Rede von
Dr.
Friederike
Mulert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es wäre sinnlos. wollte ich nach allem, was hier bereits an Einzelheiten gesagt worden ist, noch auf die fehlende Altersversorgung, auf die schlechte Ausbildung der Schwestern, auf die fehlenden Wohnungen, auf die Überbelastung usw. eingehen. Aber einen Punkt, auf den der Herr Bundesinnenminister schon kurz hingewiesen hat und den auch Frau Dr. Hubert angezogen hat, möchte ich noch unterstreichen: den Zusammenhang zwischen der Notlage der Schwestern und der Notlage der Krankenanstalten, besonders der karitativen und privaten Krankenanstalten. Niemand möge sich darüber hinwegtäuschen, daß die beste gesetzliche Regelung für die Krankenschwestern nur einen Bruchteil der Schwierigkeiten — und nicht die wichtigsten — wird beseitigen können, solange nicht das Grundproblem. eben die Notlage der Krankenanstalten, gelöst ist. Aus ihr resultieren letzten Endes alle diese Verwicklungen. Der Herr Bundesminister des Innern hat bereits in der 206. Sitzung und auch heute wieder versprochen, daß die Bundesregierung
- so hat er gesagt — nach mittelbaren Wegen suche, der offenbaren Notlage der Krankenhäuser zu steuern. Auf mittelbarem oder auf unmittelbarem Wege, Herr Bundesminister, das soll uns gleich sein; dankbar wären wir nur, wenn recht bald etwas geschähe. Denn wir sind uns bewußt, daß nicht nur unersetzliche Werte für die Allgemeinheit verlorenzugehen drohen, sondern daß auch alle Versuche, dem Problem der pflegerischen Berufe zu Leibe zu gehen, Stückwerk bleiben müssen, solange das Übel nicht an der Wurzel gepackt wird. Mit anderen Worten, erst im Rahmen eines neuen Krankenhausgesetzes wird in vollem Umfang Abhilfe für die Nöte geschaffen werden können, von denen wir heute sprechen. Meine Fraktion behält sich vor, die Regierung um eine beschleunigte Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs zu bitten.
Das zweite Hauptproblem, das des Nachwuchsmangels im Schwesternberuf, wird — darüber müssen wir uns alle klar sein — nicht vom Materiellen her allein, etwa von der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Schwestern, zu lösen sein, und zwar deshalb nicht, weil tiefere Ursachen dafür verantwortlich gemacht werden müssen. Die innere Bereitschaft zu selbstlosem Dienst am Kranken hat im Zuge der allgemeinen Entwicklung erschreckend nachgelassen. Dieses Teilproblem wird neben der materiellen Sicherstellung der Krankenschwestern in erster Linie vom Erzieherischen her angefaßt werden müssen. Solange ein großer Teil unserer heutigen Jugend das Ziel vor allem darin erblickt, das Leben zu genießen, statt einer guten und großen Sache dienen zu wollen, wird das Nachwuchsproblem unlösbar bleiben. Die echte Krankenschwester arbeitet nicht um des äußeren Vorteils willen, sondern aus innerer Berufung und christlichem Ethos heraus. Deshalb sollte ihr und ihrem Beruf als Äquivalent für den fehlenden äußeren Lohn die besondere Achtung und Anerkennung der Gesellschaft gesichert sein. Keine gesetzliche Regelung wird in der Lage sein, Bedingungen zu schaffen, die einen adäquaten Gegenwert für die Selbstaufopferung darstellen können, die der echten Krankenschwester innere Verpflichtung ist. Das schließt nicht aus, daß wir, auch meine Fraktion, eine gesetzliche Regelung ihrer äußeren Belange für außerordentlich dringend halten, nicht zuletzt auch um des hohen Interesses willen, das die Allgemeinheit an der Erhaltung eines gesunden und hochwertigen Schwesternstandes haben muß. Es ist bekannt und hier schon erwähnt. daß die deutschen Schwestern in der ganzen Welt gefragt sind.
Wir wissen alle, daß auch auf dem Gebiet des Gesundheitswesens eine große Reihe ungelöster Fragen offensteht. und wir bedauern das in einer Zeit. in der unser Volk ganz besonderen Anlaß hat, die Reste seiner Volkskraft und Volksgesundheit aufs pfleglichste zu behandeln. Es verlautet., daß die Zahl der anstehenden Gesetze so groß sei, daß die Entscheidung über die Reihenfolge der Abwicklung schwerfalle. Wir verstehen, Herr Bundesminister. daß auch die Bundesregierung nicht zaubern kann: aber wir bitten Sie dennoch. alle Anstrengungen zu machen. um die Gesetzgebung gerade auf einem Gebiet zu beschleunigen, das infolge der augenblicklichen Verhältnisse von ganz besonders aktueller und eminenter Bedeutung ist.