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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. September 1952 10419 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1952. Geschäftliche Mitteilungen 10421A Änderungen der Tagesordnung 10421B Kleine Anfrage Nr. 285 der Abg. Dr. Schmid (Tübingen) u. Gen. betr. Wohnungsbeschlagnahme in Mannheim und Sigmaringen (Nrn. 3615, 3677 der Drucksachen) 10421B Vorlage des Entwurfs einer Verordnung zur Ergänzung der Verordnung M Nr. 1/52 über Preise für Milch, Butter und Käse 10421B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Großer Knechtsand (Nrn. 3604, 2970 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 10421C Fortsetzung der Beratung der Berichte des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Bau der Zellertalbahn (Nrn. 3485, 440 der Drucksachen), über den Antrag der Abg. Volkholz, Donhauser, Dr. Seelos und Fraktion der BP betr. Geplante Einstellung der Lokalbahn Passau-Wegscheid auf der Strecke Obernzell-Wegscheid (Nrn. 3488, 1087 der Drucksachen), über die Anträge der Abg. Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der BP betr. Bau einer Autobahn und der Abg. Dr. Baumgartner, Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der BP betr. Ausbau und Instandsetzung des Straßennetzes in Bayern (Nrn. 3486, 442, 469 der Drucksachen) und über den Antrag der Abg. Stücklen, Strauß, Dr. Solleder, Bodensteiner u. Gen. betr. Straßenbauten in Bayern (Nrn. 3487, 470 der Drucksachen) . . 10421C Ausschußüberweisungen 10421D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 643) 10421D Beschlußfassung 10421D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (Nr. 3640 der Drucksachen) 10421D Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz . . 10422A Dr. Wahl (CDU) 10422C Frau Dr. Steinbiß (CDU) 10423D Dr. Schneider (FDP) 10424C Dr. Hammer (FDP) 10424D Dr. Greve (SPD) 10425B Dr. Reismann (FU) 10427B Fisch (KPD) 10427D Ewers (DP) 10428C Ausschußüberweisung 10429B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Gebührenbefreiungen beim Wohnungsbau (Nr. 3611 der Drucksachen) . 10429B Ausschußüberweisung 10429C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik , Deutschland und Frankreich (Nr. 3599 der Drucksachen) . 10429C Ausschußüberweisung 10429D Beratung des Mündlichen 'Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Nowack, Neumayer, Dr. Atzenroth, Dr. Blank, Dr. Wellhausen, Dr. Oellers u. Gen. betr. Vereinheitlichung des Rückerstattungsrechtes, über den Antrag der Abg. Schmidt (Bayern) u. Gen. betr. Abänderung des Gesetzes für Wiedergutmachung, über den Antrag der Abg. Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Bauereisen u. Gen. betr. Änderung des Rückerstattungsgesetzes, über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes, über den Antrag der Fraktion der. BP betr. Rückerstattung feststellbaren ehemals jüdischen Vermögens (Restitution), (Nrn. 3583, 159, 886, 1010, 1828, 2447 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anerkennung des deutschen Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Nr. 3472 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 653, 656) 10429D Dr. Weber (Koblenz) (CDU): als Berichterstatter 10430A als Abgeordneter 10443A Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . . 10433C Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 10436A Ewers (DP) 10436B Dr. Schneider (FDP) 10437B Müller (Frankfurt) (KPD) 10438C Dr. Greve (SPD) 10440B von Thadden (Fraktionslos) 10442C Abstimmungen 10445B Erste Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes (Nr. 3516 der Drucksachen; Umdruck Nr. 647) 10445C Storch, Bundesminister für Arbeit 10445C Sabel (CDU) 10446B Kohl (Stuttgart) (KPD) 10447B Richter (Frankfurt) (SPD) 10448B Dr. Atzenroth (FDP) 10449C Schuster (DP) 10450A Ausschußüberweisung 10450C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung (Nr. 3597 der Drucksachen) 10450C Ausschußüberweisung 10450D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Nr. 3598 der Drucksachen) . . . . 