Rede von
Dr.
Ernst
Schellenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Besprechung kommende Antrag betreffend Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wurde in seinen wesentlichen Teilen bei Erörterung von Fragen der Berlin-Hilfe eingebracht und sollte nach den Darlegungen der Frau Kollegin Kalinke den besonderen Interessen Berlins dienen. Beim Studium des Antrags ist jedoch festzustellen, daß dabei nicht Maßnahmen der Berlin-Hilfe im Vordergrund stehen, sondern organisatorisch-technische Fragen der Sozialversicherung, mit denen dieses Haus schon sehr häufig beschäftigt wurde.
Der Antrag behandelt unter Ziffer 1 zwei Fragen: erstens die Vorlage eines Errichtungsgesetzes für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits darauf hingewiesen, daß diese Frage vor den Ferien hier erörtert wurde, nicht nur einmal, sondern wiederholt. Sie wurde in der Fragestunde am 28. Mai behandelt, als Frau Abgeordnete Kalinke an den Herrn Bundesarbeitsminister die Frage richtete, wann nun ein solches Gesetz vorgelegt würde. Es wurde seitens des Ministers erklärt, mit der Vorlage dieses Gesetzes könne nicht vor den Sommerferien gerechnet werden. Ein weiteres Mal wurde die Angelegenheit — der Herr Bundesarbeitsminister hat kurz darauf hingewiesen — bei der Erörterung des Selbsverwaltungsgesetzes besprochen. Die Mehrheit des Hauses hatte am 26. Juni einen Antrag angenommen, in dem um die Vorlage eines Errichtungsgesetzes ersucht wurde.
Heute wird nun nach den Ferien genau die gleiche Angelegenheit ein drittes Mal diesem Hohen Haus unterbreitet. Nach Ansicht meiner Fraktion wird das Thema Errichtung einer Bundesversicherungsanstalt für Angestellte etwas stark strapaziert. Dies ist um so bemerkenswerter, als ein Errichtungsgesetz für die versicherten Angestellten keinerlei sozialpolitische Vorteile bringen kann.
Keine Rente würde dann anders berechnet werden,
und keine Rente würde auch nur schneller berechnet werden,
sondern das Gegenteil muß eintreten.
Wenn, wie es jetzt geschieht, die Rentenfestsetzung dezentralisiert bei den Landesversicherungsanstalten erfolgt, so geht dies zweifellos schneller, als wenn es nach Erlaß eines Errichtungsgesetzes durch eine zentrale Bundesversicherungsanstalt geschieht. Jedenfalls wird es für die Zeiten des Übergangs sehr erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen.
— Und Kosten, selbstverständlich, Herr Kollege. Die damit verbundenen Komplikationen sind wohl auch der Grund, weshalb das Bundesarbeitsministerium die Angelegenheit nicht so schnell vorangetrieben hat, wie es von einem Teil des Hauses und insbesondere von Frau Kollegin Kalinke gewünscht wird.
— Herr Abgeordneter Horn, wir haben in Berlin die Rentenversicherung, wie Sie wissen, dezentralisiert durchgeführt. Was durch den Antrag bezweckt wird, ist eine zentralisierte Durchführung der Angestelltenversicherung durch eine Stelle des Bundesgebietes. Wir glauben, daß das eine Komplizierung gegenüber der bisherigen Lage bringt.
Die zweite Frage von Ziffer 1 des Antrages bezieht sich auf die Treuhandverwaltung über die Restanstalt der Reichsversicherung für Angestellte. Es wird beantragt, bis zur Errichtung der Bundesanstalt die Restanstalt in die Treuhandschaft der Bundesregierung zu legen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits darauf hingewiesen, daß dies dem Übereinkommen, das auf Ratschlag der Alliierten zwischen der Bundesregierung und dem Senat Berlin geschlossen wurde, widersprechen würde. Das Übereinkommen ist dem Hohen Haus bekannt. Es besteht, nachdem die Treuhandverwaltung seit Ablösung des Custodian und Übertragung in deutsche Hände gut funktioniert - das wird in diesem Hause wohl niemand bestreiten —, nicht der geringste Anlaß, diese Verwaltung heute zu ändern, zumal sie nach der gemeinsamen Auffassung dieses Hauses möglichst bald beendet werden soll.
