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ID0123201500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 232. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2. Oktober 1952 10605 232. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 2. Oktober 1952 Geschäftliche Mitteilungen 10606C, 10616D, 10665D Erweiterung der Tagesordnung 10606D Kleine Anfrage Nr. 293 der Fraktion der SPD betr. Bezüge von Aufsichtsräten (Nrn. 3683, 3720 der Drucksachen) . . . 10606D Achter Bericht des Bundesministers für Arbeit über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 3721 der Drucksachen) 10606D Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Art. 102 des Grundgesetzes (Nr. 3679 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Abg. Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Horlacher u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Art. 102 des Grundgesetzes (Nr. 3702 der Drucksachen) . . 10606D Ewers (DP), Antragsteller . 10607A, 10625D Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 10609C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 10610B Dr. Weber (Koblenz) (CDU) . . . 10616D Frau Meyer-Laule (SPD) 10618C Wagner (SPD) 10619D, 10625D Dr. Schneider (FDP) 10622A Fisch (KPD) 10623C Dr. Meitinger (FU) 10624D Abstimmungen über Anträge auf Ausschußüberweisung 10628B Zweite und dritte Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU betr. den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr (Nr. 3714 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 3722 der Drucksachen) 10606D, 10628C Scharnberg (CDU), Berichterstatter 10628D Beschlußfassung 10628D Termin der nächsten Fragestunde 10629A, 10665D Erste Beratung des Entwurfs einer Bundesrechtsanwaltsordnung (Nr. 3650 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung (Nr. 3667 der Drucksachen) 10629A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 10629A, 10630D, 10634D Wagner (SPD) 10631A Dr. Schneider (FDP) 10632B Dr. Weber (Koblenz) (CDU) . . . 10633A Ausschußüberweisung 10636A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Verkauf des ehem. Wehrmacht-Pferdelazaretts in Nürnberg, Wallensteinstr. 117, an den Bayerischen Rundfunk, München (Nr. 3690 der Druck sachen) 10636A Ausschußüberweisung 10636B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Winterbeihilfe (Nr. 3672 der Drucksachen) 10636B Frau Korspeter (SPD), Antragstellerin 10636B Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10637A, 10640A Willenberg (FU) 10638B Arndgen (CDU) 10638C Kohl (Stuttgart) (KPD) 10638D Freidhof (SDP) 10639C Ausschußüberweisungen 10640C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Wohnungbaugesetzes (Nr. 3676 der Druck sachen) 10640C Jacobi (SPD), Antragsteller 10640D, 10648D Neumayer, Bundesminister für Wohnungsbau 10642B Parzinger (FU) 10643D Paul (Düsseldorf) (KPD) 10644D Lücke (CDU) 10645C Wirths (FDP) 10647D Kalbfell (SPD) 10649D Ausschußüberweisungen 10650D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) über die Interpellation der Fraktion der SPD betr. Devisenkontrolle (Nrn. 3684, 2180 der Druck sachen) 10650D Dr. Serres (CDU), Berichterstatter 10651A Beschlußfassung 10651D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betr. die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern (Nr. 3283 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 3685 der Drucksachen) 10652A Lange (SPD), Berichterstatter . . 10652A Abstimmungen 10652B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (24. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Paßgebühren (Nrn. 3635, 3185 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Morgenthaler, Leonhard u. Gen. betr. Paßgebühren (Nr. 3695 der Drucksachen; Anderungsantrag Umdruck Nr. 661 [neu]) 10652C Feldmann (CDU): als Berichterstatter 10652C als Abgeordneter 10655C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10653D, 10655B Morgenthaler (CDU), Antragsteller 10654A Jacobi (SPD) 10654C Abstimmungen 10656A Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Ausübung der Krankenpflege (Nr. 3687 der Drucksachen) 10656A Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 10656A Frau Dr. Steinbiß (CDU) 10657C Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10658C Frau Dr. Hubert (SPD) 10659A Frau Dr. Mulert (FDP) 10660B Frau Strohbach (KPD) 10661A Frau Arnold (FU) 10661C Beschlußfassung 10662A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Hilfe für die sittlich gefährdete Jugend in den Räumen Baumholder, Kaiserslautern, Bitburg und Worms (Nr. 3691 der Drucksachen) . . 10662B Frau Dietz (CDU), Antragstellerin . 106623 Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 10662D Frau Dr. Ilk (FDP) 10663C Frau Nadig (SPD) 10663D Frau Thiele (KPD) 10664C Ausschußüberweisung 10665C Nächste Sitzung 10665D Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Ludwig Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute hier eine Aufgabe, die wirklich nicht leicht zu bewältigen ist. Denn ich muß hier etwas tun, was man in einer so entscheidenden Frage, wie sie heute hier zur Debatte steht, schlechterdings sehr schwierig tun kann. Ich muß nämlich das Pro und Contra der Meinungen hier vortragen, die sich in meiner Fraktion bezüglich dieser Frage ergeben haben.