10450D Storch, Bundesminister für Arbeit . 10450D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 10451D Eickhoff (DP) 10452C Becker (Pirmasens) (CDU) 10453A Freidhof (SPD) 10454C Dr. Hammer (FDP) 10455D Ausschußüberweisung 10456A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (Nrn. 3566, 3135 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 655) 10456B Frau Kipp-Kaule (SPD), Berichterstatterin 10456B Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 10457B Schmücker (CDU) 10457D Kalbfell (SPD) 10458D Storch, Bundesminister für Arbeit . 10459B Dr. Hammer (FDP) 10459D Schuster (DP) 10460A Abstimmungen 10460B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Angestellte und Beamte in Berlin (Nr. 3451 der Drucksachen) . . . . 10460C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 10460C, 10464B Schröter (SPD) 10461B Horn (CDU) 10463A Hübner (FDP): zur Sache 10463D persönliche Erklärung . . . . 10465A Arndgen (CDU) 10464D Beschlußfassung 104653 Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Bundesanstalt für Angestelltenversicherung in Berlin (Nr. 3452 [neu] der Drucksachen) 10465B Frau Kalinke (DP): als Antragstellerin 10465B als Abgeordnete 10469A persönliche Erklärung 10471D Storch, Bundesminister für Arbeit 10466C Dr. Schellenberg (SPD) 10467A Kohl (Stuttgart) (KPD) 10468B Frau Wolff (SPD) 10470A Arndgen (CDU) 10471B Abstimmungen 10471C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Erhöhung der Posttarife (Nr. 3630 der Drucksachen) 10471D Mayerhofer (FU), Antragsteller . . 10472A Cramer (SPD) 10472B Leonhard (CDU) 10473A Dr. Schneider, Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen 10474B Niebes (KPD) 10475D Hübner (FDP) 10476A Dr.-Ing. Decker (FU) 10476C Ausschußüberweisungen 10476D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Goetzendorff gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 20. Juni 1952 (Nr. 3634 der Drucksachen) . . . . 10476D Muckermann (CDU), Berichterstatter 10477A Beschlußfassung 10477C Beratung der Übersicht Nr. 56 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 641) 10477C Beschlußfassung 10477C Nächste Sitzung 10477C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Eduard Wahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! -Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß meine Parteifreunde die Vorlage begrüßen, die ein Versprechen des Grundgesetzes einlösen soll; handelt es sich doch um einen Beitrag zum weiteren Ausbau der rechtsstaatlichen Garantien für das hohe Gut der persönlichen Freiheit, an deren Schutz sich vor Jahrhunderten der Gedanke entzündet hat, daß der einzelne vor der Willkür der Staatsgewalt gesichert werden muß. So führt eine lange Entwicklung von der Magna Charta zur Petition und Declaration of rights und zur Habeas-corpus-Akte und zu den modernen Grundrechtskatalogen. In der Tat würde ohne Grundrechte des einzelnen der Staatsaufbau angesichts der unerhört umfassenden Kompetenz der Legislative und Exekutive gegenüber den Vermassungstendenzen der Gegenwart kapitulieren, und es ist ein richtiger, seit langem erprobter Gedanke, den Gerichten den Schutz des einzelnen anzuvertrauen. Es kommt hinzu, daß gerade wir Deutschen auf Grund der bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Herrschaft für alle Freiheitsentziehungen besonders empfindlich geworden sind, wie das große Interesse beweist, das die Vorgänge bei der Unterbringung von geisteskranken oder einer Geisteskrankheit verdächtigen Personen in Heilanstalten in der Öffentlichkeit immer wieder finden.
    Aber so einleuchtend und wichtig der Grundgedanke ist, so sehr ist die Vorlage mit schwierigen Einzelproblemen belastet, wie allein daraus hervorgeht, daß der Bundesrat zu dem vier Seiten langen Entwurf fünf Seiten Änderungsvorschläge gemacht hat, zu denen die Bundesregierung ihrerseits auf vier Seiten kritisch Stellung genommen hat. Sie können natürlich nicht erwarten, daß ich zu den Einzelfragen schon Stellung nehme; es wird.


