Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gemeint, daß mein Entwurf eine bessere Kritik verdiente. Selten ist ein Gesetz so reiflich erwogen, so durchgearbeitet, mit allen Beteiligten besprochen worden. Selten sind alle Anregungen — —
— Ja, liegt das an mir, Herr Kollege Weber, wenn wir sie nicht übernommen haben? Dafür habe ich einen anderen Blickwinkel. Ich bin vorhin von Herrn Ewers nicht mißverstanden worden, als ich von der parlamentarischen Aristokratie sprach, nämlich von der Verpflichtung, die Dinge in der
Gesamtheit zu sehen. Ich nehme für mich in Anspruch, nach bestem Willen auch diesen Entwurf ausgearbeitet zu haben. Der Vorwurf, obrigkeitliches Denken habe sich bei mir durchgesetzt und es sei ein Entwurf des Rückschritts, ist ungerecht. Es tut mir leid, daß hier am Ende nur Beteiligte gegen mich auftreten, wenngleich ich doch selbst ein Interessent bin — denn ich werde eines Tages wieder die Robe tragen —, und daß sonst niemand im Hause sich mit dem Problem abgibt, das doch immerhin eines der wichtigsten Probleme bei der Gestaltung unserer Rechtspflege ist.
Man fragt mich: Wo sind die Vorzüge des Entwurfes? Die Begründung ist ein dickes Buch, das Sie durcharbeiten können. Auf jeder Seite können Sie einen Vorzug in der Entwicklung gegenüber 1878 feststellen. Wir bekennen uns grundsätzlich zu der Selbstverwaltung. Selbstverständlich soll die Anwaltschaft ihre Rechte, die Rechte ihrer Mitglieder wahren. Aber Sie sind ja auf meine Fragestellung gar nicht eingegangen und bemühen sich gar nicht darum,
daß die Zulassung nichts mit der Selbstverwaltung zu tun hat, sondern daß die Zulassung die Voraussetzung der Mitgliedschaft ist und daß jemand erst dann, wenn er Anwalt ist, den Rechten und Pflichten der Selbstverwaltung unterstellt werden kann. Herr Kollege Weber hat bei der anderen bedeutsamen Frage, wer den Anwalt ausschließen kann, den Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, die königliche Regel der Rechtspflege zitiert, daß jemandem, dessen Rechte durch die öffentliche Gewalt verletzt werden, der Rechtsweg offensteht und, soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Ich bin stolz darauf, daß ich mit Zinn zusammen diese Bestimmung formuliert habe, nach der höchster Rechtsschutz für jeden gegeben ist. Das Ehrengericht des Selbstverwaltungskörpers erfüllt diese Voraussetzung des Art. 19 Abs. 4 nicht. Sie können doch nicht von mir erwarten, daß ich der Anwaltschaft zuliebe das Grundgesetz breche. Es genügt nicht, daß die Möglichkeit der Nachprüfung einer Entscheidung eines Ehrengerichts der Rechtsanwaltskammer besteht. Das war doch die Aufgabe, vor der wir standen, diese haben wir in meinem Gesetz erfüllt. Ausschluß aus der Anwaltschaft bedeutet die Vernichtung der bürgerlichen Existenz eines Menschen. Hier muß der Anwalt den höchsten Rechtsschutz haben, und den gewährt nur das staatliche Gericht. Mir da Rückschrittlichkeit vorzuwerfen, welche Verkennung der Dinge! Ich kann Ihnen ein Album von Fortschritten vorlesen. Wenn Sie sich die Mühe machen, die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs durchzugehen, so erkennen Sie das.
Die Staatsaufsicht ist ein selbstverständliches Erfordernis, aber wir haben den Staat so weit zurückgedrängt wie nur irgend möglich.
Die Landesjustizverwaltung kann überhaupt nur eingreifen, wenn ein Gesetz durch die Rechtsanwaltskammer verletzt wird. Von 1878 an war der Zustand gegeben, daß die Landesjustizverwaltung oder der Staat die Zulassung in der Hand hatte. Wenn in den Zwischenlösungen andere Wege gegangen worden sind, so entsprach das nicht deutschem Recht und entspricht jetzt nicht den Grundsätzen, die in unserem Grundgesetz niedergelegt sind. Ich habe z. B. das Klageerzwingungsverfahren eingefügt, das es in der Rechtsanwaltsordnung von 1878 nicht gab,
Das ist der Ausgangspunkt dieses Begriffs, und das ist das Entscheidende. Die freie Advokatur garantiert die Freiheit des Anwaltstandes.
Wenn ich auf Einzelfragen eingehe, z. B. die Voraussetzung der deutschen Staatsangehörigkeit, so muß ich sagen: es ist ja nicht eine einseitige Sache, sondern eine zweiseitige. Wir dachten nicht nur an emigrierte Rechtsanwälte, sondern wir dachten auch daran, daß ausländische Juristen, die deutsche Prüfungen ablegen, die Möglichkeit haben sollen, an deutschen Gerichten zu praktizieren, wobei wir die Gegenseitigkeit des Auslandes erwarten. Das ist eine bedeutende, im Interesse der Anwaltschaft liegende große Möglichkeit.
— Einmal!
Die Stellung der Verwaltungsrechtsräte, nach der Herr Kollege Dr. Schneider fragt, hat § 253 meines Entwurfs in allen Einzelheiten geklärt.
Man nimmt Anstoß an dem Wort „Bestallung". Der Kollege Wagner hat gesagt, das sei eine beamtenähnliche, dem Beruf des Anwalts wesensfremde Art der Zulassung. Es ist doch nur ein Fortschritt, wenn ich sage: ein Anwalt wird als solcher grundsätzlich zugelassen, weil er alle Voraussetzungen des Anwalts erfüllt. Damit ist er bestallt als Anwalt und wird dann bei einem Gericht zugelassen. Wenn er das Gericht wechselt, brauchen die Voraussetzungen der Bestallung nicht mehr geprüft zu werden, er ist Anwalt, es muß nur noch die Zulassung an einem bestimmten Gericht erfolgen. Das fördert also entgegen Ihrer Meinung, Kollege Wagner, gerade die Freizügigkeit des Anwalts, die Möglichkeit des Wechsels, ohne daß immer wieder das komplizierte Zu-
'lassungsverfahren in Gang gesetzt werden muß, das dem Betroffenen Schwierigkeiten macht.
Ich muß sagen, ich sehe für die Behandlung meines Entwurfs schwarz,
aber nicht, wenn Sie mir schon das freimütige Wort gestatten, weil ich nicht der Einsicht begegnet bin, mit der ich auf Grund unseres Entwurfes rechnen konnte, — --
— Bitte, Herr Kollege Wagner, glauben Sie mir, daß ich als Anwalt diesen Entwurf restlos mit durchdacht und mit entschieden habe. Glauben Sie wirklich, daß ich eine solche Sache meinem Referenten überlasse? Was da drinsteht, ist nach der jetzigen Verfassungs- und Rechtslage notwendig und bedeutet nach meiner Überzeugung einen Fortschritt für den deutschen Rechtsanwaltsstand.