Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Herr Abgeordneter Schmid hat in seiner gestrigen Rede gemahnt, wir sollten die Aktivität in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands nicht den Russen überlassen, und Herr Wehner hat heute morgen ausdrücklich Zweifel daran geäußert, ob die
Bundesregierung der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands genügend Bedeutung beigelegt habe. Nun, ich möchte mir erlauben, Ihnen ein Verzeichnis der Bemühungen vorzulesen, die wir gemacht haben. Am 21. Oktober 1949 haben wir in einer Regierungserklärung erklärt, daß die Bundesrepublik verantwortlich sei für die 18 Millionen in Ostdeutschland. Am 22. März 1950 hat die Bundesregierung eine Erklärung über freie gesamtdeutsche Wahlen abgegeben. Am 26. Mai 1950 haben wir veranlaßt, daß die Alliierte Hohe Kommission an das Sowjetische Oberkommando in Deutschland ein Schreiben betreffend Wiederherstellung der deutschen Einheit gerichtet hat. Dann ist am 14. August 1950 die Regierungserklärung vom 22. März über gesamtdeutsche Wahlen hier wiederholt worden. Am selben Tage hat der Bundestag eine dahingehende Entschließung gefaßt. Diese beiden Entschließungen sind der Alliierten Hohen Kommission übermittelt worden. Am 1. Oktober 1950 habe ich eine neue Note an die Alliierte Hohe Kommission betreffend gesamtdeutsche Wahlen gerichtet. Am 9. Oktober 1950 hat die Alliierte Hohe Kommission an Herrn Tschuikow eine Note über freie gesamtdeutsche Wahlen gerichtet. Dann hat die Bundesregierung am 9. März 1951 wiederum eine Note an die Westmächte über die Hohe Kommission betreffend gesamtdeutsche Wahlen gerichtet. Am 27. September 1951 haben hier Bundesregierung und Bundestag eine Erklärung über gesamtdeutsche Wahlen abgegeben. Am 4. Oktober 1951 hat die Bundesregierung an die westalliierten Regierungen eine neue Note betreffend eine Wahluntersuchungskommission gerichtet. Dann haben wir die Schritte über die Alliierte Hohe Kommission bei der UNO getan. Alle Parteien hier im Hause - mit einer einzigen Ausnahme — haben den Erfolg, den wir damit gehabt haben, ganz außerordentlich hoch eingeschätzt. Am 6. Februar 1952 haben wir hier das Gesetz betreffend freie Wahlen beschlossen. Dieses Gesetz ist am 16. Februar an die Alliierte Hohe Kommission zwecks Weiterleitung an die Sowjetregierung übergeben worden. Wir haben, als die UNO-Kommission gewählt worden ist, hier am 21. März 1952 ein Gesetz über Erleichterung der Arbeit der UNO-Kommission beschlossen. Am 3. April 1952 haben wir von neuem hier beschlossen, bei den Besatzungsmächten auf Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen zu dringen.
Ich stelle das, meine Damen und Herren, gegenüber den Ausführungen, die ich eingangs erwähnte, fest. Ein Sprecher einer Fraktion dieses Hauses hat sich zu meinem sehr großen Bedauern bei einer solch wichtigen Angelegenheit darin gefallen, die Haltung der Bundesregierung gegenüber der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands anzuzweifeln. Ich stelle fest, daß wir bisher in diesen Fragen immer einträchtig gehandelt haben, daß alle unsere Forderungen an Sowjetrußland weitergegeben sind, daß aber Sowjetrußland auf keine einzige Note der drei Westalliierten überhaupt eine Antwort erteilt hat.
Herr Kollege Wehner hat heute morgen einige Sätze gesagt, die ich sehr bedauere und die besser nicht gesagt worden wären. Er hat ausgeführt, der Deutschlandvertrag mache die deutsche Politik zu einer Funktion der Besatzungsmächte. Er hat
weiter gesagt, die Alliierten bekämen durch den Deutschlandvertrag ein ausgesprochenes Vetorecht gegen die Wiedervereinigung Deutschlands.
Auf diese Weise, wie das Herr Wehner zu tun beliebt hat, macht man keine Politik,
macht man vor allem keine Außenpolitik und erwirbt man sich nicht die dringend notwendige Hilfe der Westalliierten bei der Wiedervereinigung Deutschlands, auf die wir genau so gut angewiesen sind wie auf die Sowjetunion.
