Ich darf feststellen, meine Damen und Herren, daß jeder Einzelfall, der sich ereignet und der zu einem traurigen Ergebnis — Verwundung oder Tod — führt, nachgeprüft wird. Die Beamten sind angewiesen, von der Waffe nur in dringenden Fällen Gebrauch zu machen. Eine Anweisung, daß sie nie Gebrauch machen, kann den Beamten nicht gegeben werden;
und solange das besteht, besteht das Berufsrisiko des Schmugglers. Meine Damen und Herren, es handelt sich nicht um diejenigen, die ein halbes Pfund Kaffee gelegentlich bei einer Sonntagsfahrt mitnehmen; es handelt sich um diejenigen, die aus dem Schmuggel ein Gewerbe machen
und die Gelegenheit, die die Grenze bietet, dazu benutzen, um sich, sagen wir einmal, jeder ehrlichen Arbeit zu entziehen und in den Schmuggel hineinzugehen.
Meine Damen und Herren, ich stamme doch auch aus einer Gegend — aus dem Bayrischen Wald —, wo der Schmuggel jahrzehntelang daheim gewesen ist.
Das hat ja aufgehört, weil es die Schimmel nicht mehr gibt, die man früher aus Böhmen billig hat herüberbringen können. Mit der Moral hat das sehr wenig zu tun. Ich liebe meinen bayrischen Wald; aber seine Moral war genau so hochstehend in der Zeit, als geschmuggelt wurde, wie in der Zeit heute, in der nicht geschmuggelt wird. Also man soll nicht darüber klagen, daß, wenn es eine Gelegenheit gibt, Schimmel zu paschen — um bei meiner Heimat zu bleiben —, der Staat gewissermaßen die arme Bevölkerung in die Versuchung führe oder schuld daran sei, daß sie moralisch leide. Das
war damals nicht der Fall und ist heute nicht der Fall. Wer an der Grenze ehrlich sein Brot durch Arbeit verdienen will, verdient es heute noch, und wer lieber den Weg des Schmugglers geht, der geht den Weg auf Grund seiner Moral und nicht der Moral des Staates. So liegen doch die Dinge!
Ich halte es auch für falsch, wenn man in einer Romantik für den Schmuggler Stellung nimmt, genau wie ich es immer für falsch gehalten habe, wenn man in Bauernstücken, wie in meiner bayrischen Heimat, den Wilderer als den strahlenden Siegfried und den Jäger immer als den düsteren Hagen hingestellt hat. Auch das ist falsch gewesen. Deswegen sage ich: wir sollten auch im Parlament uns davor hüten, die Dinge anders zu sehen, als sie sind. Sie können von der Bundesregierung und von mir verlangen, daß ich den Beamten die Anweisung gebe, Menschenleben möglichst zu schonen; meine Herren, Sie finden meinen Beifall, wenn Sie die Anregung geben. Sie können von mir verlangen, daß ich den Beamten die Anweisung gebe, klug und vorsichtig vorzugehen und beim Schmuggel zwischen den Bagatellfällen und der verbrecherischen Handhabung zu unterscheiden; Sie haben meine volle Zustimmung. Aber Sie können nicht im Parlament und nicht vor der deutschen Öffentlichkeit in einer, sagen wir einmal, gewissen Romantik die Gefahr des Schmuggels abbiegen und verschönen, und ich würde es vor allen Dingen — mit allen Kräften auch in den Grenzdörfern, wo man es mit Moral zu tun und über die Moral der Bevölkerung zu wachen hat — für falsch halten, wenn Sie, um die Sympathie Ihrer Gemeinde zu gewinnen, den Schmuggler verherrlichen und den Staat als denjenigen hinstellen, der an allem Übel schuld sei.
— Ich weiß, an wen ich denke.
Die Hauptsache ist, daß wir uns einmal richtig miteinander verstehen. Ich habe fast das Gefühl, als ob die Debatte heute das Bild gäbe: „Die Gutwilligen sitzen hier unten, und die Böswilligen sitzen hier oben!
Es wäre doch so schön; und warum soll man denn der deutschen Frau nicht den billigen Bohnenkaffee gönnen?
Warum ist die Regierung so unwillig und so unvernünftig, das zu verweigern?"
