Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat in seinen Ausführungen auch darauf hingewiesen, daß ich über manches geschwiegen hätte, insbesondere über den Teil des Finanzvertrages, der sich mit Steuern und Zöllen beschäftigt. Das veranlaßt mich, meine Ausführungen etwas zu ergänzen. Bei dieser Gelegenheit darf ich auch auf die Ausführungen des Herrn Vorredners eingehen.
Der Herr Vorredner hat zunächst einmal gesagt, die Bundesregierung habe die These aufgestellt, daß sie keine neuen Steuererhöhungen und keine Inflation will. Richtig! Die These war einmal, ganz im Telegrammstil gesprochen: Verteidigungsbeitrag aus Pflichtgefühl ja, Steuern erhöhen nein, Inflation nein. Ich glaube, die Parole war richtig und wird auch von dem Herrn Vorredner nicht bestritten. Ich glaube, daß der Herr Vorredner auch nicht behaupten kann, daß das Verhandlungsergebnis dieser Parole entgegen sei, sondern daß er zugeben muß, daß das Verhandlungsergebnis diese Parole aufrechterhält und bewahrt.
Sehr ernst hat er darüber gesprochen, daß ja die demokratische Kontrolle nicht gegeben sei. Herr Kollege Schoettle als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, ich muß sagen, darüber bin ich etwas verwundert. Sie haben bisher im Parlament über den ganzen Besatzungskostenhaushalt nie einen Beschluß gefaßt, weil Sie gewußt haben: das sind vollendete Tatsachen. Sie haben diesen Abschnitt immer nur zur Kenntnis genommen,
ich möchte sagen: knirschend zur Kenntnis genommen. Das war kein Ideal! Wenn nunmehr der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft besteht, wenn nunmehr über diese Verteidigungsbeiträge zu beschließen ist, dann haben Sie ganz genau dasselbe Recht und dieselbe Befugnis wie das französische, italienische, belgische, holländische Parlament und sonstige Parlamente in der Welt auch.
Sie können jetzt die Verantwortung übernehmen, ob Sie den Verteidigungsbeitrag ablehnen oder nicht. Wenn Sie meinen, es sei wirklich die Aufgabe, daß alle elf Nationen, etwa die Italiener, nachprüfen, ob die Holländer in ihrer Kaserne 6 Hocker oder 8 Hocker haben und ob das Luxus ist oder nicht,
wenn Sie an die Einzelheiten denken, dann brauchen Sie sich nur zu entschließen, den Gedanken des europäischen Parlaments möglichst rasch zu fördern, und Sie können die letzten Einzelheiten sogar noch in einem Parlament beschlossen haben! Bis dahin muß man sich mit der Tatsache abfinden, daß die Entscheidung in einem Gremium liegt, in dem das einzelne Land nach seiner Beitragsleistung im Stimmengewicht vertreten ist. Die Entscheidung über die Kasse der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft liegt in den Händen des Ministerrats
und der sonstigen Ausschüsse, und nach den Mehrheitsvorschriften, die gegeben sind, kann in diesen Gremien eine Entscheidung von großer Bedeutung gegen den bewußten Willen Deutschlands, wenn es nur einen Verbündeten findet, gar nicht fallen. Und wer sie dort vertritt, unterliegt in diesem Hause der parlamentarischen Verantwortung. Ich glaube, daß damit dem Gedanken der Demokratie voll Rechnung getragen ist.
Wenn Sie nun sagen, es bleibe nach wie vor die Tatsache, daß 40 % der gesamten Haushaltssumme für Verteidigungslasten ausgegeben werden, — richtig, aber da ist doch ein Unterschied, muß ich sagen. Bisher konnten wir die Summe nicht bestimmen, bisher ist die Summe keinem Deutschen zugute gekommen, außer den Lohnangestellten, über deren Zahl und über deren Tätigkeit wir manchmal unsere eigenen Gedanken gehabt haben.
Jetzt aber wächst Monat für Monat der deutsche Zweck, das europäische Kontingent deutscher Nation in diese Summe hinein. Sie können den Monat bestimmen, an dem Sie sagen können: alles, was der deutsche Steuerzahler zu leisten hat, kommt dem europäischen Kontingent deutscher Nation zugute. Ich glaube, das ist ein ganz anderer Gesichtspunkt.
Dieses System unterliegt der parlamentarischen Einwirkung in viel höherem Maße als das System, das wir bisher gehabt haben.
Bei allen Verträgen ist doch zu überlegen: ist der Vertrag ein Schritt vorwärts, oder ist er es nicht.
