Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Gesetz zu, aber nicht ohne Bedenken. Wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist, wird die Zulassung zum Güterfernverkehr sehr einschneidenden Beschränkungen unterworfen sein. Das ist ohne Frage ein tiefer Einbruch in den Grundsatz der Gewerbefreiheit, der im allgemeinen das heutige Recht noch beherrscht.
Wir wissen, daß der Grundsatz der Gewerbefreiheit, von einer liberalen Wirtschaftsordnung in Zeiten ausgeglichener Wirtschaftsabläufe proklamiert und mit Erfolg durchgeführt, in Krisenzeiten, in denen wir heute immer noch leben, nur mit erheblichen Einschränkungen vertreten werden kann. Doch bedeutet dieses Gesetz — und es gilt, das zu erkennen — einen ganz besonderen Einschnitt. Zum ersten Mal seit dem Beginn der Diskussion in diesem Hause über die Frage, ob Gewerbefreiheit oder nicht, ob Befähigungsnachweis oder nicht, schickt sich der Gesetzgeber hier an, für einen sehr bedeutenden Zweig der deutschen Volkswirtschaft die fachliche und die persönliche Zuverlässigkeit zur Voraussetzung für die Zulassung zum Gewerbe zu machen.
§ 8 dieses Gesetzes ist in dieser Beziehung besonders bedeutsam. Es heißt dort: Die Genehmigung kann nur erteilt werden, wenn der Unternehmer zuverlässig und fachlich geeignet ist und wenn zweitens die Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet ist. Der Unternehmer, der die Zulassung zum Gewerbe verlangt, kann also zurückgewiesen werden, wenn seine fachlichen Voraussetzungen nach Meinung der Behörde nicht gegeben sind, wenn er die finanzielle Leistungskraft seines Betriebes nicht nachgewiesen hat. Man muß zuge-
ben, daß das sehr weitgehende und einschneidende Maßnahmen sind. Ich sage nicht zuviel, wenn ich ausspreche, daß die Anwendung dieser Bestimmungen uns in Zukunft noch große Sorge bereiten wird. Dem Gesetzgeber, der die Voraussetzung der fachlichen Zuverlässigkeit näher dargetan hat, ist es z. B. nicht gelungen, nähere Angaben über die persönliche Zuverlässigkeit zu machen, eine Definition des Begriffs der persönlichen Zuverlässigkeit zu geben. Wir sind darauf angewiesen, daß die zuständigen Behörden, nämlich die Landesverkehrsverwaltungen, die persönlich zuverlässigen von den persönlich nicht zuverlässigen trennen. Fürwahr ein Schritt, den man erkennen muß, wenn man ihn tun will, so unausweichlich er im gegenwärtigen Augenblick auch sein mag.
Daß nicht nur die Leistungsfähigkeit des Betriebes in technischer Beziehung, sondern auch in finanzieller Beziehung geprüft werden soll, ist eine Bestimmung, die nur aus der gegenwärtigen bedenklichen Lage des Güterfernverkehrs im allgemeinen überhaupt zu erklären ist. Wir haben es im allgemeinen abgelehnt, die Zulassung zu irgendeinem Berufszweig davon abhängig zu machen, daß der Bewerber uns nachweist, er verfügt über die notwendigen Mittel. Zuzugeben ist hier, daß wir, wenn wir überhaupt wieder Ordnung in den völlig chaotischen Zustand unseres Straßenverkehrsgewerbes bringen oder, um es präziser zu sagen, den bereits erreichten Ordnungsgrad nicht wieder zerstören wollen, es nicht zulassen können, daß beliebig Leute, die nicht im Besitz der Mittel sind, die notwendig sind, um den Gewerbebetrieb auch dauernd durchzuführen, in diesem Gewerbe verbleiben. Immerhin muß man zugeben, daß die Diskussion über die Gewerbefreiheit für die Zukunft durch diese Bestimmung in erheblichem Maße präjudiziert wird.
Die Frage des Befähigungsnachweises in anderen Gewerbezweigen wird unter dem Gesichtspunkt dieses Gesetzes, das wir heute beschließen, natürlich besondere Aspekte erlangen. Wir tun in der Tat einen Schritt weiter zum allgemeinen Befähigungsnachweis.
