Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat sich in seiner großen Rede — und die anderen Redner sind ihm darin gefolgt — in erster Linie mit der geschichtlichen Bedeutung der Verträge beschäftigt, mit ihrem großen Ziel, dem Weg Deutschlands zur Einheit und zur Freiheit, der Gründung eines europäischen Staatenbundes zum Schutze des Friedens, zur Vermeidung eines dritten Weltkriegs. Ich habe an dieser Stelle nur über eine Teilfrage, ein Sachgebiet mit Ihnen zu sprechen: über die finanzielle Bedeutung, die finanzielle Auswirkung der Verträge, über den Teil „Finanzvertrag" in den Einzelverträgen. Ich darf aber an folgendes erinnern. Es gibt keine geschichtliche Leistung, es gibt keine geschichtliche Entwicklung, die von den einzelnen Völkern nicht große Opfer erforderte.
Ich habe aus anderem Anlaß bei Betrachtung des deutschen Haushalts und einem Vergleich mit den anderen Haushalten von dieser Stelle aus schon einmal dargelegt, welch große Opfer die übrigen Nationen der freien demokratischen Welt in diesem Ringen zur Vermeidung eines heißen Krieges auf sich genommen haben. Ich habe darauf hingewiesen, daß z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika heute mehr als 70 % ihrer gesamten Ausgaben dem Zwecke widmen, den Frieden in der Welt zu erhalten, und daß eine ähnliche prozentuale Steigerung der Ausgaben in allen Haushalten der Welt heute zu finden ist. Das hat notwendigerweise zur Folge, daß in allen Ländern der Erde und in den Haushalten aller europäischen und außereuropäischen Finanzminister die Einnahmen ebenfalls gesteigert werden mußten und die Steuerlasten der einzelnen Nationen in den letzten Jahren seit Korea stark gestiegen sind.
Der Weg, den wir erstreben, zur Vermeidung des dritten Weltkrieges, ist ein Weg mit Opfern. Er ist für uns Deutsche aber auch gleichzeitig ein Spiegelbild der politischen Entwicklung und Verselbständigung des deutschen Volkes.
Lassen Sie sich, um das zu erkennen, einmal den Zustand schildern, der bisher war und heute ist. Wir haben, abgesehen von all dem andern — es ist ja nur ein Teil, ein Ausschnitt —, was die Tatsache der Besatzung für uns wirtschaftlich bedeutet und was in den Worten: Verlust von Patenten und Lizenzen, Beschränkungen der äußeren Handlungsfreiheit usw. enthalten ist, einen Posten,
den wir ziffernmäßig kontrollieren können: den Posten Besatzungskosten. Wir müssen daran denken, daß in der Gestaltung dieses Postens, der im letzten Jahr 40 % des Bundeshaushalts ausgemacht hat, eine deutsche Mitwirkung bis heute überhaupt nicht gegeben war. 40 % unserer Ausgaben liefen unter dem Titel Besatzungskosten, waren Folge des verlorenen Krieges, die Folge der Besatzung. Nicht die Regierung, nicht der Bundestag, der heute beieinandersitzt, sind an dieser Tatsache schuld und haben sie zu verantworten. Schuld sind die, die den zweiten Weltkrieg angezettelt, die ihn total geführt und mit einem totalen deutschen Zusammenbruch haben enden lassen.
Aber es ist eine unbestreitbare Tatsache für uns: an 40 % der gesamten deutschen Ausgaben waren der Deutsche Bundestag, das deutsche Parlament, und die deutsche Bundesregierung völlig unbeteiligt. Weder bei der Aufstellung des Haushalts durch die Besatzungsmächte noch bei der Durchführung des Haushalts, bei der Verwendung der Gelder, war eine deutsche Mitwirkung gegeben. Wir haben uns oft über die Frage Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit in der Verwendung dieser Gelder unterhalten in der Absicht, einen moralischen Einfluß zu gewinnen, nicht in 'der Hoffnung, auf diesem Wege rechtlich die Dinge anders gestalten zu können. Der Haushalt war an sich auch unberechenbar, denn er ist nicht nur einfach durch Anordnung aufgestellt worden, sondern die einzelnen Posten waren in sich auch völlig übertragbar, und alle sogenannten nicht verwendeten Reste der Vorjahre konnten zur beliebigen Zeit zu Lasten des deutschen Volkes irgendwann und irgendwie einmal angefordert werden.
