Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich muß zum Tatsächlichen doch die Feststellung machen, daß darüber Vereinbarungen getroffen sind.
Im übrigen hat der Herr Staatssekretär Dr. Strauß das Wort, der gerade kommt.
— Also Sie wollen erst die Anfrage begründen?
— Das Wort zur Begründung der Anfrage hat der Abgeordnete Dr Greve.
Dr. Greve , Anfragender: Meine Damen und Herren! Gegen Ende des Jahres 1951 legte der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts einen Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung beim Bundesverfassungsgericht vor. Er sah sich zu dieser Vorlage genötigt durch die Geschäftslage, wie sie sich beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts herausgestellt hatte. Die Vorlage des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungs-
gerichts gab dem Herrn Bundesjustizminister Veranlassung, sich mit den Fraktionen der Regierungskoalition, der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei und der damaligen Fraktion des Zentrums und der der Bayernpartei in Verbindung zu setzen und einzelne Mitglieder dieser Fraktionen zu bitten, an einer Besprechung, die vom Herrn Bundesminister der Justiz einberufen werden sollte, teilzunehmen, um die prekäre Geschäftslage beim Bundesverfassungsgericht, insbesondere beim Ersten Senat, zu besprechen. Zu diesem Zweck wandte sich der Herr Staatssekretär Dr. Strauß vom Bundesjustizministerium an eine Reihe von Abgeordneten; es waren dies die Herren Kollegen Dr. Arndt, Kiesinger, Dr. Reismann, Dr. Schneider, Professor Wahl und ich selber. Herr Staatssekretär Dr. Strauß bat uns zu einer Besprechung am 7. Januar 1952. An dieser Besprechung nahmen von seiten des Bundesverfassungsgerichts dessen Präsident und sein Stellvertreter teil. Es wurden dabei alle die Dinge besprochen, die dem Herrn Präsidenten des Bundsverfassungsgerichts Anlaß gegeben hatten, sich wegen der immer schwieriger werdenden Geschäftsverhältnisse an den Herrn Bundesminister der Justiz zu wenden.
Das Ergebnis dieser am 7. Januar 1952 stattgefundenen Besprechung war nach eingehender Erörterung all derjenigen Dinge, die zu besprechen waren, eine Übereinstimmung der Beteiligten, d. h. mit Einschluß des Herrn Staatssekretärs Dr. Strauß vom Bundesjustizministerium, der diese Besprechung leitete, daß alle Wege beschritten werden sollten, die der Hebung der Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts dienen könnten. Die Beteiligten waren sich damals darüber
einig, daß von seiten des Bundesjustizministeriums unverzüglich entsprechende eine Anzahl von Stellen für Hilfsrichter beim Bundestag bzw. beim Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags über den Herrn Bundesminister der Finanzen angefordert werden sollte. Es handelte sich damals um zehn Hilfsrichter, da der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts und sein Stellvertreter bereits je eine Hilfskraft zur Verfügung hatten. Weiter sollte der Herr Bundesminister der Justiz dafür Sorge tragen, daß den Richtern die erforderliche Anzahl von Sekretärinnen — mindestens je eine für jeden Richter — für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt wird.
In dieser Besprechung hatte sich weiterhin herausgestellt, daß die räumlichen Verhältnisse beim Bundesverfassungsgericht geradezu katastrophal waren, soweit es sich um die Unterbringung der Richter handelte. Es zeigte sich hier wiederum, wie falsch es gewesen ist, das Bundesverfassungsgericht in dieser Stadt und dazu in einem Gebäude unterzubringen, das für die Ausübung der Tätigkeit der Richter in keiner Weise ausreichend war. Die Erstellung von neuem Arbeitsraum für die Richter war notwendig; es sollte wenigstens ein Raum für jeden Richter geschaffen werden. Es war übrigens interessant, in dieser Besprechung festzustellen, daß die nichtjuristischen Hilfskräfte des Bundesverfassungsgerichts zum Teil recht gut eingerichtete eigene Zimmer hatten, während die Richter selbst zu mehreren in einem mehr oder weniger großen Raum untergebracht waren, wo sie ihre Tätigkeit ausüben sollten, oder sie mußten in den noch dürftiger möblierten Zimmern, in denen sie in Karlsruhe bisher untergekommen waren, arbeiten. Es zeigte sich also hier ganz eindeutig, daß von seiten des Bundesjustizministeriums, das in diesem Fall dafür verantwortlich zu machen ist, nicht das getan wurde, was hätte getan werden müssen, um den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeiten zu geben, vernünftig arbeiten zu können.
Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß die Bibliotheksverhältnisse außerordentlich mangelhaft waren. Vielleicht sind sie es auch heute noch. Auch hier muß Abhilfe geschaffen werden.
