Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 111. Sitzung vor etwa eineinhalb Jahren einstimmig beschlossen, daß die Regierung dem Bundestag ein Gesetz über die Altersversorgung des Deutschen Handwerks vorlegen soll. Daß diese Vorlage so lange gedauert hat, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß selbst in den Handwerkerkreisen sehr große Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung einer Altersversorgung bestanden haben.
Durch das Erscheinen dieser Vorlage ist einem großen Teil des Handwerks der Wunsch erfüllt worden, eine neue Ordnung und eine neue Rechtsgrundlage für die Altersversorgung des Deutschen Handwerks zu schaffen. Ob alle Wünsche und alle Forderungen, die das Handwerk aufgestellt hat, erfüllt werden können, möchte ich bezweifeln. Das werden wir erst nach den Ausschußberatungen feststellen können, die wir gründlich durchführen müssen, um zu einer befriedigenden Regelung zu kommen.
Über das soziale Schutzbedürfnis des Deutschen Handwerks besteht, glaube ich, hier im ganzen Hause keine Meinungsverschiedenheit. Meinungsverschiedenheit dürfte nur über das „Wie" bestehen. Über das Wie bestehen auch unter der Handwerkerschaft selbst große Meinungsverschiedenheiten. Wir Sozialdemokraten sind bereit, eine befriedigende Lösung herbeizuführen. Wir werden im Ausschuß unsere Anträge stellen, um zu versuchen, mit diesem Gesetzentwurf zu einer wirklich befriedigenden Regelung zu kommen.
Nun hat das Handwerk eine Reihe von Forderungen aufgestellt. Ein Teil dieser Forderungen ist von der Regierung schon im Regierungsentwurf abgelehnt worden, weil zweifellos Forderungen aufgestellt worden sind, deren Erfüllung außerordentlich schwierig ist und über die erst in eingehenden Beratungen Klarheit geschaffen werden kann. Das ganze Problem ist schwierig. Dieser Gesetzentwurf knüpft an das während des „Dritten Reiches" im Jahre 1938 erlassene Gesetz an. Das Gesetz vom Jahre 1938 brachte keine echte Altersversorgung und keine befriedigende Lösung. Ich glaube auch, daß es den Gesetzgebern damals im „Dritten Reich" weniger auf die Altersversorgung des Deutschen Handwerks als vielmehr auf die Beiträge ankam, die man zur damaligen Zeit für bestimmte Zwecke notwendig brauchte.
Zu der in dieser Vorlage enthaltenen Wahlmöglichkeit für den einzelnen Handwerker, sich entweder in der Lebensversicherung oder in der An-
gestelltenversicherung zu versichern, möchte ich doch einige Bedenken anmelden. Die Lebensversicherung ist nach meiner festen Überzeugung keine echte Altersversorgung.
— Die Lebensversicherung ist keine echte Altersversorgung, weil in dem Gesetz keine Bestimmung enthalten ist — nach dem jetzt bestehenden Rechtszustand kann jede Lebensversicherung bis zu 80 % der eingezahlten Beiträge beliehen werden —, nach der die Möglichkeit besteht, daß, wenn die Lebensversicherung beliehen ist, der Betreffende, wenn er 65 Jahre alt ist, einen Betrag herausbekommt, der ihm noch einigermaßen das Leben ermöglicht. Ob also hier die Möglichkeit besteht, eine geeignete Rechtsgrundlage zu finden, wird in den Ausschußverhandlungen zu prüfen sein.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß doch schon jetzt die Gefahr bestanden hat, daß die Leute nichts erhielten, und zwar durch die Währungsumstellung im Jahre 1948. Ich möchte hier also außerordentliche Bedenken anmelden und möchte sagen: die beste Versicherung auch für den Handwerker ist die Rentenversicherung. Das hat sich nach 1948 erwiesen, als die Umstellung 1 zu 1 stattfand. Alle diejenigen, die eine Rente bezogen, bekamen den vollen Betrag ohne Rücksicht auf die Währungsumstellung ausgezahlt.