So war auch einer Steigerung dieser Besatzungskosten Tür und Tor geöffnet, und wir haben bezahlt im Jahre 1945 2,5 Milliarden, Reichsmark damals, im Jahre 1949 rund 4,2 Milliarden bei Entstehung der Bundesrepublik, im nächsten Jahr bereits 4,8 Milliarden und im Jahre 1951 7 931 Millionen DM Besatzungskosten. Ein Sprung in zwei Jahren um 85 %! Ein Sprung hauptsächlich vom Jahre 1950 auf das Jahr 1951, gegeben allein aus der Tatsache heraus, daß sich die Zahl der Besatzungsangehörigen stark vermehrt hat, eine Vermehrung, die in dieser Zeit vom deutschen Volke sogar als Schutz des deutschen Territoriums begrüßt werden mußte.
Das war der Stand der Besatzungskostenfrage, ein Stand, der mit der neuen Zeit, in die wir hineingehen, und mit dem neuen Geist dieser Zeit nicht vereinbar ist. Denn die neue Zeit soll bringen einen Geist von Verbündeten, einen Geist von Nationen, die ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Aufgabe haben und in der Liebe zum Frieden Brüder geworden sind.
Wenn diese Nationen auch gemeinsam Opfer zur Bewahrung des Friedens bringen müssen — denn in der Welt wird der Kampf zwischen Licht und Schatten ewig bleiben —, so bringen sie diese Opfer in einem ganz anderen Geist, als er in dem Wort Besatzungskosten enthalten war und sich auswirkte. Aber schon seit den Tagen Nebukadnezars hat es Besatzungsarmeen gegeben,
und es ist bisher in der Geschichte noch nie dagewesen, — —
— Ob es Finanzminister gab, weiß ich nicht. Säckelmeister hat's damals gegeben,
und sie haben sich damals schon darum bemüht, wenn sie ehrlich waren, ihren Säckel nicht für sich, sondern für das Volk und die Allgemeinheit zu verwalten und zu verwenden. — Ich sage: seit den Zeiten ist es menschlich, daß es einer siegreichen Besatzungsarmee nicht leicht fällt, sich überzeugen zu lassen, nun aus freien Stücken und freiem Willen, ohne daß das besetzte Land irgendeinen Zwang auf Grund einer Macht ausüben könnte, in einem neuen Geiste auf all die Vorteile persönlicher Art verzichten zu sollen, die ein Besatzungskostensystem seit Urzeiten für den Besatzungssoldaten gehabt hat.
Sie können sich deshalb denken, daß diese Verhandlungen nicht so sehr um Geld geführt werden mußten, wenn auch über Geld gesprochen wurde, sondern daß es ein gewisses geistiges Ringen war, die Gegenseite davon zu überzeugen, daß man, um einer gemeinsamen Aufgabe zu dienen, auf Vorteile, die man durch Macht und Kraft gewinnen könnte, freiwillig verzichten muß. Denn das mußte von der ersten Stunde an anerkannt werden: weder das deutsche Volk noch die vereinigten europäischen Staaten noch die Vereinigten Staaten von Amerika und die ganzen Nordatlantikpaktstaaten sind reich genug, um neben ihrer Aufgabe des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus den Schutz des Friedens zu gewährleisten und daneben noch Besatzungsluxus zu finanzieren.
Das mußte die Erkenntnis sein, von der man von der ersten Stunde an auszugehen hatte.
Die deutsche Bundesregierung mußte in diesem Geiste sich bemühen, alle davon zu überzeugen, daß nun die deutsche Bundesregierung genau so als Vertreter der deutschen Bundesrepublik zu behandeln ist, wie die Vertreter aller anderen Nationen als Vertreter ihrer Staaten behandelt werden. Äußerlich gesprochen: die deutsche Bundesregierung mußte Wert darauf legen, daß die Verhandlungsweise zwischen ihr und der Gegenseite genau die gleiche ist, wie sie auch unter den Atlantikpaktstaaten geübt wird. Deshalb mußte sie Wert darauf legen, daß der Weg der Empfehlungen der Mitglieder des Exekutivkomitees of the T. T. C. — in der Presse die drei Weisen genannt — auch der deutschen Bundesrepublik 'gegenüber gegangen wird und daß die Grundsätze, die bei allen anderen Staaten angewandt werden, auch der deutschen Bundesrepublik gegenüber zur Anwendung kommen; Grundsätze, die nicht etwa in einem geschriebenen Kodex bestehen, sondern die in den still vereinbarten und die Verhandlungen tragenden Normen bestehen, die sich innerhalb der Atlantikpaktstaaten herausgebildet hatten.
