Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 3583 behandelt zwei Probleme, die dadurch entstanden sind, daß der Nationalsozialismus auf weiten Gebieten den Boden von Recht und Gerechtigkeit verlassen hat, und will wenigstens zu einem Teil deren gerechte Ordnung wieder herbeiführen. Die im Eingang der Drucksache aufgeführten Anträge sollen diesem Zwecke dienen. Einmal behandeln sie -- dies ist der Antrag der SPD auf Vorlage eines Wiedergutmachungsgesetzes — das Entschädigungsproblem, die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus, und zum andern behandeln sie Probleme, die sich aus der Rückerstattung des noch feststellbaren Vermögens ergeben haben. Das sind zwei Sachgebiete, die zu scheiden sind, die in den Antragen aber
nicht immer geschieden wurden. Wiedergutmachung ist nach der heutigen Sprachregelung, die sich allgemein durchgesetzt hat, der Oberbegriff. Er umfaßt als Teilgebiete sowohl die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus wie auch die Rückerstattung. Das Rückerstattungsrecht ist nicht von deutscher Seite, von den deutschen Ländern geregelt, sondern durch die Besatzung erlassen worden. Ich werde darauf noch näher zu sprechen kommen.
Zunächst wende ich mich der Behandlung der Entschädigung zu, weil das eine Aufgabe ist, die den deutschen Parlamenten, insbesondere dem Deutschen Bundestag als eigene Aufgabe zusteht und deren Regelung zum mindesten in manchen Ländern allzulange hat auf sich warten lassen. In den Ausschußverhandlungen ist betont worden, daß es gut gewesen wäre, wenn der Grundgesetzgeber einen Art. 130 a in das Grundgesetz aufgenommen hätte, um damit auch die Regelung dieses Problems vor dem Problem der Wiedergutmachung bzw. Entschädigung derjenigen, die seinerzeit durch den Nationalsozialismus aus ihren Stellungen gekommen 'sind, herbeizuführen. Der Ausschuß hat sich insbesondere mit der Entschädigung sehr eingehend befaßt und es für notwendig gehalten, eine Reihe von Sachverständigen zu hören, die in diesen Fragen als besondere Experten angesehen wurden, so den Ministerialdirektor Küster in Stuttgart, den Regierungsdirektor Weißstein in Wiesbaden und schließlich auch den Leiter der Delegation im Haag, Herrn Professor Böhm. Ebenso sind auch Vertreter der Geschädigtenverbände gehört worden, und es ist auch mit der Konferenz der obersten Wiedergutmachungsbehörden in den Ländern Fühlung genommen worden.
In der amerikanischen und französischen Zone bestehen bereits seit einigen Jahren Entschädigungsgesetze, die allerdings — in dieser Hinsicht darf ich auf die Debatte in der 120. Sitzung vom 22. Februar 1951 verweisen, in der der Antrag der SPD an den Rechtsausschuß überwiesen worden ist — untereinander erheblich abweichen, insbesondere was Stichtage und Entschädigungshöchstbeträge angeht. Es erscheint schon aus diesem Grunde geboten, im gesamten Bundesgebiet eine gleichmäßige Ordnung herbeizuführen. Vor allem aber ist ein Eingreifen des Bundesgesetzgebers deshalb erforderlich, weil die britische Zone auf diesem Gebiet noch erheblich zurückliegt. Es bestehen dort lediglich Regelungen über Haftentschädigung und Körperschäden, aber noch keine Regelungen für die Entschädigung von Vermögensschäden und Existenzschäden.
Deshalb hatte sich der Ausschuß mit der Frage zu befassen, was angesichts dieser Lage zu tun sei. Ich betone: die Beratungen haben sehr lange gedauert. Dies ergab sich einmal aus der Schwierigkeit der Materie selbst und zum andern aus der Frage, wie die hier aufzuwendenden Mittel aufgebracht werden können. Damals bestand ja noch der § 48 der Geschäftsordnung. Von allen Fraktionen und allen an den Beratungen Beteiligten wurde die Verpflichtung zur Wiedergutmachung unbedingt anerkannt.
