Rede von
Thea
Arnold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es war mir eine Freude, durch den Herrn Innenminister zu hören, daß endlich jetzt auch die Frage der Krankenpflege von Bundesebene aus angefaßt werden soll. Aber ich muß sagen: Was nützen alle Gesetze oder Rahmengesetze, wenn nicht zuvor die Wurzel allen Übels, das ist und bleibt die Frage des Nachwuchses für das Krankenpflegepersonal, beseitigt wird. Ohne genügend Personal gibt es eben keine ausreichende Pflege von Kranken und infolgedessen keine Gesundung des Einzelkranken und auch keine Volksgesundung. Dieses wichtige Problem der Volksgesundheit hätte man längst schon viel energischer anfassen müssen, als das bisher geschehen ist. Dabei will ich nicht bestreiten, daß sich Regierung, Krankenhäuser, Berufsvertretung, Presse und auch der Landesgesundheitsrat schon oft mit dem Problem befaßt haben. Besonders auch das Land Nordrhein-Westfalen, das muß ich hier betonen, bemüht sich sehr ernstlich, die Not der Krankenschwestern und des sonstigen Pflegepersonals zu beheben. Alle \\vissen, daß die Anforderungen, die an die Pfleger und Pflegerinnen gestellt werden, ihre Leistungskraft bei weitem übersteigen und daß diese dabei tatsächlich seelisch und körperlich zugrunde gehen. Daß sich nur sehr wenige Frauen und Männer mit Berufsethos für diesen schweren Beruf bereit finden, der ihre Kraft buchstäblich auffrißt, und das auch noch bei unzulänglicher Bezahlung und nicht genügend Entspannung, Freizeit und Urlaub, ist ganz selbstverständlich. Die Folgen dieser Überforderungen sind. wie schon gesagt wurde, bedrohlich. Es sind nicht genügend Meldungen für diesen Beruf da; im Gegenteil, wir haben ein Abwandern zu anderen Berufen zu verzeichnen, die weniger Anforderungen an die psychischen Kräfte und den Opfergeist der Menschen stellen.
Angesichts dieser Lage besteht wohl in diesem Hohen Hause Einmütigkeit darüber, daß eine grundlegende Änderung der Arbeitsbedingungen für die Krankenschwestern und das gesamte Pflegepersonal der Krankenhäuser erfolgen muß. Insbesondere muß für eine genügend große Zahl an Arbeitskräften und deren fortlaufende gesundheitliche Beaufsichtigung gesorgt werden. Das ist sehr wichtig. Weiter muß eine Begrenzung der Arbeitszeit bei einer planvollen Einteilung des Arbeitstages sowie eine wesentliche Verkleinerung der einzelnen Krankenstationen auf höchstens 30 Betten erfolgen. Es darf nicht vorkommen, daß eine einzige Nachtschwester 53 Betten in der Nacht zu betreuen hat. Ferner sind notwendig eine Verlängerung des Urlaubs, pünktliche Einhaltung des freien Wochennachmittags und eine bessere Unterbringung des Pflegepersonals — das wurde hier heute abend schon öfter betont —; vor allen Dingen müssen diejenigen Schwestern, die Nachtdienst hatten, die Möglichkeit haben, am Tage zu schlafen. Der Schlaf dieser Schwestern darf nicht durch den Durchgang durch ihre Zimmer dauernd unterbrochen werden, so daß sie ihre Nachtpflege wieder antreten müssen, ohne ausgeruht zu sein. Insbesondere ist eine weit bessere Bezahlung als bisher erforderlich.
Wenn diese Forderungen zunächst einmal verwirklicht werden, dann wird, glaube ich, die Not des Nachwuchses bestimmt bald behoben sein. Man hätte glauben sollen, daß die Krankenhäuser diesen
Nöten des Personals von sich aus begegnen würden. Die Verhältnisse sind in dieser Beziehung sehr unterschiedlich. Einzelne Häuser bezeichnet man als ausgesprochen gut, andere dagegen als ausgesprochen schlecht. Man muß sagen, daß die Krankenkäuser heute wegen der täglich steigenden Lebenshaltungskosten, wegen der steigenden Arznei- und Verbandstoffkosten bei nicht ausreichenden Pflegesätzen — das kommt dazu — auch in großer Not sind. Der Nachwuchsmangel steht mit an erster Stelle, ohne Pflegepersonal gibt es eben überhaupt kein Krankenhaus.
So begrüßt denn meine Fraktion den Vorschlag, jetzt ein Gesetz zu schaffen. Wir haben den dringenden Wunsch, daß dies recht bald geschieht; denn es ist zum Wohle unserer Schwestern und vor allem im Interesse der Gesundheit des gesamten Volkes.