Rede von
Dr.
Ludwig
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, daß wir uns in diesem Hause mit dem Problem der Wiedergutmachung, sei es in der Form der inneren Wiedergutmachung, sei es in der Form der speziellen Restitution, beschäftigen. Ich selbst habe ja auch schon verschiedentlich dazu Stellung genommen. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß das Unrecht, das der Nationalsozialismus angerichtet hat, unter allen Umständen wiedergutgemacht werden soll und muß. Wir sind deshalb mit der vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgelegten Drucksache Nr. 3583, die die Prinzipien darlegt, nach denen dieses Gesetz von der Bundesregierung gestaltet werden soll, 'durchaus einverstanden. Ich will die sehr heiße Frage, ob man hier moralische Wertungen in den Vordergrund stellen soll oder nicht, nicht mehr vertiefen. Ich würde mich persönlich lieber der Formulierung anschließen, die Herr Kollege Ewers eben vorgetragen hat; aber wir sind auch bereit, der andern Formulierung zuzustimmen, wobei wir natürlich den Einwand machen, den wir auch schon im Rechtsausschuß gemacht haben, daß nicht alles und jedes, was heute von dem einzelnen als Widerstand deklariert wird, von uns als solcher anerkannt wird, sondern daß es 'im jeweiligen einzelnen Fall der individuellen Prüfung des jeweils gegebenen Tatbestandes bedarf.
Diese Einschränkung möchte ich allerdings machen, damit es nicht so aussieht, als ob man alles über einen Kamm scheren könnte.
Aber ich muß einen materiellen Einwand machen, Herr Kollege Arndt, so leid es mir tut; ich bin von meiner Fraktion ausdrücklich dazu beauftragt. Sie gehen auch in Ihrem Entwurf davon aus, daß die materielle Wiedergutmachungsregelung für diejenigen, die Sie hier meinen, nämlich diese speziellen Opfer des nazistischen Regimes, aus der Gesamtregelung der Kriegsschäden insoweit herausgenommen werden müßte, als sie ein ganz besonders spezielles Unrecht erlitten haben, das durch eine Vollentschädigung, wenn ich einmal so sagen darf, wiedergutgemacht werden könnte. Meine Fraktion ist der Meinung, daß es sehr wünschenswert wäre, wenn das geschehen könnte. Sie ist aber des Glaubens, daß das leider nicht geschehen kann bei der Größe der Summen, die, wenn man die individuellen Ansprüche 'zusammenzieht, schließlich herauskommen müßten. Meine Fraktion Ist der Meinung, daß hier nicht grundsätzlich andere Entschädigungsvorstellungen Platz greifen können als für alle anderen Gruppen von 'Kriegsgeschädigten, die Sie ja auch erwähnt haben, nicht, weil wir meinten, daß hier nicht ein Sonderfall gegeben wäre, sondern weil wir der Auffassung sind, daß das andere einfach die Leistungskraft unseres Volkes übersteigen würde.
Insoweit möchte ich hier noch ein berichtigendes Wort sagen. Herr Kollege Arndt, Sie haben gesagt, wir hätten gar keine Staatsschulden durch den Währungsschnitt.
— Ich habe diesen Teil Ihrer Ausführungen nicht selbst gehört; natürlich nicht in diesem Sinne, wenn ich von den Staatsschulden absehe, die wir jetzt im Londoner Schuldenabkommen anerkannt haben. Aber wir haben ja auch im Innern Schulden, wenn auch nicht in der Gestalt der Anleihe; aber wenn Sie sich die Kriegsfolgelasten, die wir als Folge des Naziregimes und des Zusammenbruchs zu tragen haben und die beinahe an die 4 Milliarden herangehen — ich kenne die Zahl nicht ganz genau, aber in der Nähe dieser Summe liegt sie ungefähr —, kapitalisiert vorstellen, dann haben Sie gewissermaßen die innere Verschuldung in ihrer Größe, die schon heute infolge des Zusammenbruchs zu verzeichnen ist.
— Oder gar 7 Milliarden; ich kenne die Zahl nicht. Das braucht man sich nur. kapitalisiert vorzustellen, um zu wissen, was das für eine Schuldenlast ist. Denn das ist ja ein jährlich sich wiederholender Kostenfaktor, und es ist ganz genau so, als ob man eine Anleihe in ;gleicher Höhe aufgenommen hätte, die man jährlich verzinsen müßte.
Meine Fraktion ist also der Meinung, daß da andere Grundsätze Platz greifen müssen, Grundsätze, die einfach durch den Mangel an Möglichkeiten, wenn das Ganze nicht finanziell zusammen-
brechen soll, gezogen sind. Aber das sind Fragen der speziellen Einzelberatung, und ich bin deshalb auch der Meinung, daß Ihr Gesetzentwurf nicht allein an den Rechtsausschuß gehen sollte. Auch die Finanzierungsvorschläge, die Sie in den letzten Paragraphen Ihres Gesetzentwurfs machen, berühren sehr einschneidende Probleme, die unsere Währung unter Umständen sehr entscheidend tangieren, zumindest tangieren können. Deshalb bin ich der Meinung, daß neben dem Rechtsausschuß unter allen Umständen auch der zuständige Ausschuß — ich glaube, es ist der Ausschuß für Geld und Kredit — mitberatend tätig sein müßte. — Das zu dem ersten Teil der Drucksache Nr. 3583.