Eine Verzögerung ergab sich unter anderem dadurch, daß im Herbst des letzten Jahres bekannt wurde, daß in den Verhandlungen über das kommende Vertragswerk zur Ablösung des Besatzungsstatuts auch die Frage der Entschädigung angeschnitten wurde und die Alliierten insofern bestimmte Forderungen stellten. Des weiteren ergab sich eine Verzögerung daraus, daß in Verfolg der Erklärung der Bundesregierung vom letzten Herbst, in der sie grundsätzlich die Entschädigungspflicht anerkannt hatte, Verhandlungen in Den Haag aufgenommen wurden sowohl mit Israel wie auch mit den jüdischen Weltverbänden und daß auch diese im Wege der Verhandlungen gewonnenen Ergebnisse mit berücksichtigt werden mußten.
Die erste Frage, die der Ausschuß zu entscheiden hatte, war nun die, ob man ein eigenes Bundesentschädigungsgesetz schaffen wolle oder oh man sich darauf beschränken wolle, ein Bundesrahmen- und -ergänzungsgesetz zu schaffen. Der Ausschuß hat sich auf Grund der Auskünfte, die ihm die Sachverständigen gegeben haben, insbesondere auch angesichts der Lage, die dadurch geschaffen würde, daß sich voraussichtlich die Erledigung der Entschädigungsansprüche um Jahre verzögern würde, wenn ein neues Bundesgesetz geschaffen würde und dadurch die Ländergesetze nicht mehr ausgeführt würden, entschlossen, Ihnen vorzuschlagen, daß ein Bundesrahmen- und -ergänzungsgesetz geschaffen wird. Dadurch soll erreicht werden, daß die Entschädigung, die in einer Reihe von Ländern — wie ich bereits bemerkte, in der französischen und amerikanischen Besatzungszone — bereits angelaufen ist, auf der alten Grundlage fortgeführt wird und daß dann lediglich die Verbesserungen, die durch das Bundesrahmen- und -ergänzungsgesetz kommen sollen, in diese Entschädigung eingebaut werden. Deshalb lautet der erste Satz des Ausschußantrages unter I, Entschädigung:
Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialis-
mus durch ein Bundesergänzungs- und Rahmengesetz regelt.
Der Ausschuß hat es auch für notwendig gehalten, in etwa die Gesichtspunkte darzulegen, aus denen heraus er eine derartige gesetzliche Regelung für notwendig und geboten hält. Es heißt deshalb weiter:
Dabei ist davon auszugehen, daß Personen, die wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt wurden, Unrecht geschehen ist und der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und Staates war.
Insbesondere der letzte Halbsatz war es, der in Verbindung mit dem damals bereits vorliegenden Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf Erlaß eines Bundesentschädigungsgesetzes und Anerkennung des deutschen Widerstandes — Drucksache Nr. 3472 — ausgedehnte Debatten im Ausschuß hervorrief. Der Ausschuß hat sich aber schließlich doch entschlossen, diese Formulierung anzunehmen. Gerade im Hinblick auf Vorgänge und Erörterungen der letzten Zeit erschien es notwendig und angebracht, daß der Deutsche Bundestag als Repräsentant des Deutschen Volkes den Frauen und Männern, die in trübster Zeit der Zwangsherrschaft das Banner der Freiheit zu entfalten versuchten und dabei ihr eigenes Leben und ihre eigene Freiheit mutig in die Schanze schlugen, wie es z. B. die Männer des 20. Juli 1944 getan haben, die Anerkennung des deutschen Volkes ausspricht.
Der Ausschuß war sich dabei bewußt, daß mit
der von ihm vorgeschlagenen Anerkennung des deutschen Widerstandes ein schwieriges Problem angeschnitten wird. Einmal ergeben sich Schwierigkeiten daraus, daß z. B. in den Konzentrationslagern rein Kriminelle neben den „Politischen" eingesperrt waren und im Jahre 1945 „befreit" wurden, die sich dann als „Verfolgte" und „Widerständler" ausgaben. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, und es bestand auch allgemeine Einigkeit im Ausschuß darüber, daß solche Elemente und gemeine Verbrecher nicht unter diese Anerkennung fallen, auch wenn sie in der damals gesetzlich normierten, überscharfen Weise unter vielfach Menschenrechte und Menschenwürde verachtenden Methoden verfolgt wurden. Zur Beseitigung solcher Übergriffe und Härten sind die Gesetze und Anordnungen zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege da, wie sie auch in allen Ländern der Bundesre-. publik erlassen wurden.
