Rede von
Lisa
Korspeter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Genau wie in den vergangenen Jahren steht auch in diesem Jahr durch 'den vorliegenden Antrag der SPD, Drucksache Nr. 3672, die Frage 'der Winterbeihilfe auf der Tagesordnung.
Ich nehme nicht an, daß es notwendig ist, im einzelnen zu begründen, daß die Zahlung einer Winterbeihilfe an die in unserem Antrag aufgeführten Personengruppen erforderlich ist. Jeder von uns weiß, daß es die Preisentwicklung den Renten- und all den anderen Unterstützungsempfängern unmöglich macht, mit den Renten und Unterstützungssätzen die Sonderbedürfnisse, die der Winter mit sich bringt, auch nur im entferntesten
zu 'befriedigen. Die Winterbeihilfe diente schon immer dazu, der besonderen Not im Winter zu steuern und allen wenigstens ein Mindestmaß an Möglichkeit zu geben, sich für den Winter einigermaßen mit Kartoffeln und Kohlen einzudecken.
Wir fordern in unserem Antrag, dem Hauptunterstützungsempfänger 50 DM und jedem zuschlagsberechtigten Angehörigen 10 DM zu geben. Wir sind der Ansicht, daß diese Summe den Preisverhältnissen in diesem Jahr einigermaßen gerecht werden kann. Wir wissen schließlich alle aus eigener Erfahrung, wie sehr die Preise, ganz besonders die Preise für die Lebensmittel, im letzten Jahr in die Höhe gegangen sind.
Nach den Angaben des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts von Köln sind bei den kleinen Einkommen — und um die handelt es sich in unserem Antrag — die Ausgaben für den starren Bedarf, also die Ausgaben, die man unbedingt zum Leben nötig hat, um 14 % gestiegen. Wie sehr — wir sollten uns das einmal vor Augen halten — muß diese Personengruppe die Entwicklung getroffen haben, da sie mit ihren niedrigen Renten und niedrigen Unterstützungssätzen schon seit langem kaum in der Lage war, ihren starren Bedarf zu decken! Ich glaube, wir alle werden uns darüber klar sein, daß die Preisentwicklung es diesen Personen völlig unmöglich gemacht hat, sich etwa für die Bedürfnisse des Winters, und zwar insbesondere für die Bevorratung mit Kartoffeln und Hausbrand, eine Rücklage zu machen. Darüber wird Einmütigkeit bei uns herrschen und auch darüber, daß sie eine Bevorratung für den Winter aus ihren laufenden Einnahmen niemals durchführen können. Bei der Winterbeihilfe hat es sich von jeher um eine Beihilfe für die Einkellerung von Kartoffeln und von Hausbrand gehandelt. Gerade die Preisentwicklung hier beweist die Berechtigung der von uns geforderten Beträge. Wir haben vor einigen Wochen eine Debatte über die Kartoffelpreise gehabt. Frau Kollegin Niggemeyer hat damals gesagt, auch sie sei der Ansicht, daß es sich hinsichtlich der Kartoffelpreise um eine soziale Frage handle. Ich unterstreiche diese Äußerung völlig, und ich glaube, wir sind uns darüber klar, daß die Entwicklung für diesen Personenkreis ganz besonders verhängnisvoll ist. Im Jahre 1950 kostete ein Zentner Kartoffeln 5 bis 6 DM. Es ist damit zu rechnen, daß in diesem Jahr die Kartoffeln, und zwar nicht nur in den Dürregebieten, erheblich teurer sein werden als in den vergangenen Jahren.
Bei den Preisen für Hausbrand ist eine ähnliche Entwicklung nach oben festzustellen. Ich habe hier Zahlen vom Verband der Kohlenhändler Ostwestfalens. Danach hat beispielsweise Anthrazit im Dezember 1951 3,84 DM gekostet, im August 1952 6,04 DM. Eierkohle hat im Dezember 1951 3,59 DM gekostet, im August 1952 5,64 DM. Briketts haben im Dezember 1951 2,68 DM gekostet, im August 1952 3,84 DM.
Das Ministerium des Innern hat erfreulicherweise bereits am 5. Juli 1952 ein Rundschreiben an die Länder über Beihilfen für Brennstoffbevorratung herausgegeben. Naturgemäß konnten durch diesen Runderlaß nur die Empfänger von Fürsorgeunterstützungen im Sinne der Verordnung über die Fürsorgepflicht in Betracht gezogen werden. Aber das Bedürfnis nach einer Winterbeihilfe besteht nicht nur bei den von der Fürsorge betreuten Menschen,
sondern in gleichem Maße für den in unserem Antrag aufgeführten Personenkreis. Im Hinblick auf die besonderen Preissteigerungen gerade für Kohlen und für Kartoffeln ist es notwendig, über den nach fürsorgerechtlichen Grundsätzen erfaßten Personenkreis hinauszugehen und die Winterbeihilfe auch denen zu gewähren, die in unserem Antrag angesprochen sind. Es handelt sich dabei um die Empfänger von Arbeitslosen- und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, von Renten aus der Sozialversicherupg, der Kriegsopferversorgung und dem Lastenausgleich und um sonstige Unterstützungsempfänger. Wir würden es insbesondere auch begrüßen — und wir halten es für notwendig —, wenn den Ländern die Empfehlung gegeben würde, den ihrer Betreuung unterliegenden Kreis der Fürsorgeunterstützten in gleicher Weise zu betreuen.
Ich bitte Sie sehr herzlich, lassen Sie uns nicht an der Not dieser Menschen, die auf uns warten, vorübergehen. Denken wir bitte daran, daß das Brot der Armen immer noch die Kartoffeln sind. Denken wir daran, daß die Kartoffeln eine Preissteigerung erfahren haben, die es den Armen unmöglich macht, sich für den Winter mit Kartoffeln zu versorgen. Deshalb bitten wir Sie dringend, unserem Antrag zuzustimmen.