Grundsatz war dabei, •daß jeder der Mitgliedstaaten das Bestmögliche, das für ihn, an seiner Kraft gemessen, äußerst Mögliche leistet, um die gemeinsame Verteidigung zu tragen. Grundsatz mußte aber auch sein, daß diese Leistung in einer Art erfolgt, die den eigentlichen Zweck der Leistung nicht gefährdet. Die deutsche Bundesregierung hat infolgedessen von der ersten Stunde an erklärt, die deutschen Leistungen müßten insoweit
auch im Rahmen der deutschen Leistungskraft liegen, so daß sämtliche Aufgaben, die sich das deutsche Volk zu Bewahrung des inneren sozialen Friedens gestellt hat, nach wie vor aus deutscher Kraft erfüllt werden können.
Nach der Überzeugung der deutschen Bundesregierung hat die Erhaltung der geistigen Widerstandskraft des deutschen Volkes zur Voraussetzung, daß dem deutschen Volke die Mittel zur Überwindung der sozialen Nöte nach wie vor ungeschmälert zur Verfügung stehen.
Die deutsche Bundesregierung mußte weiterhin aussprechen, daß gerade im Jahre 1950 nach Ausbruch des Korea-Krieges in Vorausschau der wirtschaftlichen und politischen Folgen dieser Weltenkrise das deutsche Volk schon Steuerlasten auf sich genommen hat, die an die äußerste Grenze der deutschen Leistungskraft gehen und ohne Gefährdung der deutschen Wirtschaftsordnung und des deutschen wirtschaftlichen Aufbaus nicht mehr überschritten werden können.
Sie mußte weiterhin betonen, daß unter keinen Umständen, wenn diese Grenzen eingehalten werden, der Ausweg der Feigheit gesucht und der Weg der inflationären Entwicklung beschritten werden darf. Denn sie wußte doch - nach einem Wort Lenins —, daß es das Ziel gerade des Kommunismus immer ist — wie es Lenin ausgedrückt hat —, die sogenannten kapitalistischen Länder dadurch zu zerstören, daß zuerst die Geldordnung dieser Länder zerstört wird.
Die deutsche Bundesregierung wie alle Regierungen mußten sich bewußt sein, daß der kalte Krieg, der von seiten des Ostens geführt wird, vielleicht als eines seiner Hauptziele sogar diese Kriegsangst, dieses Rüstungsfieber und damit die Gefährdung der Geldordnung der Länder der demokratischen Welt hat.
Mit diesen Grundsätzen mußten die Verhandlungen seinerzeit in Paris begonnen werden. Zuerst war die deutsche Leistungskraft mit 13 Milliarden DM jährlich genannt worden. Es stand mehr als nur ein unverantwortlicher Journalist hinter dieser Zahl, und es hat langer Verhandlungen bedurft, um eine Klarheit über das — vom Ausland immer wieder maßlos überschätzte — deutsche Brutto-Sozialprodukt und den deutschen wirtschaftlichen Wiederaufbau in ruhiger Überlegung sicherzustellen. Das Ausland übersieht, daß jemand, dessen Wohnhaus und dessen Werkstätte durch die Bomben nicht zerstört worden ist, genau so reich geblieben ist, wie er vorher war, und meint, daß der, der aus seinem Luftschutzkeller heraus in den Anfängen des Wohnungsbaues, in den Anfängen der Bemühung, wieder Arbeitsplätze zu schaffen, steht, deshalb plötzlich reich ist gegenüber dem Zustand in der Stunde, als er aus dem Luftschutzkeller herausgekrochen ist. Und dabei wäre dieses Volk sehr froh, wenn es den Zustand schaffen könnte, in dem andere Länder sind — ohne Mühe sind! —, die den Bombenkrieg und all das nicht erlebt haben.
Aber das Ausland sieht nur dieses äußerliche Bild
des Wiederaufbaues und überschätzt maßlos die
deutsche Leistungskraft und das deutsche Leistungsvermögen.