Und nun sprechen Sie von den 850 Millionen monatlich, vergessen aber doch, etwas Wesentliches zu betonen. Die 850 Millionen sind vom Inkrafttreten der Verträge an monatlich zu zahlen. Sie sind vorerst bis zu einem Endtermin — dem 30. Juni 1953 — zugesagt und stehen dann unter dem Revisionsvorbehalt. In dem Finanzvertrag finden Sie ausgedrückt, was in den Vertragsverhandlungen vereinbart worden ist: die Revision wird durchgeführt von der deutschen Bundesrepublik, der EVG — in der die deutsche Bundesrepublik stark vertreten ist — und den beteiligten Mächten der stationierten Truppen, gleich zu gleich und unter der Voraussetzung, daß alle anderen Nationen mindestens das Gleiche dessen geleistet haben, was insgesamt vom deutschen Volke als Leistung für Verteidigungszwecke erwartet wird. Damit, so können wir sagen, haben wir über die Zweckverwendung mitzubestimmen. Wir haben den deutschen Verwendungsplan, der der Haushaltsplan für die Aufstellung des deutschen Kontingents ist, j a bereits aufgestellt. Ich darf Ihnen Ihre Sorgen, daß er nicht ausreichen könnte, etwas erleichtern. Sie haben gemeint: 200 Milliarden, nicht in einem Jahr selbstverständlich.
— Ich weiß schon, das haben Sie selber betont; ich kann Ihnen aber folgendes sagen. Die Vereinigten Staaten haben die Verpflichtung übernommen, das gesamte schwere Material für die Ausrüstung der deutschen Kontingente in derselben Art, in derselben Güte, in derselben Menge, wie es nach den sogenannten NATO-Verträgen für irgendein Kon-
tingent zu liefern ist, auch dem deutschen Kontingent unentgeltlich zu liefern.
Sie haben sich daneben verpflichtet, auch leichtes Material in einem bestimmten Wert und zahlenmäßig genannten Umfange zu liefern. Wir sind uns einig geworden, daß wir den deutschen Boden möglichst wenig für Exerzierplätze, Depots etc. in Anspruch nehmen wollen, uns deswegen als gleich behandeln und eine gleichmäßige gemeinsame Benutzung dieser Anlagen von vornherein vereinbaren wollen, wodurch der Bedarf auch wesentlich geringer wird. Also das Menschenmögliche ist getan, und ich glaube, auch mein Freund Blank — und der ist sicherlich geneigt, hier sorgfältig nachzurechnen und zu denken — wird Ihnen bestätigen, daß er unter diesen Bedingungen für die Aufstellung des deutschen Kontingents im ersten, menschlich voraussehbaren Zeitraum keine Sorgen mehr hat.
— Ich hoffe, daß Sie die deutsche Bundesregierung und die Unterhändler bei den Revisionsverhandlungen möglichst unterstützen.
Sie werden sich dann bemühen, Ihnen diese Sorgen auch für die Zeit nach dem 1. Juli 1953 abzunehmen.
Die andere Frage noch mit der globalen Summe des Haushalts: das sei ein Verzicht auf die Souveränität. Herr Kollege Schoettle,
selbstverständlich ist jeder Verteidigungsbeitrag und jede Verteidigungsausgabe in allen Jahrhunderten ein Greuel für jeden Finanzminister gewesen.
Die Finanzminister hätten ihr Geld am liebsten für andere Zwecke als ausgerechnet für den Soldaten verwendet. Das ist eine alte Geschichte; da brauche ich gar nichts Neues zu erzählen.
Immerhin aber verwende ich das Geld lieber für ein europäisches Kontingent deutscher Nation als für eine Besatzungstruppe.
Und nun: Werden unsere sozialen Leistungen dadurch eingeschränkt? Ich darf Ihnen eine reine Zahl nennen, und ich bitte, darüber nachzudenken. Die Steigerung der deutschen Steuereingänge vom Jahre 1950 auf das Jahr 1951 beträgt 27 %.
Die Steigerung der Verteidigungsausgabe plus Besatzungskosten gegenüber dem Vorjahr von 7931 auf 8800 Millionen beträgt rund 10 %. 17 %, also der größere Teil, bleiben für die übrigen Leistungen des Bundes. Sie wissen, daß sich die Sozialleistungen und Verteidigungsausgaben oder Besatzungskosten bisher ungefähr die Waage gehalten haben. Von der Steigerung der deutschen Steuerkraft bleibt der größere Teil für die sozialen Leistungen des deutschen Volkes erhalten!
Das ist das Bestmögliche, was nach menschlicher Voraussicht überhaupt zu erreichen war.