Ich habe geglaubt, jeder, dem es um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands ernst ist, könne es nur begrüßen, wenn im Deutschlandvertrag drei von den vieren, die mitwirken müssen, sich ausdrücklich verpflichten, mit uns zusammen, mit uns gemeinsam eine Politik zu führen, die die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit zum Ziel hat.
An diesen Worten kann Herr Wehner nicht vorbeigehen. Was tut er? Er hat heute wörtlich gesagt: Es kommt nicht auf die einzelnen Bestimmungen an, sondern maßgebend ist der Geist der Verträge. Meine Damen und Herren, ich protestiere in sehr nachdrücklicher Weise in diesem Hause und vor der gesamten Öffentlichkeit dagegen, daß bei der Beratung eines solchen Vertrags,
der für uns von solcher Bedeutung ist, ein Mitglied dieses Hauses ein solches Mißtrauen gegenüber den drei Vertragspartnern, mit denen wir zusammen die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit herbeiführen müssen, ausspricht.
Ich möchte an Herrn Kollegen Wehner die Frage richten: Was ist denn nach seiner Meinung der Geist der Verträge?
Das soll er dann mal hier ausführen.
Der Deutschlandvertrag — das möchte ich hier gegenüber der Behauptung, daß unsere Außenpolitik nur eine Funktion der Politik der drei Alliierten würde, ausdrücklich sagen — gibt, wenn er in Kraft getreten ist, der Bundesrepublik jeden Tag und jede Stunde das Recht, bei den drei Westalliierten zu verlangen, daß Schritte unternommen werden, um die Wiedervereinigung herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, der Kollege Wehner hat heute morgen ebenfalls die Behauptung aufgestellt, die Bundesregierung habe nichts gegen die Sperrung der Zonengrenze getan. Woher weiß das denn Herr Wehner? Ich könnte ihm eine auf unsere Veranlassung an Herrn Tschuikow gerichtete sehr ernste Note über diese Frage vorlegen. Also, man soll nicht solche Behauptungen aufstellen — —
— Ich habe mir diese Äußerungen des Herrn Kollegen Wehner wörtlich aufgeschrieben. Die Stenographen werden ja auch aufgeschrieben haben.
Außerdem, meine Damen und Herren, ist doch diese ganze Rede aufs Band gegangen.
Herr Wehner hat dann weiter heute morgen ausgeführt, ich hätte es mir angelegen sein lassen, in die Antwortnote, die um diese Stunde schon in Moskau überreicht ist, hemmende Faktoren einzubauen. Woher weiß das denn eigentlich Herr Wehner?
Die Note wird heute abend der Öffentlichkeit übergeben werden. Dann können Sie ja doch die Note mal lesen, Sie werden dann daraus ersehen, daß, und zwar durchaus mit meinem Einverständnis, der sozialdemokratische Antrag auf eine ViermächteKonferenz schon überholt ist.
Aber Sie werden's ja heute abend lesen.
— Meine Dame und Herren, Sie haben mir auch nicht mitgeteilt, N, -s Sie den Herren von der Labour Party bei Ihrem Besuch gesagt haben,
aber ich habe es über London gehört.
Für eines bekenne ich mich schuldig, und dafür übernehme ich die Verantwortung: Ich habe gebeten, daß man in diese Antwortnote den Begriff „freie Wahlen" so aufnehmen möchte, wie Herr Kollege Wehner ihn von diesem Platze aus aufgestellt hat.
Ich nehme an, daß das doch Ihren Beifall finden wird.
Leider muß ich mich noch mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Erler befassen. Ich bedaure einen großen Teil seiner Ausführungen.
— Sie bedauern ja doch auch meine Ausführungen, dann darf ich doch wohl auch Ihre bedauern.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich halte es nicht für opportun, namentlich im gegenwärtigen Augenblick nicht für opportun, wo wir nach meinem Glauben zu einer Viererkonferenz kommen werden, davon zu sprechen, daß wir durch die Ge-
nehmigung dieser Verträge Sowjetrußland zwängen, in die Knie zu gehen. Das ist kein guter Ausdruck.
Ebensowenig halte ich es für klug und richtig, daß
in einem Augenblick, wo es nach aller Wahrscheinlichkeit zu einer Viermächtekonferenz kommt, von
dem Vertreter einer so großen Fraktion hier davon
gesprochen wird, die Genehmigung dieser Verträge verlange von den Russen eine Kapitulation.
Das ist ein sehr verhängnisvolles Wort, das die Atmosphäre außerordentlich stört.
Ebenso, meine Damen und Herren, halte ich es für keinen richtigen Sprachgebrauch, wenn man davon spricht, daß man Sowjetrußland einen angemessenen Preis zahlen müsse.
Sowjetrußland hat in der Sowjetzone nicht mehr Rechte als irgendeine andere Besatzungsmacht in
ihrer Zone.
Wenn man nun, wie ich hoffe, am Beginn einer
Reihe von Konferenzen steht, die die Wiedervereinigung Deutschlands und damit eine allgemeine
Entspannung herbeiführen soll, dann halte ich es
nicht für gut, wenn man fragt: Welch angemessenen Preis hat man denn Sowjetrußland dafür zu bieten, daß es der Sowjetzone das wiedergibt, was es ihr genommen hat?
Ich halte es auch nicht für gut, daß man davon spricht, wir zögen die Rüstungsschraube an, um dadurch Verhandlungen zu vereiteln. Nein, meine Damen und Herren, so spricht man wirklich nicht, wenn außenpolitische Verhandlungen bevorstehen. Ich bin der Auffassung, daß alle diese Äußerungen in keiner Weise angetan sind, die Verhandlungen mit Sowjetrußland über das von uns erstrebte Ziel zu erleichtern.
Herr Kollege Erler scheint auch den Art. 7 des Deutschland-Vertrages gar • nicht gelesen zu haben.
— Ich nenne ihn Deutschland-Vertrag, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie den Ausdruck „Generalvertrag" wegließen und den Vertrag auch „Deutschland-Vertrag" nennten.
— Ja, darauf wäre ich sehr stolz!
Nun die merkwürdigen Widersprüche in den Ausführungen des Herrn Kollegen Erler! Einmal führt er aus, daß 12 Divisionen doch viel zu wenig seien gegenüber der Macht Rußlands, und auf der anderen Seite führt er aus, daß wir dadurch die
Russen vor den Kopf stießen und zur Kapitulation zwängen.
— Ja, meine Damen und Herren, ich bin sehr froh, daß das deutsche Volk mich hört!
Ich bin wirklich sehr froh darüber,
und ich weiß ganz genau — ich habe es schon gestern gesagt —, wo die Mehrheit des deutschen Volkes steht.
— Meine Damen und Herren, fragen Sie doch mal den kleinen Kreis Ihrer Herren, die mit den Herren aus London gesprochen haben, was sie diesen gesagt haben. Aber ich bin zur Diskretion verpflichtet, ich kann es nicht sagen.
Jedenfalls, eine so vollständige Verkennung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, wie sie aus den Worten des Herrn Kollegen Erler klang, ist wirklich außerordentlich bedauerlich.
Ich habe mir erlaubt, immer und überall, auch gestern, zu sagen: der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft hat ja gar nicht den Hauptzweck, geschweige denn den einzigen Zweck, gegen Sowjetrußland eine Barriere zu bilden. Der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft hat in allererster Linie der. Zweck, dafür zu sorgen, daß kein Krieg mehr unter europäischen Völkern entsteht.
Ich darf Ihnen folgendes sagen, und das wird Sie vielleicht überzeugen: Auf einer Konferenz der sechs Außenminister der EVG-Länder war ein starker Gegensatz zwischen den Außenministern über die Dauer des Vertrages. Herr Schuman hat damals folgendes ausgeführt: „Wenn wir diesen Vertrag, so wie das von einem Teilnehmer verlangt wurde, nur auf zwanzig Jahre schließen, dann erreichen wir nicht das, was wir wollen. Denn in zwanzig Jahren wird eine Generation da sein, die den Schrecken des Krieges nicht mehr kennen gelernt hat, und auf der anderen Seite ist dann die Gemeinschaft noch nicht so zusammengewachsen, daß sie die Gegensätze. die nun einmal vorhanden sind, überwunden hat!" Das war die Begründung Schumans für eine Vertragsdauer von 50 Jahren. Wir haben uns seiner Ansicht angeschlossen. Wir hofften, daß nach 50 Jahren die Völker, die in dieser Gemeinschaft vereint sind, so zusammengewachsen sind, daß an einen Krieg zwischen ihnen nicht mehr zu denken ist.
Sie haben die politische Zusammenfassung vermißt. Ich will Ihnen dazu folgendes sagen. Die politische Zusammenfassung kommt, es wird auf der nächsten Außenministerkonferenz in Paris, die im letzten Drittel dieses Monats stattfindet, der Anfang der Beratung darüber schon gemacht werden, mit ganz präzisen Vorschlägen. Ich hoffe, daß, wenn wir soweit sind, Sie dann zustimmen werden.
Herr Kollege Erler hat noch etwas gesagt, das geeignet ist, in der großen Öffentlichkeit Aufsehen und Erbitterung zu erregen. Er hat gesagt: „Für Rüstungszwecke ist immer Geld da".
Nun warten Sie doch mal ab; ich bin ja noch nicht fertig. Er hat aber dabei nicht beachtet, daß wir ungefähr denselben Betrag jetzt schon für Besatzungszwecke auszugeben gezwungen sind;
wenn er über die finanzielle Lage und über die finanzielle Belastung durch den Vertrag spricht, dann mußte das, was gestern Herr Schäffer ausführlich hierüber gesagt hat, mit angeführt werden.
Meine Damen und Herren, eines muß ich nach der zweitägigen Verhandlung feststellen — ich kann nur sagen, daß mich diese Feststellung in meiner Überzeugung stärkt, daß wir den richtigen Weg gehen —: Keiner der Herren von der Opposition hat einen anderen Weg gezeigt!
Ich glaube, das kann man dem deutschen Volke nicht oft genug sagen, daß nur kritisiert worden ist, aber nicht ein anderer Weg, der auch nur die Aussicht bietet, zu dem gemeinsam von uns gewünschten Ziele zu kommen, hier aufgezeigt wurde.
Das einzige, was gesagt worden ist,
— warten Sie doch mal ab! —, ist, man solle neu verhandeln. Darin steckt doch zunächst folgendes: man glaubt also doch, daß man zu dem Ziele nur durch Verhandlungen mit den Westalliierten kommt.
— Da sind wir uns ja schon ein großes Stück nähergekommen!
Ich möchte mich jetzt auch zu anderen Kritiken wenden, die gestern und heute an dem Vertragswerk ausgesprochen worden sind. Ich war der erste
— weil ich ja auch zuerst das Wort nahm —, der erklärte, mancher Artikel in diesem Vertragswerk hätte, wenn es nach mir gegangen und wenn ich damit durchgekommen wäre, einen anderen Inhalt bekommen. Bitte, meine Damen und Herren, überlegen Sie doch einmal, ohne daß wir uns dabei ereifern und an die Köpfe kommen — dann und wann ist das ja ganz gut, aber man braucht es nicht ständig zu tun —,
bitte, überlegen Sie doch auch einmal folgendes: Alle diese Verträge sind Ergebnisse von Kompromissen zwischen vier oder sechs Verhandelnden. Bedenken Sie doch bitte, daß auch von den andern viel verlangt worden ist. Nehmen Sie z. B. den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich es als ein Opfer ansehe, das z. B. Frankreich bringt,
wenn es im höheren Interesse auf seine nationale Armee Verzicht leistet.
— Doch, es tut es wohl, meine Damen und Herren!
— Dann muß ich auch darauf eingehen. Frankreich erhält das Recht, Truppen in seinen überseeischen Besitzungen zu halten. Ich kann Ihnen sagen: mit Freuden wäre man bereit gewesen, der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft auch diese Aufgabe zu übertragen. Wären Sie dann bereit gewesen, einzuwilligen, daß unsere deutschen Leute nach Indochina hätten gehen müssen?!
Ich darf nochmals sagen: Wenn man die ganzen Vertragswerke leidenschaftslos und ruhig überprüft, dann muß man sich doch immer vor Augen halten: es handelt sich um Kompromisse. Wenn man neu verhandeln würde, würde man ebenfalls wieder nur auf dem Kompromißwege weiterkommen können. Wenn Sie — das werden Sie ja tun — die französische Presse verfolgen, dann werden Sie sehen — es ist ein schwacher, aber ein gewisser Trost für mich —, daß Herr Schuman noch mehr angegriffen wird als ich, weil er uns bei diesen Kompromissen viel zu weit entgegengekommen sei. Ich denke mir also, die Wahrheit liegt in der Mitte. Dort wird geschimpft, bei uns wird geschimpft — es ist nicht so tragisch, meine Damen und Herren!
Das muß mal kommen, das muß eben ertragen werden. Man muß sich einmal aussprechen, dann wird man in den Ausschüssen weitere Aufklärungen geben. Ich für meine Person, der ich doch vielen Verhandlungen beigewohnt habe — Sie wissen, daß die Verhandlungen sogar bis zu 18 Stunden hintereinander gedauert haben —, kann nur sagen, daß ich glaube, wir haben alles herausgeholt, was herauszuholen war. Natürlich kann ich Ihnen das nicht beweisen, meine Damen und Herren. Wer wollte das aber auch beweisen! Einer von den Herren der sozialdemokratischen Fraktion hat gesagt: Wer sagt uns denn, daß die Bundesregierung das Maximum herausgeholt hat. — Wie will man das denn überhaupt klar entscheiden! Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen zu sagen, daß wir allen unseren Mitarbeitern bei diesem Werk aufrichtigen und herzlichen Dank schulden. Wenn Sie wüßten, mit welcher Hingabe gearbeitet worden ist, mit welcher Zähigkeit gekämpft und gerungen worden ist, dann würden Sie wahrscheinlich auch Ihre Anerkennung nicht versagen.
Ich möchte zwei Namen nennen — aber die anderen gehören alle dazu —, der eine ist Staatssekretär Hallstein und der andere ist Herr Blank,
die wirklich Hervorragendes geleistet haben.
Meine Damen und Herren, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich aus einem Aufsatz,
der in der Zeitschrift für internationale Fragen „Außenpolitik" erschienen ist, geschrieben von Prof. Grewe, der sich auch an den Verhandlungen hervorragend beteiligt hat — ich habe den Aufsatz eben erst bekommen —, Ihnen folgendes vorlesen, damit Sie die ganze Problematik erkennen:
Eine sehr einfache und überzeugende Lösung der zu bewältigenden Aufgaben schien sich anzubieten:
— das Angebot habe ich gemacht —
Aufhebung des Besatzungsstatuts und vollständige Freigabe der Souveränität der Bundesrepublik, vertragliche Einräumung ' eines Truppenstationierungsrechtes an Großbritannien und die Vereinigten Staaten unter Gewährung der im NATO-Truppenstatut vorgesehenen Rechte an die britischen und amerikanischen Streitkräfte, Stationierung französischer Truppen auf der Grundlage und im Rahmen der Vorschriften des Vertrags über die Gründung der EVG... Leider hatte auch eine Lösung auf dieser Linie keine reale Verwirklichungschance, denn eine solche Lösung hätte die Zerstörung der interalliierten Vereinbarungen von 1945 bedeutet. Die drei Westalliierten haben aber keinen Augenblick einen Zweifel daran gelassen, daß eine Lösung mit dieser Folge für sie nicht in Frage kam. Geht man den Motiven dieses Entschlusses nach, so wird man sie auch vom Standpunkt der deutschen Interessen aus anerkennen und billigen müssen. Damit muß man aber auch ihren Konsequenzen zustimmen. Die Grundkonzeption, auf der sich der ganze Deutschlandvertrag mitsamt seinen Zusatzverträgen aufbaut, beruht auf der Erkenntnis der Übereinstimmung der alliierten und der deutschen Interessen in diesem Punkte, Die durch die Teilung Deutschlands herbeigeführte eigentümliche Lage bringt es mit sich, daß gerade die Löschung jener letzten Hypotheken, die auf der deutschen Souveränität lasten, d. h. die vollständige Beseitigung der Viermächtevereinbarungen von 1945, zugleich die letzten Klammern gefährden würde, die Deutschland heute noch zusammenhalten.
Überlegen Sie sich doch das einmal in aller Ruhe. Wir hätten um den Verzicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands wahrscheinlich die vollen Souveränitätsrechte ohne Vorbehaltsrechte bekommen können,
aber damit hätten wir, das schreibt Herr Grewe ganz richtig, die letzten Klammern gelöst, die jetzt noch die beiden Teile Deutschlands zusammenhalten.
Das, meine Damen und Herren, wollen weder wir noch Sie! Wenn an meiner Stelle ein sozialdemokratischer Bundeskanzler gestanden hätte, hätte er genau das tun müssen, was ich getan habe.
Lassen Sie mich ein letztes Wort noch sagen. Verträge allein schaffen noch kein Vertrauen unter den Vertragschließenden. Gemeinsame Arbeit, Sichkennenlernen, das schafft Vertrauen. Es wird — es ist schon von einem Redner gesagt worden —
natürlich absolut darauf ankommen, in welchem Geiste die Verträge ausgeführt werden.
Diesen Geist müssen wir Deutsche mitschaffen helfen. Sicher müssen es auch die anderen mittun, aber wir müssen dabei helfen. Wenn wir von vornherein an das ganze Vertragswerk mit diesem inneren Gegensatz, mit dieser Opposition, mit diesem Mißtrauen gegenüber den anderen Vertragspartnern herangehen - Sie wissen doch alle, daß man einen Menschen nur dann gewinnen kann, wenn man ihm Vertrauen zeigt; aber ich gewinne ihn niemals, wenn ich ihm nur mit Mißtrauen gegenübertrete.
So werden wir Deutsche, wenn die Verträge Recht geworden sind, an die gemeinsame Arbeit mit den Westalliierten herantreten müssen in der Hoffnung, daß die Vertragspartner Vertrauen zu- einander bekommen. Ich bin — das möchte ich nochmals wiederholen — der Auffassung, daß wir der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden ein ganz großes Stück nähergekommen sind.
Ich wiederhole: Auch hier hat keiner der Oppositionsredner einen näheren und besseren Weg gezeigt als den Weg der Verhandlungen. Von Herrn Erler ist gesagt worden: Wettrüsten, das schafft Krieg oder die Gefahr des Krieges; ich weiß den Wortlaut nicht mehr genau. Ich darf Sie nochmals darauf hinweisen, welche Beispiele ich gestern hier genannt habe. Hätten die anderen, als Hitler auf tete, sich auch stark gemacht, würde Hitler niemals gewagt haben, zum Krieg zu schreiten.
— Ach nein, sie waren j a gar nicht stark.
Ich wiederhole auch das zweite Beispiel. Sowjetrußland würde niemals entgegen den zusammen mit den Alliierten geschlossenen Friedensverträgen die Oststaaten zu Satellitenstaaten gemacht haben, wenn es nicht gewußt hätte, den andern in der militärischen Stärke so überlegen zu sein, daß sie ihm nicht in den Arm fallen konnten. Und das ist es doch, was unsere Politik bezweckt. Ich bin doch bei Gott kein Militarist — das kann ich Ihnen wirklich versichern —,
und ich will auch wahrhaftig keinen Krieg. Das Ziel meiner ganzen Arbeit ist doch nur das eine: dem deutschen Volk und Europa den Frieden wirklich zu schaffen.
Lassen Sie mich noch das Wort hinzufügen: Ich möchte auch den Frieden mit Sowjetrußland haben. Aber Sowjetrußland soll — und das wünschen wir von ihm — die 18 Millionen Deutschen, die es jetzt so in der Faust hält, freigeben.
Das ist das Verlangen, das wir an Sowjetrußland stellen; nichts anderes. Wir, dieses relativ kleine Deutschland, können das starke Rußland nicht mit Krieg überziehen, und Säbelrasseln wäre von uns geradezu blödsinnig. Das ist doch so klar, daß man kein Wort darüber zu sagen braucht.
Ich wiederhole noch einmal, was ich auch schon gesagt habe, und Nachrichten, die ich heute morgen während der Sitzung bekommen habe, haben es mir wieder bestätigt: Unsere Menschen in der Ostzone sehen heute auf uns, und sie warten darauf, daß wir auf unserem Weg so schnell fortschrei-
ten wie irgend möglich, weil wir ihre einzige Hoffnung sind.