Rede von
Willi
Richter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dritte Teil der Vorlage trägt die Überschrift: „Der Gesamtbetriebsrat". Nach dem Entwurf wird hier die Möglichkeit geschaffen, ein Organ zu bilden, das für die aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmen gedacht ist. Wenn sich also in der Hand eines Unternehmens mehrere selbständige Betriebe befinden, dann können sich die einzelnen Betriebsräte zu einem Gesamtbetriebsrat zusammentun. Wir hatten das gleiche Rechtsgebilde auch in dem alten Betriebsrätegesetz von 1920. Wir hatten dort, wie ich vorhin schon bei einem andern Abschnitt des Gesetzes zum Ausdruck gebracht habe, den Betriebsobmann. Wir hatten weiter den Betriebsrat, und es gab dann noch den sogenannten gemeinsamen Betriebsrat und den Gesamtbetriebsrat. Um den letzten handelt es sich jetzt.
In § 46 der Vorlage wird zum Ausdruck gebracht, daß, wenn ein Unternehmen aus mehreren Betrieben besteht, durch Beschlüsse der einzelnen Betriebsräte neben diesen einzelnen Betriebsräten ein Gesamtbetriebsrat errichtet werden kann. Das besagt also, daß die einzelnen Betriebsräte bestehen bleiben und daß es am Willen der einzelnen Betriebsräte liegt, ob sie einen Gesamtbetriebsrat bilden. Insoweit ist gegen die Fassung der Vorlage nichts einzuwenden. Der Betriebsrat, der von der Mehrheit der Arbeitnehmerschaft gewählt ist, bleibt bestehen.. Die Betriebsräte von mehreren Betrieben, die einem Unternehmen angehören, können sich freiwillig, ohne Zwang durch Mehrheitsbeschlüsse dahingehend einigen, daß sie einen Gesamtbetriebsrat bilden.
Aber nun kommt der nächste Satz im § 46, der besagt:
Die Errichtung ist abhängig von der Zustimmung der Betriebsräte aus den Betrieben, in denen insgesamt mindestens 75 vom Hundert der Arbeitnehmer des Unternehmens beschäftigt sind.
Dieser zweite Satz ist für uns nicht annehmbar. Wir haben nichts dagegen, daß Gesamtbetriebsräte gebildet werden können. Wir haben nichts dagegen, daß sich die einzelnen Betriebe, die in der Hand eines Unternehmens sind, zusammenschließen und mit Mehrheit dahingehend verständigen, einen Gesamtbetriebsrat zu bilden. Wogegen wir aber Einwendungen haben, ist, daß dann, wenn eine Mehrheit von 75 vom Hundert der Arbeitnehmer des Unternehmens es beschließt, für alle Betriebe, die zu dem Unternehmen gehören, ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden soll. Das halten wir für undemokratisch.
Sie werden vielleicht einwenden: Hier ist doch eine Dreiviertelmehrheit, eine qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben; hier sind doch Sicherungen gegeben. — Das trifft nur in einem gewissen, sehr eingeschränktem Ausmaß zu.
— Sie sollen ausgewalzt werden? Das glaube ich nicht, die Absicht hat sicherlich niemand, Herr Kollege Arndgen. Sie sollten mir nicht böse sein, daß wir jetzt noch hier sitzen und daß wir beide nicht an dem Hessenabend teilnehmen können.
Aber glauben Sie mir, daran bin ich wirklich nicht
schuld, das ist Schicksal. Auch wenn Sie sich, Herr
Dr. Schröder, vorhin noch so sehr aufgeregt haben,
so waren Sie doch sehr, sehr im Unrecht.
— Sie waren doch sehr aufgeregt! — Was wir hier tun, tun müssen
im Interesse der deutschen Arbeitnehmerschaft, ist keine Wiederholung der Ausschußberatungen,
sondern ist eine sachliche Beratung aller in Betracht kommenden Bestimmungen dieses Gesetzes.
Oder wollen Sie mir das Gegenteil nachweisen? Wollen Sie hier die Behauptung aufstellen, daß wir in den Ausschußsitzungen diesen Bestimmungen, zu denen wir heute Änderungsanträge stellen, zugestimmt hätten? Wollen Sie eventuell behaupten, daß wir heute anderer Meinung wären und diese Änderungsanträge nur stellen, um der Öffentlichkeit gegenüber sagen zu können, daß wir sie gestellt haben? Sie haben ja heute selbst betont: Zwei Jahre dauern die Sitzungen des Arbeitskreises der Ausschüsse und die Beratungen der Ausschüsse. Herr Dr. Wuermeling hat das durch einen Zwischenruf zum Ausdruck gebracht. Also bitte, das ist doch ein Beweis dafür, daß wir unsere Meinung vertreten haben. Wenn Sie uns überstimmt haben, so ist dies äußerst bedauerlich. Aber Sie können uns heute keinen Vorwurf machen, wenn wir unsere Meinung, die im Ausschuß nicht zum Durchbruch gekommen ist, hier wiederholen, wenn wir sie hier eingehend begründen, wenn wir die Auffassung vertreten, daß vielleicht für unsere Meinung doch eine Mehrheit zu bekommen ist,
wenn jeder einzelne unbeeinflußt und aufgeschlossen und frei in seiner Entscheidung und in seiner Willensbildung
unsere Argumente hört.
