Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 42 der Vorlage besagt in seinem ersten Satz, daß der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr in einer Betriebsversammlung einen Tätigkeitsbericht zu erstatten hat. Ich glaube, daß das Hohe Haus, ebenso wie es die Vertreter in den Ausschüssen getan haben, zustimmen wird. Denn er enthält eine Regelung, die wir alle bejahen. Wir hatten in dem alten Betriebsräterecht eine derartige Vorschrift nicht und wissen aus Erfahrungen, daß es Betriebe gegeben hat, in denen in längeren Zeitabschnitten keine Versammlung stattgefunden hat und kein Tätigkeitsbericht gegeben wurde. Wir wissen auch, daß es Betriebe gegeben hat, in denen in den Betriebsversammlungen Dinge behandelt worden sind, die nicht unmittelbar mit den Aufgaben des Betriebsrats zusammenhängen. Wir bejahen deshalb diese klare Bestimmung, die in dem ersten Satz enthalten ist.
Es heißt aber dann im Satz 2 der Vorlage: „Der Arbeitgeber ist hierzu unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen". Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Was hat der Arbeitgeber in den Betriebsversammlungen zu tun?
- Würden Sie auch so lachen, wenn ich die Frage stellen wollte: was haben die Betriebsangehörigen in den Versammlungen der Arbeitgeber zu tun?
Dann würden Sie sagen: Da haben sie nichts zu suchen.
Da werden Arbeitgeberangelegenheiten besprochen; da befaßt man sich mit der Frage, wie hoch in diesem Jahr das Einkommen sein wird; da werden Probleme der Rückstellung, der verschiedenen Reservefonds und derartiges mehr behandelt.
Wenn das auch Angelegenheiten sind, die mit dem Betrieb unmittelbar zusammenhängen, so werden Sie doch die Meinung vertreten, daß die Belegschaft in Arbeitgeberversammlungen nichts zu suchen hat. Genau so sind wir der Auffassung, daß der Arbeitgeber in den Betriebsversammlungen, die ja Versammlungen der Belegschaft sind, grundsätzlich nichts zu suchen hat. Damit wird gar kein Urteil über den Arbeitgeber als solchen oder über die Person des Arbeitgebers gesprochen; das liegt uns ganz fern. Entscheidend ist für uns der Grundsatz, daß die Betriebsversammlungen, in denen der Belegschaft Tätigkeitsberichte des Betriebsrats erstattet werden, Angelegenheiten der Belegschaft sind, so daß nicht zwingend im Gesetz festgelegt werden soll, daß der Arbeitgeber zu diesen Vierteljahresversammlungen unter Mitteilung der Tagesordnung vom Betriebsrat geladen werden muß. Das besagt doch diese Bestimmung, und das ist doch das Entscheidende. Wir sagen nicht, daß er nicht geladen werden kann; wir sagen noch nicht einmal, daß er nicht geladen werden soll. Wir wenden uns nur dagegen, daß man hier dem Betriebsrat zwingend oktroyiert, zu den Vierteljahresversammlungen, in denen er einen Tätigkeitsbericht zu erstatten verpflichtet ist, auch den Arbeitgeber zu laden und diesem dabei auch die Tagesordnung mitzuteilen.
Wir haben noch weitere Gründe, die uns veranlassen, uns gegen diese Bestimmung auszusprechen. Diese Gründe beruhen auf Erfahrungen in der Richtung, daß Arbeitnehmer sich nicht getrauen, die tatsächlichen Verhältnisse, ihre Nöte, ihre Lage, ihre Beschwerden in der Betriebsversammlung so zum Ausdruck zu bringen, wenn der Arbeitgeber anwesend ist, wie sie es ohne Zweifel tun würden, wenn sie unter sich wären. Das hat nichts mit Angst vor dem Arbeitgeber zu tun. Aber das ist ganz verständlich; denn man mußte schon die Erfahrung machen, daß so mancher Arbeitgeber sehr feinfühlig ist, daß er verschnupft ist, wenn der eine oder der andere Belegschaftsangehörige über diese oder jene Anordnung des Arbeitgebers eine andere Meinung hat als dieser, wenn er sich erlaubt, seine Arbeit zu kritisieren oder Vorschläge zu machen. Es gibt Arbeitgeber, die für die Kritik Verständnis haben und ein offenes Ohr dafür besitzen; aber es gibt auch — das werden Sie mir doch nicht bestreiten — Arbeitgeber, die Kritik einfach nicht vertragen können und sich dagegen wenden. Bewußt oder unbewußt wird dann ein armer Teufel, der es bei seiner Kritik gut gemeint hat, schließlich darunter leiden müssen, sei es bei der Beförderung, sei es, wenn Krisen im Anzug sind, bei Entlassungen usw. Wir vertreten deshalb die Auffassung, daß die zwingende Vorschrift im Zusammenhang mit der Betriebsversammlung in dieser Bestimmung unberechtigt ist. Sie werden aus unserem Antrag ersehen, daß wir sehr wohl anerkennen, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, an Versammlungen, die er beantragt, teilzunehmen.
