterrichts nicht einfach ist, daß er die Schulung und Heranbildung der Lehrer voraussetzt. Wir glauben aber, daß wir durch einen guten sexualpädagogischen Unterricht einen wesentlichen Schritt vorwärts tun. Außerdem wäre es von besonderer Wichtigkeit, Einfluß auf die öffentliche Meinung in bezug auf die pädagogische Sexualerziehung auszuüben. Als organische Maßnahme scheint uns der stärkere Einsatz der weiblichen Polizei in sozialpädagogischem Sinne notwendig. Gewiß haben wir auch zur Zeit schon weibliche Polizei, aber auf dem Land und in den kleinen Orten viel zuwenig. Hinzu kommt, daß ihr Aufbau und ihre Verwendung beinahe in jedem der elf Länder verschieden ist. Gewiß ist das eine der Erscheinungen unserer Polizei überhaupt. Bei der weiblichen Polizei ist eine stärkere Vereinheitlichung und eine Anpassung an die sexualpädagogischen Aufgaben wichtig und notwendig.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich kürzlich recht fortschrittlich erwiesen. Der Herr Innenminister hat die Aufhebung der Bordelle verfügt und ihre Wiedereinrichtung verboten. Ich hoffe, daß dieses gute Beispiel die anderen Länder folgen läßt und daß dadurch doch einmal unser guter
Kulturstand dokumentiert wird. Mit der Aufhebung der Bordelle allein ist es nicht getan. Wenn wir die Prostitution wirkungsvoll bekämpfen wollen, ist eine sozial-pädagogische Betreuung dieser Frauen und Mädchen durch Spezialfürsorgerinnen notwendig. Ohne diese Einflußnahme ist ihre Eingliederung in das soziale Leben und in Arbeitsverhältnisse kaum möglich. Wir halten die Wiedererrichtung von Pflegeämtern für unerläßlich, weil sonst die Aufhebung der Bordelle nur eine halbe Maßnahme darstellt. Die jetzige Situation fordert von uns umfassende Maßnahmen. Deshalb der Antrag an die Bundesregierung, im Interesse eines echten Jugendschutzes den Ländern für die Durchführung folgender Aufgaben Mittel über den Bundesjugendplan zur Verfügung zu stellen.
Erstens: Einführung eines sexualpädagogischen Unterrichts im gesamten Bundesgebiet für alle Volks- und höheren Schulen; zweitens: a) Verstärkung der weiblichen Polizei und ihre vordringliche Verwendung auf sozialpädagogischem Gebiet; b) Hinwirkung auf eine möglichst einheitliche Vor- und Ausbildung der weiblichen Polizei; drittens: Wiedereinrichtung von Pflegeämtern zur Bekämpfung des Dirnentums.