Ebenso sollen damit nicht Handlungen anerkannt werden, bei denen der aus politisch entgegengesetzter Einstellung handelnde Täter auch Leben und Sicherheit anderer Mitmenschen gewissenlos aufs Spiel setzte. In diesem Zusammenhang wurde allerdings im Ausschuß betont, daß zwar von gewisser Seite viel von Sabotageakten geredet wird, um den Boden für eine neue Dolchstoßlegende zu bereiten, daß aber bis heute kein einziger Fall bekanntgeworden ist oder vorgebracht wurde, der eine solche Behauptung rechtfertigen könnte.
Der Antrag legt weiter klar, wer Entschädigungen erhält. Ich kann es mir wohl versagen, die Bestimmungen im einzelnen zu erläutern, und darf
nur betonen, daß wir die Punkte herausgegriffen haben, die nach unserer Ansicht die Ländergesetzgebung, die auf diesem Gebiet bereits besteht, ergänzen, Lücken schließen und Verbesserungen bringen, die für notwendig gehalten werden. Insbesondere hat dabei der Antrag bereits den damals bekannten Ergebnissen der internationalen Verhandlungen und Vereinbarungen Rechnung getragen. Inzwischen sind diese Verhandlungen weitergeführt worden. Wir haben gehört, daß es gestern in Luxemburg zum Abschluß von Verträgen gekommen ist, die auch diese Probleme behandeln. Die Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Aber die Bundesregierung hat j a den allgemeinen Auftrag, in dem vorzulegenden Gesetz die in internationalen Vereinbarungen und Besprechungen erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen.
Ferner haben wir es für notwendig gehalten, auch eine allgemeine Härteklausel für die Fälle nationalsozialistischer Verfolgung einzufügen, in denen aus formalen Gründen keine Entschädigung gewährt wurde oder gewährt werden kann. Schließlich haben es die Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für notwendig gehalten, daß der Rechtsmittelzug verbessert, insbesondere eine Revisionsinstanz und ein Rechtsmittelzug zum Bundesgerichtshof geschaffen wird.
Die Bundesregierung wird ersucht, die Finanzierung der sich nach diesem Gesetz ergebenden gesamten Entschädigungsleistungen sicherzustellen, insbesondere die Aufteilung der Entschädigungslasten zwischen Bund und Ländern sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit für die Bewirkung der nach dem Gesetz entstehenden Entschädigungsleistungen zu regeln. Manche Länder waren ja wohl deshalb in dem Erlaß von Entschädigungsgesetzen zurückhaltend, weil sie hofften, daß der Bund ein Entschädigungsgesetz erlassen würde und sie damit diese Last loswurden. Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Ländergesetze bestehen bleiben sollen, um wenigstens in diesen Ländern das Weitergehen der Entschädigung zu gewährleisten mit der Maßgabe, daß also die Länder zunächst die Leistungen aufzubringen haben, daß aber die Bundesregierung mit den Ländern einen Ausgleich suchen soll. Schließlich ist es j a gleichgültig, ob der Ausgleich hier in dieser gesetzlichen Regelung gefunden wird oder ob er etwa hinterher durch die Heranziehung eines Einkommensteueranteils von den Ländern her durch den Bund gesucht wird.
Das zweite Problem, das in dem Antrag behandelt wird, ist die Rückerstattung. Diese Rückerstattung ist in den Gesetzen Nr. 59 der amerikanischen und britischen Zone und in der Verordnung 120 der französischen Zone geregelt.
Die deutschen Länder hatten schon im Jahre 1946 Verhandlungen darüber geführt, die dahin gingen, daß sie eigene Rückerstattungsgesetze erlassen wollten. Diese Verhandlungen waren auch bereits recht weit gediehen, bis sie dann schließlich im November 1947 ziemlich abrupt abgebrochen wurden und die Besatzungsmächte mit eigenen Gesetzen dieses Problem zu regeln suchten.