Es heißt nun im letzten Satz des Abs. 1: „Er ist berechtigt, in der Betriebsversammlung zu sprechen." Sie wissen doch, wie sich hier einzelne Damen und Herren des Hohen Hauses alle Mühe geben, die anderen in dieser oder jener Frage von ihrer Ansicht zu überzeugen, sie für ihre Ansicht zu gewinnen und ihre Stimme zu erhalten. Ich habe mir heute schon sehr oft in diesem Hohen Hause Mühe gegeben, und so wird das dann der Arbeitgeber auch tun, wenn er grundsätzlich das Recht hat, in jeder Betriebsversammlung zu jedem Tagesordnungspunkt, zu allem, wozu er will, zu sprechen. Da wird es ihm allerdings anders gehen als mir heute. Da wird er vielleicht sehr oft die Kritik des einen oder andern von vornherein ausschalten, was nach meiner Auffassung nicht gut ist. Da wird er sehr oft die Meinung formen und gestalten, so wie er es gern will. Da gilt vielleicht das Sprichwort: Wes Brot ich eß', des Lied ich sing. Dann erhalten Sie als Arbeitgeber — entschuldigen Sie, Sie sind j a nicht alle Arbeitgeber —, dann erhalten die Arbeitgeber doch nicht das wahre Spiegelbild der Stimmung und Meinung in dem Betrieb, und das wollen Sie doch nicht. Deshalb ist dieser Satz wirklich sehr unklug, und unserer Meinung nach sollte er beseitigt werden.
In Abs. 2 des § 42 heißt es:
Der Betriebsrat ist berechtigt und auf Wunsch des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet, eine Betriebsversammlung einzuberufen...
Ursprünglich war in diesem Teil des Absatzes eine Bestimmung enthalten, die besagte, daß auch die Gewerkschaft diese Rechte hat. Es war nicht schön von Ihnen, daß Sie im Ausschuß diese Bestimmung gegen unsere Stimmen gestrichen haben. Wir werden sie deshalb wieder beantragen. Aber hier kommt doch zum Ausdruck, daß. der Betriebsrat berechtigt und auf Wunsch des Arbeitgebers oder von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet ist, eine Betriebsversammlung einzuberufen. Also hier hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, dem Betriebsrat gegenüber den Wunsch zu äußern, daß er eine Betriebsversammlung haben möchte, und der Betriebsrat ist verpflichtet, diesem Wunsch zu entsprechen. Ja, es geht sogar noch weiter, indem es heißt: „ ... und den beantragten Beratungsgegenstand auf die Tagesordnung zu setzen." Also in dieser Beziehung ist doch den Belangen des Arbeitgebers Rechnung getragen worden, so daß es wirklich nicht der Bestimmungen Abs. 1 Satz 2 und 3 bedarf.
Es geht dann in der Vorlage weiter:
Vom Zeitpunkt der Versammlungen, die auf Wunsch des Arbeitgebers stattfinden, ist dieser rechtzeitig zu verständigen.
Der Arbeitgeber wird also nicht überrascht, er erfährt nicht erst durch den Rundfunk oder liest in der Zeitung oder es wird im Betrieb erzählt, daß gestern abend eine Betriebsversammlung war, die auf seinen Wunsch einberufen wurde, von der er nicht einmal verständigt wurde und an der er nicht teilgenommen hat. Alles das ist in Abs. 3 geregelt.
Weil uns der Abs. 1 nicht zusagt, haben wir den Änderungsvorschlag gemacht:
Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr in einer Betriebsversammlung den Tätigkeitsbericht zu erstatten.
Dieser Satz stimmt mit der Vorlage des Ausschusses überein. Es heißt in unsrem Vorschlag weiter:
Auf Wunsch des Betriebsrats ist der Arbeitgeber verpflichtet, daran teilzunehmen.
Das sind die obligatorischen Vierteljahresversammlungen, die schon das Kontrollratsgesetz und die Ländergesetze vorsehen und die hier auch im Bundesgesetz enthalten sein sollen. Es ist selbstverständlich: Wenn der Betriebsrat es wünscht oder wenn er von der Mehrheit der Belegschaft beauftragt wird, diesen Wunsch gegenüber dem Arbeitgeber zu äußern, dann muß der Arbeitgeber ver-
pflichtet sein, Rede und Antwort zu stehen. Das entspricht demokratischen Gepflogenheiten und Grundsätzen, und hiergegen sollte man sich eigentlich nicht wehren.
