Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine Damen und Herren! Man möchte es wirklich nicht glauben, wenn es nicht bittere Tatsache wäre, daß heute, kaum sieben Jahre nach einem Ende mit Schrecken, nach einem Ende mit mehreren Millionen toter und vermißter deutscher Soldaten, sich wiederum ein deutscher Kanzler findet, der nichts Eiligeres zu tun hat, als die Wiederaufrüstung zu betreiben
und die deutsche Jugend auf die Kasernenhöfe zu bringen. Und wiederum, genau wie unter Hitler, wird das deutsche Volk nicht gefragt, ob es diese Wiederaufrüstung überhaupt will. Wiederum entscheidet ein Kanzler und eine Clique um ihn. herum über die Köpfe unseres Volkes hinweg, und wiederum finden sich im deutschen Parlament Ja-Sager-Abgeordnete zu diesem neuen grausigen Ermächtigungsgesetz für eine neue Katastrophenpolitik.
Deutsche! Jetzt ist die Stunde gekommen,
wo im ganzen Volk Männer und Frauen aufstehen müssen, die es wagen, dieser AdenauerRegierung schärfstens die Meinung zu sagen, dieser Regierung, die g e g en den Willen der Mehrheit unseres Volkes handelt und die eine Volksabstimmung über die Fragen der Wiederaufrüstung fürchtet und mit allen Mitteln zu verhindern gesucht hat.
Jetzt zeigt es sich, wie recht wir von der WAV hatten,
als wir seit 1945 — leider als einzige Partei in Deutschland — immer wieder forderten, daß wenigstens über die wichtigsten Gesetze, von denen Wohl und Wehe unseres Volkes auf Jahrhunderte hinaus abhängt, nicht bloß ein kleiner Haufe von Ministern und Abgeordneten entscheidet, sondern das Volk selbst in geheimer Abstimmung. Wenn einmal die Geschichte der deutschen Nachkriegszeit geschrieben wird, wird man uns zubilligen müssen, daß wir damals rechtzeitig vorausgesehen haben, wie verhängnisvoll in Deutschland eine Verfassung werden mußte, die alle Rechte einigen Abgeordneten und Ministern und keine Rechte dem deutschen Volk gibt — bei so wichtigen Entscheidungen über seine Zukunft!
Meine Damen und Herren! Die Sprecher der Regierungsparteien haben gestern und heute immer wieder um den Kern der Sache herumgeredet. Die Kernfrage aber heißt: Könnten wir mit den 12 Divisionen, die Adenauer den Amerikanern angeboten hat, oder sogar mit 20 Divisionen — mehr kann aus dem völlig ausgebluteten deutschen Volk Westdeutschlands sowieso nicht mehr herausgeholt werden —, könnten wir mit diesen unseren 12 oder 20 Divisionen den Russen schlagen oder auch nur an der Zonengrenze aufhalten, wenn Stalin heute gegen Deutschland marschieren würde? Jeder General, jeder Soldat, den ich bisher darüber fragte, hat mir die gleiche Antwort gegeben:
Nein, niemals können wir das! Bekannte deutsche Generale haben mir wörtlich erklärt:
Die zwölf deutschen Divisonen werden höchstens
dazu dienen können, ein paar Tage Rückzugsgefechte zu schlagen, so lange, bis sich die 6 amerikanischen und die paar englischen Divisionen auf
ihre Schiffe zurückgezogen haben; denn mehr
amerikanische Divisionen als sechs gibt es ja gar nicht in ganz Europa. Gerade dieser hinhaltende Widerstand deutscher Truppen wird trotz all ihrer Tapferkeit dann dazu führen, daß Westdeutschland zum Kriegsschauplatz wird; und das bedeutet, daß auch der letzte Rest dessen vernichtet wird, was vom vorigen Weltkrieg übriggeblieben ist!
Ja, es ist nicht unsere Schuld, daß es so weit gekommen ist: Schuld an dieser Aussichtslosigkeit einer westdeutschen Aufrüstung bei einem Einfall der Russen tragen die Herren von Jalta und Potsdam, die Deutschland zertrümmert haben, die den deutschen Schutzschild gegen Osten zerbrochen haben, der die abendländische Kultur durch viele Jahrhunderte hindurch gegen die Ungarn, gegen die Awaren, gegen die Türken, gegen die Mongolen geschützt und verteidigt hat, seit das Römische Reich dazu zu schwach wurde.