    (Abg. Rische: Reden Sie nach Ihrem Gewissen!)

    Der Herr Justizminister hat in seinen Ausführungen schon dargelegt, daß die Frage, ob man die Todesstrafe wieder einführen will oder ob man den Art. 102 des Grundgesetzes beibehalten will, nicht eigentlich eine echte politische Frage ist, sondern eine Frage, die in der Weltanschauung des einzelnen und, wenn Sie wollen, auch in seiner religiösen Verantwortlichkeit und Anschauung begründet liegt und eine Frage ist, die jeder einzelne von uns schließlich vor seinem eigenen Gewissen verantworten muß.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Aus diesen Besonderheiten des Problems heraus sind meine Freunde nicht einhellig. Die einen meinen, man solle den Art. 102 beibehalten — ein Standpunkt, den ja mein Herr Vorredner eben geradezu mit ungeheurer Leidenschaftlichkeit verteidigt hat —, und die anderen meinen: nein, man muß diesen Art. 102 streichen, weil gerade aus unserem Volke heraus von draußen das gefordert wird und weil die Ereignisse der letzten Zeit auch gebieterisch zeigen, daß hier etwas geschehen müsse.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich selbst bin ein Anhänger der Wiedereinführung der Todesstrafe; aber ich möchte am Schluß dessen, was ich zu sagen habe — ich muß ja sehr kürzen, ich habe nur 12 Minuten Zeit —, einiges zur möglichen Modifizierung der Vollstreckung sagen. Es wird hier gesagt: das Grundgesetz hat in seinem Art. 2 die Heiligkeit des Lebens ausdrücklich festgestellt. Kein Zweifel! Und es wird daraus nur mit Bezug auf den Mörder gefolgert: weil das Grundgesetz die Heiligkeit des Lebens festgestellt hat, deshalb hat weder ein Mensch noch der Staat als Ordnungsfunktion oder als Inhaber der höchsten Gewalt das Recht, ein Leben zerstören zu lassen, auch nicht durch Richterspruch. — Ja, sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren — Herr Kollege Dr. Weber ließ es schon anklingen —: ein Teil meiner politischen Freunde stellt die andere Frage: ist es denn nicht notwendig zu fragen und fordert denn unser Volk nicht geradezu gebieterisch, auch zu fragen: „Was waren denn die Leben wert, die der andere ruchlos vernichtet hat?"

    (Sehr richtig! rechts.)

    Denn das ist doch die gleiche Frage, die hier aufzuwerfen ist. Und wenn der Herr Justizminister vorhin gesagt hat — ich kann mich ja leider Gottes, weil ich hier zwei Standpunkte zu vertreten
    habe und das objektiv tun muß, nicht so mit ihm auseinandersetzen, wie ich das möchte —: „Jeder Täter, der den Entschluß zum Morde faßt, ist schon nicht mehr zurechnungsfähig",

    (Abg. Wagner: Das hat er nicht gesagt!)

    so lehne ich das in dieser generellen Formulierung grundsätzlich ab.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Wagner: Das hat er auch gar nicht gesagt!)