Und nun zu den Steuern und Zöllen. Ich bin geneigt und sehr gern bereit, die Einzelheiten der Verträge nach dieser Richtung durchzusprechen. Ich möchte hier nur zwei Grundsätze aufstellen. Sie haben einen selbst schon genannt. Es ist natürlich, daß die Gegenseite sagt: von der Tatsache, daß wir unsere Truppen bei euch stationieren, dürft ihr steuerlich keinen Vorteil haben. Ebenso natürlich war es, daß ich zur Antwort gab: und ich will steuerlich auch keinen Nachteil haben. Infolgedessen — Grundsatz im allgemeinen, internationale Gepflogenheit —: Die Truppeneinheit als solche genießt Zollfreiheit. Das ist auch gar nicht anders zu machen.
Schwierig ist die Frage bei der Verbrauchsteuer. Der Grundsatz bei der Verbrauchsteuer ist: Wenn ihr im Inland Waren kauft, die ich wieder importieren muß, fällt es mir gar nicht ein zu sagen: ich werde dadurch, daß ihr aufkauft, begünstigt. Ich bin in diesem Fall benachteiligt, weil ich für den deutschen inländischen Verbrauch dann mit Devisen sofort wieder einkaufen muß. Infolgedessen werden Sie sehen, daß die Truppen auch für Waren, bei denen der Rohstoff oder die Ware selbst für deutschen Bedarf aus dem Ausland importiert werden muß, in keiner Weise verbrauchssteuerfrei oder sonst bevorzugt sind. Ich wünsche, daß sie ihren Bedarf selbst importieren und will die deutschen Devisen sparen. Das ist natürlich.
Wenn nun die Truppenangehörigen über PXLäden gewisse Bevorzugungen genießen, so kommt ein zweiter Grundsatz. Ich habe anerkannt: in all den Fällen, in denen die Truppeneinheiten mit Devisen einkaufen, wird es so betrachtet, wie wenn es ein Export von Deutschland in das Ausland wäre. Denn wer bei mir mit Devisen kauft, leistet mir dasselbe, was der Exporteur mir an Devisen hereinbringt. Das gilt auch für PX-Läden. Zwar zahlt der Kunde dort in D-Mark, aber die PX-Läden erhalten ihre Zahlungen in Scrips, und die Leitung der Geschäfte kauft in Deutschland zwar in D-Mark ein. Aber diese D-Mark sind alle bei der Bank deutscher Länder erst durch Dollarverkauf aus Devisen in D-Mark umgewandelt worden, stehen also volkswirtschaftlich ebenfalls dem Export begrifflich nahe. Unter dieser Voraussetzung muß man diese Steuerbestimmungen verstehen.
Ich möchte dann noch sagen, weil Sie Sorgen wegen der wirtschaftlichen Folgen geäußert haben: denken Sie daran, daß in dem EVG-Vertrag die Bestimmung steht, daß in jedem Land mindestens 85 % des von dem Land aufgebrachten Beitrags in dem Land wirtschaftlich verwendet werden müssen. Ich bin der Überzeugung, daß in Deutschland bei den gegebenen Wirtschaftsbedingungen — Leistungsfähigkeit und Sonderart der deutschen Wirtschaft, die auf Friedenswirtschaft eingestellt ist — mehr als 85% des deutschen Beitrags im Lande verwendet werden.
Es ist nicht mein Ressort, über das Auslandsvermögen zu sprechen. Aber wenn wir die Dinge ruhig betrachten, müssen wir doch sagen: 20 Milliarden DM war der Wert — war der Wert — der Patente und Lizenzen. Leider Gottes sind aber seit dem Jahre 1945 schon sechs Jahre hingegangen und vieles, was man an deutschem Vermögen im Ausland noch erhalten wünschte, ist leider Gottes nicht erhalten geblieben, und keine Macht der Erde könnte dieses Auslandsvermögen wiederherstellen. Es ist noch nie ein Friedensvertrag gewesen, in dem der Besiegte dem Sieger die Bedin-
gung aufgebürdet hätte, daß dieser das während des Krieges beschlagnahmte Vermögen dem besiegten Staat etwa hätte vergüten müssen.
Ich glaube, damit auf die Einwendungen geantwortet zu haben. Ich weiß, Herr Kollege Schoettle, daß Sie in eine ehrliche Kritik der Verträge eintreten werden. Sie werden mich bereit finden, ehrlich zu der einzelnen Kritik Stellung zu nehmen. Ich darf aber doch einen Wunsch aussprechen: Wenn wir uns über Steuern und Zölle unterhalten, so gehört das mit zu unserer Aufgabe; aber in der Größenordnung ist zwischen einer einzelnen Steuer und dem Frieden der Welt ein weiter Unterschied.