Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Mit
dem vorliegenden Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, dem wir unsere Zustimmung geben werden, wird noch einmal der ganze Fragenkomplex der Mitbestimmung berührt. Ganz ohne Zweifel wird das vorliegende Gesetz den Anspruch der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung nicht nur nicht erfüllen, sondern es muß noch einmal klar gesagt werden, daß, wenn man von den Forderungen und den Vorstellungen der Arbeiter, der Angestellten und der Gewerkschaften ausgeht, das hier vorliegende Gesetz ein 'Gesetz zur Verhinderung der Mitbestimmung genannt werden muß.
— Ich will Ihnen mal etwas sagen. In § 61 wird gesagt:
Der Arbeitgeber hat bei jeder geplanten Einstellung dem Betriebsrat rechtzeitig den für den Bewerber in Aussicht genommenen Arbeitsplatz mitzuteilen und Auskunft über die Person des Bewerbers zu geben.
— Das gehört zu dem ganzen Komplex.
Ich spreche zu den Aufgaben der Betriebsräte; und die regelt der § 54!
Wie war das nach 1945 mit den Einstellungen und Entlassungen? Wer Betriebsrat oder, besser noch, Betriebsratsvorsitzender oder maßgeblicher Gewerkschaftsfunktionär gewesen ist, der weiß doch noch ein Lied davon zu singen, wie die Herren gekommen sind, sich die Türklinke bei uns in die Hand gegeben und gewimmert haben: „Wollen Sie denn nicht bedenken, daß wir vollkommen unschuldig sind an dem ganzen Chaos, das da be-
steht; wir haben doch nur unsere Pflicht getan; können Sie nicht ein Wörtchen für uns einlegen, damit wir wieder eingestellt werden?" Das waren die Herren Direktoren, das waren die Herren, die wesentlich an dem Elend, das da heraufgeführt worden war, mit schuld waren. Heute kommen sie und dürfen den Betriebsräten wieder mitteilen, wen sie einzustellen gedenken. So haben sich die Dinge gewandelt. Und da sagen Sie, daß Ihr Gesetzentwurf kein reaktionärer Gesetzentwurf sei?!
Jeder wird doch wohl wissen, wie die Arbeiter die Frage der Mitbestimmung aufgefaßt haben. Sie wollten eine demokratische Wirtschaft, und ihre Betriebsräte • sollten die Aufgabe haben, diese Demokratisierung der Wirtschaft herbeizuführen. Das war die Vorstellung der Arbeiter nach 1945.
Zudem gab es eine mächtige Sozialisierungsbewegung. Auch die christliche Arbeiterschaft hat mit auf dem Boden der Forderung nach Überführung der Grundstoffindustrie in die Hände des Volkes gestanden. Ich möchte da nicht an Ihr Ahlener Programm erinnern,
das eine wesentliche Rolle auch in den Gewerkschaften gespielt hat. Aus dieser Einstellung — daß es eine Wirtschaft geben könne ohne diese reaktionäre Geisteshaltung, die so unendliches Elend über uns heraufgeführt hat — forderte die Arbeiterschaft Mitbestimmung. Daraus ergab sich, daß die Arbeiter und Angestellten sehr energisch auf die Bestimmung des Kontrollnatgesetzes Nr. 22 gepocht haben, worin es hieß, daß der Betriebsrat seine Aufgaben selber bestimme. Die Betriebsräte und die Arbeiter haben nach 1945 gewiß ihre Pflicht getan.
Ich will Ihnen eines sagen. Sie können hier beschließen, was Sie wollen; Sie können eine Entwicklung hemmen, aber verhindern können Sie sie nicht. Auch hier wird sich erweisen, daß unsere Arbeiterschaft sehr bald begreifen wird. daß es durchaus eine Welt ohne Kapitalisten gibt, eine Welt. in der der schaffende Mensch tonangebend ist, in der e r das Gesetz bestimmt. Diese Welt wird fortschrittlich sein, sie wird auch eine sozialistische Welt sein — trotz Ihres reaktionären Betriebsverfassungsgesetzes!