    — So ähnlich hat er es formuliert.

    (Widerspruch links.)

    Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht zu leidenschaftlich werden. Also ein Teil meiner Freunde meint: Weil auch das andere Leben heilig war, das dort vernichtet wurde, und weil auch dort ungeheures Leid über Familien kam durch ruchlose Taten — neulich in Frankfurt wurden wieder um einiger schnöder Hundertmarkscheine willen zwei unschuldige Menschenleben einfach ausgelöscht und vernichtet! —, deshalb muß der Mörder die Sühne auf sich nehmen, die das erfordert, nämlich die letzte Sühne. Er muß, weil er selbst Blut vergossen hat, mit seinem eigenen Blut bezahlen. Das ist ein Standpunkt, der auch in der Bibel steht, allerdings im Alten Testament.
    Ich bin noch nicht einmal so sehr der Meinung, daß die Abschreckungstheorie als wesentlich ins Feld geführt werden könnte, obwohl ich mit dem Herrn Kollegen Ewers sagen möchte: die ganzen Statistiken lassen sich, wenn man will, auch irgendwie anders deuten. Mit Statistiken kann ich alles machen, je nach der Zielrichtung, in der ich sie einsetzen will.
    Für den Teil meiner Freunde, die die Wiedereinführung der Todesstrafe bejahen, möchte ich abschließend folgendes sagen. Sie glauben einfach, daß die Wiedereinführung der Todesstrafe aus dem Volk heraus gefordert wird. Damit komme ich an einen heiklen Punkt. Ich habe in den letzten Wochen draußen in meinem Wahlkreis — ich bin direkt gewählter Abgeordneter — samstags und sonntags gesprochen, nicht über die vorliegenden Anträge, sondern über andere Dinge. Bezeichnenderweise — was mir noch nie begegnet ist, auch damals vor zweieinhalb Jahren nicht, als wir über dieses Problem hier diskutierten — kam jedesmal in der Diskussion die Frage auf mich zu: Wie stehen Sie zur Wiedereinführung der Todesstrafe? Ich habe mich bemüht, den Leuten klarzumachen, welch schwieriges, welch verantwortungsvolles Problem hier zur Debatte steht, wie eingehend man es prüfen und beraten muß, ehe man sich entscheidet. Ich wurde zum Schluß beinahe nicht mehr angehört. Vielmehr machte sich eine Ungeduld bemerkbar, und mindestens 80 bis 90 % der dort Anwesenden forderten kategorisch von mir als dem dort gewählten Abgeordneten, daß ich mich für die Wiedereinführung der Todesstrafe einsetze.

    (Abg. Frau Wolff: Aber bei Ohlendorf haben Sie damals protestiert!)

    — Ich berichte ja nur, Frau Kollegin. — Die Frage, die wir hier zu entscheiden haben, ist die, ob ich als Abgeordneter den Standpunkt vertrete, den der Herr Justizminister hier als selbstverständlich hingestellt hat, daß ich, wenn einmal der Wahlakt vollzogen ist, wenn einmal das Vertrauen der Wählermassen mich hierhergebracht hat, an gar nichts mehr gebunden bin, sondern nur noch meinem eigenen Gewissen verantwortlich bin. Diesen Standpunkt kann ich in dieser generellen Weise


    (Dr. Schneider)

    nicht teilen. Was sind wir denn eigentlich hier in Bonn, wir Abgeordneten alle miteinander?

    (Sehr gut! rechts.)

    Wir sind doch wohl dazu da, das Wohl unserer Menschen, derer, die uns hierhergeschickt haben, zu gestalten. Ich betrachte das als einen Auftrag und halte mich in gewisser Beziehung an diesen Auftrag gebunden.

