Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da sich die Bundesregierung bisher noch nicht mit der Tarifreform der Bundespost beschäftigt hat, bin ich nicht in der Lage, heute Erklärungen für die Bundesregierung abzugeben. Ich kann hier lediglich die Auffassung des Herrn Ministers für das Post- und Fernmeldewesen vertreten. Wir sind allerdings der Auffassung, daß eine Gebührenerhöhung bei der gegen früher völlig veränderten Kostenstruktur, die in den letzten zwei Jahren — ich betone ausdrücklich: schon in den letzten zwei Jahren — eingetreten ist, unvermeidbar ist und daß sie in kürzester Zeit vom Bundesrat, der neben der Bundesregierung allein für die endgültige Entscheidung zuständig ist, verabschiedet werden muß, da die Bundespost weitere Verluste nicht ertragen kann. Wir rechnen allein bis zum Ende dieses Rechnungsjahres, also in etwas über einem halben Jahr, mit einem Verlust von 200 Millionen DM.
Es ist nun nicht so, daß 'wir das Geld etwa nur für Investitionen 'brauchen. Es 'ist gegenüber dem Jahre 1950 eine Verschlechterung der Gewinn- und Verlustrechnung um 400 Millionen DM eingetreten. Wie ist dies zustande gekommen? Lohn- und Gehaltserhöhungen 237 Millionen, Erhöhung der Versorgungsbezüge 49 Millionen, Erhöhung der Sozialbeiträge 13 Millionen,
Erhöhung der Trennungsentschädigung und Reisekosten 8 Millionen, im Jahre 1952 zu erwartende weitere Erhöhungen der Personalausgaben, die mit einiger Sicherheit schon zu übersehen sind, 77 Millionen, erhöhte Zinslasten infolge Steigens der Fremdfinanzierung 28 Millionen, Preiserhöhungen für Güter der gewerblichen Wirtschaft 60 Millionen und finanzielle Übernahme des Fehlbetrags der Senatsverwaltung Post- und Fernmeldewesen Berlin 50 Millionen. Das sind 522 Millionen. Darin sind keine Investitionen enthalten. Dazu kommt die Ablieferung an den Bund mit 173 Millionen, die wir immer treu und brav bezahlt haben — im Gegensatz zur Bundesbahn, 'woraus ich ihr gar keinen Vorwurf machen will, weil die Lage der Bundesbahn ja noch etwas schlechter ist als die unsrige, dann die anteilige Verzinsung der Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder, die uns der Finanzminister mit 22 Millionen DM aufgebürdet hat, und die Nichtverzinsung der eigenen Ausgleichsforderungen aus unserem 'Sparkassendienst mit 3 Millionen DM. Das sind rund 200 Millionen DM.
Ich will auf weitere Einzelheiten nicht eingehen. Ich wollte nur den Vorwurf 'zurückweisen, daß wir eine übermäßige Investitionspolitik treiben wollten. Wir müssen natürlich investieren. Wo bliebe denn die Fernmeldeindustrie, die zu 80 % von der Deutschen Bundespost lebt? Wo blieben die Zehntausende von Arbeitern? Die Fernmeldeindustrie, die ja zum Teil auch in Berlin ansässig ist, kann auch nicht exportieren ohne den Rückhalt an der Deutschen Bundespost. Darüber wird im Ausschuß noch einiges zu sagen sein.
Es ist nun auch nicht so, als ob wir jetzt wie der Blitz vom heiteren Himmel — verhältnismäßig kurz vor 'den Wahlen — mit einem Male mit unserer Vorlage hervorgetreten wären. Die Gebührenreform, die wir vorhaben, ist lediglich ein Nachholen dessen, was wir schon vor Jahresfrist hätten machen müssen. Wir haben unsere Absichten aus denselben staatspolitischen Gründen, die wohl jetzt die Antragsteller auch zu 'ihrem Antrag veranlaßt haben, immer wieder zurückgestellt. Lediglich die Paketgebühr ist vom 16. Oktober 1951 an in Anlehnung an die Tariferhöhung der Bundesbahn für Expreßgut heraufgesetzt worden. Dabei hat der Bundesrat uns auch noch die von uns gewünschte Erhöhung der Päckchengebühr abgelehnt. Wir haben damals schon gleich gesagt: Das nimmt kein gutes Ende.
Das Ende ist jetzt tatsächlich eingetreten.
Wir haben schon seinerzeit auf die finanzielle Situation warnend hingewiesen. Wir haben ferner im zuständigen Ausschuß dieses Hohen Hauses, dem Ausschuß für Post und Fernmeldewesen, vierteljährlich über die zunehmende Verschlechterung der finanziellen Lage Aufklärung gegeben, und der Ausschuß ist, wenn auch nicht durch förmlichen Beschluß, aber durch die Äußerungen der einzelnen Mitglieder, unserer Beweisführung damals beigetreten, daß bei den zur Zeit vorliegenden Gegebenheiten eine Gebührenerhöhung für uns nicht vermeidbar ist.
Ich komme auf die Anleihe und auf andere Vorschläge, die gemacht worden sind,
um uns aus der finanziellen Not zu helfen, noch zu
sprechen. Jetzt hat sich die finanzielle Lage der
Bundespost infolge der Erhöhung der Materialkosten und der Gehälter und Löhne, die ich vorhin schon skizziert habe, so verschärft, daß bald etwas geschehen muß. Wir können, auch um eine Anleihe zu erhalten, nur kreditwürdig bleiben, wenn wir
nicht mit Verlust arbeiten, und wir können auch solche Verluste, die durch Personalunkosten entstehen, nicht etwa auf eine Anleihe nehmen, selbst wenn wir eine solche Anleihe erhielten.