Zunächst einmal eine Frage: Will denn die deutsche Hausfrau eine gesenkte Steuer, oder will sie einen gesenkten Preis für Kaffee? Das ist doch die Frage. Glauben Sie denn, daß eine Steuersenkung und eine Preissenkung selbstverständlich immer identisch seien? Ich erinnere an etwas. Ich habe im Jahre 1949/50, in glücklicheren Zeiten, Senkungen beim Bier durchführen können. Beim Bier lagen die Verhältnisse viel günstiger, weil es damals noch die gesetzlichen Vorschriften gegeben hat, um über die Preisbehörden auf eine Preissteigerung hemmend einzuwirken. Ich habe damals verlangt, daß die Steuersenkung für Bier nur vorgenommen wird, wenn sich die Brauereien gleichzeitig verpflichten, eine Preissenkung beim Bier durchzuführen. Das ist damals geschehen. Die Steuersenkung
besteht heute noch; der gesenkte Bierpreis besteht nicht mehr.
Also, meine Damen und Herren, selbst unter diesen, ich muß sagen: günstigeren Verhältnissen
war es nicht gelungen, durch die Steuersenkung eine dauernde Preissenkung zu erreichen.
— Wenn ich von 10 auf 5 gehe, dann sagt mir der Kaffeegroßhandel selbst — bitte, meine Damen und Herren, Sie haben die Druckschrift ebenfalls erhalten —, das sei völlig ungenügend, und der Kaffeegroßhandel sei damit gar nicht einverstanden, damit werde das Ziel nicht erreicht; entweder müßte auf 3 gesenkt werden, oder man solle es bleiben lassen! So zu lesen in den Denkschriften, die ich vom Kaffeegroßhandel erhalten habe!
Ich kann heute vielleicht ein Versprechen von den Verbänden erhalten, daß der Preis entsprechend der Steuersenkung heruntergesetzt wird. Nachdem wir aber hier freie Preisbildung erhalten haben, habe ich zunächst noch keine Garantie dafür, daß es auch dabei bleibt.
Ich mache darauf aufmerksam, daß ich schon immer einen anderen Vorschlag gemacht habe. Ich habe gesagt: bei dem jetzigen System der Preisberechnung haben wir ja den Nachteil, daß die Steuer, weil sie bereits bei der ersten Stufe, bei der Einfuhr, bezahlt wird, in den Spannen mitgerechnet wird. Ich will der deutschen Hausfrau nun eine Freude machen und hänge die Steuer hinten an.
Dann wird die Steuer zum mindesten in den Spannen, wo sie zuerst mitgerechnet wurde, verschwinden. Das heißt, ich führe eine Banderolensteuer ein. Sie ist in Berlin eingeführt, ist also nach meiner Überzeugung technisch wohl möglich, wenn auch schwierig. Ich habe von allen Wirtschaftsverbänden den heftigsten Protest und die heftigsten Vorwürfe wegen dieses Gedankens einer Banderolensteuer erhalten, die es ermöglicht hätte, der Hausfrau einen niedrigeren Kaffeepreis zu geben, ohne daß man die Steuerfrage überhaupt hätte aufzuwerfen brauchen.
— Entschuldigen Sie! Es ist nun einmal so: Im Laufe der Zeit verlangt man infolgedessen Sicherheit für eine wirtschaftliche Folge, die wir wünschen. Dagegen aber müssen wir uns sichern, daß der Staat ein Opfer bringt, ohne daß die wirtschaftliche Folge, der wirtschaftliche Vorteil für die Hausfrau, auch dauernd gesichert ist. Das ist der eine Gesichtspunkt, auf den ich hinweise.
Der zweite Gesichtspunkt ist, einen Ausgleich durch Besteuerung der Coca-Cola- und sonstigen koffeinhaltigen Getränke zu schaffen. Der Grundgedanke ist richtig. Wenn man Kaffee besteuert, dann liegt es in der Natur der Dinge, daß man auch Kaffee-Essenzen besteuert, weil sie ja im Grundstoff, im Rohstoff, das gleiche sind. Aber ich kann mich hier eines Lächelns nicht enthalten; denn dieser Vorschlag ist mir nicht neu. Über diesen Vorschlag hat sich der Bundesfinanzmini-
ster, der mit Ihnen spricht, schon früher unterhalten. Damals hat er Ihre Gegenliebe nicht gefunden.
Ich freue mich zum Beispiel — um ein anderes Thema anzuschneiden —, wenn ich lese, wie gewisse Wirtschaftskreise heute sagen, wir sollten mehr Autobahnen bauen und infolgedessen für die Autobahn eine Benutzungsgebühr verlangen. Ich erinnere mich an Vorschläge früherer Zeit. Ich warte, bis mich das Parlament dazu zwingt, diese früheren Vorschläge wieder aufzunehmen.
