Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage unter Punkt 4 b der Tagesordnung hat Abgeordneter Dr. Mühlenfeld.
Dr. Mühlenfeld , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben vor Ihnen erfolgte Betonung der volkswirtschaftlichen und ernährungspolitischen Bedeutung der Fischwirtschaft für die Bundesrepublik war eine ausgezeichnete Vorbereitung für die Erörterung der Anliegen, die Gegenstand unserer Großen Anfrage auf Drucksache Nr. 3347 sind. Sie haben höchstwahrscheinlich damit auch akzeptiert, daß es im Interesse unserer Volksernährung läge, wenn der Anteil des Nahrungsmittels Fisch in unserem Haushalt noch stärker werden würde. Sie haben ferner von der Bundesregierung gefordert, Maßnahmen zur Steigerung des Fischkonsums durchzuführen. Wir billigen diese Forderung und machen sie uns mit allem Nachdruck zu eigen.
Darüber hinaus ist es unserer Ansicht nach jedoch dringend erforderlich, daß die Bundesregierung parallel zur Konsumsteigerung auch alle jene Schritte unternimmt, die erforderlich sind, um eine hochleistungsfähige Fischerei zu erhalten, fortzuentwickeln und gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu machen. In dieser Hinsicht wird nach unserer Auffassung von der Bundesregierung zu wenig getan, weniger, als möglich wäre, und weniger, als in den anderen großen Fischereiländern getan wird. Viele Zweige unserer Fischwirtschaft haben seit Jahren große Sorgen, schleppen Schulden mit sich herum und stehen nicht nur in den Küstengebieten, sondern auch mit der Verarbeitung und im Handel vor erheblichen Schwierigkeiten. Ich möchte dabei einschalten, daß beispielsweise die große Seefischerei ja nicht vom Bund in ihrem Wiederaufbau die Unterstützung finanzieller Art erfahren hat, die die allgemeine Handelsschiffahrt durch das Verkehrsministerium und die Bundesregierung erhalten hat. Warum man hier zwischen der allgemeinen Seeschiffahrt und der Fischerei Unterschiede macht, ist uns nicht verständlich.
Wir haben diese Probleme in diesem Hause anläßlich der Treibstoffdebatte wiederholt behandelt, ohne daß es jedoch von der Regierungsseite her zu den geforderten durchgreifenden Maßnahmen gekommen ist. Wir bedauern das, weil die Regierung durch ihre Haltung praktisch auf Möglichkeiten zur Besserung unserer Ernährungslage und damit auch unserer Devisenlage verzichtet. Gerade die Devisenfrage sollte nicht außer acht gelassen werden, denn immerhin hat allein der Leistungsanstieg bei der Fischerei in den Jahren 1950/51 zu einer Devisenersparnis von rund 100 Millionen DM geführt. Wir legen Wert darauf, daß diese Möglichkeiten stärker ausgenutzt werden.
Hauptunkostenfaktor in der auf diesem Sektor ausschlaggebenden Hochseefischerei ist der Brennstoff. Das Hohe Haus hatte gerade vor Jahresfrist bei der Verabschiedung des Mineralölgesetzes vom
30. Juni 1951 beschlossen, die Preisvergünstigungen für Mineralöl, welche bis zum 1. April 1951 bestanden haben, beizubehalten. Am 6. Juni 1951 erließ der Herr Bundesfinanzminister auch tatsächlich die entsprechenden Durchführungsverordnungen und sah darin in § 7 auch Beihilfen für die Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Hochseefischerei vor. Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Praxis jedoch nur unrentable Motortrawler in den Genuß dieser Beihilfen setzen wollen und unseres Wissens bisher erst einmal eine Beihilfe ausgezahlt. Damit ist dem Wunsch dieses Hauses nicht Rechnung getragen worden. Die deutsche Hochseefischerei zahlt heute je Tonne Gasöl 260 DM, während bis zum 1. April 1951 der privilegierte Preis 120 DM betrug. Mit 260 DM je Tonne kann die deutsche Fischerei aber gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig sein, wenn z. B. die Engländer ihre Fischdampfer mit 160 DM je Tonne bunkern lassen, wobei sie dann noch höhere Preise für ihre Fänge erzielen, als sie von der deutschen Fischerei erzielt werden.
Die Bundesregierung muß Möglichkeiten finden, einmal um hier dem Willen des Hauses zu entsprechen, zum andern um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Fischerei wiederherzustellen. Wir sprechen hier mit Nachdruck den Wunsch aus, daß die Bundesregierung unverzüglich Verhandlungen aufnehmen möge, die der deutschen Hochseefischerei wieder das Bunkern zum Weltmarktpreis ermöglichen, wobei vielleicht zu erwirken ist, daß diese Schiffe genau so wie die Großschiffahrt in Konsignationslägern bunkern dürfen. Gelingt es der Bundesregierung nicht, hier eine Lösung zu finden, dann ist zu befürchten, daß der so erfolgreich angelaufene Bau von Motorschiffen für die deutsche Fischerei wieder abg schnitten wird.
