Rede von
Willi
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Zweite Abschnitt „Soziale Angelegenheiten" vom Hause verabschiedet ist, dürften die personellen Angelegenheiten sehr wichtig sein, denn dieses Gesetz soll ja, als Betriebsverfassungsrecht gedacht, zum Ausdruck bringen, daß es um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer geht, wahrgenommen durch ihre Vertretung, und dabei ist gerade die Frage der Mitbestimmung auf personellem Gebiet von wesentlicher Bedeutung.
Es ist kein neues Problem, das wir heute behandeln. Bereits bei dem Betriebsrätegesetz von 1920 haben sich die damaligen Gesetzgeber mit dieser Frage befaßt. Damals hat man sich dahingehend geeinigt und in dem Gesetz festgelegt, daß der Betriebsrat berechtigt ist, mit dem Arbeitgeber Richtlinien über die Einstellung von Arbeitnehmern zu vereinbaren. Der Inhalt dieser Richtlinien war den beiden Kontrahenten dieser Vereinbarung vollständig freigestellt. Es bestanden hier keinerlei Vorschriften nach der einen oder andern Seite hin. Es herrschte eben der Grundsatz, daß die Betroffenen — der Betriebsrat und der Arbeitgeber eines Betriebes — die entsprechenden und für notwendig geh altenen Maßnahmen in den Richtlinien vereinbaren konnten.
Das Kontrollratsgesetz sagt hierüber auch nichts, sondern gibt den Betriebsvertretungen grundsätzlich das Recht, auch in personellen Angelegenheiten mitzubestimmen. Die Ländergesetze haben sich darum bemüht, diese Frage nun in Einzelheiten aufzugliedern und je nach ihrer Wertigkeit besonders zu regeln. Die Vorlage, die wir nun heute zur Beratung haben, besagt, daß als personelle Angelegenheiten Einstellungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Entlassungen gelten.
Wir halten dies für zu eng. Wir sind der Auffassung, daß es noch wesentliche andere personelle Angelegenheiten neben den vier genannten gibt. Wir haben deshalb in unserem Antrag zu Abs. 1 des § 60 zum Ausdruck gebracht, daß die Eingrupierungen, die Versetzungen und Ernennungen, Beförderungen und Kündigungen noch mit angeführt werden müssen. Wir wissen aber auch, daß trotz dieser weitgehenden und detaillierten Aufführung die Aufzählung noch nicht erschöpfend ist, und wir wollen durch das Wort „insbesondere" klarstellen, daß hier eine beispielsweise Aufführung vorliegt, die mit eingeführt werden soll.
Wir sind weiter der Auffassung, daß eine besondere Bestimmung festgelegt werden muß über die Frage, was als Versetzung gilt. Wir stimmen hier grundsätzlich mit der Formulierung in dem Abs. 2 der Vorlage überein.
Wir glauben aber, daß dies nicht genügt. Es muß vielmehr festgelegt werden, daß der Betriebsrat personelle Maßnahmen beantragen kann. Man könnte ihm dies unter Umständen streitig machen. Man könnte sagen: Du hast abzuwarten, bis ich, der Arbeitgeber, dir von meiner personellen Maßnahme Mitteilung mache, und dann hast du erst das Recht nach Maßgabe dieser gesetzlichen Bestimmungen, dazu Stellung zu nehmen und dich zu äußern, zuzustimmen oder abzulehnen. Wir glauben, daß es so in der Praxis nicht gehen soll. Wir glauben, daß es nicht ausreichend ist, wenn wir nicht auch dem Betriebsrat das Recht geben würden, personelle Maßnahmen beim Arbeitgeber zu beantragen, — nicht zu bestimmen, nicht durchzuführen, sondern lediglich beim Arbeitgeber zu beantragen. Dieser Grundsatz sollte auch von Ihnen anerkannt werden.