    (Abg. Frau Wolff: Aber bei der Verurteilung der Kriegsverbrecher haben Sie sich gegen die Todesstrafe gestellt!)

    Ich habe den Wählern ja seinerzeit, als ich zum Wahlkampf antrat, erzählt: ich habe die und die Weltanschauung, ich vertrete die und die Auffassung. Weil ich den Wählern das erzählt habe, haben Sie mich gewählt. Das ist für mich eine Bindung, wenn sie wollen: eine sittliche Bindung.
    Nun möchte ich den Standpunkt meiner anderen Freunde aus der Fraktion ebenso ernst darlegen. Sie lehnen es ab, den Art. 102 des Grundgesetzes zu streichen, weil sie das im wesentlichen aus ihrem Gewissen, aus ihrer christlichen Verantwortung nicht glauben verantworten zu können, weil sie sich an den Satz halten: ,,Du sollst nicht töten", und weil sie den für so verpflichtend erachten, daß auch der Staat nicht das Recht habe, wie das ja schon vorher hier ausgeführt worden ist, in ein Leben vernichtend einzugreifen.
    Sie sagen auch weiter — und dieser Gesichtspunkt muß bei der Debatte, die wir demnächst im Rechtsausschuß haben werden, ganz besonders beachtet werden —: ein Todesurteil ist seiner Natur nach irreparabel. Das ist ja nicht zu bestreiten; das ist ja ganz selbstverständlich. Wenn das Leben einmal vernichtet ist, dann ist es nicht mehr da,

    (Abg. Frau Wolff: Also!)

    und die Sicherungen des Wiederaufnahmeverfahrens, das wir sonst immer haben, haben keine Wirkung mehr. Deshalb sagen sie auch: Wir können die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Sie sagen auch mit dem Herrn Justizminister: es hat ja gar keinen Zweck; was nützt die Wiedereinführung der Todesstrafe. wenn. wie sie mit dem Herrn Justizminister glauben und wie auch viele Kolleginnen und Kollegen hier glauben, die Statistik exakt und nicht widerlegbar nachweise, daß die Wiedereinführung der Todesstrafe an der Zahl der Fälle absolut nichts zu ändern vermöge. Mit anderen Worten: sie verneinen die Wirkung der Abschreckung.

    (Zurufe von der SPD: Jawohl!)

    Das sind die Gründe, die meine anderen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion bewegen, diesen Anträgen nicht zuzustimmen.
    Ich selbst möchte noch eins dazu sagen. Gerade diese Erörterungen, die man manchmal hört, daß man vielleicht einen Unterschied in der Art der Beweisführung in einem Mordprozeß machen und darauf abstellen müßte, ob ein direkter Beweis oder nur ein Indizienbeweis vorläge und. je nachdem, wie es sei. man niemals bei Vorliegen nur eines Indizienbeweises zu einem Todesurteil kommen könnte. diese Theorien lehne ich ah, weil sie nicht rechtssystematisch sind. weil sie auch nicht eigentlich passen. Wir würden dann in einem wesentlichen Punkt. Herr Kollege Wagner, nämlich in einer wesentlichen Art der Beweisführung. dem Indizienbeweis eine ganz besondere Ausnahmestellung gehen. Man könnte darüber im Rechtsausschuß ernsthaft debattieren. Es gibt Für und Wider. Aber ich persönlich habe mir mit einigen
    Freunden zusammen Gedanken darüber gemacht. Ich persönlich würde vielmehr, wenn wir, was ja lange noch nicht sicher steht, da hier noch eine verfassungändernde Mehrheit vorhanden sein muß, überhaupt auf derartige Einzelheiten eingehen wollen, die Lösung vorziehen, den § 13 des Strafgesetzbuches zu ändern und vielleicht einen Abs. 2 anzufügen — das ist meine These —, wonach die Todesstrafe immer nur dann vollzogen werden darf, wenn der Inhaber der Gnadengewalt das Urteil bestätigt hat; und wenn er es nicht bestätigen sollte,