Unter diesen Voraussetzungen mußte eine ruhige, nüchterne Betrachtung einsetzen. Ergebnis der Betrachtung war, daß die deutsche Leistungskraft für alle Verteidigungsausgaben — auch für die, die in dem deutschen Haushalt des Bundes und der Länder schon enthalten sind —auf 11,25 Milliarden DM geschätzt wurde und daß man in Empfehlungen anerkannt hat, daß Deutschland heute schon das höchstbesteuerte Land der Erde ist, daß ihm eine weitere Steigerung der Steuerlasten nicht mehr zugemutet werden kann und daß das Bemühen der deutschen Bundesregierung, jede inflationäre Entwicklung zu verhindern, auch in dieser Stunde volle Beachtung und Anerkennung auf der Gegenseite finden müßte. In den 11,25 Milliarden DM waren alle Verteidigungsausgaben inbegriffen; aber wie weit der Rahmen zu ziehen ist und was anzurechnen ist, darüber konnten wir uns in jener Stunde nicht restlos einigen. Wir haben von seiten der deutschen Bundesregierung die Überzeugung vertreten, daß zu diesen Ausgaben, die das deutsche Volk heute schon leistet, nicht nur Polizei und Grenzschutz und Ruhegehälter für Wehrmachtangehörige und kleinere Dinge wie Wetterdienst und Luftsicherungsdienst und dergleichen gehören, sondern insbesondere auch die Ausgaben, die in Form der Berlin-Hilfe für den Vorposten der freien demokratischen Welt, für die Insel im roten Meer, für unsere Stadt Berlin geleistet werden.
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Wir haben die Überzeugung vertreten, daß Berlin vielleicht die Probe darauf ist, ob der Frieden der Welt erhalten bleibt, und daß diese Probe wesentlich davon abhängt, ob die Bevölkerung der Stadt Berlin ihre geistige Widerstandskraft, die sich bisher in solchem Maß bewährt und gezeigt hat, aufrechterhalten kann und nicht unter wirtschaftlichen Nöten, Arbeitslosigkeit und sozialen Schwierigkeiten in der geistigen Widerstandskraft zusammenbricht. Deshalb haben wir den Standpunkt vertreten, daß jede D-Mark, die wir an Berlin-Hilfe ausgeben — ob sie für polizeiliche Zwecke oder für soziale Zwecke oder sogar für kulturelle und rein wirtschaftliche Zwecke gilt —, genau so hoch einzuschätzen ist wie jede D-Mark, die für unmittelbar militärische Zwecke der Verteidigung anderswo ausgegeben wird.
Da wir diesen Standpunkt nicht aufgeben, ihn aber auf der andern Seite auch nicht sofort zum vollen Erfolg führen konnten, schloß man ein Kompromiß, indem man die Lösung dieser Frage einer allgemeinen Revision des deutschen Verteidigungsbeitrages überließ, die vor dem 30. Juni 1953 stattfinden muß. Am 30. Juni 1953 erlischt an sich der deutsche Verteidigungsbeitrag in der jetzt vorgesehenen Höhe; bis dahin muß eine neue freie Vereinbarung stattfinden, eine freie Vereinbarung auf folgender Grundlage: Deutschland gleichbelastet mit allen anderen Ländern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und der westlichen Welt überhaupt. Im Laufe der nächsten Monate bis zum 30. Juni 1953 wird sich übersehen lassen — was bei den voraufgegangenen Verhandlungen noch nicht möglich gewesen ist —, was jedes dieser Länder wirklich leistet. Bei diesen Verhandlungen
wird dann der mögliche Maßstab für die Anpassung aller Leistungen aneinander, gemessen an der Leistungskraft des einzelnen Volkes, gegeben sein. Wir werden bei diesen Verhandlungen frei verhandein dann in einem, man darf sagen, Dreierkollegium, nämlich 1. der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, der wir in dieser Stunde aber selbst als Mitglied mit einem nicht unbedeutenden Stimmrecht angehören, 2. der Deutschen Bundesrepublik als solcher, und 3. mit den Ländern, die in Deutschland mit Zustimmung der EVG und der Bundesrepublik Truppen unterhalten und die nicht in jener Stunde der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft angehören. Wir werden also die Verhandlungen in einer anderen Atmosphäre führen, als die ersten Verhandlungen haben geführt werden müssen, und wir werden in diesen Verhandlungen insbesondere die Frage der anrechnungsfähigen Verteidigungsausgaben, die bereits im deutschen Haushalt von Bund und Ländern enthalten sind, zur erdgültigen Entscheidung bringen müssen.