Es heißt dann weiter:
Der Arbeitgeber ist berechtigt, in der Betriebsversammlung zu sprechen
— wenn er auf Wunsch des Betriebsrates geladen wird —; das ist eine Selbstverständlichkeit. Zum Schluß heißt es:
und hat sich zu bestimmten Fragen der Tagesordnung zu äußern.
Hier liegt eine Verpflichtung vor, die Verpflichtung, daß der Arbeitgeber sich zu bestimmten Fragen zu äußern hat, wenn es die Betriebsversammlung wünscht, aber nicht zu Fragen, die nicht auf der Tagesordnung stehen, über die er sich vorher nicht orientieren konnte, bei denen er schließlich erklären müßte, er sei überfragt, sondern nur zu Fragen, die auf der Tagesordnung stehen. Sie werden uns doch zugeben wollen, daß dieser Abs. 1 zu § 42 unseres Vorschlags ohne Zweifel der richtige ist, daß er den Verhältnissen in den Betrieben entspricht und daß er den Arbeitnehmern und ihrer Vertretung die gleichen Rechte und Grundlagen gibt, wie sie auch der Arbeitgeber hat. Darauf kommt es an. Wir wollen und wir können doch kein Betriebsverfassungsgesetz schaffen, also die Rechte der Belegschaft und des Arbeitgebers in einem Grundgesetz, das wir Verfassung nennen, festlegen, wenn wir als Demokraten nun dem Arbeitgeber in der einen und anderen Frage weitergehende Rechte geben als den Arbeitnehmern und ihrer Vertretung. Wir, die wir doch Anhänger der sogenannten Sozialpartnerschaft
sind, die wir für die Parität bei der Besetzung der Selbstverwaltungen sowohl in der Arbeitslosenversicherung wie auch in der Sozialversicherung eintreten, müssen doch auch hier diese Dinge in Ordnung bringen. — Herr Dr. Atzenroth, gerade Sie sollten sich das merken. Wenn Sie mir die Uhr zeigen, wenn Sie keine Zeit haben für die Behandlung der Arbeitnehmerinteressen,
dann halte ich es auch nicht für notwendig, daß Sie hier dabei sind.
Nun zur Sache. Wir wollen gleiche Rechte für die Sozialpartner. Wir wollen keine Übergeordnete und Untergeordnete, wir wollen keine Befehlsgeber und keine Befehlsempfänger. Deshalb unser Antrag zu § 42 Abs 1.
Zu § 42 Abs. 2 sagen wir grundsätzlich das gleiche, was in der Vorlage der Ausschüsse enthalten ist. Wir fügen nur ein, was der Arbeitskreis damals schon beschlossen hatte und was die beiden Ausschüsse mit Mehrheit herausgestrichen haben, daß nicht nur ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, daß nicht nur der Arbeitgeber berechtigt ist, dem Betriebsrat gegenüber den Wunsch auf Einberufung einer Betriebsversammlung zum Ausdruck zu bringen, sondern daß auch der Gewerkschaft zuerkannt werden soll, diesen Wunsch dem Betriebsrat gegenüber zum Ausdruck zu bringen, aber nicht allen Gewerkschaften schlechthin. Das wäre nicht tragbar. Es kämen dann vielleicht allzu-viele Betriebsversammlungen besonders in den Gegenden zustande, wo die SRP und sonstige Gebilde sich aufgetan haben, wenn jeder gelbe Verein,
der sich auch den schönen und verdienstvollen Namen Gewerkschaft zulegt, nun einfach eine Betriebsversammlung verlangen kann. Wir wollen nur den Gewerkschaften das Recht geben, die im Betriebsrat ein Mitglied haben. Wenn also ein Letriebsratsmitglied Angehöriger irgendeiner Gewerkschaft ist, dann soll diese Gewerkschaft das Recht haben, den Wunsch auf Einberufung einer Betriebsversammlung zu äußern, genau wie der Arbeitgeber, genau wie das Viertel der Belegschaft. Wir stimmen auch mit Ihnen darin überein, daß von dieser Versammlung, die, wie es hier heißt, auf Wunsch des Arbeitgebers und der Gewerkschaft stattfindet, beide rechtzeitig verständigt werden und daß die Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber berechtigt sind, in den Betriebsversammlungen, die auf ihren Antrag berufen werden, zu sprechen.
Meine Damen und Herren, ich habe zur Erörterung dieser Frage etwas mehr Zeit aufgewandt, um Ihnen durch längere Ausführungen die Bedeutung klarzumachen, die diese Angelegenheit für die Betriebsräte in Zukunft hat, für ihre Stellung, für ihr Gesicht, wie man so sagt. Ich darf Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.