Dem Wunsch der Handwerker, daß die Invalidenversicherung für diejenigen Handwerker, die früher in ihr versichert gewesen sind — und der größte Teil kommt ja aus der Invalidenversicherung — ebenfalls als Grundlage ihrer Versicherung anerkannt wird, hat die Regierungsvorlage nicht Rechnung getragen. Wir werden im Ausschuß feststellen müssen, warum das nicht geschehen ist, und wir werden dann die nötigen Schritte unternehmen, um zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, das doch noch in die Regierungsvorlage hineinzubringen.
Außerordentlich schwierige Probleme bilden die Forderungen, die heute in der Angestelltenversicherung gesetzlich verankerte Wartezeit von 15 Jahren für Handwerker auf 5 Jahre herabzusetzen und für Handwerker, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben, die Möglichkeit zu schaffen, die Beiträge für 10 zurückliegende Jahre nachzuzahlen. Diese Fragen können nicht ohne weiteres aus dem. Handgelenk mit Ja oder Nein beantwortet werden, sondern sie werden einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden müssen. Die Regierung selber hat in ihrer Begründung zur Gesetzesvorlage darauf hingewiesen, daß es eine Ausnahme wäre und die anderen in der Angestelltenversicherung Versicherten sich zweifellos gegen eine solche Ausnahmeregelung wenden würden. Wir haben ja auch eine Reihe von Briefen von Rentenversicherungsträgern, von der DAG bekommen, die sich gegen eine Sonderregelung wenden. Wir müssen versuchen, bei dieser Regelung beide Teile zu einer befriedigenden Lösung zusammenzuführen.
Bei der Beratung des Gesetzes in der 199. Sitzung am 19. März dieses Jahres habe ich darauf hingewiesen: es besteht die Gefahr, daß die guten Risiken, nämlich diejenigen, die über ein höheres Einkommen verfügen, in die Lebensversicherung gehen und die weniger guten Risiken — ich will nicht sagen: schlechten Risiken — in die Angestelltenversicherung übernommen werden müssen.
Der Herr Arbeitsminister hat vorhin mit Recht darauf hingewiesen, daß die Lebensversicherung die Möglichkeit hat, kranke Leute abzuweisen, während die Angestelltenversicherung alle diese Kreise aufnehmen muß. Das sind Fragen, die im Ausschuß eingehend beraten werden müssen.
Das Grundproblem bei allem ist: wer soll die Mittel aufbringen? Wer bezahlt die ungeheuren Beträge, die notwendig sind, um die Altersversorgung durchzuführen? Zweifellos ist das ein schwieriges Problem, weil nämlich der Handwerksmeister, der kleine Schneider oder Schuster usw., den gesamten Beitrag zu zahlen hat, also auch den Arbeitgeberbeitrag. Nach der Statistik ist erwiesen, daß ein erheblicher Prozentsatz in den unteren Klassen der Angestelltenversicherung versichert ist. Das heißt mit anderen Worten, daß sie, wenn sie invalide werden, nicht viel höher als über die Mindestrente hinauskommen werden. Das sind alles Probleme, die besprochen und gelöst werden müssen.
Was die Aufwertung der Lebensversicherung anbelangt, so möchte ich mich den Ausführungen des Kollegen Becker anschließen. Wir werden zu prüfen haben, ob die Möglichkeit besteht, die Aufwertung der Lebensversicherung für die Handwerker durchzuführen, nachdem damals eine gesetzliche Verpflichtung bestanden hat, entweder nach der einen oder andern Seite eine Versicherung abzuschließen.
Ich möchte meine Betrachtungen schließen, mich noch einmal auf meine Ausführungen berufen, die ich in der 199. Sitzung gemacht habe, und sagen, daß wir bei der Bedeutung, die das Deutsche Handwerk in unserer Volkswirtschaft einnimmt, alles tun werden, um eine befriedigende Lösung auch für die Altersversorgung des Deutschen Handwerks herbeizuführen.