Wir haben, da wir diese Revisionsklausel nehmen mußten, um den deutschen Standpunkt für die Zukunft aufrechtzuerhalten, eine vorläufige Regelung wegen der Zahl treffen müssen. Wir haben uns darauf geeinigt, daß wir vom Tage des Inkrafttretens der Verträge an bis zum 30. Juni 1953 eine monatliche Leistung von 850 Millionen DM übernehmen. In den bisherigen Verträgen ist die Anerkennung der Unmöglichkeit einer Steuererhöhung in Deutschland, einer inflationären Entwicklung bereits ausgesprochen, und das wird auch für die Revisionsverhandlungen die Grundlage sein. Daneben ist eine Hilfsklausel insofern enthalten, als die deutsche Bundesrepublik für den Fall, daß die
Berechnungen der Drei Weisen über die Höhe und Entwicklung des deutschen Brutto-Sozialprodukts im ersten Jahr sich nicht bewahrheiten sollten, sich vorbehält — ebenso wie es schon andere Länder getan haben —, zur Ermöglichung seiner Leistung die Hilfe des Auslands, d. h. die Hilfe der Vereinigten Staaten in Anspruch zu nehmen. Das sind die Verhandlungen, auf denen dann der Finanzvertrag im EVG-Vertrag und der Finanzvertrag im Deutschlandvertrag in den Artikeln 3 und 4 aufgebaut sind und die diese Gedanken wiedergeben. Dabei ist ausdrücklich auch betont worden, daß alles, was die deutsche Bundesrepublik leistet — was sie leistet für den Aufbau der deutschen Kontingente, was sie leistet für die gemeinsamen Zwecke der EVG, was sie leistet für die stationierten Truppen —, vom ersten Tage an über den Haushalt der EVG, der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft läuft. Denn letzten Endes müssen wir betonen, daß es keine Besatzungskosten mehr gibt, daß es infolgedessen für das deutsche Volk nur eine Leistung gibt, die Leistung zur gemeinsamen Verteidigung, repräsentiert durch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, und daß wir deswegen als Partner, dem gegenüber wir leisten, in erster Linie die Europäische Verteidigungsgemeinschaft anzuerkennen haben. Auf diesem Grundsatz ist der Finanzvertrag nach jeder Richtung hin aufgebaut. Nach diesem Finanzvertrag soll — um den Wortlaut einer Bestimmung zu wiederholen — die deutsche Wirtschaft insoweit in Anspruch genommen werden, als es „unter Zugrundelegung der Vergleichsmaßstäbe der Nordatlantikpakt-Organisation dem Ausmaß entspricht, in dem die anderen großen westlichen Staaten ihre eigene Wirtschaftskraft für Verteidigungszwecke ... in Anspruch nehmen".
Die Verhandlungen mußten nun unter der Voraussetzung weitergeführt werden: was kommt den stationierten Truppen, was kommt den gemeinsamen Zwecken der EVG, was kommt der Aufstellung der deutschen Kontingente zugute? Diese Aufgabe war mit einer zweiten unlösbar verbunden: mit welchen Besatzungskosten ist noch vor Inkrafttreten der Verträge zu rechnen? Ich habe Ihnen vorhin die Zahlen der Steigerung der Besatzungskosten von Jahr zu Jahr genannt. Ich könnte sie ergänzen durch die Zahlen der Steigerung der Besatzungskosten im letzten Haushaltsjahr von Monat zu Monat, die mit 350 Millionen Monatsdurchschnitt begannen, im Februar 612 Millionen erreicht hatten und im März in einem Mona auf die enorme Zahl von 1460 Millionen Monats ausgabe hinaufgestiegen sind.
Wir haben daraus die Lehre gezogen, daß die deutsche Finanzkraft den Lasten der Zeit der der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft nickt gewachsen sein kann, wenn sie vorher durch ungemessene Besatzungskosten erschüttert oder gestört wird.