Meine verehrten Damen und Herren, man muß hier vor allem auch einmal feststellen, daß die Dinge wahrscheinlich überhaupt in ein völlig falsches Geleise gekommen sind; denn nicht nur nach unserer Auffassung, sondern auch nach der Meinung derjenigen, die das Grundgesetz gemacht haben, handelt es sich bei dem Bundesverfassungsgericht um ein eigenes Verfassungsorgan, das organisatorisch und — nach meiner Auffassung — auch haushaltsmäßig nicht beim Bundesjustizministerium unterzubringen ist. Schon bei der Ernennung der Richter des Bundesverfassungsgerichts zeigte sich, 'daß zumindest beim Bundesjustizministerium — ob auch bei der Bundesregierung, vermag ich im einzelnen nicht festzustellen — andere Auffassungen herrschen als wohl bei der Mehrzahl der Mitglieder dieses Hauses. Wir meinen, daß das Bundesverfassungsgericht auch haushaltsmäßig einen eigenen Einzelplan im Bundeshaushaltsplan haben sollte, den das Bundesverfassungsgericht — ich betone ausdrücklich: das Bundesverfassungsgericht — selber aufstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die ihm vom Parlament zur Verfügung gestellten Mittel selbst zu verwalten und hat nach unserer Auffassung auch die ihm vom Parlament bewilligten Hilfsarbeiter — das bezieht sich natürlich nicht auf die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die durch das Wahlmännergremium gewählt werden — selber zu berufen, und nicht das Bundesjustizministerium, ,dem nach unserer Ansicht das Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht unterstellt ist. Daher rühren zum Teil die Schwierigkeiten, die sich beim Bundesverfassungsgericht gezeigt haben.
Ich habe eben vergessen zu erwähnen, daß sich schon bei der Ernennung der Richter herausgestellt hat, daß hier andere Auffassungen beim Bundesjustizministerium vorhanden sind. Denn nach unserer Auffassung hätten die Richter nicht bei ihrer Ernennung in der Urkunde die Gegenzeichnung des Herrn Bundesjustizministers sehen dürfen, sondern die Gegenzeichnung des Herrn Bundeskanzlers war notwendig, da es sich unseres Erachtens nicht um eine Angelegenheit handelt, die unter die Zuständigkeit des Bundesjustizministeriums zu bringen ist.
Meine Damen und Herren, im Haushaltsplan 1951 finden Sie insgesamt für das Bundesverfassungsgericht 1 367 800 DM eingestellt. Das ist für die Hüter der Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Vorgänge im weitesten Sinne des Wortes in unserer Bundesrepublik nicht zuviel, wenn man bedenkt, daß für andere Dinge ganz andere Summen ausgegeben werden.
Wenn Sie nun fragen: Was ist denn aus der Besprechung am 7. Januar 1952 im Bundesjustizministerium geworden?, so muß ich Ihnen sagen: bis zu dem Tage, an dem wir unsere Anfrage im Bundestag einreichten, nichts. Das war der 14. Mai dieses Jahres. Ich habe bisher auch nur in Erfahrung bringen können, daß das Bundesjustizministerium sich veranlaßt gesehen hat — insbesondere
ergibt sich das aber aus einem Schreiben des Herrn Staatssekretärs Dr. Strauß —, in Abweichung von der Vereinbarung, die wir damals getroffen haben, Herr Staatssekretär, nur sechs Hilfsrichterstellen anzufordern, während wir der Auffassung waren, daß für jeden Richter ein Hilfsrichter vom Bundesjustizministerium. angefordert werden sollte. Wir haben uns damals, wie Sie wissen, ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß es wegen der Einfachheit doch noch vom Bundesjustizministerium geschehen sollte, obwohl wir der Auffassung waren, daß der Bundestag selbst dem Bundesverfassungsgericht die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen sollte, damit das Bundesverfassungsgericht selbst alles das tut, was nach seiner Auffassung notwendig ist.
Wir sind bis heute noch nicht soweit, sagen zu können, daß das Bundesverfassungsgericht arbeitsfähig geworden ist. Bisher hat es keine Vorwegbewilligung von Mitteln durch den Haushaltsausschuß gegeben, die eben für die Arbeitsfähigkeit unseres höchsten Verfassungsschutzorgans eingesetzt werden müssen und unerläßlich sind. Aus meiner Tätigkeit im Haushaltsausschuß erinnere ich mich, daß es bei anderen Gelegenheiten anders gewesen ist. Als etwa die Zöllnerschule in Bonn eingerichtet werden sollte, ging das sehr schnell, und als der Herr Bundesminister des Innern seinen Bundesgrenzschutz aufstellen wollte, da war das Tempo, das da vorgelegt wurde, -überhaupt nicht mitzumachen. Wenn es sich um die Bewilligung von Mitteln für das höchste Verfassungsschutzorgan unserer Bundesrepublik handelt, scheint man ein solches Tempo nicht zu kennen oder sogar gar nicht zu lieben. Jedenfalls sind, wie gesagt, aus anderen Anlässen dem Haushaltsausschuß Vorlagen wegen der Vorwegbewilligung von Mitteln zugegangen, die nach unserer Auffassung viel weniger dringlich sind als die Mittel, die eingesetzt werden müssen, um die Richter des Bundesverfassungsgerichts und damit das Bundesverfassungsgericht in seiner Gesamtheit arbeitsfähig zu machen.