Weiter sollte in dem Gesetz festgelegt werden, daß dem Betriebsrat vor Einstellungen und sonstigen personellen Änderungen der in § 4 Abs. 2 genannten Personen rechtzeitig Mitteilung zu machen ist. Wir glauben, es genügt nicht, wenn Sie diesen Personenkreis in § 4 Abs. 2 nur auf den Buchstaben c beschränken, sondern wir sind der Auffassung, daß auch über die Änderungen bei den anderen Personen des Personenkreises des § 4 Abs. 2 dem Betriebsrat Mitteilung gemacht werden soll. Es heißt ausdrücklich: „rechtzeitig Mitteilung zu machen". Das Unternehmen sollte verpflichtet sein, dem Betriebsrat über die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft oder über den Geschäftsführer, den man in einer GmbH. einstellen will, Mitteilung zu machen. Mehr bringen wir in unserem Antrag zu diesem Absatz nicht zum Ausdruck. Wir sollten uns aber nicht auf den Standpunkt stellen, daß das den Betriebsrat, daß das die Arbeitnehmerschaft nichts angeht. Es geht sie ungeheuer viel an, wer Geschäftsführer ist, wird oder werden soll. Es geht sie ebensoviel an, wer nun neues Vorstandsmitglied werden soll, sei es der Arbeitsdirektor, der technische Direktor oder der kaufmännische Direktor, das ist ganz gleich: denn schließlich hängen doch von diesen Persönlichkeiten mehr oder weniger wichtige Fragen des ganzen Betriebes ab. Unter Umständen kann sogar von der Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit dieser Personen das weitere Wohlergehen, ja die Existenz des Betriebs und somit die Erhaltung des Arbeitsplatzes abhängen. Das sind, glaube ich, so schwerwiegende Argumente, daß der Betriebsvertretung, die vom Vertrauen der Arbeitnehmerschaft getragen wird — denn sie wird ja nach demokratischen Grundsätzen gewählt —, Mitteilung zu machen ist, wenn in der Leitung ein Wechsel vorgenommen werden soll.
Wir haben in Abschnitt 6 zu § 60 die personellen Angelegenheiten der Beamten erwähnt und sie einzeln aufgeführt, weil, wie Sie wissen, auf diesem Gebiet große Kompliziertheiten und Unterschiedlichkeiten zwischen den einzelnen Verwaltungen auf den verschiedensten Ebenen bestehen. Das halten wir für so wesentlich, daß es doch im einzelnen im Gesetz angeführt werden muß. Wir haben unter dem Buchstaben k angeführt, daß auch die entsprechenden Maßnahmen nach den landesrechtlichen Beamtengesetzen ihre Verankerung finden sollen. Die gleichen Maßnahmen, so wie sie in diesem Bundesgesetz für die Bundesbeamten ihren Niederschlag finden, sollen also auch für die Beamten der Länder gelten.
Nun könnten Sie einwenden, dies sei wiederum nicht möglich, weil in den Verwaltungen doch ganz andere Verhältnisse vorliegen. Schließlich kann nicht, wie das in diesem Gesetz geregelt ist, das Arbeitsgericht entscheiden, wer nun Beamter ist, wer befördert, wer pensioniert werden soll, wo ein Widerruf stattfinden soll usw. usw. Wir haben deshalb den Abs. 7 zum § 60 vorgesehen. In diesem Absatz 7 kommt klar zum Ausdruck: Kommt im Falle von Meinungsverschiedenheiten aus Abs. 6 eine Einigung zwischen dem Dienstgeber und dem Betriebsrat nicht zustande, so entscheidet für den Bereich der Bundesverwaltung die Bundesregierung, für den Bereich einer Landesverwaltung die Landesregierung und für die Verwaltungen der Gemeinden und Gemeindeverbände deren ge-
wählte Vertretungskörperschaften, die dieses Recht einem Ausschuß übertragen kann.
Sie sehen also, hier haben wir die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht eingeschaltet. Hier lassen wir das Recht der endgültigen Entscheidung der obersten Dienstbehörde, wie bei den Bundesverwaltungen der Bundesregierung usw. Ich glaube, daß das eine vernünftige, eine zweckentsprechende, eine von allen vertretbare Regelung ist, und wir würden es äußerst begrüßen, wenn Sie dem § 60 Ihre Zustimmung geben wollten.