Infolgedessen haben wir bei den Verhandlungen Wert darauf gelegt — nachdem wir zuerst eine mehr ungesicherte Zusage der Sparsamkeit und Einschränkung erhalten hatten —, nun auch eine zahlenmäßige Höchstgrenze zu erhalten. Es wurde die Zustimmung der Besatzungsmächte erreicht, daß vor Inkrafttreten der Verträge die Besatzungskosten im Durchschnitt monatlich 600 Millionen DM nicht übersteigen dürften. Weiter haber die Besatzungsmächte anerkannt: Soweit di dieser Durchschnitt überschritten würde, ist der übersteigende Betrag nach Inkrafttreten der Verteidigungsbeträge auf die Leistungen für die stationierten Truppen anzurechnen. Damit ist eine unbedingte Gewähr für die Einhaltung dieser Grenze gegeben
Wir mußten uns aber dann auch über die Verteidigung als solche einigen. Selbstverständlich war, daß das Bemühen sein mußte, all die Gelder, die das deutsche Volk in der Zeit der Verteidigungsbeiträge aufbringt, dem Verteidigungszweck: zuzuführen und irgendwelche unnötige, überflüssige Luxusausgaben abzudrosseln.
Es wurde erreicht, daß von der ursprünglichen Forderung für stationierte Besatzungstruppen ein recht beträchtlicher Prozentsatz gestrichen worden ist. Wir haben uns dann darauf geeinigt, in den ersten sechs Monaten einen höheren Bedarf anzuerkennen unter dem Grundsatz, daß in dieser Zeit der Bedarf des deutschen Kontingents naturgemäß noch nicht so hoch sein kann, da es ja erst in Aufstellung ist. Mit dem Steigen des Bedarfs des deutschen Kontingents müssen die Aufwendungen für die stationierten Truppen sinken; das ist der Grundsatz.
Wir haben für die ersten sechs Monate aus de., 850 Millionen für stationierte Truppen 551 Millionen und in den nächsten drei Monaten nur meb 319 Millionen. Wir sind uns einig, daß — nach einem Zwölf-Monats-Kalenderjahr gerechnet —
die Aufwendungen für die stationierten Truppe in den folgenden 10 bis 12 Monaten nur mehr eit Bruchteil dessen sein dürfen, was die Aufwendungen im dritten Kalendervierteljahr mit den. 31.)
Millionen gewesen sind, so daß wir — auf 12 Monate gerechnet — für das erste Jahr auf einen Aufwand für stationierte Truppen von ungefähr 4600 Millionen Höchstsumme kämen. Dabei müssen wir aber bedenken, daß wir über den Zeitabschnitt von 30. Juni 1953 hinauskommen und die ganze Regelung mit diesem Stichtag neu vereinbart werden muß.
Unter dieser Voraussetzung kann für das laufende und folgende Jahr ungefähr diese Berechnung aufgestellt werden: Gehen wir davon aus, daß die Verträge — wofür eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht — nicht, wie wir gerechnet hatten, etwa mit dem 1. November 1952, sondern, wie man in der internationalen Welt rechnet, am 1. Januar 1953 in Kraft treten, dann hätten wir für neun Monate an Besatzungskosten 5400 Millionen, in den folgenden drei Monaten des Haushaltsjahres an Verteidigungsbeitrag 2550 Millionen, zusammen 7950 Millionen. Dazu kommen aber in dieser Zeit noch die Besatzungskosten in Berlin, die sogenannten nicht anerkannten Besatzungskosten, Auftragsausgaben und sonstige Verteidigungsfolgelasten, insbesondere ein Rückstand an Besatzungsschäden aus früherer Zeit, ein Betrag, der mit rund 850 Millionen insgesamt anzunehmen ist, so daß der Haushaltsansatz, der von Anfang an mit 8800 Millionen in Aussicht genommen war, wohl eingehalten werden kann.
Im nächsten Jahr, für die Zeit bis zum 30. Juni, ist, je nachdem, ob sechs Monate oder drei Monate vorbei sind oder nicht, damit zu rechnen, daß für deutsche Truppen, wenn die sechs Monate abgelaufen wären, dreimal 531 Millionen, für die stationierten Truppen dreimal 319 Millionen in Frage kämen, in diesen drei Monaten also jedenfalls eine Summe von etwa 2550 Millionen DM.
Das ist der Stand, wie er sich heute darstellt. Wenn ich nun ein Bild darüber gewinnen will, muß ich die Frage aufwerfen: Wie wäre der Stand, wenn die Verteidigungsverträge nicht geschlossen würden? Wenn die Verteidigungsverträge nicht geschlossen würden, dann würden wir ganz bestimmt eine Höchstgrenze der Besatzungskosten nicht haben erreichen können. Wir würden in der Stunde, in der sicher ist, daß das deutsche Volk seine Mitwirkung an den Verteidigungsverträgen verweigert, mit dem alten Zustand der Besatzungskosten in voller Höhe und vollem Gewicht zu rechnen haben.