Von deutscher Seite ist nie bestritten worden, daß auch dieser Fragenkomplex, der auf dem Boden des nationalsozialistischen Unrechts erwachsen ist, nach Recht und Gerechtigkeit geregelt würde. Meine Unterrichtung geht dahin, daß eine derartige gerechte Regelung auch in den deutschen Ge-
setzentwürfen der Jahre 1946 und 1947 vorgesehen war. Wenn man uns die Regelung dieses Problems selber überlassen hätte, dann wäre vielleicht manche Ungerechtigkeit vermieden worden.
Die Anfrage der CDU Drucksache Nr. 1455 vom 10. Oktober 1950 beleuchtete bereits einige dieser aufgetretenen Ungerechtigkeiten und wollte Auskunft darüber haben, ob die Bundesregierung ihrerseits etwas tun könne, um die Offenkundigen Härten dieser Rückerstattungsregelung zu beheben.
Bereits vorher lag der Antrag Drucksache Nr. 159 der Freien Demokratischen Partei vor, die auch eine Regelung des Problems von deutscher Seite erstrebte. Die Behandlung dieses Antrags im Herbst 1949 im Ausschuß ergab aber, daß zunächst nicht zu erreichen war, daß die Alliierten von dem im Besatzungsstatut gemachten Vorbehalt, dieses Sachgebiet selbst zu regeln, Abstand nehmen würden. Infolgedessen unterblieb die weitere Beratung dieses Antrages, der deshalb erst heute nach nahezu drei Jahren verabschiedet werden kann.
Inzwischen ist die Rückerstattung nach den besatzungsrechtlichen Gesetzen recht weit durchgeführt. Der Herr Bundesjustizminister hat damals in der Drucksache Nr. 1567 in seiner Antwort vom 4. November 1950 zu den in der Anfrage aufgeworfenen Fragen Stellung genommen und dabei besonders betont, daß nach den geführten Verhandlungen nicht erwartet werden könne, daß die Besatzungsmächte zu irgendwelchen Änderungen der Rückerstattungsregelung, wie sie sie in den Besatzungsgesetzen vorgenommen hätten, ihre Zustimmung geben würden, so daß also derartige Anträge aussichtslos seien. Der Herr Bundesjustizminister hat gleichzeitig damals bereits einen Überblick über den Stand der Rückerstattung in den einzelnen Ländern beigefügt. Auf diesen darf ich Sie verweisen.
Inzwischen sind natürlich die Dinge erheblich weiter gegangen, und man darf sagen, daß in den Ländern der französischen Zone die Rückerstattung wohl zu drei Vierteln durchgeführt ist und daß in den Ländern der amerikanischen Zone die Individualansprüche wohl auch zu etwa drei Vierteln geregelt sind, während die sogenannten IrsoAnsprüche noch etwas weiter zurückliegen. In den Ländern der britischen Zone ist die Rückerstattung wohl zu etwa 50 % geregelt, d. h. durch Urteil oder Vergleiche abgeschlossen.
Auch in den Ausschußberatungen wurde von den verschiedensten Seiten betont, daß man doch versuchen solle, und zwar mit Nachdruck, eine Regelung der Rückerstattung in deutscher Zuständigkeit zu erreichen. Es ist in der Öffentlichkeit, aber auch im Ausschuß, manches Mal der Ausspruch gefallen, die jetzige Regelung der, Rückerstattung führe dazu, daß altes Unrecht mit neuem Unrecht wiedergutgemacht würde, und das sei ein unerfreuliches Ergebnis. Es ist auch nicht zu leugnen, daß sich erhebliche Härten ergeben haben. Es mag dieser Ausspruch, wie vielfach Verallgemeinerungen, übertrieben sein, und ich mache ihn mir nicht zu eigen; aber ich wollte damit nur beleuchten, wie das Problem in der Öffentlichkeit angesehen wird. Wir müssen diesen Dingen — das ist auch betont worden — unsere Aufmerksamkeit schenken, damit nicht neue Stimmungen aufkommen, die politisch sehr unerwünscht wären.