    (Dr. Wahl)

    Sache des Rechtsausschusses sein, an den ich die Vorlage zu überweisen bitte, sich gründlich mit den auftauchenden Fragen auseinanderzusetzen Aber einiges darf ich wenigstens anführen.
    Der Entwurf bringt eine Verfahrensordnung und klärt die materiellen Voraussetzungen der Freiheitsentziehung nicht; dies bleibt der sonstigen Bundes- und Landesgesetzgebung vorbehalten. In § 18 wird jedoch geklärt, daß längstens bis zum 31. Dezember 1953 drei Verordnungen — über die Ausländerpolizei, über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und über die Fürsorgepflicht, die letzte aber nur für die britische und französische Besatzungszone — Freiheitsentziehungen legitimieren können, auch wenn es sich dabei nicht um formelle Gesetze handelt, die das Grundgesetz in Art. 104 als Rechtsgrundlage jeder Freiheitsentziehung verlangt. Bis zum 31. Dezember 1953 ist damit zu rechnen, daß die Parlamente auch für diese Gebiete formelle Gesetzgebungsakte geschaffen haben werden, die die Irregularität beseitigen, daß in die persönliche Freiheit auf Grund von Verordnungen eingegriffen werden kann, die nunmehr durch den § 18 einstweilen den Rang formeller Gesetze bekommen.
    Schon diese Aufzählung zeigt, wie verschiedenartig die einzelnen Tatbestände sind, für die das Gesetz gelten soll. Am ältesten ist der Schutz des einzelnen gegen behördliche Festnahme im Zusammenhang mit dem Strafverfahren. Hier bleibt es bei der erprobten Regelung der Strafprozeßordnung. Aber auch die Anordnung der Freiheitsentziehung bei Jugendlichen auf Grund des BGB und des Jugendwohlfahrtsgesetzes sowie die Inhaftnahme des Schuldners in der zivilen Zwangsvollstreckung sowie die richterliche, Einweisung in Arbeitshäuser bleiben außerhalb des Anwendungsgebiets des Gesetzes.
    Aber daneben stehen Freiheitsentziehungen auf verschiedenen anderen Gebieten, für die das vorliegende Gesetz etwas wirklich Neues bringt, nämlich die rechtspolitisch außerordentlich wertvolle Zusammenziehung des Rechtsschutzes bei den Amtsgerichten, mit der sich auch die Länder im Bundesrat einverstanden erklärt haben, obwohl damit die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschaltet wird.
    Eine besondere Rolle spielt die Unterbringung in geschlossenen Krankenanstalten, insbesondere in Heil- und Pflegeanstalten, sowie in Entziehungsanstalten für Rauschgift- und Alkoholsüchtige; aber auch aus sonstigen Sicherheitsgründen notwendige Festnahmen, zu denen unter Umständen auch die Einweisung eines Infektionskranken in Isolierstationen zählen kann, sowie die Zwangshaft bei Nichtbeitreibbarkeit eines Zwangsgeldes gehören hierher.