Sie gehen einen anderen Weg. Während im Arbeitskreis die Meinung vorherrschend war, daß der Arbeitgeber verpflichtet sein soll, dem Betriebsrat von jeder personellen Maßnahme rechtzeitig Mitteilung zu machen und der Betriebsrat zu dieser Mitteilung eine Meinung zu äußern hat, und wenn er keine Meinung äußert, dies als Zustimmung aufgefaßt wird, also in gewissem Sinne die Genehmigung einer personellen Maßnahme durch die Vertretung der Arbeitnehmerschaft dem Betriebsrat vorgesehen war, haben Sie in der Vorlage diesen Grundsatz verlassen. Sie haben statt des Genehmigungsrechts der Betriebsvertretung ein Einspruchsrecht festgelegt. Der wesentliche Unterschied ist der, daß zwar der Arbeitgeber der Betriebsvertretung nach wie vor von einer personellen Maßnahme Mitteilung zu machen hat, daß er aber gar nicht abzuwarten und zu fragen braucht: „Wie stehst Du, Betriebsrat, zu der von mir beabsichtigten personellen Maßnahme?" Er teilt ihm seine Absicht mit und tut, was er für richtig hält. Der Betriebsrat kann wiederum machen, was er will, d. h., er kann innerhalb von zwei Monaten gegen die personelle Maßnahme des Arbeitgebers Einspruch beim Arbeitsgericht einlegen. Wir halten dies grundsätzlich nicht für richtig. Wir halten dies nicht für eine Mitbestimmung, sondern das ist lediglich eine Regelung, die der Betriebsvertretung, also der Arbeitnehmerschaft, das Recht gibt, gegen eine Maßnahme Einspruch einzulegen.
Wie ist denn die Praxis? Wenn eine derartige Maßnahme einmal angeordnet und durchgeführt worden ist — sei es, daß der eine oder andere im Betrieb tätige Arbeitnehmer befördert worden ist; sei es, daß man von außen jemanden auf eine gehobene Stellung setzt und die jahrzehntelang im Betrieb treu und brav tätigen Arbeiter und Angestellten einfach übergeht und für diese leitende Stelle nicht berücksichtigt —, dann sind doch Tatsachen geschaffen worden! Wir wollen uns doch darüber klar sein, daß derartige Tatsachen äußerst schwer, wenn überhaupt, aus der Welt zu schaffen sind.
Deshalb vertreten wir die Auffassung, daß nicht das Einspruchssystem, wie Sie es in der Vorlage gegen unsere Stimmen festgelegt haben, sondern die Genehmigungsberechtigung des Betriebsrats den Vorzug erhalten sollte.
Sie haben aber dieses Einspruchsverfahren noch wesentlich eingeschränkt, ja, ich möchte sagen, durch § 61 Abs. 3 auf kaum denkbare Fälle beschränkt. Dort heißt es:
Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur verweigern, wenn
a) die Einstellung einen Verstoß gegen ein Ge-
setz, eine Verordnung oder gegen eine Be-
stimmung in einem Tarifvertrag oder in
einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine
gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung darstellen würde.
Gut, das wäre noch zu ertragen;
denn das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten.
Aber unter b) sagen Sie: Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur verweigern,
wenn der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß die Einstellung eines für den Arbeitsplatz nicht geeigneten Bewerbers nur mit Rücksicht auf persönliche Beziehungen erfolgen soll.
Wie soll der Betriebsrat in der Regel der Fälle den „durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht" zum Ausdruck bringen können, daß „die Einstellung nur mit Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen" mit dem Arbeitgeber erfolgt?
Sie sagen unter c), daß „der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht" vorliegen muß, daß die Einstellung des einen oder anderen „aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, des Geschlechtes" usw. vorgenommen worden ist. Auch dies wird kaum, wenn überhaupt, zu beweisen sein.
— Ja, es gibt einzelne Fälle, Herr Kollege Dr. Wellhausen. Aber das Gros der Fälle schalten Sie damit aus, und das Mißtrauen bleibt bestehen, weil die Betriebsvertretung, also die Arbeitnehmerschaft, diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann und weil Sie ihr durch diese Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Einspruch einzulegen, erschweren.
Buchstabe d sagt, daß die „durch bestimmte Tatsachen begründete Besorgnis bestehen" muß, „daß der Bewerber den Betriebsfrieden durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten stören würde". Auch das ist eine Bestimmung, die kaum realisierbar sein wird.
