Meine Damen und Herren! Vom Standpunkt meiner heimatvertriebenen Freunde aus habe ich zu dem vorliegenden Vertragswerk folgendes auszuführen. Wir Heimatvertriebenen sind j a nicht nur Bürger der Bundesrepublik geworden, sondern wir sind gleichzeitig Bürger unserer Heimatgebiete geblieben, aus denen man uns gegen göttliches und menschliches Recht gewaltsam herausgesetzt hat. Unser Anspruch auf Rückkehr ist unveräußerlich und unabdingbar. Das Potsdamer Abkommen hat ausdrücklich erklärt, daß die deutschen Grenzen erst im Friedensvertrag festgesetzt werden sollen, und unsere Heimatgebiete sind den Oststaaten nur zur Verwaltung übergeben worden. Diese Staaten haben sich aber nicht als ehrliche Sachwalter und Treuhänder erwiesen, sondern sie haben sich so benommen, als seien sie bereits. absolute Herren und als seien diese Gebiete schon endgültig in ihr Land eingegliedert. Sie haben daher volkstumsmäßig, kulturell, zivilisatorisch und wirtschaftlich alles unternommen, um das Deutschtum dieser Gebiete auszulöschen. Darüber hinaus haben sie durch ihre berufenen Staatsmänner mehrfach öffentlich erklärt, daß sie die Oder-Neiße-Linie als eine ewige Grenze ansähen, als die Friedensgrenze, die nicht angerührt werden dürfe, es sei denn um den Preis eines Krieges.
Leider haben sich die Staatsmänner der Ostzonenrepublik diesen Äußerungen angeschlossen und sie sogar aus eigener Überzeugung gebilligt.
Auf diese Weise sollten die berühmten oder berüchtigten „vollzogenen Tatsachen" geschaffen werden, die in der Geschichte der Welt schon soviel Unheil angerichtet haben, indem sie die Möglichkeit zu schiedlich-friedlicher und sinnvoller Gestaltung verbauten und immer wieder den Keim zu neuen Verwirrungen legten, die dann vielfach nach gewaltsamer Auswirkung drängten.
Die Westmächte haben mit immer steigendem Nachdruck auf den provisorischen Charakter des Potsdamer Abkommens hingewiesen. Wir freuen uns, daß dieser Standpunkt in Art. 7 des Generalvertrages ausdrücklich vermerkt worden ist. Wir Heimatvertriebenen sind darüber einig, daß eine Rückkehr für uns nur über Gesamtdeutschland in Frage kommen kann, aber nur über ein Gesamtdeutschland, das organisiert und gestaltet ist nach den Grundsätzen der freien Demokratie westlicher Prägung.
Wir sind weiter der Meinung, daß nichts versäumt und nichts unterlassen werden darf, daß vielmehr jegliche Möglichkeit und jegliche Chance ausgenutzt werden muß, um das gesamtdeutsche Problem zu einer positiven Lösung zu bringen. Wir begrüßen infolgedessen die bevorstehende Viererkonferenz und hoffen, daß auf ihr auch das Problem der deutschen Grenzen mit Nachdruck in unserem Sinne behandelt wird.
Leider ist im Ausland vielfach die Meinung verbreitet — dies gilt besonders für Frankreich —, wir Heimatvertriebenen wollten uns dem westlichen Verteidigungssystem in hintergründiger Absicht nur anschließen, um auf diese Weise militärischen Rückhalt zu bekommen, um unsere Heimat auf kriegerischem Wege wieder zurückzugewinnen. Diese Ansicht ist falsch und widerspricht allen Tatsachen. Die Heimatvertriebenen haben vor zwei Jahren in einer imposanten Kundgebung in Stuttgart vor der Weltöffentlichkeit durch ihre berufenen Vertreter ihr Grundgesetz, die VertriebenenCharta, verkündet. Sie haben hierin als fundamentalen Satz herausgestellt, daß die Rückkehr in die Heimat nicht auf kriegerischem Wege stattfinden soll. Wir wollen nicht, daß Deutschland Kriegsschauplatz und unsere Heimat ein Haufen von Trümmern, Schutt und verbrannter Erde wird.
Wir vertrauen vielmehr darauf, daß Recht und Gerechtigkeit schließlich zum Durchbruch kommen werden, das formale Recht, wie es im gesetzten Völkerrecht verbrieft ist, und die göttliche Gerechtigkeit, wie sie in den Verheißungen der Atlantikcharta und in der Proklamation der Vereinten Nationen als moralische Verpflichtung übernommen worden ist.
Wenn wir in unsere Heimat zurückkehren sollten, dann darf, wozu wir uns feierlich verpflichtet haben, nicht Zwang, nicht Rache und nicht Vergeltung stattfinden. Wir sind der Meinung, daß es durchaus möglich ist, wie es früher, noch vor wenigen Menschenaltern, der Fall war, daß Deutsche und Polen einträchtig auf demselben Raum zusammenleben können. Sie haben damals schiedlich und friedlich miteinander verkehrt und gewirkt. Diese freiwillige Zusammenarbeit hat die hohe Blüte dieser Gebiete zur Folge gehabt. Erst der künstlich gezüchtete Rassenhaß und der übersteigerte Nationalismus haben diesen glückhaften
Zustand zerstört mit all den furchtbaren Konsequenzen, die wir schaudernd erlebt haben. Wir wissen weiter, daß wir, wenn einmal die Rückkehr stattfinden sollte, dort auch Bewohner polnischer Abstammung, die selber Vertriebene sind, finden werden. Aus der Gemeinsamkeit des Schicksals heraus wird sich unschwer die Möglichkeit eines harmonischen Zusammenlebens ergeben. Wir sind deshalb der Meinung, daß die Zurückführung dieser Gebiete in den Rahmen Gesamtdeutschlands auch für die Welt etwas bedeuten würde, indem dieser Grenzraum dann in die Lage versetzt würde, in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht die Vermittlerfunktion zwischen Ost und West, den Brückenschlag von hüben nach drüben zu übernehmen, zum Segen nicht nur für Europa, sondern letzten Endes auch für die ganze Welt.