Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage dieses Gesetzes entspricht einer Verpflichtung aus dem Grundgesetz. Abgesehen davon ist aber auch die Wichtigkeit der Sache selbst so evident, daß man in dieser Frage nicht wie sonst denken könnte, das Haus wird mit soviel Gesetzesvorlagen überschüttet, man könnte vielleicht auf dem einen oder anderen Gebiet doch etwas sparen, und etwas weniger wäre mehr. Hier ist es also in der Tat notwendig, ein Gesetz vorzulegen.
Aber wenn man nach der Ratio der Vorlage vorgeht, so ist es doch die: Schutz der Freiheit der Persönlichkeit gegen eine unberechtigte Entziehung oder Beeinträchtigung überhaupt. Auf den Unterschied zwischen der Freiheitsbeschränkung und -beeinträchtigung komme ich gleich noch. Dieses
Gesetz sollte eigentlich nicht eine Handhabe dazu bieten, eine Freiheitsentziehung in solchen Fällen vorzunehmen, wo das nicht bisher auch schon möglich gewesen wäre. Wenn man den Namen liest, so kommt man auf den Gedanken, es handelt sich nur um eine Regelung des Verfahrens. Befaßt man sich aber mit dem Inhalt, so stellt man doch fest, daß verschiedene Möglichkeiten neu geschaffen werden oder wenigstens die Bestimmungen des Gesetzes so ausgelegt werden können, daß es sich um die Neuschaffung von Freiheitsentziehungsmöglichkeiten handelt. Damit würde meine Fraktion nicht einverstanden sein. Es entspricht weder der Notwendigkeit, die vorhandene Zahl der möglichen Freiheitsentziehungen 'zu vergrößern, noch dem Zweck des Gesetzes, in dieser Zeit nach 'den vorausgegangenen politischen 'Erfahrungen so zu verfahren.
Wenn ich gerade in diesem Zusammenhang und aus diesen Überlegungen heraus in der Begründung den Punkt 2 ansehe, so fällt mir dabei auf, daß .die Bundesregierung glaubt, aus polizeilichen Gesichtspunkten könnten z. B. krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen auch gegen ihren Willen unter Umständen längere Zeit interniert werden. Dazu muß man auch den § 4 des Gesetzes lesen, wonach unter Umständen dann nicht einmal eine richterliche Anhörung erforderlich ist. Ohne richterliche Anhörung mit der Behauptung, daß eine Krankheit vorliege, jemanden einzusperren, halten wir gegen Sinn und Grund dieses Gesetzes verstoßend und für völlig unmöglich.
Wir sehen also, daß trotz der an sich harmlosen Überschrift und trotz der offenbar wohlmeinenden Absicht schon allein in diesem Punkte sich eine ganz erhebliche Gefahr in der Vorlage befindet, mit der wir uns nicht einverstanden erklären werden. Ich habe wegen der Kürze 'der Redezeit, die mir zur Verfügung steht, nicht die Möglichkeit, noch auf andere 'Bedenken ähnlicher Art hinzuweisen. Wir möchten aber von vornherein gerade auf diesen wichtigen Punkt aufmerksam machen. Das Gesetz darf auf keinen Fall zu irgendeiner Zeit irgendeiner Regierung als Vorwand oder Handhabe dazu dienen, Leute einzusperren, wenn nicht schon nach den bisher vorliegenden Gesetzen Veranlassung, ja sogar die Notwendigkeit dazu besteht.
Mit der Verweisung an die beiden Ausschüsse ist die Fraktion der Föderalistischen Union einverstanden. Wir haben nichts dagegen, daß sich auch der Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens damit befaßt, obwohl es sich eigentlich nur am Rande um eine Frage der Gesundheitspflege handelt. Aber diese Gesichtspunkte sollen dabei nicht übersehen werden. Deswegen sind wir damit einverstanden. Federführend müßte aber der Rechtsausschuß sein; denn in erster Linie kommt es auf den Schutz der Freiheit der Person an.