Aber, meine Damen und Herren, nach dieser scherzhaften Abschweifung nur eine Bemerkung: Überschätzen Sie die Dinge nicht! Ich habe damals bei der Koffeinsteuer nachgerechnet, was sie im Ertrag bringen kann. Das sind jährlich einige wenige Millionen D-Mark. Es können auch heute, obwohl dieser Absatz ständig zunimmt, nur einige wenige Millionen D-Mark sein. Wir können nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die Kaffeesteuer, ob sie nun mit oder ohne unser Wollen entstanden ist, ob sie mit oder ohne unser Wollen in dieser Höhe entstanden ist, nun einmal ein Teil der Bundeseinnahmen geworden ist, und zwar ein sehr beträchtlicher Teil. Die Kaffeesteuer ist vom Jahre 1949 — in diesem Jahr machte sie 280 Millionen DM aus — von Jahr zu Jahr gestiegen bis auf heute eine halbe Milliarde.
Damit ist auch die Frage, ob der Kampf gegen den Schmuggel denn erfolgreich gewesen ist —5% oder 1% —, beantwortet. Meine Damen und Herren, die 5%, von denen man beim Schmuggel redet, sind ein Erfahrungsdurchschnitt durch Jahrzehnte, da man — von Kaffee ist dabei gar nicht die Rede — praktisch nur jeden zwanzigsten Schmuggler erwischt, also 5%. Früher hat man den geschmuggelten Kaffee mengenmäßig ungefähr auf 30 000 t geschätzt. Heute ist man im Handel der Meinung, es seien nur mehr 7 bis 8 000 t, die über die Grenze geschmuggelt würden. Meine Verwaltung ist der Meinung, daß diese Ziffer zu gering gegriffen ist. Aber selbst wenn statt 30 000 t heuer, sagen wir einmal, noch 15 000 t geschmuggelt würden, wäre der Schmuggel immerhin um die Hälfte zurückgedrängt. Sie können sich Zoll- und Steuersatz auf 15 000 t berechnen. Sie können sich berechnen, wieviel legale Händler an den 15 000 t wieder Verdienst und ihr Einkommen gewonnen haben und Umsatzsteuer bezahlen. Sie können sich infolgedessen ausrechnen, wie der Staat legal stärker und der illegale Gegner des Staates schwächer geworden ist. Also nutzlos war die Bekämpfung, die eingeführt worden ist, bestimmt nicht, auch finanziell nicht. Wenn ich die Sonderunternehmungen nehme, die in einzelnen Gegenden eingeführt worden sind, so haben die beschlagnahmten Waren allein immer das Dreifache dessen betragen, was die Gesamtkosten eines solchen Unternehmens ausmachten. Letzten Endes sind der Abschreckungszweck und der Zweck, die Staatsautorität wieder einmal zu zeigen, doch die Hauptsache.
Von diesem Gesichtspunkt aus darf ich also betonen: umsonst war es nicht. Aber der Betrag liegt nun einmal da. Selbst nach den Angaben des Kaffeegroßhandels ist bei einer Senkung auf 5 DM höchstens mit einer Konsumsteigerung von 20% zu rechnen. Das würde bedeuten, daß das Viertelpfund Kaffee, das heute 4,50 DM kostet, künftig im besten Falle auf 3,30 oder 3,50 DM heruntergeht. Auch das ist noch ein Preis, der den früheren Konsum in Deutschland unmöglich macht. Ich bitte doch nicht zu vergessen, daß der Weltmarktpreis allein gegenüber den Zeiten vor 1939 um das Sieben- und Achtfache gestiegen ist, daß also selbst bei einer niederen Steuer da, wo früher der Kaffee 11 oder 10,80 RM gekostet hat, er heute bei einer Steuer von 3 DM mit 41 DM zu bezahlen wäre. Infolgedessen ist an die früheren Verhältnisse gar nicht zu denken.
Es ist auch gar nicht daran zu denken, daß ich die Frage Brasilien damit lösen könnte. Denn im Preis sind der Costa-Rica-Kaffee — um einmal die eine Sorte zu nehmen — und der brasilianische Kaffee gleich. Wer um den gleichen Preis den Costa-Rica-Kaffee verschmäht und Brasil-Kaffee nimmt, na ja, — der weicht vom allgemeinen deutschen Geschmack etwas ab. Diese Verhältnisse sind nun einmal so. Auch die Frage Brasilien kann ich dadurch nicht lösen, weil die Konkurrenz des brasilianischen Kaffees gegenüber dem sogenannten "blauen" Kaffee, dem Costa-Rica-Kaffee, eben einfach nicht durchschlägt. Die Verhältnisse werden also bleiben, und ich würde bei einer Steuersenkung auf 3 DM, wie sie der Großhandel allein für wirksam hält, einen Ausfall von rund 200 Millionen DM in den Haushalt einzusetzen haben; bei einer Steuer von 5 DM würde ich einen Ausfall von rund 160 Millionen DM wenigstens einzusetzen haben.