Es wurde im Ausschuß, wie ich sagte, auch die Meinung vertreten, man solle mit Nachdruck nochmals einen Vorstoß machen, um die Regelung der Rückerstattung in deutscher Zuständigkeit zu erreichen. Zu diesem Zwecke und um den Willen zu einer gerechten Rückerstattung zu bekunden, solle man ein eigenes, ausgearbeitetes deutsches Gesetz zur Vorlage bringen. Davon ist man aber wieder abgekommen, nachdem bekannt wurde, wie die Dinge in den Vorverhandlungen zu dem Vertragswerk zur Ablösung des Besatzungsstatuts liefen. So sehen wir ja auch als Ergebnis, daß dieses Problem in dem Vertrag geregelt ist, und zwar im III. Teil der Annexverträge unter der Überschrift „Innere Rückerstattung". Es sind hier gewisse Fortschritte insofern erzielt worden, als auch in den Ländern der britischen und amerikanischen Besatzungszone nunmehr ein gemischtes Obergericht geschaffen wird, wie es in der französischen Zone bereits besteht. Das war j a eine Forderung, die von deutscher Seite stets mit Nachdruck erhoben wurde.
Auch diejenigen, die angesichts dieser Lage nun eine neues Gesetz nicht für durchsetzbar hielten, äußerten aber bestimmte Wünsche in der Richtung, daß doch zumindest versucht werden sollte, bei ' den Alliierten zu erreichen, daß der Richter, der mit diesen Verfahren befaßt ist, freier gestellt würde. Es war schon einmal im Ausschuß ein Vorschlag dahingehend gemacht worden, daß eine Ermächtigung an den Richter gegeben werden sollte, in Fällen der Zahlung eines angemessenen Kaufpreises durch Erwerber, die aus der Notlage des Verfolgten keinen Nutzen gezogen haben, statt der Rückerstattung eine angemessene Entschädigung zuzubilligen, sofern das Rückerstattungsverlangen berechtigt ist, oder eine angemessene Nachzahlung anzuordnen, wenn der Erwerber in einer dem Veräußerer günstigen Absicht gehandelt habe und nur durch das Eingreifen der Genehmigungsbehörden der vertragsgemäße Preis nicht gezahlt worden sei. Der Richter solle auch ermächtigt werden, eine der beiden vorbezeichneten Möglichkeiten zur Anwendung zu bringen, wenn eine solche Maßnahme aus sonstigen Gründen notwendig sei, um zur Vermeidung grober Unbilligkeit zu einer gerechten Regelung zu kommen. Eine allgemeine Regelung, wie sie in § 26 des Gesetzes Nr. 59 und in § 6 des saarländischen Gesetzes zur Ausführung der Verordnung 120 vom 30. 6. 1949 vorgesehen war, sei angebracht.
Ich habe eben schon betont, daß die Zonengesetze erheblich voneinander abweichen und daß Möglichkeiten günstigerer Regelungen, die in der einen Zone geboten sind, in der anderen Zone nicht bestehen. Die Vertragsregelung im Bonner Vertrag Teil III sieht allerdings vor, daß die bislang bestehenden besatzungsrechtlichen Regelungen zunächst vertraglich übernommen und garantiert werden.
Es erschien weiter notwendig, auch die rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des früheren Deutschen Reiches zu regeln. Deshalb schlägt Ihnen der Ausschuß unter II seines Antrags vor, die Bundesregierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf über die Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und zur Behebung der durch die von der Besatzung vorgenommene Regelung der Rückerstattung entstandenen offenkundigen Härten vorzulegen.
Im Ausschuß ist — das will ich ebenfalls ausdrücklich betonen — auch die Meinung vertreten worden, es sei richtig, die Besatzungsgesetze aus-
laufen zu lassen und nicht durch Eingriffe von deutscher Seite Änderungen herbeizuführen. Es wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß die Entnazifizierung entsprechend den Richtlinien der Besatzung schließlich in deutscher Zuständigkeit vorgenommen worden sei und daß dadurch erhebliche Mißstände und Mißverständnisse aufgetreten seien, die man auf diesem Gebiet der Rückerstattung vermeiden sollte. Der Vorschlag des Ausschusses geht angesichts der nunmehr vorgenommenen Regelung im Vertragswerk diesen Weg. Er schlägt zunächst vor, daß der Bund jetzt auch eine Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Reiches, wie sie in II A im einzelnen aufgeführt sind, vornimmt. In B wird dann vorgeschlagen, daß sich diese Regelung auch auf die Regreßansprüche derjenigen Bewerber beziehen soll, die rückerstattungspflichtige Gegenstände vom Deutschen Reich erworben haben. Auch eine derartige Regelung erscheint notwendig, weil ja das Reich vielfach dazu übergegangen ist, selbst den Nutzen aus dem Raubzug zu ziehen und das, was es auf diese Weise an sich gerissen hatte, an dritte Personen weiter zu veräußern.