Wir hatten im Jahre 1951 eine Summe von 7931 Millionen DM an Besatzungskosten. In der Zwischenzeit ist die Zahl der Besatzungsangehörigen wieder stark gestiegen. Die Frage der nicht verbrauchten Reste der Vorjahre, die Frage der alten Besatzungsschäden und so fort können von den Besatzungsmächten, wenn wir keine Verteidigungsverträge abgeschlossen haben, nach der Willkür des Besatzungsstatuts ohne jede deutsche Mitwirkung gelöst und eine entsprechende Regelung angeordnet werden. Ich habe keinen Zweifel, daß die Leistung des deutschen Volkes, wenn wir die Verteidigungsverträge nicht abschließen, finanziell unter dem Titel Besatzungskosten allein mindestens die gleiche Belastung bedeuten würde, die die Verteidigungsbeiträge nach den Verträgen für das deutsche Volk sind.
Keine Hilfsklausel, keine Revisionsklausel und kein Grundsatz der Gleichberechtigung mit den anderen, kein Abwägen hinsichtlich der gleichen Leistung stünde auf unserer Seite und könnte von uns für die Zukunft eingesetzt werden.
Ich möchte also unter diesem Gesichtspunkt sagen: auch der Säckelmeister des Nebukadnezar würde mit stolzer Ruhe seinem Volk und seinem — damals gab's Landesherren — Landesherren sagen: Der Vertrag, den wir geschlossen haben, ist, rein materiell betrachtet, vertretbar. Wir wissen, daß wir Opfer tragen müssen, und wir glauben, einen Vertrag gemacht zu haben, für den wir weder im Inland noch im Ausland einen Vorwurf verdienen.
Man erhält Vorwürfe, und ich denke hier an Vorwürfe aus dem Ausland, gerade in der englischen Presse. Man denke daran: Frankreich scheidet mit dem 30. Juni 1953 als EVG-Staat aus dem Posten stationierte Truppen ohne weiteres aus. Die Vereinigten Staaten haben selbst bei den Verhandlungen die Erklärung durch Unterstaatssekretär Nash abgegeben: Es ist selbstverständlich, daß in dem Maß, in dem die Aufwendungen für das deutsche Kontingent wachsen, ihre Ansprüche zurückgehen. Es bleibt eine schwere Sorge bei anderen Ländern, die in ihrer Devisennot und der Zerstreuung ihrer Truppen über ein ganzes Empire dann eine Haushaltsbelastung fürchten, wenn gerade ihre in Deutschland stationierten Truppen nicht mehr auf Kosten des deutschen Steuerzahlers im bisherigen Umfang finanziert werden. Das müssen wir anerkennen, und deswegen müssen wir es verstehen, wenn im Ausland auch man-
ches unwirsche Wort über Deutschland fällt, so
z. B. ein Wort, das in einer englischen Zeitung mit dem Satz geprägt worden ist: „Fritz" — da war nicht der Finanzminister gemeint;
das ist der Name für den Deutschen schlechthin —, „Fritz zahlt im Vorbeigehen". Nein, so ist es nicht! Ich bin mir ganz genau bewußt, daß die Lasten, die das deutsche Volk für Verteidigungszwecke aufbringt, mindestens genau so schwer sind wie die der anderen Länder. Ich halte sie — verglichen mit den sozialen Leistungen und den für unseren Wiederaufbau notwendigen Beträgen — für schwerer und angesichts des geringeren Ausmaßes unseres Sozialprodukts, pro Kopf der Bevölkerung gemessen, für viel mehr fühlbar als in jedem anderen Land.
Aber eines müssen wir dem deutschen Volk sagen und eines wollen wir der Welt ganz ehrlich sagen. Wenn die Lasten auch schwer sind und wenn wir dem deutschen Volk gegenüber die Verantwortung für die Einnahmenseite, für die Steuern auch tragen müssen —, das Ziel aller Arbeit ist, einen neuen Weltkrieg zu vermeiden und den Frieden der Welt und der deutschen Nation zu erhalten. Steuer zahlen - das habe ich schon früher einmal gesagt — ist schwer; aber den Sohn sterben sehen, ist viel schwerer!