Rede von
Jeanette
Wolff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es gibt in der deutschen Sprache ein wunderbares Dichterwort:
Ehret die Frauen,
Sie flechten und weben
Himmlische Rosen
Ins irdische Leben.
Ja, das kann man am heutigen Abend wirklich sagen.
Ich bin noch nicht lange Mitglied dieses Parlaments; ich weiß die Ehre zu würdigen. Aber ich habe immer gefunden, daß in allen Parlamenten, denen ich in den langen Jahren meiner politischen Tätigkeit angehört habe, die Frauen stets das Element waren, das vergleichend, ausgleichend und versöhnend gewirkt hat.
Ich möchte nun als Berlinerin zu den Anwürfen Stellung nehmen, die uns als Berlinern immer von einer Seite gemacht werden. Auch jetzt hat man dem Kollegen Schellenberg vorgeworfen, daß nur der sich durch den Antrag getroffen fühlen könne, der sein Amt nicht ordentlich verwaltet habe. Ich weiß nicht, bei uns in Westfalen hat man früher immer gesagt: man sucht keinen hinter der Hecke, man hat denn selber mal dahinter gelegen.
— Ja, warten Sie nur, es wird vielleicht etwas teurer. Ich kann verstehen, daß Sie aus Kavalierspflicht die Dame Ihrer Fraktion verteidigen, wenn das auch gar nicht notwendig ist; die kann das ganz allein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich Berlin nicht so aktiv in den Kampf um die Demokratie gestellt . und das verlorengegangene Vertrauen des Auslandes nach 1945 durch seine tapfere Haltung wiedergewonnen hätte, dann hätten wir im Bundesgebiet heute weder eine Bundesregierung noch ein Bundesparlament und auch keine wirksam gewordene Deutsche Partei.
Ich kann verstehen, wenn jemand eine gradlinige Halting hat. Aber wenn man einmal föderalistisch und das andere Mal zentralistisch ist, dann fragt man sich doch, ob das nicht eine Zweckmäßigkeitsangelegenheit ist.
Aber eins hätte ich doch gewünscht, nämlich, daß das so kampfbereite Fräulein Kollegin
in den schweren Zeiten von 1945 bis heute in Berlin ihre Aktivität für den Kampf gegen die Demokratie zur Verfügung gestellt hätte. Dann würde sie — —
— Für die Demokratie! Entschuldigen Sie bitte, es kann ja einem Menschen mal ein falscher Zungenschlag unterlaufen. Wir sind ja alle keine Päpste; fehlerlos sind wir nicht, und der liebe Herrgott sind wir auch nicht. Ich bitte das Hohe Haus, das zu entschuldigen. — Wenn man selber in diesem Kampf mitgewirkt hätte, würde man die Berliner mit etwas weniger Lautstärke dauernd kritisieren.
Ich kann sehr gut verstehen, wenn eine Mutter nur ein einziges Kind hat, dann hängt sie fanatisch an diesem Kind; sie präsentiert es bei jeder Gelegenheit. Und wenn es jahrelang dauert: sie sieht die Fehler dieses Kindes nicht, sie sieht nur seine Vorzüge. Deshalb kann ich die Kollegin Kalinke sehr gut verstehen. Sie sagt sich immer wieder: Ich habe nur dieses eine Kind,
mit dem ich eventuell meine Stellung in meiner Partei und woanders behaupten kann.
Aber ich möchte zur Sache — —
— Hören Sie zu!
— Sagen Sie das in Ihrer Fraktion, Ihre Dame möchte zur Sache reden!
— Chacun à son goût, sagt der Franzose; Sie werden mich wohl verstehen!
Ich habe mich, da ich Neuling bin, in die Reden der Frau Kalinke seit dem Tage, wo 1949 der Antrag aufgetaucht ist, vertieft. Da habe ich wunderbare Sätze gefunden. Sie spricht nämlich am 13. Dezember 1950 über den dunklen Flecken in der Geschichte der Sozialversicherung und davon, daß bereits zweimal
ein Hilfeschrei des Betriebsrats der RfA an sie herangekommen sei und sie sich deshalb bemüßigt gefühlt habe, in der Plenarsitzung am 13. Dezember folgendes anzuführen:
Es ist mir peinlich,
— also das steht fest, daß es auch noch Dinge gibt, die der Frau Kalinke peinlich sind —
daß ich so etwas hier von der Tribüne des
Hauses sagen muß. Aber es ist zur Ehrenret-
tung jener aufrechten Männer und Frauen
notwendig, die unter sehr turbulenten Verhältnissen in Berlin die Angestelltenversicherung verteidigt haben.
Dafür danke ich Ihnen, Frau Kalinke. Ich bitte Sie, in der Frage der Angestellten Berlins, die seit 1945 unter den schwierigsten Verhältnissen, frierend, in zerbombten Gebäuden, mit verklammten Händen, ohne Heizung und Fenster ihre Pflicht getan haben, um die Demokratie zu halten, und in turbulenten Verhältnissen gearbeitet haben, auch so zu verteidigen und auch so gerecht zu beurteilen. Das wäre unbedingt notwendig, wenn Sie Demokratin sein wollten.
Ich möchte zum Schluß folgendes sagen. Wir alle, die wir seit Jahren im Kampf um die Erhaltung der Demokratie gestanden und die wir in den schwersten Jahren von 1933 bis 1945 und auch noch später unsere Haut gegen einen unerbittlichen Feind zu Markte getragen haben, werden bemüht sein, die Demokratie zu erhalten und zu fördern. Wir werden auch gewillt sein, alles das, was in diese Entwicklung störend hineinkommt, abzuwehren mit all der Kraft,
die uns zur Verfügung steht.
Zum Schluß möchte ich noch sagen: die Kollegin Kalinke bemüht sich immer wieder aus irgendwelchen Gründen, die SPD und die KP in einen Topf zu werfen. Das tut uns nicht weh, Frau Kalinke. Aber eines möchte ich Ihnen sagen: ich weiß nicht, wo die Trennungslinie stärker ist, bei der SPD zur KP oder bei der DP zur KP; das müßte erst noch einmal untersucht werden!