Eine ziemlich umfangreiche Debatte rief der nun unter C von II vorliegende Antrag hervor. Ihnen allen ist bekannt, daß die Rückerstattung mitunter zu recht groben Härten geführt hat. Wir alle haben doch in den drei Jahren unserer Tätigkeit jede Woche, ja fast täglich Briefe erhalten, in denen auf diese Härten und Unzuträglichkeiten hingewiesen und um Abhilfe gebeten wurde. Insbesondere liegen Härtefälle vor, wo Personen ihr Eigentum durch Enteignung für Truppenübungsplätze verloren haben. Man hat diese Personen in großem Umfang auf vorher enteignetes jüdisches Eigentum
ausgewiesen. Diesen Leuten blieb gar nichts anderes übrig, als das zu nehmen, weil eine andere Entschädigungsmöglichkeit und eine andere Existenzmöglichkeit eben nicht geboten wurden. Es liegen auch viele Fälle vor, in denen Freunde von Verfolgten glaubten, diesen helfen zu sollen, und ihr Eigentum, das sie bereits besaßen, veräußerten, das Eigentum des Verfolgten unter Inanspruchnahme auch fremder Mittel erwarben und dadurch nun heute nach Durchführung der Rückerstattung so dastehen, daß sie ihr früheres eigenes Eigentum verloren haben und dazu das neu erworbene Eigentum auch noch zurückgeben müssen, also alles verlieren. Erhebliche Unzuträglichkeiten ergeben sich auch aus der Frage der Umstellung und daraus, daß das Reich j a vielfach den Erlös für das veräußerte Eigentum selber eingezogen hat.
Um alle diese Fälle erfassen zu können und wenigstens zu einer teilweisen Befriedigung und Behebung der auftretenden Härten zu kommen, schlägt der Ausschuß Ihnen vor, daß das Gesetz auch offenkundige Härten der durch die Besatzungsmächte angeordneten Rückerstattung mildern und den Rückerstattungspflichtigen unter den Voraussetzungen, wie sie im einzelnen unter Ziffer 1 bis 3 dargelegt sind, einen Ausgleichsanspruch gegen den Bund geben solle. Dabei möchte ich hervorheben, daß die Voraussetzungen der Ziffern 1 bis 3 insgesamt vorliegen müssen, daß aber die unter a), b) und c) der Ziffer 3 genannten Voraussetzungen nicht kumulativ vorzuliegen brauchen. Vielmehr genügt es, wenn eine dieser Voraussetzungen vorliegt, wie sie in a), b) und c) enthalten sind, um bei Vorliegen von Ziffer 1 und Ziffer 2 im übrigen dann diesen Härteausgleichsanspruch zu begründen.
Unter D ist vorgeschlagen, daß der gleiche Ausgleichsanspruch auch denjenigen gegeben wird, die wegen eines Rückgriffanspruchs auf Grund eines rechtskräftigen Urteils oder eines gerichtlichen Vergleichs einem Nacherwerber Schadensersatz geleistet haben, wenn die gleichen Voraussetzungen vorliegen. Nun ist es aber bekannt, daß in einer Reihe von Fällen — und das trifft insbesondere auf größere Fälle zu — Rückerstattungsverbindlichkeiten zu steuerlichen Begünstigungen insofern führen, daß sie in erheblichem Umfang abgeschrieben werden können. Deshalb ist es nach unserer Auffassung gerechtfertigt, daß diejenigen. die auf diese Weise bereits einen Ausgleich erhalten haben, nun nicht nochmals einen Härteausgleich verlangen können,
Dementsprechend habe ich Ihnen namens des Ausschusses vorzuschlagen, daß durch die nun erfolgende Beschlußfassung zu Ziffer I der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes — Nr. 1828 der Drucksachen — und durch die Beschlußfassung zu II die unter IV aufgeführten Anträge für erledigt erklärt werden. Namens des Ausschusses bitte ich Sie, dementsprechend zu beschließen.