Auch der beim Bundeswirtschaftsministerium gebildete Preisrat sieht die Gebührenerhöhung für unerläßlich an. Er hat sich mit dem Projekt in zahlreichen Sitzungen, die die Sache sehr verzögert haben, eingehend befaßt und hat zu unseren Begründungen noch weiteres, wertvolles Material zur Stütze einer unbedingt notwendigen Gebührenerhöhung beigetragen. Die letzte, abschließende Beratung des Preisrates findet am nächsten Montag statt.
Auch der Industrie- und Handelstag hat sich grundsätzlich, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, für die Gebührenreform ausgesprochen. Seine Bedenken, mit denen er uns auf eine bessere Zukunft und eine Erhöhung der Einnahmen verweist, sind nicht stichhaltig. Auch wir würden selbstverständlich gern für Investitionen, nicht etwa für laufende Personalausgaben, für Investitionen, die im Interesse des Verkehrs und der Wirtschaft dringend notwendig sind und dauernde Anlagen darstellen, die Deckung auf dem Anleihemarkt oder vielmehr auf dem Anleiheweg — einen Anleihemarkt haben wir überhaupt nicht — suchen. Bisher waren aber unsere Bemühungen, zu langfristigen Anleihen zu kommen, auch mit Unterstützung des Industrie- und Handelstags vergeblich. Mit kurzfristigen Krediten ist uns aber in der heutigen Situation nicht mehr geholfen, da unser Fernsprechnetz — ich will nur beispielsweise kurz auf diesen Punkt eingehen — keine Reserven mehr hat und wir für den Fernverkehr in erster Linie Kabel und eine Modernisierung der Ämter brauchen. Beides sind Maßnahmen, die sich nicht so kurzfristig rentieren wie die Anschließung von Fernsprechern an schon vorhandene Leitungen.
Auch wir würden gern eine fühlbare finanzielle Entlastung auf anderen Gebieten in Anspruch nehmen. Aber ich glaube nicht, daß solche Pläne wie z. B. die Herabsetzung der Ablieferung an den Bund bei der angespannten Lage der Bundesfinanzen auch nur die geringste Aussicht auf Verwirklichung haben. Sie werden auf den unüberwindlichen Widerstand des Herrn Bundesfinanzministers und auch wohl Ihres Haushaltsausschusses stoßen.
Also mit solchen Vertröstungen ist uns nicht gedient.
In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf ein einziges kleines Beispiel hinweisen. Ich möchte an die Beratung in diesem Hohen Haus vom 13. Dezember 1951 erinnern. Da handelte es sich um folgendes: Obwohl der Postbetrieb in Berlin ein Zuschußbetrieb ist und uns, der Post der Bundesrepublik, jährlich 50 Millionen DM kostet, sind wir durch den Beschluß dieses Hohen Hauses vom 13. Dezember 1951, der trotz der Einwendungen des verstorbenen Abgeordneten Kohl auf Befürwortung durch den Herrn Abgeordneten Dr. Bucerius gefaßt wurde, gezwungen worden, auch von den Roheinnahmen in Berlin, die für uns ein Verlustgeschäft darstellen, zusätzlich noch 6 2/3 % an die Bundeskasse abzuliefern. Beides, die 50 Millionen
DM und die 6 2/3 % von den Berliner Roheinnahmen — das sind 140 Millionen DM; 6 % davon sind rund 10 Millionen —, sind also zusammen 60 Millionen DM. Das sind Belastungen für uns, die unsere Lage weiter verschlechtert haben.
Auch für das Sondervermögen der Post gilt der immer von dem Herrn Bundesfinanzminister mit Recht betonte Grundsatz: „Keine Ausgabe ohne Deckung". Diese Deckung brauchen wir eben. Gewiß, ich gebe zu, Gebührenerhöhungen, auch wenn sie mit Reformen und technischen Fortschritten verbunden sind, sind keine populären Maßnahmen. Das wissen wir auch. Das gilt für die Bundesbahn genau so wie für die Bundespost. Aber ich glaube doch, daß das von uns beigebrachte Material — das Ihnen ja noch nicht bekannt ist und auch nicht bekannt sein kann, weil die Bundesregierung noch nicht das letzte Wort darüber gesprochen hat —, wenn es im Ausschuß geprüft wird, so durchschlagend ist, daß sich auch das Hohe Haus zu der Auffassung bekennen wird. Um die Gebührenreform der Post ist nicht herumzukommen.
Für die Post, die sich ja auch nach der heutigen Rechtslage, die nicht erst durch das Postfinanz-gesetz geschaffen zu werden braucht, selbst erhalten muß und die auf allgemeine Steuermittel nicht zurückgreifen kann, handelt es sich um eine Lebensfrage. Eine solche Sache kann man nicht, wie schon mein Herr Vorredner sagte, a limine ablehnen. Sie bedarf der eingehenden Prüfung. Diese kann nur in dem zuständigen Ausschuß vorgenommen werden. Ich befürworte daher den von dem Herrn Abgeordneten Leonhard eingebrachten Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen.