Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu der Frage der Winterbeihilfen ist nach unserer Meinung unzulänglich und verpflichtet die Bundesregierung zu nichts. Der Herr Bundesinnenminister hat der sozialdemokratischen Fraktion bereits die entsprechende Antwort gegeben. Die Formulierung, nach der die Bundesregierung beauftragt wird, unverzüglich dafür zu sorgen, daß diese Winterbeihilfe in Höhe von 50 DM und zusätzlich 10 DM zur Auszahlung gelangt, nimmt nicht die notwendige Rücksicht auf die seit langem bei allen Fraktionen des Bundes-
tags eingehenden berechtigten Anträge der Organisationen der Erwerbslosen, der Kriegsopfer und der übrigen Sozialgeschädigten. Es dürfte auch den Antragstellern bekannt sein, daß der Mindestbedarf für eine Normalfamilie für 5 bis 6 Wintermonate mindestens 30 Zentner Hausbrand und
8 Zentner Kartoffeln beträgt. Der Durchschnittspreis für Kohlen bewegt sich um 5 DM und der Preis für Einkellerungskartoffeln wird nach dem, was bis jetzt bekanntgeworden ist, bei 11 bis 12 DM pro Zentner liegen.
Der hier angesprochene Personenkreis müßte also allein dafür die Summe von 260 DM ausgeben. Wenn man dem den sozialdemokratischen Antrag entgegenhält, so ist diese aufgestellte noch nicht einmal verbindliche Forderung an die Regierung als sehr bescheiden anzusprechen.
Ich möchte hier den Verbandstag der Industriegewerkschaft Metall zitieren, der sich mit den Lebensverhältnissen der arbeitenden Menschen beschäftigt hat. Dort wurde eindeutig festgestellt, daß der Mindestbedarf für eine dreiköpfige Arbeiterfamilie zirka 360 DM beträgt und für eine vierköpfige Normalfamilie bei 440 DM liegt. Die Bundesregierung selbst hat wiederholt in ihren statistischen Angaben errechnet, daß das Existenzminimum bei 300 DM liegt.
Das war für uns bereits im vorigen Jahr der Anlaß, in dem damals von uns gestellten Antrag neben der Auszahlung von 50 DM als Winterbeihilfe an den Hauptunterstützungsempfänger und 30 DM für jedes zuschlagsberechtigte Familienmitglied die Forderung auf Lieferung von 30 Zentner Hausbrand und 2 Zentner Kartoffeln zu erheben. Wenn Sie noch hinzurechnen, daß bei der langfristigen Erwerbslosigkeit kaum Mittel zur Beschaffung der notwendigen Winterbekleidung vorhanden sind, dürfte sich mit aller Deutlichkeit die Unzulänglichkeit dieses Antrags herausstellen.
Vorhin bereits wurde in einem Zwischenruf bemerkt, daß das Geld für andere Zwecke in genügender Menge zur Verfügung stünde. Bereits bei der gestrigen Debatte wurde auf den Etat des Bundesfinanzministers hingewiesen, der allein
9 Milliarden DM für kriegerische Zwecke vorsieht. Wir halten es deshalb für notwendig — und ich bitte den Herrn Präsidenten, für unseren Antrag die Unterstützungsfrage zu stellen —, folgenden Antrag einzubringen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Alle Bezieher von Renten aus der Rentenversicherung der Arbeiter, der Wanderversicherung, der Angestelltenversicherung, der Unfallversicherung, der Knappschaftsversicherung, der Arbeitslosenversicherung, die Empfänger von Soforthilfe nach dem Gesetz über den Lastenausgleich, die Empfänger von öffentlicher Wohlfahrtspflege und Tuberkulosenhilfe erhalten zur Beschaffung des Winterbedarfs an Wäsche und warmer Bekleidung eine einmalige Beihilfe für den Bezugsberechtigten in Höhe von 100 DM, für jedes bezugsberechtigte Familienmitglied in Höhe von 40 DM. Daneben werden für jeden Bezugsberechtigten mit einem Haushalt 30 Zentner Kohlen oder Ersatzheizstoff in gleichem Heizwert für den bezugsberechtigten Familienvorstand sowie für jedes bezugsberechtigte Familienmitglied je 2 Zentner Kartoffeln kostenlos geliefert.
Rentenberechtigte nach dem Bundesversorgungsgesetz, die Opfer des Krieges haben Anspruch auf die vorstehenden Leistungen.
Außerdem wird allen Beziehern von Renten aus der Kriegsopferversorgung zusätzlich eine Sonderhilfe in der Höhe einer Monatsrente gezahlt.
Die für die Finanzierung der vorstehenden Leistungen benötigten Mittel übernimmt der Bund.
Der Herr Innenminister Dr. Lehr soll ruhig auf die Verdopplung seines Grenzschutzes verzichten; er soll die Millionen den bedürftigen Menschen zukommen lassen!