Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nicht, weil in der ganzen Welt der Fisch im Augenblick das vermehrte Interesse der Ernährungsphysiologen und der Poliker gewinnt, sondern weil es für uns bei dem wirtschaftlichen Aufbau in der Bundesrepublik naheliegt, bemüht zu sein, die durch das Anwachsen der Bevölkerung fühlbare Eiweißlücke zu schließen, darum sind wir an dieser Frage lebhaft interessiert. Wenn auch die Ernährungswissenschaftler uns, den Verbrauchern, ich möchte sagen, den Hausfrauen insbesondere, vorrechnen, daß
z. B. — und nun lassen Sie mich wirklich als Frau etwas sagen — 100 gr Kabeljau 72, die Scholle 83, der Seehecht 88 und der gemeine Hering sogar 210 Kalorien enthalte, so wissen wir, daß diese Zahlen heute für uns Hausfrauen gar keine Anziehungskraft mehr besitzen.
Es ist ja schon so, daß Ziffern überhaupt nie appetitanregend wirken.
Das beweist uns die Tatsache, daß der Verbrauch je Kopf der deutschen Bevölkerung — der Herr Minister erwähnte es eben schon — im Jahre 1948 und 1949 15,2 kg betrug und sofort mit der Besserung der Ernährungsverhältnisse auf 11,5 kg fiel. Diese Zahl mag vielleicht relativ nur einen geringen Rückgang darstellen; aber für die Fischwirtschaft ist diese Zahl deshalb so entscheidend und einschneidend, weil durch den Eisernen Vorhang sich die Zahl der Verbraucher um über 20 Millionen vermindert hat. In den durch die Zonengrenze abgetrennten Gebieten Mecklenburg und Thüringen — es ist sehr wichtig, daß wir das hier noch einmal sagen — lag der Fischverzehr je Kopf der Bevölkerung weit über dem damaligen Reichsdurchschnitt. 40 % aller westdeutschen Fischprodukte sind vor dem Kriege 'in Mittel- und Ostdeutschland abgesetzt worden. Kein anderer Wirtschaftszweig — und die Fischwirtschaft ist derjenige Wirtschaftszweig, der das am schnellsten verderbliche Lebensmittel umsetzt — ist deshalb von der Teilung Deutschlands so betroffen worden wie die Fischwirtschaft. Hinzu kommt noch die Tatsache, daß 90 % der deutschen Fischwirtschaft immer im deutschen Bundesgebiet, im Westen gelegen haben. Daraus. ergibt sich wohl das ungeheure Mißverhältnis zwischen der Produktionskapazität und den Absatzmöglichkeiten. Also ist die Hauptursache der katastrophalen Notlage der Fischwirtschaft in der durch die weltpolitischen Ereignisse hervorgerufenen Teilung zu suchen. Es ist deshalb wichtig und notwendig, daß die Fischwirtschaft wieder den Kontakt mit ihrem Hauptabsatzgebiet aufnehmen kann.
Ich 'bin sehr erstaunt, daß in der Begründung und auch in der Antwort des Ministers nicht auf das sogenannte Berliner Abkommen eingegangen worden ist, das doch eine Summe von 50 Millionen DM für die Lieferung von Fischen und Fischwaren eingesetzt hat. Diese Summe ist, wenn sie uns auch im Augenblick vielleicht groß erscheint, nicht annahernd mit der Warenmenge vergleichbar, die vor dem Kriege in die abgetrennten Gebiete hineingegangen ist. Es 'ist zum anderen nur ein Bruchteil der heutigen Aufnahmefähigkeit dieser Gebiete. Aber diese Zahl 50 Millionen zeigt uns deutlich die Notwendigkeit und die Wünsche, die für die Bezieherseite und die Lieferseite bei den Verhandlungen zugrunde lagen. Aber leider sind heute die Lieferungen nach dem sogenannten Berliner Abkommen überhaupt noch nicht getätigt. Geringe Teillieferungen — einmal von 9 Millionen DM und einmal, glaube ich, von 4,4 Millionen DM — sind zwar im Jahre 1951 schon durchgeführt worden; aber das Berliner Abkommen ist bis jetzt noch nicht entscheidend zum Zuge gekommen. Da aber die fertiggestellten Waren die Aufnahmefähigkeit unserer westdeutschen Märkte so ungeheuer überfluten und die Waren eine längere Lagerung einfach nicht mehr zuließen, sind die Produzenten eben gezwungen gewesen, unter erheblichen Verlusten am westdeutschen Markt abzustoßen; und es ist vielleicht auch gut, daß wir das hier einmal in aller Offenheit sagen: wir wissen, daß diese Wirtschaftszweige zu dem Mittel gegriffen haben, in den Zeitungen des Ostens Annoncen zur Anpreisung ihrer Ware aufzugeben. Aber trotzdem glauben wir mit allem Nachdruck sagen zu müssen — und wir sind eigentlich dankbar, daß der Herr Minister uns schon die Zusicherung gegeben hat —, daß Handel und Produktion eine gewisse staatliche Förderung erfahren müssen, nicht durch Zwangsmaßnahmen, aber durch Zahlungsgarantien und Ratschläge, wie sie uns eben vom Minister schon zugesagt worden sind. Die aufgezeigten Schwierigkeiten mit dem Osthandel geben uns auch als Hausfrauen um so mehr Veranlassung, den Absatz im Bundesgebiet entscheidend zu steigern.
Leider stehen bei der Fischwirtschaft verschiedene Störungsmomente diesen Bestrebungen gegenüber. Das Wichtigste — das ist hier schon gesagt worden, ich möchte es aber als Hausfrau noch einmal betonen — ist die Preiswillkür in der Fischwirtschaft, die ja gerade die Hausfrau am leichtesten feststellt und am empfindlichsten merkt. Vielleicht ist es interessant, hier einmal — nur in Klammern — zu sagen, daß im sogenannten „kaiserlichen" Deutschland die so viel besprochene Seezunge 2 Mark kostete, während sie heute, eben infolge der technischen Intensivierung des Fischfanges und der Vergrößerung der Fanggründe, zu einem wesentlich billigeren Preis auf den Markt gebracht 'wird. Die Fischwirtschaft selbst gibt ja uns Hausfrauen recht, wenn sie sagt, daß das Haupthindernis ihres Absatzes in den ungeheuren Preisschwankungen zu suchen ist. Wir haben doch Preisschwankungen bis nahezu 300 % zu verzeichnen. Natürlich wissen wir — wir Hausfrauen, und wir da oben in Hamburg zuvörderst —, daß wir das Element des Zufälligen bei der Fischwirtschaft nur sehr schwer einschränken können. Ich erinnere Sie an die Unberechenbarkeit 'der Anlandungen, ich erinnere Sie an den Witterungsfaktor. So ist eben im Fischhandel schon ein sehr starkes spekulatives Moment gegeben, dessen letzte und empfindlichste Auswirkungen die Hausfrau dann beim Einzelhändler zu spüren bekommt. Darum ist es schon wichtig, daß man für eine gewisse Marktordnung Sorge trägt, eben um hier eine größere Stabilität zu erreichen. Die Schaffung eines sogenannten Marktverbandes, wie sie schon im Ministerium vorbereitet worden ist, ist also außerordentlich zu begrüßen, eines Verbandes, der durch Übernahme von Kontrakten, vielleicht nach dem Muster der landwirtschaftlichen Ordnung, die Lenkung der Anlandungen vornimmt. Das Zuviel an Anlandungen könnte so abgefangen und zur Verwertung in der Fischmehlindustrie, in ,der Konservenindustrie oder durch Tiefkühlung und Trocknung umgelenkt werden.
Als letztes möchte ich nicht vergessen, das Ministerium, das schon von den verschiedenen Propagandamittein gesprochen hat — von der Wanderausstellung, von den Schriften, die herausgegeben worden sind —, darauf hinzuweisen, daß, wie ich glaube, das lebendige Wort dabei doch noch etwas zu kurz gekommen ist. Es wäre 'deshalb gut, wenn durch Bekanntmachung im Rundfunk die Hausfrauen jeweils zeitig genug unterrichtet würden, welche Fischsorten in den verschiedenen Fangperioden anfallen, und wenn durch entsprechende Ratschläge und eben auch durch verlockendere Rezepte die Vorzüge des jeweiligen Marktes hervorgehoben würden. Der englische Ernährungsminister Woolton hat sich durch seine feinen Werbeaktionen in England, mit denen er die Hausfrauen
so geschickt anzusprechen wußte, geradezu Popularität erworben. Ich glaube, daß unser Herr Ernährungsminister durchaus die Fähigkeit hätte, das gleiche zu tun.
Wir wollen es aber nicht dabei bewenden lassen, den Ernst der Situation aufzuzeigen mit dem Wort „Eßt mehr Fisch, und ihr bleibt gesund!" oder „Eßt Fisch morgens, mittags und abends!" Weil wir uns vielmehr darüber klar sind, ,daß die Hebung des Fischkonsums ihre besonderen Vorteile hat — da wir mit eigenen Schiffen, mit eigener Kohle und mit deutschen Besatzungen arbeiten und somit unsere wertvollen Devisen sparen —, sind wir Hausfrauen daran interessiert, dem Fisch einen größeren Raum auf unserem täglichen Speisezettel einzuräumen. Der Herr Minister hat gesagt, daß der Jahresverbrauch für den Kopf der Bevölkerung 11,5 kg beträgt.. Es würde genügen, meine Hausfrauen — und an Sie wende ich mich besonders —, wenn wir den jährlichen Umsatz pro Kopf der Bevölkerung um 1,5 bis 2 kg steigerten. Das ist ein Auftrag und eine Aufgabe für die deutsche Hausfrau.