Rede von
Dr.
Ludwig
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich, weil es die erste Lesung ist, die wir heute vorzunehmen haben, und weil die Zeit auch schon sehr fortgeschritten ist, wie mein Herr Vorredner auf einige grundsätzliche Bemerkungen beschränken. Zusammenfassend könnte ich eigentlich schon sagen: ich muß leider an dem Herrn Bundesjustizminister auch Kritik üben. Ich habe nur noch einmal das zu
unterstreichen, was mein Herr Vorredner gesagt
hat; denn es sind die gleichen Grundfragen, in denen wir — ich glaube, alle Vertreter in diesem Hause — grundsätzlich übereinstimmen. Insofern hat der Herr Bundesjustizminister recht gehabt, als er vorhin meinte, wir stünden ihm als eine grundsätzlich geschlossene Phalanx gegenüber, die die gleiche Auffassung habe. Das ist kein Zufall, denn wir entstammen ja alle diesem Beruf. Wir üben ihn alle schon lange aus, der eine weniger lange, der andere länger. Wir haben doch alle das gleiche erlebt. Wir kennen doch selber am besten die Bedürfnisse und die Notwendigkeiten, die erfüllt sein müssen, wenn man wirklich eine Selbstverwaltung der Anwaltschaft — so, wie wir sie uns vorstellen — wieder schaffen will.
Das Prinzip der freien Advokatur bejahen wir mit dem Herrn Minister. Ich will mich auf diese Bemerkung beschränken. Den Grundsatz der Freizügigkeit bejahen wir auch, und das Prinzip der Lokalisierung wird man ebenfalls noch bejahen können, wenn man auch dazu demnächst noch einiges bei den Beratungen sagen muß. Aber das Prinzip der Bestallung lehnen wir ebenso ab, weil es in diesem ganzen Aufbau wesensfremd ist,
denn es bringt in diese Materie Ideen hinein, die von den Bearbeitern anscheinend deshalb hineingebracht worden sind, weil sie nur unter beamtenrechtlichen Gesichtspunkten an diese Fragen herangegangen sind. Wenn ich auf der einen Seite das Prinzip der freien Advokatur bejahe, dann ist eine derartige Institution, wie sie eine Bestallung, also ein staatlicher Hoheitsakt, der mich da irgendwie binden soll, darstellt — und wenn ich daran denke, wie der Ausschluß ebenfalls geregelt ist, nämlich auch nur durch das Gericht und nicht durch die Selbstverwaltung der Anwaltschaft —, dann ist das etwas, was ich mit meinem Kollegen Wagner als wesensfremd bezeichnen muß. Das gleiche gilt hinsichtlich der Zulassung und hinsichtlich des Ausschlusses. Insoweit geht der Entwurf hinter die Prinzipien zurück, die sich seit 1878 bewährt haben.
Wir werden im Rechtsausschuß darüber im eineinzelnen zu debattieren haben, wir werden auszuhandeln und zu prüfen haben, ob es wirklich nicht möglich ist, nach den Bestimmungen des Grundgesetzes eine Rechtsprechung der Selbstverwaltungskörperschaft der Anwaltschaft auch in diesem Falle durchzuführen. Ich vermag mich heute nicht überzeugt zu erklären, daß die Ausführungen, die in der Begründung gemacht worden sind, stichhaltig sein sollen.
Und noch ein Letztes möchte ich hier ansprechen. Mir sind sehr eingehende Schriftsätze von einem Stand zugegangen, dessen Schicksal ebenfalls demnächst hier mit geregelt werden soll, nämlich von dem Stand der Verwaltungsrechtsräte. Wir können über diese Probleme ja auch nicht einfach hinwegspringen, sondern werden uns auch mit dieser Frage zu beschäftigen haben.
Zum Abschluß möchte ich noch eine kritische Bemerkung machen, Herr Minister. Wenn Ihr Hauptsachbearbeiter, wie mir zugetragen wurde, in der Vergangenheit schon geäußert hat: „Nun ja, sie scheinen meinen Entwurf ja zu schlucken, sie melden sich ja gar nicht, sie haben sich bisher noch nicht gemuckst!" — so möchte ich sagen, daß er
sich da getäuscht hat! Heute mucksen wir uns zum ersten Mal, und im Rechtsausschuß werden wir uns noch viel eingehender mucksen!