Bei Ihnen ist es ja schon soweit, daß Sie in Ihrer Auffassung so verhärtet sind,
daß Sie nicht einmal den Versuch machen, uns von Ihrer Ansicht, von der in der Vorlage und in den einzelnen Paragraphen zum Ausdruck gekommenen Meinung zu überzeugen.
Sie ringen ja nicht mehr um eine Meinung, um
eine einheitliche Willensbildung, um die beste
Lösung im Interesse der Sache des Betriebsverfassungsrechtes. Darum ringen Sie ja nicht mehr.
— Sie sollten deutlicher werden, Herr Kollege Bucerius.
— Ich bedaure, ich habe auch diesen Zwischenruf nicht verstanden, sonst hätte ich sehr gern darauf geantwortet. Wir halten uns für verpflichtet und für berechtigt, die einzelnen Bestimmungen, die wir für nicht ausreichend, für nicht richtig und für abänderungsnotwendig halten, hier eingehend zu begründen und unsere Anträge zu stellen.
Darf ich zu dem zweiten Satz zurückkehren:
Die Errichtung ist abhängig von der Zustimmung der Betriebsräte aus den Betrieben, in denen insgesamt mindestens 75 vom Hundert der Arbeitnehmer des Unternehmens beschäftigt sind.
Es heißt also, daß in einem Unternehmen, das
Großbetriebe, kleinere oder mittlere Betriebe hat
— und solche gibt es —, in den wenigen Großbetrieben, in denen 75 % der Arbeitnehmer beschäftigt sind, die Betriebsräte einfach bestimmen, daß ein Gesamtbetriebsrat gebildet wird. Die kleinen werden gar nicht gefragt, und wenn man sie wirklich fragt, so ist ihre Stimme zu schwach, da sie ja nicht einmal das eine Viertel an Arbeitnehmerzahl repräsentieren. Deshalb können wir diesem Absatz nicht zustimmen. Wir sind der Meinung, jeder Betrieb des Unternehmens, ob groß, ob mittel oder klein, muß das Recht haben, frei zu entscheiden, ob er einen Gesamtbetriebsrat bilden will oder nicht. Wenn er es nicht will, dann bleibt er eben draußen, dann wird der Gesamtbetriebsrat halt nur von den Betrieben des Unternehmens gebildet, die es wollen. Der Gesamtbetriebsrat soll dementsprechend auch nur das Recht haben, Fragen zu regeln, die gemeinsame Fragen für die Betriebe sind, die den Gesamtbetriebsrat bilden wollen. Aber nach Ihrer Fassung hätte der Gesamtbetriebsrat, der mit einer Mehrheit von 75 % der Arbeitnehmer gebildet wird, das Recht, auch über die anderen Maßnahmen von Filialen und Kleinbetrieben des Unternehmens zu entscheiden, Maßnahmen mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren, die die anderen nicht wollen, die den Kleinbetrieben und den Filialen des Unternehmens nicht dienen. Das halten wir für undemokratisch und deshalb sind wir gegen die Bestimmung. Wir sind, wie ich bereits sagte, der Meinung, daß § 46 in dieser Beziehung geändert, daß der Satz 2 gestrichen werden muß.
Lassen Sie mich nun noch einige Worte zu unserem weiteren Antrag sagen, in § 46 hinter dem Wort „Unternehmen" die Worte ,;oder eine Behörde" einzufügen. Meine Damen und Herren, Sie haben vielleicht nicht so die Erfahrungen wie manche von uns, die von Hause aus Arbeitnehmer sind, die am Schraubstock gestanden haben
oder als Angestellte tätig gewesen sind. — Nur langsam! O bitte, bei Ihnen sind auch einige. Ich sehe gerade vor mir den Kollegen Arndgen, und es sind noch manche in diesem Hause; der Kollege Gengler erhebt Anspruch darauf, auch das erkenne ich an.
Aber nun zur Sache. Wir sind der Meinung, daß die Behörden mit einbegriffen werden sollten. Gerade bei den Behörden, bei den Kommunen, bei den Betrieben der Länder, der Kommunalverwaltungen, der Gemeindeverbände, der Wasserstraßen, der Post, der Eisenbahn waren die Gesamtbetriebsräte schon immer eine Selbstverständlichkeit, weil hier ein Arbeitgeber sichtbar ist, der den Betriebsräten der einzelnen Dienststellen gegenübersteht. Da hat ein Gesamtbetriebsrat sich bewährt. Da wurde der Gesamtbetriebsrat auch immer einstimmig beschlossen, so daß die Festlegung „75 vom Hundert der Arbeitnehmer" gar nicht notwendig gewesen ist.
Wir beantragen, daß hinter dem Wort „Unternehmen" die Worte eingefügt werden: „oder eine Behörde". Das hat gar nichts damit zu tun, ob ein besonderes Personalvertretungsgesetz beschlossen wird oder nicht. Bezüglich des Teils, der sich auf den Gesamtbetriebsrat bezieht, könnten,. wir 'für die öffentlichen Behörden oder Betriebe und für die private Wirtschaft ein und dieselbe Bestimmung treffen.
Ich bitte deshalb, unseren Änderungsantrag Ziffer 34 betreffend den § 46 anzunehmen. Da auch diese Bestimmung äußerst wichtig ist — das werden Sie nicht bestreiten —, beantrage ich namentliche Abstimmung.