Schon seit jenen vergangenen Jahrhunderten war es immer wieder Deutschland, das nicht nur sich selbst, sondern auch genau so Frankreich und England und die ganze abendländische Kultur gegen die Angriffe aus dem Osten geschützt hat. Diesen Schutzschild haben die Amerikaner und Engländer zerbrochen, und die deutschen Truppen, die sich 1945 an der Elbe den Amerikanern und Engländern ergeben haben, wurden von diesen an die Russen ausgeliefert, und die fehlen heute für Deutschland und die ganze Welt. So ist es gekommen, daß Westdeutschland heute — selbst bei einer deutschen Aufrüstung — nicht mehr verteidigt werden könnte, wenn die Russen angreifen würden. Unter diesen Umständen trotzdem den Jakele zu machen, der vorangeht und für die Amerikaner die Vorhut gegen die Russen spielt, ist ein Wahnsinn und ein Verbrechen am deutschen Volke.
Das Niederträchtigste aber ist, daß hier in Westdeutschland die allgemeine Wehrpflicht auf Wunsch der amerikanischen Regierung eingeführt werden soll, während Amerika selbst die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht abgelehnt hat und heute noch ablehnt. Das bißchen deutsches Blut, das wir noch haben, soll also restlos geopfert werden, während die Herren in Amerika ihr eigenes Blut möglichst schonen wollen und die allgemeine Wehrpflicht für ihre eigenen Soldaten bis jetzt abgelehnt haben! Herr Dr. Adenauer, ich rufe Ihnen zu:
unter den gegenwärtigen Umständen ist es ein Wahnsinn und ein Verbrechen am deutschen Volke, die allgemeine Wehrpflicht bei uns einzuführen, schon allein deshalb, weil wir mit unseren 12 oder 20 Divisionen überhaupt nicht in der Lage wären, den Russen zu schlagen, wenn Stalin heute nach Westen marschieren würde.
Aber wer sagt Ihnen denn überhaupt, daß Stalin tatsächlich nach Westen marschieren will?
Wenn er das gewollt hätte, dann hätte er es seit
1945 bis jetzt, sieben .Jahre lang, ungehindert tun
können, viel besser als in der kommenden Zeit.
Stalin hat es aber nicht getan, sondern er hat die
Amerikaner in Asien kämpfen lassen. Warum? Weil das für die Russen viel günstiger ist, als wenn sie Westeuropa zum Kriegsschauplatz werden lassen würden; denn nach Asien, nach Korea, Indochina usw. haben die Amerikaner fast dreimal so lange Nachschublinien über den Stillen Ozean, als sie über den Atlantik hätten. In Asien gibt es auch im Gegensatz zu Westeuropa kein gut ausgebautes Straßennetz, auf dem sich die technische Überlegenheit der amerikanischen Motorisierung auswirken könnte. Und in Asien gibt es nicht wie in Europa eine Bevölkerung, die mit den Amerikanern teilweise blutsverwandt ist, sondern lauter Asiaten, die den Amerikaner schon als Weißen gründlich hassen. Und in Asien gibt es Malaria, Typhus und ein Klima, das auch für den Amerikaner schwerste Verluste bringt, alles im Gegensatz zu Europa! Aus all diesen Gründen ist es für Stalin viel vorteilhafter, eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Amerikanern in Asien zu führen und nicht in Westeuropa.
Das alles aber ändert sich von Grund auf, wenn plötzlich deutsche Divisionen an der Elbe aufmarschieren, und zwar unter amerikanischem obersten Befehl. Dann könnte es sein, daß sich Stalin und der russische Generalstab schwerstens bedroht fühlen. Denn der Russe fürchtet nichts so sehr als den deutschen Soldaten, den er in zwei Weltkriegen kennengelernt hat. Der Russe fürchtet nicht die italienischen Divisionen und nicht die englischen und nie' t die amerikanischen Infanteriedivisionen; aber die deutschen Divisionen fürchtet er! Und das ist die entsetzliche Gefahr der Adenauerschen Remilitarisierungspolitik,
daß der Russe nämlich angreift, gerade weil er sich fürchtet, und zwar jetzt dann nach Westen, statt wie bisher nach Osten. Selbst wenn diese Gefahr nur 20% Wahrscheinlichkeit für sich hätte, - —