Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort an den Herrn Bundesjustizminister. Ich kann mir den Respekt vor der Äußerung des persönlichen Bekennermutes des Herrn Ministers nicht versagen. Ich möchte dem aber eins hinzufügen, Herr Minister. Es genügt in der Politik nicht, abstrakte Ideale zu verkünden. Wenn Sie Ihre politische Praxis wirklich mit den Idealen Ihrer Jugend, die Sie heute hier vorgetragen haben, in Einklang bringen wollen, dann gibt es daraus nur eine Konsequenz, nämlich daß Sie heute noch diesem Hause Ihren Rücktritt aus der Regierung Adenauer mitteilen.
Meine Damen und Herren! In Art. 102 des Grundgesetzes ist die Abschaffung der Todesstrafe festgelegt. Der Beschluß ist seinerzeit mit einer großen Mehrheit gefaßt worden. Man muß also heute fragen, was die Urheber dieses neuen Vorstoßes für die Aufhebung des Art. 102 zu ihrem Schritt veranlaßt haben mag. Sie wissen doch genau, daß die Wiedereinführung der Todesstrafe verfassungsändernden Charakter hätte und daß Sie dazu eine Zweidrittelmehrheit dieses Hauses benötigen, von der Sie wissen, daß Sie sie nicht erhalten werden. Weshalb also diese Vorlage, und woher dieser plötzliche Gesinnungswandel?
Die Antwort darauf ergibt sich wohl aus der Feststellung, wer diesen Antrag gestellt hat und zu welchem Zeitpunkt er hier unterbreitet wird. Der Antrag wird von einer Partei gestellt, die sich nicht scheut, ehemalige prominente Nazis an die Spitze ihrer Organisation zu stellen, die in Versammlungen den alten Nazistil wieder aufleben läßt und die Redner präsentiert, die sich mit Stolz
auf ihre Vergangenheit in der glorreichen NSDAP berufen. Die Vorlage wird von der Partei des Bundeskanzlers unterstützt, deren Fraktionsvorstand am 4. September 1952 den Beschluß gefaßt hat, gleichfalls für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu plädieren; damit hat sie im Zeitraume der vergangenen drei Jahre wohl den erstaunlichsten Wechsel ihrer Gesinnung vollzogen.
Noch wesentlicher aber für die Erklärung der Vorlage ist der Zeitpunkt, zu dem sie unterbreitet wird. Es ist der Zeitpunkt, zu dem die Regierung auf die Ratifizierung der Kriegsverträge drängt, der Zeitpunkt, zu dem sie die Stimmungsmache für die Annahme dieser Verträge zu ihrem dringlichsten Geschäft erhoben hat, der Zeitpunkt, zu dem die fremde Militärgerichtsbarkeit auf deutschem Boden zum Normalzustand erklärt werden soll. Es ist der Zeitpunkt, zu dem der Aufmarsch zu einem neuen Massenmorden eingeleitet wird.
In dieses Konzept hinein gehört die Propaganda für die Todesstrafe; sie ist ein Teil des Konzeptes der Organisatoren des Massenmordes.
Man braucht nicht lange bei den Vorwänden zu verweilen, die hier zur Begründung für die Wiedereinführung der Todesstrafe angeführt werden. Im März 1950 beriefen sich die Befürworter der Vorlage auf Moral und Recht, auf Gerechtigkeit und Sicherheit der menschlichen Gesellschaft. Nun, die christliche Moral war niemals ein fester Begriff; es gab eine Zeit, in der die Christen als Hochverräter gehängt, enthauptet und wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen wurden. Damals trat die Kirche und die christliche Moral gegen die Todesstrafe auf. Als dann aber später die Kirche zu einer festen, auch weltlichen Macht wurde, als es ihr darum ging, den kirchlichen Dogmen den Schein ewiger, allgemeingültiger Wahrheiten zu sichern, da wurde die Häresie zum Kapitalverbrechen erklärt,
da wurde das Töten, ja die scheußlichste Art des Tötens, zu einem Ausdruck christlicher Moral, als eine gottgewollte Tat im Dienste der christlichen Moral hingestellt.
Seit damals ist die Todesstrafe wieder zu einem politischen Instrument geworden.
Ich kann es mir ersparen, auf die Prinzipien der Abschreckung, der Vergeltung usw. einzugehen, die hier zur Verteidigung der Wiedereinführung der Todesstrafe erwähnt wurden. Diese Arbeit hat der Herr Justizminister selber schon auf sich genommen. Fs gibt einen wahren Grund für die Wiedereinführung der Todesstrafe: Man will eine Anpassung, ja die Unterwerfung des Grundgesetzes unter die Wünsche fremder Militärs. Man will mit der Drohung der Todesstrafe alle jene Menschen einschüchtern, die gedenken, sich auf den Art. 4 des Grundgesetzes, auf das Recht der Kriegsdienstverweigerung zu berufen, ja man will, wie es ein Sprecher der Regierungskoalition. Herr Ewers, heute offen ausgesprochen hat, mit dem Mittel der Todesstrafe jede politische Opposition gegen den Kriegskurs der Adenauer-Regierung niederzwingen. Sonst würde man nicht heute schon die Begriffe des Hochverrats und des Landesverrats in die Liste der Begründungen künftiger Todesurteile einzuschmuggeln versuchen. Hier habe ich einen Artikel des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium, des Herrn Dr. Vialon, vor mir liegen, in dem er zu dieser Frage erklärt:
Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft hat die meisten Elemente eines echten Staatswesens, insbesondere eigene Souveränität und Rechtsetzungsbefugnis. Der Fahnenflüchtige wird durch ihre eigenen Gerichte zum Tode verurteilt.
Das ist der Sinn dieser neuen Initiative für die Todesstrafe.
Die Gerichte Ridgways sollen künftighin Todesurteile vollstrecken dürfen, die Gerichte des Massenmörders wehrloser Gefangener. Darum geht es. Dieses Recht will man auch gewissen deutschen Richtern einräumen. Dabei möchte ich sagen, daß sich in den letzten Wochen die Beispiele häufen, daß gewisse sich demokratisch nennende Richter —