Meine Damen und Herren, nicht weniger einschneidend ist der Teil des Gesetzes, der sich mit der öffentlichen Tarifordnung des Güterfernverkehrs befaßt. Es ist inzwischen uns allen eigentlich selbstverständlich geworden, daß der Unternehmer im Güterfernverkehr nicht mehr berechtigt ist, die Entgelte für seine gewerbliche Leistung, also seine Beförderungstarife, selbst zu bestimmen. Der Preis als Regler von Angebot und Nachfrage ist aus diesem Teil unseres Wirtschaftslebens entfernt worden. Die Tarife — so bestimmt § 19 des Gesetzentwurfs — werden vom Bundesministerium für Verkehr festgesetzt. Nun hat schon die Erfahrung der Vergangenheit gezeigt, und ein so erfahrener Fachmann wie der Herr Berichterstatter hat es Ihnen gesagt, daß die behördliche Festsetzung von Preisen gerade auf dem Gebiet des Güterfernverkehrs schon zu erheblichen Unzuträglichkeiten geführt hat. Zahlreiche Unternehmer des Güterfernverkehrs haben die amtlichen Tarife unterboten. Unter Aufwendung des ganzen staatlichen Zwanges mußten sie gezwungen werden, höhere Entgelte für ihre gewerbliche Leistung zu verlangen, als sie nach ihrer eigenen Berechnung zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes benötigten. Das ist in der Tat ein seltsamer Zustand. Ich muß Ihnen sagen: es ist eine meiner unerfreulichsten Aufgaben als Abgeordneter , gewesen, gewerblichen Fernverkehrsunternehmen, zu denen die Behörde gekommen war, um von ihnen eine Nachberechnung des nichterhobenen Teils des Entgelts zu verlangen, klarzumachen, daß der Gesetzgeber darauf bestehen mußte, daß sie von ihren Kunden mehr verlangten, als sie eigentlich selbst zu haben wünschten.
Aus einem wirtschaftlich bedrohten Landesteil der Bundesrepublik ist sogar geradezu der Wunsch an uns herangetragen worden, diese Unterbietungen jedenfalls nicht über das bisherige Maß hinaus zu erschweren. Besonders ein Teil des Gewerbes in diesem Landesteil beruhe geradezu darauf, daß man nicht auf die teuren Tarife der Bundesbahn, sondern auf Unterbietungen durch den gewerblichen Fernverkehr angewiesen sei.
Das alles soll aber jetzt definitiv ein Ende haben und wird es haben. Eine straffe Organisation, in der die Vertreter des Güterfernverkehrs selbst das Recht haben, bei der Bestimmung der Tarife und bei der Überwachung mitzuwirken, wird dafür sorgen, daß in Zukunft nicht mehr die Leistungskraft einzelner besonders qualifizierter oder glücklich gelagerter Unternehmer, sondern der allgemeine Durchschnitt den Preis der Leistung bestimmt. Wenn wir dem Gesetz zustimmen, so muß natürlich besonders hierauf hingewiesen werden. Gewiß haben die Schwierigkeiten, die sich aus der Möglichkeit einer Unterbietung ergeben, in den letzten Monaten und im letzten halben Jahr infolge der gesteigerten Kosten des Güterfernverkehrs abgenommen. Sie können aber bei einer Veränderung dieser Kostenlage jederzeit wieder auftreten, z. B. dann, wenn die Bundesbahn ihre Tarife erhöht und nach der Automatik des Gesetzes dann gleichzeitig auch die Tarife des Güterfernverkehrsgewerbes erhöht werden.
Das Hauptbedenken liegt vielleicht noch nicht einmal darin, daß in diesem Falle einige Unternehmer gezwungen werden, mehr zu verdienen, als sie verdienen wollen und verdienen müssen — die Steuerbehörde sorgt schon dafür, daß ihnen ein namhafter Teil dieses Verdienstes wieder abgenommen wird —; das ernsthafte Bedenken liegt vielmehr darin, daß in Zukunft bei vielen Betrieben das scharfe Kalkulieren und Rationalisieren zur Minderung des sich aus dem Preiskampf sonst ergebenden Unkostenfaktors entfernt wird. Die Steigerung der Kosten ist bekanntlich ein typisches Merkmal vieler Kartelle, und man kann nicht bestreiten, daß es sich bei diesem Gesetz um eine kartellähnliche Regelung handelt. Dieses Ventil des Wirtschaftslebens, das der Kostensenkung, wird hier zweifellos durch das Gesetz entfernt.
Warum dann aber ein so einschneidendes, bestimmte Grundsätze unserer Wirtschaftsordnung verletzendes Gesetz? Die Antwort ist sehr einfach: Die ungeklärte Konkurrenzlage zur Bundesbahn zwingt zu einem Eingriff in den Wettbewerb zwischen Schiene und Straße. Wenn wir heute den Verkehr auf der Straße und seine Tarife völlig freigeben würden, so würde die Bundesbahn den stärksten Schädigungen ausgesetzt werden. Warum? Weil ein bestimmter Teil des Verkehrs von der Bundesbahn zu den billigeren Tarifen der Straße abwandern würde. Wiederum erkennbar ein starker Eingriff des Gesetzgebers in den natürlichen Wirtschaftsablauf; aber dieser Eingriff ist heute unvermeidlich, und deshalb müssen wir dem Gesetz zustimmen.
Warum unvermeidlich? Meine Damen und Herren, wir werden gewiß eines Tages auch den Wettbewerb zwischen Schiene und Straße auf echte
volkswirtschaftliche Grundlagen stellen müssen. Keine Volkswirtschaft, am allerwenigsten die arme deutsche Volkswirtschaft kann es sich leisten, auf diesen echten Wettbewerb zu verzichten. Stellt sich heraus, daß die Schiene auf bestimmten Gebieten des Verkehrslebens nicht mehr wirtschaftlich arbeitet, stellt sich heraus, daß der Lastkraftwagen die Funktion der Schiene besser und billiger übernehmen kann, so wäre es in der Tat volkswirtschaftlich nicht vertretbar, der Schiene weiterhin einen unnatürlichen Schutz angedeihen zu lassen. Wir wissen, daß andere Länder und Nachbarn Deutschlands im Begriffe sind, aus dieser Erwägung ernste Konsequenzen hinsichtlich ihrer eigenen Staatsbahnen zu ziehen.
Diese Seite des vor uns stehenden Problems, nämlich die Frage „Ist die Bundesbahn in ihrer gegenwärtigen Form noch rentabel oder ist der Straßenverkehr vielleicht rentabler?" wird in der Tat immer dringlicher. Es ist einer der Nachteile dieses Gesetzentwurfes, daß er es ermöglicht, die Lösung dieses dringenden Problems wieder einmal hinauszuschieben. Hier wird eine große Verantwortung für den Herrn Bundesminister für Verkehr begründet. Wir müssen endlich zur exakten Kostenfeststellung bei allen Verkehrsträgern kommen. Wir müssen wissen, ob die Bundesbahn noch rentabel arbeitet. Wir müssen wissen, ob der Lastkraftwagen wirklich, wie vielfach behauptet wird, in der Lage ist, volkswirtschaftlich billiger zu arbeiten.
Seit langem geht um diese Frage der Kampf zwischen den einzelnen Verkehrsträgern. Die Bundesbahn beschwert sich darüber, daß ihre Kostenrechnung mit Faktoren belastet ist, die mit ihrem Betrieb nichts zu tun haben, z. B. mit Flüchtlingspensionen, Zinsen für die Ausgleichsforderungen des Bundes, bestimmten ihr durch den Gesetzgeber, durch dieses Haus auferlegten sozialen Leistungen wie verbilligte Tarife für Kriegsbeschädigte, Arbeiter, Schüler usw. Sie behauptet ferner aber, daß der Lastwagen, ihre Konkurrenz also, die von ihm verursachten volkswirtschaftlichen Kosten nicht deckt. Sie behauptet, daß die durch den Lastkraftwagen verursachte Lasten, z. B. die Abnutzung der Straßen, sein Anteil an der Verkehrspolizei, die anderen Aufwendungen des Staates für den Verkehr usw. höher seien als die vom Verkehr geleisteten Beiträge.
Meine Damen und Herren, der Verkehr seinerseits ist in diesen Monaten auf der ganzen Linie zum Gegenangriff übergegangen. Er hat uns dargelegt, daß die Leistungen, welche der Verkehr in Gestalt der verschiedenen Steuern, Kraftfahrzeugsteuer, Abgaben für Mineralöl, Benzin usw. aufbringt, bei weitem höher seien als die vom Kraftwagen insgesamt verursachten Kosten. Wer. in diesem Streit recht hat, läßt sich heute nicht sagen. Die hierfür erforderlichen Untersuchungen sind noch nicht zum Abschluß gekommen. Aber es ist wirklich unerläßlich, daß sie unverzüglich zum Abschluß gebracht werden. Es ist ferner für die Zukunft unausweichlich, daß in der Tat die Abgaben, welche der Kraftwagen aufbringt, ausschließlich dem Kraftwagen zugute kommen. Wir wissen, daß in der Vergangenheit in nicht unerheblichem Umfang die auf dem Kraftwagen im weitesten Sinne ruhenden Lasten eine allgemeine Finanzeinnahme des Staates gewesen sind. Wenn aber der Gedanke einer organischen Steuerreform überhaupt einen Sinn hat, dann muß sie auch hier kostengerechte Verhältnisse schaffen. Der Verkehr als solcher ist
nach meiner Ansicht ein höchst ungeeigneter besonderer Steuerträger. Daß er Steuern und Abgaben aufbringen muß, ist selbstverständlich. Aber sie haben dazu zu dienen, diejenigen Leistungen des Staates zu ermöglichen, die dem Verkehr ihrerseits eine Existenzgrundlage schaffen.
Also Grundsatz: Alle vom Verkehr aufgebrachten Steuern müssen grundsätzlich dem Verkehr zugute gebracht werden. Das ist eine Frage, die der Herr Verkehrsminister seinerseits mit dem Herrn Finanzminister auszutragen hat. Das wird nicht leicht sein. Wir alle wissen, daß der Staat — der Bundesfinanzminister — auf jede Finanzquelle angewiesen ist und auch auf diese Finanzquelle nicht wird verzichten können. Aber wir wünschen, daß diese Auseinandersetzung mit allem Ernst in Angriff genommen wird. Wird sie nicht geführt, wird der Nachweis nicht erbracht, daß der Verkehr wirklich die von ihm aufgebrachten Beträge in Gestalt staatlicher Leistungen zurückerhält, dann werden wir uns einem ständigen und ununterbrochenen Vorwurf des Verkehrs aussetzen, und diesen Vorwurf kann der Gesetzgeber nicht ungestört hinnehmen.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe, diese
Unterlagen zu beschaffen, liegt beim Bundesverkehrsministerium. Wir wissen, daß das Verkehrsministerium diese Aufgaben in Angriff genommen hat. Es ist nicht sein Verschulden, daß sie noch nicht zum Abschluß gebracht werden konnten. Unsere Bitte, Herr Bundesverkehrsminister, geht allerdings dahin, diese Arbeiten im äußerst möglichen Umfang zu beschleunigen. Das chaotische Bild unserer Straßen, die ständig wachsenden, in die Milliarden gehenden Investitionsbeträge der beiden Verkehrsträger verlangen eine volkswirtschaftliche Klärung dieses Sachverhalts, damit der Gesetzgeber in der Lage ist, richtige Entscheidungen zu treffen.
Noch ein Wort über die Zusammensetzung der Bundesanstalt. Die Bundesanstalt ist eine Behörde. Sie hat einen Verwaltungsrat mit der Aufgabe, die am Verkehr selbst Beteiligten möglichst weitgehend an der Regelung des Güterfernverkehrs zu beteiligen. Von den 27 Mitgliedern des Verwaltungsrats werden allerdings nur 6 von der Arbeitsgemeinschaft des Güterfernverkehrs, also von den eigentlichen Betroffenen selbst gestellt. Man kann sich in der Tat fragen, ob diese Vertretung ausreichend ist. Wir werden von der Prüfung dieser Frage nicht dadurch entbunden, daß die Betroffenen eine nach meiner Auffassung unzulässige und jedenfalls nicht sehr zweckmäßige Form der Einflußnahme auf das Parlament gewählt haben. Es sind nur 6 von 27; aber in den Kreisen der Beteiligten wird nach meiner Auffassung übersehen, daß der Verwaltungsrat kein Parlament ist, in dem Stimmengruppen den Ausschlag geben. Er ist vielmehr ein Arbeitsgremium, in das der Güterfernverkehr so viele Vertreter entsenden muß, wie erforderlich ist, um alle Aspekte des Güterfernverkehrs ausreichend zur Diskussion zu stellen und zur Geltung zu bringen. Wenn man die Dinge unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, glaube ich, daß der Güterfernverkehr mit sechs Vertretern eine gute Vertretung im Verwaltungsrat entwickeln kann. Hoffentlich gelingt es ihm, sechs hervorragende Männer seines Berufsstandes zur Mitarbeit in diesem Gremium zu gewinnen. Sollte sich herausstellen, daß die Zahl von sechs nicht ausreichend ist, um alle wohlverstandenen Interessen und Sorgen des Güterfernverkehrs zu berücksichtigen, so muß und wird das
Gesetz in diesem Punkt einer Nachprüfung unterzogen werden.
Dem Verwaltungsrat sollen auch fünf Vertreter der Gewerkschaften angehören. Es schien uns allerdings nicht Aufgabe des Gesetzgebers zu sein, ausschließlich eine bestimmte Gewerkschaft zu bezeichnen und z. B. die Deutsche Angestelltengewerkschaft von der Beteiligung auszuschließen. Deshalb hat die CDU-Fraktion zur dritten Lesung den vorliegenden Änderungsantrag eingebracht.
Ich halte es als ein Mitglied des Verkehrsausschusses für meine Pflicht, dem Verkehrsminister und seiner Verwaltung für die ausgezeichnete Mitarbeit bei diesem schwierigen Gesetz zu danken. Aber, Herr Minister, der Gesetzgeber wird heute in dieser Sache seine Pflicht tun, — jetzt sind S i e am Zuge!