Der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat auch verschiedentlich darüber Klage geführt, daß es ihm nicht möglich gewesen ist, das zu erreichen, was er schon Ende vorigen Jahres erreichen wollte. Vielleicht sind Sie so freundlich, Herr Staatssekretär, auch darauf einzugehen, wie Sie es für möglich halten, daß man diese paar tausend Mark beim Bundesfinanzministerium noch nicht hat locker machen können, wenn Sie etwa den Versuch unternommen haben sollten, während doch für die Bauten, in denen sich die Herren Kollegen Ihres Ministers mit ihren Beamten unterbringen, ganz ansehnliche Summen ausgegeben werden. Ich erinnere nur an das Bundesfinanzministerium selbst, das ja immerhin wohl so einige 2 Millionen DM kostet, und an den Erweiterungsbau des Wirtschaftsministeriums, für den so rund 1,5 Millionen bereitgestellt worden sind, an den Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main, der die runde Summe von 1,9 Millionen kostet. Ich erinnere an die projektierten Bauten u. a. des Auswärtigen Amtes, für das so etwa 4,4 Millionen in den Haushaltsplan eingestellt worden sind. Ich erinnere weiter an die Vorhaben des Bundespost- und des Bundesverkehrsministeriums, des Vertriebenenministeriums, des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen und noch an einige andere Bauvorhaben, ,die bei nüchterner Betrachtung ein Kostenminimum von 20 Millionen, wahrscheinlich sogar einen Kostenaufwand von mehr als 25 Millionen verursachen.
Herr Staatssekretär, vielleicht sind Sie so freundlich, uns auch einmal zu sagen, ob Ihr Herr Minister der Auffassung ist, daß es bei der Aufwendung derartiger Mittel für die Ministerien nicht auch möglich sein sollte, soviel Geld bei dem Herrn Bundesminister ,der Finanzen locker zu machen, daß wenigstens die Richter des Bundesverfassungsgerichts räumlich, sachlich und personell in die Lage gesetzt werden, die Aufgaben zu erfüllen, die sie als Mitglieder eines Verfassungsorgans, das dem Schutze der verfassungsmäßigen Zustände in der Bundesrepublik dient, erfüllen müssen.
Es ist allerdings geradezu amüsant, wenn man sich vorstellt, daß die Bundesregierung selbst offenbar gar nicht so großen Wert auf die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts legt, und zwar aus Gründen, die vielleicht in der gegenwärtigen politischen Situation zu erblicken sind. Denn der in Bonn mehr oder weniger unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheinende „General-Anzeiger" vom Freitag, dem 30. Mai 1952, teilt der erstaunten Öffentlichkeit mit, in Regierungskreisen, wie es da heißt, glaube man nicht, daß durch das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts Schwierigkeiten bei ,der Ratifizierung der Verträge — es handelt sich urn den Generalvertrag, Verteidigungsbeitrag usw. usw. — entstehen könnten.
Denn
— so heißt es wörtlich —
dem zuständigen Senat des Gerichts liegen bisher 480 Gerichtssachen vor, von denen bisher nur 200 bearbeitet werden konnten. Bis zur Bearbeitung der SPD-Klage wird deshalb noch einige Zeit verstreichen.
Was heißt denn das, meine Damen und Herren? Das heißt doch nichts anderes, als daß die gleiche Bundesregierung, die nichts unternimmt, um das Bundesverfassungsgericht, insbesondere den Ersten Senat dieses Gerichts, arbeitsfähig zu machen, sich im Falle der Wehrklage — man kann sagen: geradezu höhnisch — auf dessen Überbelastung beruft. Wie gesagt, dieser Bonner „General-Anzeiger" schreibt ausdrücklich, daß das aus Regierungskreisen komme.
Meine Damen und Herren, die Sache ist wirklich ernst. Sie ist deswegen ernst, weil es sich beim Bundesverfassungsgericht um ein Organ handelt, das für die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik verantwortlich ist. Ich glaube auch, daß der von mir vorgetragene Sachverhalt die volle Aufmerksamkeit des Hauses verdient, das seinerseits der Bundesregierung seinen Willen eindeutig kundtun sollte. Dieses Haus sollte von der Bundesregierung verlangen, daß dem höchsten Verfassungsschutzorgan unserer Bundesrepublik die Stellung und die Mittel zuerkannt werden, deren das Bundesverfassungsgericht zur Durchführung seiner für das Leben unseres Staates höchst wichtigen Aufgaben bedarf.