Rede von
Sepp
Parzinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wohnungsbau im Ganzen der Wirtschaft wird auf Jahre hinaus zu den größten und zugleich dringlichsten Investitionsaufgaben der deutschen Volkswirtschaft zählen. Gleichzeitig stehen aber auch noch andere zahlreiche und dringliche Investitionsaufgaben zur Lösung. Das vom Bundestag erfreulicherweise einstimmig angenommene Erste Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 stellte als Programm für die kommenden sechs
Jahre den Bau von 1,8 Millionen Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau auf und forderte damit den Bau von durchschnittlich 300 000 Wohnungen in jedem Jahre. Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat nach Errichtung des Ministeriums bereits im Herbst 1949 für 1950 den Bau von 250 000 Wohnungen und einen Aufwand von 2,7 Milliarden DM vorgesehen. Die tatsächliche Bauleistung übertraf die vorsichtige Planung erheblich. Mit einem Einsatz von 3,8 Milliarden DM sind im Jahre 1950 rund 360 000 Wohnungen gebaut worden. 4,35 Millionen Wohnungen fehlen zur Zeit in Westdeutschland. Im Jahre 1939 gesamter Bestand von Wohnungen 10,1 Millionen, davon im Kriege zerstört 2,5 Millionen, also ein Viertel, Neubedarf nach 1945 2 Millionen für Vertriebene, 1,2 Millionen für Haushaltsneugründungen.
Wie steht es nun mit den Finanzierungsmöglichkeiten für den Wohnungsbau 1952? Wenn für das Jahr 1952 wieder 300 000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau geschaffen werden sollen, so müssen bei einem Ansatz von etwa 7 000 bis 7 500 DM für eine Wohnung an öffentlichen Mitteln rund 2,2 Milliarden DM aufgebracht werden. An öffentlichen Mitteln stehen, wie wir alle wissen, zur Verfügung: 1) 525 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel im ordentlichen Haushalt, davon etwa 125 Millionen DM für Altbesatzungsgeschädigte und Kasernenverdrängte, 2) etwa 675 Millionen DM weitere öffentliche Mittel aus zentralen Aufkommen, und zwar aus a) restlichen Soforthilfemitteln rund 260 Millionen DM, b) Umstellungsgrundschulden erstes Quartal 1952 rund 100 Millionen DM, c) Wohnraumhilfe gemäß § 350 des Lastenausgleichsgesetzes 300 Millionen DM, d) Sondermittel für Versuchs- und Vergleichsbauten, Rückflüsse u. a. rund 15 Millionen DM, 3) 500 Millionen DM Haushaltsmittel der Länder und Gemeinden, 4) 50 Millionen DM aus ECA-Mitteln, insgesamt über 100 Millionen DM, davon aber ein großer Teil erst- und letztstellig einzusetzen. Es sind u. a. noch zu erwarten zu 1) 100 Millionen DM, die für den außerordentlichen Haushalt vorgesehen sind, zu 2) 200 Millionen DM im Wege der Vorfinanzierung. Die Gesamtsumme beliefe sich dann auf 2 050 Millionen DM. Zusätzlich kommen für den dringend notwendigen Bergarbeiterwohnungsbau aus der Kohlenabgabe rund 220 Millionen DM. Sie bilden die Grundlage für den Bau des für 1952 vorgesehenen Drittels von über 90 000 Wohnungen, die zur Zeit noch in den Bergbaurevieren fehlen.
Es wäre zu dem ganzen großen Fragenkomplex noch sehr vieles zu sagen. Zum Beispiel lassen sich noch erhebliche Einsparungen bei den Baukosten erzielen, wenn die Baustellen wirklich rationell eingerichtet, die Baunormen geschickt angewandt und die neuen Ergebnisse der Bauforschung berücksichtigt werden. Hierzu gehört auch, daß alle mit dem Wohnungsbau befaßten und über die vielen Einzelbestimmungen unterrichteten Stellen, wie Behörden, Sparkassen, nicht zuletzt auch Presse und Rundfunk, den Bauwilligen jede Aufklärung und beratende Hilfe zuteil werden lassen müßten. Gewarnt werden muß allerdings vor Versuchen, an Raum- oder Wohnungsgröße, an sanitären und hygienischen Einrichtungen sparen zu wollen. Wir müssen im Gegenteil in steigendem Maße auf die Schaffung familiengerechter Wohnungen, am besten in Form von Eigenheimen oder wenigstens von Wohnungseigentum Wert legen.
Ich bin daher der Meinung -und mit mir ist
es meine Fraktion —, daß es notwendig ist, die
Förderung des Eigenheimbaus mit allen Mitteln
in Anlauf zu bringen, ebenso den Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne. Gerade durch den Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne ergibt sich zwangsläufig die Möglichkeit, den Arbeit- und Wohnungsuchenden in einem Zuge zu helfen, denn die Wohnung muß da gebaut werden, wo sich naturgemäß der Arbeitsplatz befindet.
Über die Bauleistung im Lande Bayern möchte ich nicht ausführlich sprechen. Ich darf im Namen meiner Fraktion, der Föderalistischen Union, folgendes sagen. Wir stimmen grundsätzlich dem von der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Wohnungsbaugesetzes zu, und wir würden uns freuen, wenn im nächsten Haushaltsjahr — ich meine: im Jahre 1952/53 — von der Seite des Herrn Bundesfinanzministers die Mittel gegeben würden, die tatsächlich notwendig sind. Es würde uns darüber hinaus noch mehr freuen, wenn gerade im Sektor der Eigenwohnungen, des Eigenheims, wo z. B. gerade die Stadt München eine hervorragende Lösung gefunden hat, etwas geschehen würde. Ich freue mich, hier als der Abgeordnete des Wahlkreises Berchtesgaden, Laufen und Traunstein sagen zu dürfen, daß die Stadt München im Wiederaufbau Hervorragendes geleistet hat. Der Ministerialdirektor in der Obersten Baubehörde in München, Herr Fischer, hat unlängst die Leistungen des Landes Bayern hinsichtlich der Ausgaben für den Sozialen Wohnungsbau im Jahre 1951 auf 258 Millionen DM und im Jahre 1952 auf bisher bereits 182 Millionen DM beziffert. Bayern hat 1951 auf je 10 000 Einwohner 85 Wohneinheiten gebaut und wird' mit dieser Leistung nur von Australien übertroffen.
Im Bundesgebiet sind im Vergleichszeitraum 83, in Amerika 72, in Schweden 60, in England 38, in Frankreich 33 und in Italien 17 Einheiten gebaut worden. Mögen sich der Bundestag und das Bundeswohnungsministerium an dem bayerischen Beispiel das holen, was in diesem Fall notwendig ist.