Nun wird gefragt, was wird die Bundesregierung tun, wenn das Parlament diesen Antrag annimmt und die Bundesregierung ersucht, den Gesetzentwurf vorzulegen? Antwort: ich würde Ihnen einen Gesetzentwurf vorlegen. Ich kann diesen Gesetzentwurf nur gleichzeitig mit dem nächsten Haushaltsgesetz vorlegen. Sie werden in der Lage sein, gleichzeitig mit dem Haushaltsgesetz Beschluß darüber zu fassen, ob ein solcher Gesetzentwurf angenommen werden soll und ob dann der entsprechende Einnahmeposten im Haushalt zu streichen ist und ob, um die Abgleichung des Haushalts durchzuführen, ein Konsequenzgesetz anzunehmen ist, das den Ausfall wieder ausgleicht. Denn, meine Damen und Herren, ich kann es nicht genug betonen: die Meinung, daß die Finanzminister ständig über Reserven verfügten und daß es nur böser Wille sei, wenn sie sich gegen Ausgabenerhöhungen sperren, wäre grundsätzlich und in heutigen Zeiten auch bis ins Tiefste hinein sachlich völlig falsch. Ich habe neulich auf einer Pressekonferenz gesagt, der Haushalt, den ich jetzt für das Jahr 1952 vorlege, ist in seinen Grundzügen noch gesund, enthält aber keinen Pfennig Reserven.
Ich bitte mir das zu glauben, daß ich diese Überzeugung wenigstens habe, und ich bitte mir zu glauben, daß ich aus dieser Überzeugung handeln muß.
Ich habe vor wenigen Tagen einen Brief gelesen — schade, daß ich ihn nicht hier habe, den ein preußischer Ministerpräsident an den preußischen Finanzminister geschrieben hat und in dem er davon spricht, daß das deutsche Volk leider Gottes in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten zu einer solchen Unselbständigkeit geraten sei, daß es den eigentlichen Sinn der Demokratie, die Verantwortung für das Ganze, nicht zu entwickeln vermöge. Das zeige sich gerade in finanziellen Fragen. Die Verantwortung für das Ganze zeige sich darin, daß man nicht bloß das Angenehme,
nämlich die Bewilligung der Ausgaben, übernehme, sondern auch die sittliche Verantwortung dafür, um des Volksganzen willen die Finanzen in Ordnung zu halten und den Ausgleich zu finden. Der Mann, der das geschrieben hat, hat Bismarck geheißen. Der, an den er es geschrieben hat, hat Camphausen geheißen. Der Brief war im Jahre 1869 geschrieben worden.
In der Zwischenzeit sind viele neue Geldtheorien erfunden und von den Verhältnissen widerlegt worden; aber die sittliche Frage der Demokratie, die Frage des Verantwortungsbewußtseins gegenüber dem Ganzen ist so alt wie die Demokratie selbst. Sie hat in der Zeit des Perikles und des Gerbermeisters Kleon genau dieselbe Rolle gespielt wie heute.
— In der Zeit Bismarcks? Bismarck ist doch letzten Endes der Mann gewesen, der dem deutschen Volk als erster die gleichen, allgemeinen und geheimen Wahlen gegeben hat.
Irgendeinen demokratischen Zug muß er auch gehabt haben.
Aber wir wollen uns ja nicht über Bismarck unterhalten, sondern wir wollen bei der Kaffeesteuer von heute bleiben.
Meine Damen und Herren, ich möchte schließen. Wenn der Bundestag den Antrag annimmt, die Bundesregierung zu ersuchen, den Gesetzentwurf vorzulegen, dann wird die Bundesregierung — ich werde es ihr vorschlagen — Ihnen den Gesetzentwurf vorlegen, aber gleichzeitig mit dem Haushaltsgesetz für das Jahr 1953/54, damit Sie Gelegenheit haben, bei der Haushaltsaufstellung das Pro und das Kontra, die Erleichterung und die Notwendigkeit der Deckung, in einem Ganzen, in einer Verantwortung zu übernehmen.