    Es ist klar, daß die Verzahnung des Landespolizei- und Landesgesundheitsrechts mit diesem neuen Bundesrecht schwierige Fragen aufwirft. Sie kumulieren in dem Problem, ob es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt, wie der Bundesrat meint, weil damit in das Verwaltungsverfahren der Verwaltungsbehörden eingegriffen werde, oder um ein gewöhnliches Bundesgesetz, wofür die Bundesregierung eintritt, weil das Gesetz nur Gerichtsverfahrensvorschriften enthält. Die Frage hat in dem sogenannten Qualifikationsproblem bei allen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Entsprechung, da hier die Tätigkeit der Gerichte gleichsam in andere Rechtssätze eingebettet ist und ihre Mitwirkung Tatbestandselement eines nicht der eigentlichen Rechtspflege zugehörigen Sachverhalts ist, also mehr verwaltenden als rechtserkennenden Charakter hat. Aber man darf sich meines Erachtens nicht darüber täuschen, daß hier die richterliche Freiheitsentziehung in erster Linie Rechtsschutzfunktionen erfüllt, nicht nur deshalb, weil in vielen Fällen die Festnahme schon durchgeführt ist, wenn das Gericht tätig wird, sondern weil auch die richterliche Tätigkeit der Einweisung in einen amtlichen Gewahrsam nur deshalb der Unterbringung des Betroffenen in eine Anstalt vorgeschaltet ist, um dem in seinen Rechtsgütern bedrohten Bürger wirksamen Rechtsschutz zu gewähren. Es ist also durchaus die eigentliche Justizaufgabe, auf der der Akzent liegt, während die Mitwirkung bei dem Verwaltungsvorgang nur der technischen Verbesserung dieses Rechtsschutzes dient. Ich möchte also dem Standpunkt der Bundesregierung den Vorzug geben.
    Der Rechtsschutz selbst ist nach dem Vorbild der Strafprozeßordnung, das auch dein Grundgesetz vorschwebt — also des richterlichen Haftbefehls —, aufgebaut, aber der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet. Das Gesetz hat das Verfahren umfassend geregelt und alle aus der Strafprozeßordnung bekannten Fragen — vorläufige Festnahme, Haftprüfungsverfahren, Recht auf persönliche Anhörung, Beschwerde — in einer die persönliche Freiheit möglichst wirksam schützenden Weise geregelt, ohne den Bedürfnissen der Sonderfälle allzu abträglich zu sein. Immerhin fragte ich mich, je mehr ich mich mit der Vorlage befaßt habe, ob man auf eine einheitliche Regelung auch einzelner materieller Fragen der Freiheitsentziehung verzichten kann. Ein Beispiel: Im allgemeinen darf ein Süchtiger, der nicht gemeingefährlich und nicht entmündigt ist, nur in eine Anstalt gebracht werden, wenn er darin einwilligt. Wie aber, wenn er dann während der Kur die Entwöhnung nicht erträgt und seine sofortige Entlassung verlangt? Ist diese Willensäußerung beachtlich, oder wird sie als krankhafte Reaktion, die eine Verständigung mit dem Süchtigen ausschließt, übergangen?
    In § 9 Abs. 2 hatte die Vorlage ursprünglich eine Bestimmung, die besagte, daß bei dem Antrag auf Entlassung das Gericht von einem Bescheid absehen kann, wenn sich aus Form und Inhalt des Antrags ergibt, daß wegen des Geisteszustandes des Untergebrachten eine Verständigung mit ihm nicht möglich ist. Auf Wunsch des Bundesrates ist diese Vorschrift mittlerweile gefallen: in allen Fällen hat das Gericht den Antragsteller zu bescheiden. Aber es wird sich fragen, wie das Gericht nun entscheiden muß. Gewiß wird sich dazu eine Gerichtspraxis bilden; aber diese braucht nicht einheitlich auszufallen, da der Rechtsgang beim Landgericht endet, wenn man nicht gerade an eine Grundrechtsklage beim Bundesverfassungsgericht denkt. Der Rechtsausschuß wird sich auch mit der Frage zu befassen haben, ob hier eine gesetzliche Regelung am Platze ist oder nicht.
    Ich beantrage nochmals die Überweisung der Vorlage an den Rechtsausschuß.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Viktoria Steinbiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinen kurzen Ausführungen schicke ich voraus, daß ich den Antrag stellen möchte, bei der Beratung dieses Gesetzes auch den


    (Frau Dr. Steinbiß)

    Gesundheitsausschuß zuzuziehen, aus folgenden Gründen. Der vorliegende Gesetzentwurf versucht in der Auslegung des Art. 104 des Grundgesetzes auf die Einweisung in ein Krankenhaus und in eine Heil- und Pflegeanstalt Einfluß zu nehmen und diese zu erschweren, sicherlich mit einigem Recht. Der Gesetzentwurf tut dies aber unter Voraussetzungen, die vom Gesundheitswesen im ganzen nicht gebilligt und anerkannt werden können. Die Ärzteschaft muß aufhorchen. Ich möchte daher den Antrag stellen, den ich eben erwähnt habe, den Gesundheitsausschuß zuzuziehen.