Aus all dem haben wir noch erheblich mehr Bedenken gegen das Einspruchsverfahren, denn Sie denken gegen das Einspruchsverfahren, denn Sie lassen es j a nicht generell zu. Es steht nicht im Belieben des Betriebsrats, ob er den einen oder anderen Einspruch beim Arbeitsgericht einlegen will oder nicht; sondern Sie machen es von diesen erschwerenden — j a, ich möchte sagen —, den Einspruch fast ausschließenden Voraussetzungen abhängig. Das ist letzten Endes mit der entscheidende Grund, warum wir diesen Anderungsantrag zu §§ 60 ff. gestellt haben.
Wir bringen mit unserem § 63 zum Ausdruck, daß auch in dringenden Fällen der Arbeitgeber berechtigt ist, jemanden einzustellen oder sonstige personelle Maßnahmen durchzuführen, und daß er dann verpflichtet ist, um die nachträgliche Zustimmung zu ersuchen. Aber damit wird doch dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben, daß er in dringenden Fällen handeln kann, daß also der Betrieb nicht stockt, daß keine Nachteile wirtschaftlicher oder technischer Art für den Betrieb in Frage kommen. All dies haben wir sehr wohl erwogen, und wir sind der Meinung, daß die in unserem § 63 vorgesehene Regelung für die dringenden Fälle, selbstverständlich als Ausnahmeregelung, ausreichend ist, um unsere Wirtschaft und den Betrieb in jeder Beziehung in Gang zu halten, so daß er seinen Verpflichtungen nachkommen kann.
Wir glauben, daß auch die Regelung des § 66 nicht ausreichend sein dürfte, in dem Sie dem Be-
triebsrat nur das Recht geben, daß er vor jeder Kündigung zu hören ist. Mit dem Hören allein ist es nicht getan. Wir glauben, daß ihm vor jeder Kündigung rechtzeitig Mitteilung zu machen ist, damit er in der Lage ist, Stellung zu nehmen. Wir sind der Meinung, daß bei jeder Kündigung die §§ 61 bis 64, also die Durchführung eines eventuellen Verfahrens, auch sinngemäß Anwendung zu finden haben mit der Maßgabe, daß der Betriebsrat bei seiner Stellungnahme, wie wir sagen, auch die Interessen der Belegschaft und des Betriebes zu berücksichtigen hat. Hier denken wir in erster Linie an die Gesamtinteressen der Belegschaft und an die Gesamtinteressen des Betriebes, und Sie können uns nicht nachsagen, daß wir Gesetzesvorschläge machen, bei denen uns das Interesse der Belegschaft und des Betriebes gleichgültig ist und bei denen wir nur das Interesse des einzelnen sehen.
Auch die Regelung über Massenentlassungen haben wir hier mit in Vorschlag gebracht. Wir glauben aber, daß der Arbeitgeber gerade in diesen schwierigen und tragischen Fällen so früh wie möglich dem Betriebsrat über Art und Umfang der Entlassungen oder gegebenenfalls Einstellungen Mitteilung zu machen hat.
— Ich freue mich, das zu hören, und ich glaube, da Sie den Zwischenruf machen, Herr Kollege, daß Sie es auch in ihrem Betriebe tun.
Aber wir machen ja nicht die Gesetze für die Arbeitnehmer, Betriebsräte und Arbeitgeber, die bestens zusammenarbeiten, sondern wir müssen die
Gesetze, die ja Mindestrecht darstellen, so ausbauen, daß auch ein gutes, erfolgreiches, im Interesse beider liegendes Zusammenarbeiten in allen Betrieben, in allen Wirtschaftszweigen möglich ist, vor allem auch dann, wenn einmal in Krisenzeiten hart und scharf kalkuliert werden muß, wenn die Sorge auf allen Seiten liegt; und hier handelt es sich um die große Sorge der Massenentlassungen. Deshalb sind wir der Meinung, daß diese Sicherungen dringend notwendig sind.
— Auch an das Kündigungsschutzgesetz, Herr Kollege Dr. Wellhausen, haben wir gedacht; denn im Abs. 3 des § 66 heißt es ja ausdrücklich: „Die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes vom 10. August 1951 bleiben unberührt."
— Ja, zu einer Fühlungnahme, aber es ist keine Verpflichtung!
Auf Grund all dieser von mir vorgetragenen Argumente und vor allem angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des personellen Mitbestimmungsrechts bitten wir Sie, unsere Anträge anzunehmen. Da Abs. 1 des § 60 die wichtigste Bestimmung enthält, beantrage ich im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Abs. 1 des § 60.