Hinzu kommt, daß nach dem Übereinkommen zwischen der Bundesregierung und dem Senat von Berlin ein Treuhänderausschuß an der Durchführung der Verwaltung beteiligt werden soll, und zwar unter Beteiligung der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und der Versicherungsträger. Es ist zu bedauern, daß dieser Treuhänderausschuß bisher keine sehr rege Tätigkeit entfaltet hat.
Ich wäre sehr dankbar gewesen, wenn sich der Herr Bundesarbeitsminister in seinen Darlegungen zur Tätigkeit dieses Treuhänderausschusses, der die Selbstverwaltung der Sozialversicherung repräsentieren soll, geäußert hätte. Auf keinen Fall sollte aber durch die Neuregelung der Treuhänderausschuß nunmehr etwa kaltgestellt werden; denn gerade bei Vorlage des Rechnungsabschlusses wird dieser Treuhänderausschuß als Ausdruck der Selbstverwaltung eine bedeutsame Funktion erfüllen müssen. Meine Fraktion kann deshalb einer
Änderung des Verfahrens bezüglich der Treuhandverwaltung nicht zustimmen..
Heute wurde uns nun eine Neufassung des Antrages vorgelegt, die das lebhafte Erstaunen meiner Fraktion hervorruft. Es wurde nämlich beantragt — der Herr Bundesarbeitsminister hat kurz dazu Stellung genommen —, die Bundesregierung möge die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Vermögen der, Reichsversicherungsanstalt für Angestellte bis zur Errichtung der Selbstverwaltung sicherzustellen. Frau Abg. Kalinke hat eine Begründung zu diesen Fragen unter ihrer Betrachtungsweise gegeben. Sie hat aber nicht darauf hingewiesen, daß es die Landesversicherungsanstalten waren, die nach dem Zusammenbruch — also in einer Zeit, in der es unmöglich war, die Angestelltenversicherung in Deutschland von zentraler Stelle aus durchzuführen — die Interessen der versicherten Angestelltenschaft wahrgenommen haben,
die die Renten festgesetzt, die Heilverfahren durchgeführt und die alles Erforderliche zur Sicherung der Rechte der Angestelltenversicherung unternommen haben.
Als Antwort auf diese verantwortungsbewußte Arbeit, die unter schwersten Bedingungen durchgeführt wurde, fordert nun Frau Kollegin Kalinke die Sicherstellung des Vermögens der Angestelltenversicherung. Frau Kollegin Kalinke, Sie kommen auch damit ein wenig zu spät.
Es wäre vielleicht in den Jahren 1945 und 1946 notwendig gewesen,
Vermögenswerte sicherzustellen, und nicht jetzt sieben Jahre nachher, nachdem das Selbstverwaltungsgesetz erlassen und die Selbstverwaltung auch der Angestelltenversicherung vom Gesetzgeber sichergestellt ist. Meine Fraktion hält das beantragte Verfahren zur Sicherstellung der Vermögenswerte für eine Diffamierung all derer, die in den letzten Jahren im Interesses der Angestelltenversicherung gearbeitet haben.
Wir müssen deshalb diesen Antrag zurückweisen.
Im übrigen ist auch das beantragte Verfahren praktisch überhaupt undurchführbar. Es wird beispielsweise im letzten Absatz unter c) beantragt, an Vermögensstücken, so des Inventars, keine Veränderungen vorzunehmen. Das bedeutet doch praktisch eine Lahmlegung der laufenden Führung der Geschäfte, die auch im Interesse der versicherten Angestellten nicht verantwortet werden kann.
Meine Fraktion muß den Antrag ablehnen, weil er nicht den Interessen der Angestellten dient.