    In dem Gesetzentwurf wird mit dem Begriff Freiheitsentziehung gearbeitet, der der richterlichen Entscheidung unterstellt werden soll. In der Begründung wird bei der Deutung des Art. 104 zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung unterschieden, und diesen beiden Begriffen werden wesentliche Unterschiede zugerechnet. Im öffentlichen Gesundheitsdienst aber sind die Übergänge zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung durchaus fließend, und es würde hier zu großen Schwierigkeiten kommen. Ein Beispiel: Bei Krankenhauseinweisung von Infektionskranken handelt es sich ganz offensichtlich um eine Freiheitsbeschränkung, der der Patient meist willig folgt. Im Laufe der Behandlung könnte sich aber herausstellen, daß der Patient durch seine Krankheit in einen Erregungszustand gerät und nun abgeschlossen von anderen Patienten gehalten werden muß. Dieser Zustand kann einen Tag oder auch länger dauern. Auf jeden Fall wäre es eine Freiheitsentziehung. So willig der Kranke der Einweisung gefolgt ist, so sehr hat er meist das Bestreben, wenn er sich besser fühlt, nach Hause entlassen zu werden, ganz gleich, ob
    die ärztlichen Zeittermine erfüllt sind, d. h. ob sein Bakterienbefund zwei- oder dreimal negativ ausgefallen ist. Wenn der Termin nicht erfüllt ist, dann muß der Arzt den Kranken zurückhalten, um ihn nicht zu einer Gefahrenquelle für seine Umgebung werden zu lassen. Er macht sich also der Freiheitsentziehung schuldig, wenn er nicht die richterliche Entscheidung anruft. Wenn wir dem stattgäben, meine Damen und Herren, so müßten unsere großen Krankenhäuser einen besonderen Dienst einrichten, der unter Umständen die Stationierung eines Richters in einem Krankenhaus verlangt.
    Ich glaube annehmen zu dürfen, daß in keinem Lande der Welt die Behandlung kurzfristiger Infektionskrankheiten unter die richterliche Aufsicht gestellt wird. Zudem muß noch beachtet werden, daß in der Psychiatrie die Behandlungsweise stark gewechselt hat. Man gehe einmal durch Bethel oder durch ähnliche Anstalten: man wird sehen, daß man immer mehr von der Anstaltsbewahrung zur krankenhausmäßigen Heilbehandlung kommt. Diese Entwicklung zur Heilbehandlung kann durch eine Erschwerung der Anstaltseinweisung, wie die fachärztlichen Kreise betonen, erheblich gehemmt werden.
    Aus diesen zwei erwähnten Gründen - man könnte noch mehr aufzählen — möchte ich das Hohe Haus bitten, meinem Antrag zuzustimmen.
    Ich möchte aber noch eine Besonderheit dieses Gesetzes erwähnen, die darin besteht, daß die vom Gesetz erzwungene Einschaltung der richterlichen Entscheidung unter Gebührenpflicht gestellt wird. In der Masse der Fälle wird sich die richterliche Entscheidung als ein Hemmnis ausweisen und der Bevölkerung unbequem sein. Noch weniger wird
    die Bevölkerung damit einverstanden sein, daß die Gebühr höher liegt als die des Arztes, der die Facharbeit, die Untersuchung und die Beratung leitet.
    Ich bitte also das Hohe Haus nochmals, dem Antrag, dieses Gesetz auch dem Bundesgesundheitsausschuß zur Beratung mit zu überweisen, zuzustimmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)