    (Abg. Wagner: Das haben wir ja früher auch gehabt!)

    dann könnte sie in lebenslanges Zuchthaus umgewandelt werden. Das wäre eine gewisse Sicherung für die Fälle, in denen sich hinsichtlich der Art der Beweisführung, die zu diesem Urteil geführt hat, vielleicht Zweifel ergeben, ob sich nicht doch, da alles menschliche Erkenntnisvermögen nun einmal unvollständig und unvollkommen ist, vielleicht eine Lücke eingeschlichen haben könnte, was dann auf diesem Umweg später repariert werden könnte.
    Das ist das, was ich im Namen meiner Fraktion zu dem heute anstehenden Problem sagen wollte. Wir werden also für die Überweisung an den Rechtsausschuß stimmen, d. h. diejenigen, die den Anträgen zustimmen. Wie sich die anderen Damen und Herren entscheiden werden, weiß ich nicht; das werden wir dann sehen.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort an den Herrn Bundesjustizminister. Ich kann mir den Respekt vor der Äußerung des persönlichen Bekennermutes des Herrn Ministers nicht versagen. Ich möchte dem aber eins hinzufügen, Herr Minister. Es genügt in der Politik nicht, abstrakte Ideale zu verkünden. Wenn Sie Ihre politische Praxis wirklich mit den Idealen Ihrer Jugend, die Sie heute hier vorgetragen haben, in Einklang bringen wollen, dann gibt es daraus nur eine Konsequenz, nämlich daß Sie heute noch diesem Hause Ihren Rücktritt aus der Regierung Adenauer mitteilen.

    (Lachen rechts. — Zuruf von der FDP: Witzbold! — Weitere Zurufe.)

    Meine Damen und Herren! In Art. 102 des Grundgesetzes ist die Abschaffung der Todesstrafe festgelegt. Der Beschluß ist seinerzeit mit einer großen Mehrheit gefaßt worden. Man muß also heute fragen, was die Urheber dieses neuen Vorstoßes für die Aufhebung des Art. 102 zu ihrem Schritt veranlaßt haben mag. Sie wissen doch genau, daß die Wiedereinführung der Todesstrafe verfassungsändernden Charakter hätte und daß Sie dazu eine Zweidrittelmehrheit dieses Hauses benötigen, von der Sie wissen, daß Sie sie nicht erhalten werden. Weshalb also diese Vorlage, und woher dieser plötzliche Gesinnungswandel?
    Die Antwort darauf ergibt sich wohl aus der Feststellung, wer diesen Antrag gestellt hat und zu welchem Zeitpunkt er hier unterbreitet wird. Der Antrag wird von einer Partei gestellt, die sich nicht scheut, ehemalige prominente Nazis an die Spitze ihrer Organisation zu stellen, die in Versammlungen den alten Nazistil wieder aufleben läßt und die Redner präsentiert, die sich mit Stolz


    (Fisch)

    auf ihre Vergangenheit in der glorreichen NSDAP berufen. Die Vorlage wird von der Partei des Bundeskanzlers unterstützt, deren Fraktionsvorstand am 4. September 1952 den Beschluß gefaßt hat, gleichfalls für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu plädieren; damit hat sie im Zeitraume der vergangenen drei Jahre wohl den erstaunlichsten Wechsel ihrer Gesinnung vollzogen.
    Noch wesentlicher aber für die Erklärung der Vorlage ist der Zeitpunkt, zu dem sie unterbreitet wird. Es ist der Zeitpunkt, zu dem die Regierung auf die Ratifizierung der Kriegsverträge drängt, der Zeitpunkt, zu dem sie die Stimmungsmache für die Annahme dieser Verträge zu ihrem dringlichsten Geschäft erhoben hat, der Zeitpunkt, zu dem die fremde Militärgerichtsbarkeit auf deutschem Boden zum Normalzustand erklärt werden soll. Es ist der Zeitpunkt, zu dem der Aufmarsch zu einem neuen Massenmorden eingeleitet wird.