Nun komme ich zu dem zweiten Teil unter II. Auch da wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie an den Arbeiten beteiligt waren, wie schwierig es war, diese ganzen Dinge zu behandeln und einer tragbaren Lösung zuzuführen. Unser Antrag, den wir schon im Jahre 1950 oder gar 1949 — ich weiß es gar nicht mehr — gestellt hatten und der hier miterwähnt ist, ging von der Voraussetzung aus, daß es möglich sein müßte, diese prekäre Gesetzesmaterie in die deutsche Hand zu bekommen. Wir haben dann einsehen müssen, daß das damals nicht möglich war. Sie wissen ja — und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, Kollege Arndt hat es Ihnen auch schon ausdrücklich gesagt, es ist ja nun auch endlich so geblieben, leider, muß ich sagen —, daß auch jetzt noch diese Gesetzesmaterie nach den Prinzipien weiter gehandhabt werden soll, die uns in dem Besatzungsrecht auferlegt worden sind. Das einzige, was wir als Konzession bei den ganzen Verhandlungen erreicht ha- ben, ist, 'daß jetzt auch für die britische und amerikanische Zone nicht 'ein oberstes fremdbesetztes Gericht tätig ist, sondern ein gemischtes Schiedsgericht; und das ist ja auch nicht so ohne weiteres erreicht worden, auch dafür hat man bei den Verhandlungen noch ganz bestimmte Konzessionen machen müssen, die ich hier nicht im einzelnen darlegen will. Es ist wenig genug, was wir auf dem Gebiet erreicht haben. Denn die generelle Zwangsvermutung, wie sie die Besatzungsmächte aufgestellt haben, hat doch in der Praxis — das läßt sich gar nicht leugnen; diejenigen, die wie ich jahrelang täglich mit derartigen Dingen von Berufs wegen zu tun gehabt haben, wissen es genau — Tatbestande einfach heraufwachsen lassen, die man nach deutschen Rechtsbegriffen nicht mehr als Recht anerkennen kann, sondern die derartige Härtefälle darstellen, daß sie eben aus diesem Tatbestand heraus zu Unrecht werden. Ich will Einzelheiten da nicht anführen. Ich könnte eine ganze Reihe von solchen Tatbeständen aus Einzelfällen darlegen. Dazu reicht mir meine Zeit nicht.
Wir sind also der Meinung, daß da etwas geschehen muß, wenn schon nicht in der Gestalt, daß wir das gesetzliche Verfahren abändern können, dann in der Gestalt, wie sie der Ausschuß unter II C vorgeschlagen hat. Aber gerade gegen diesen Vorschlag haben wir entscheidende Bedenken und melden sie hier ausdrücklich an. Wir wollen den Antrag insgesamt annehmen, aber mit der Modifikation, die ich jetzt schon ausführe. Uns scheint nämlich, daß die Verklausulierung unter C 1, 2 und 3 viel zu weit geht, daß auch die Kumulierung viel zu weit geht, und wir lehnen es auch deshalb ab, weil wir der Meinung sind, daß hier wieder Vorstellungen dieses fremden Rechtes mitverarbeitet worden sind.
Wir wollen einfach — meine Fraktion hat es durch meinen Mund hier bei anderer Gelegenheit schon einmal vortragen lassen —, wenn ich mal ins Unreine sprechen darf, haben, daß in all den Fällen, wo auch nach deutschem Rechtsdenken ein wirklich gutgläubiger Erwerb — dieser Begriff müßte in den einzelnen Beratungen definiert werden — vorliegt, eine volle Entschädigung durch den Bund eintreten muß. Denn wir sind der Meinung: Wenn die Situation schon gegeben war, daß alle diejenigen, die heute rückerstattungsberechtigt sind, damals in einer Zwangslage handelten, dann hat diese Zwangslage nicht der einzelne verursacht, sondern der 'damalige Staat. Dia wir hier bei anderer Gelegenheit gesagt haben: wir sind das gleiche in einer anderen organisatorischen Form, nicht nur Rechtsnachfolger, sondern identisch, so ist es nicht mehr als recht und billig und rechtskonsequent, daß dieser Staat dann auch die Folgen trägt für das, was er in diesem speziellen Falle, wozu der einzelne nichts kann, angerichtet hat. Mit diesem Vorbehalt sind wir bereit, den Antrag Drucksache Nr. 3583 anzunehmen.
Ich brauche nun zu dem Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion im einzelnen nicht mehr Stellung zu nehmen. Die Prinzipien, die ich Ihnen dargelegt habe, gelten auch dort. Im Prinzip sind wir auch dort einverstanden.
President Dr. Ehlers: Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Müller.