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Zuruf von der CDU: Von wem?)

    In dieses Konzept hinein gehört die Propaganda für die Todesstrafe; sie ist ein Teil des Konzeptes der Organisatoren des Massenmordes.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Man braucht nicht lange bei den Vorwänden zu verweilen, die hier zur Begründung für die Wiedereinführung der Todesstrafe angeführt werden. Im März 1950 beriefen sich die Befürworter der Vorlage auf Moral und Recht, auf Gerechtigkeit und Sicherheit der menschlichen Gesellschaft. Nun, die christliche Moral war niemals ein fester Begriff; es gab eine Zeit, in der die Christen als Hochverräter gehängt, enthauptet und wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen wurden. Damals trat die Kirche und die christliche Moral gegen die Todesstrafe auf. Als dann aber später die Kirche zu einer festen, auch weltlichen Macht wurde, als es ihr darum ging, den kirchlichen Dogmen den Schein ewiger, allgemeingültiger Wahrheiten zu sichern, da wurde die Häresie zum Kapitalverbrechen erklärt,

    (Zuruf von der CDU: Unerhört!)

    da wurde das Töten, ja die scheußlichste Art des Tötens, zu einem Ausdruck christlicher Moral, als eine gottgewollte Tat im Dienste der christlichen Moral hingestellt.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Frechheit! Davon verstehen Sie nichts!)

    Seit damals ist die Todesstrafe wieder zu einem politischen Instrument geworden.

    (Abg. Eckstein: Was wissen Sie von Moral!)

    Ich kann es mir ersparen, auf die Prinzipien der Abschreckung, der Vergeltung usw. einzugehen, die hier zur Verteidigung der Wiedereinführung der Todesstrafe erwähnt wurden. Diese Arbeit hat der Herr Justizminister selber schon auf sich genommen. Fs gibt einen wahren Grund für die Wiedereinführung der Todesstrafe: Man will eine Anpassung, ja die Unterwerfung des Grundgesetzes unter die Wünsche fremder Militärs. Man will mit der Drohung der Todesstrafe alle jene Menschen einschüchtern, die gedenken, sich auf den Art. 4 des Grundgesetzes, auf das Recht der Kriegsdienstverweigerung zu berufen, ja man will, wie es ein Sprecher der Regierungskoalition. Herr Ewers, heute offen ausgesprochen hat, mit dem Mittel der Todesstrafe jede politische Opposition gegen den Kriegskurs der Adenauer-Regierung niederzwingen. Sonst würde man nicht heute schon die Begriffe des Hochverrats und des Landesverrats in die Liste der Begründungen künftiger Todesurteile einzuschmuggeln versuchen. Hier habe ich einen Artikel des Ministerialrats im Bundesfinanzministerium, des Herrn Dr. Vialon, vor mir liegen, in dem er zu dieser Frage erklärt:
    Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft hat die meisten Elemente eines echten Staatswesens, insbesondere eigene Souveränität und Rechtsetzungsbefugnis. Der Fahnenflüchtige wird durch ihre eigenen Gerichte zum Tode verurteilt.
    Das ist der Sinn dieser neuen Initiative für die Todesstrafe.

    (Glocke des Präsidenten.)

    Die Gerichte Ridgways sollen künftighin Todesurteile vollstrecken dürfen, die Gerichte des Massenmörders wehrloser Gefangener. Darum geht es. Dieses Recht will man auch gewissen deutschen Richtern einräumen. Dabei möchte ich sagen, daß sich in den letzten Wochen die Beispiele häufen, daß gewisse sich demokratisch nennende Richter —