In einem Atemzug mit dem Gasölpreis muß auch der dominierende Brennstoff der Fischerei genannt werden, die Bunkerkohle, von der jährlich 500 000 t verbraucht werden, wobei die deutsche Fischerei preislich praeter propter mit 7 Millionen DM mehr belastet ist als die englische. Im Interesse niedriger Fischpreise, die die wirksamste Methode zur Hebung des Fischkonsums sind, sollte man bei der Regierung darauf achten, daß die Betriebskosten bei der Fischwirtschaft nicht durch neue Belastungen, d. h. etwa durch eine Kohlenfrachterhöhung, gesteigert. werden.
Zu Punkt 3 unserer Großen Anfrage habe ich zum Ausdruck zu bringen, daß wir dem Herrn Bundesfinanzminister nahelegen möchten, der deutschen Hochseefischerei die entsprechenden Steuervergünstigungen für Export zu gewähren. Hier sehen wir eine der größten Ungerechtigkeiten, die nur von formalen Gesetzesvorschriften existieren kann, aber nicht dem Sinn der deutschen Wirtschaft entspricht und auch nicht im Sinne des Gesetzgebers liegt. Das Ausfuhrförderungsgesetz sieht nämlich generell steuerliche Vergünstigungen für Ausfuhrlieferungen vor. Zweck des Gesetzes ist, der Ausfuhr einen besonderen Steueranreiz zu geben, sie damit zu heben und dadurch den Devisenanfall für die Bundesrepublik zu erhöhen. Vor dem Kriege landete die deutsche Hochseefischerei weit über 50 000 t ihrer Fänge im Ausland an. Sowohl sie wie die kleine Hochseefischerei haben die Auslandslieferungen im Vorjahre zum ersten Male wieder aufgenommen und durch Anlandungen in England in Höhe von über 14 000 t Devisen im Betrage von 5,8 Millionen DM eingebracht. Das ist aber erst ein Anfang, wenn die Bundesregierung sich bequemt, auch diesen für uns vor allen Dingen in Norddeutschland wichtigen Gewerbezweig zu fördern. Der Herr Bundesfinanzminister hat der Hochseefischerei aber keine steuerlichen Ausfuhrvergünstigungen eingeräumt, und außerdem mußte sie in England noch den Einfuhrzoll zahlen.
Die formalen Gründe — ich betone: ausschließlich formalen Gründe —, die für die Ansicht des Herrn Bundesfinanzministers maßgebend waren, sind uns bekannt, aber keineswegs einleuchtend. Allerdings hat er selbst gelegentlich der Beratungen über die Bunkerkohlenpreise der deutschen Hochseefischerei empfohlen, in stärkerem Maße von den Fischanlandungsmöglichkeiten im Ausland Gebrauch zu machen. Ja, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie der deutschen Hochseefischerei diesen Rat geben, dann geben Sie ihr auch bitte Ihre gesetzliche Hilfe, um das durchführen zu können. Es stimmt ohne Zweifel, daß die von der Hochseefischerei im Ausland abgesetzten Fische unmittelbar nach ihrem Fang ins Ausland gebracht werden, ohne erst einen Umweg über das deutsche Inland zu machen. Da aber die deutsche Hochseefischerei ihre Erzeugnisse mit in Deutschland ausgerüsteten und mit deutscher Besatzung fahrenden Fischdampfern aus dem freien Meer gewinnt, ist ihr Fischabsatz im Ausland eine reine Deviseneinnahme für unsere Bundesrepublik, die ohne wesentliche inländische Aufwendungen und Materialien erreicht wird und damit im Sinne des Ausfuhrförderungsgesetzes geradezu erstrangig förderungswürdig ist. Außerdem, Herr Bundesfinanzminister, sollten Sie auch in der Auslegung dieses Gesetzes den anerkannten völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Grundsatz gelten lassen, der sonst überall gilt, daß ein Schiff auf See als Inland angesehen wird und dem Hoheitsrecht des betreffenden Landes unterliegt.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister nach der heutigen Fassung des Ausfuhrförderungsgesetzes die steuerlichen Vergünstigungen für die Fischanlandungen nicht gewähren kann — und wir sehen nicht ein, daß die Interpretation, wie ich sie eben gegeben habe, möglich sein sollte —, so müssen wir darum bitten, eine entsprechende Änderung des Gesetzes beschleunigt vorzubereiten.
Bereits unter dem 17. März 1952 ist dem Bundestag ein Antrag der SPD, der CDU/CSU und der DP zugegangen, in dem die Bundesregierung um die Mittel zum Bau eines Fischereiforschungsschiffes — damit komme ich zu Punkt 4 unserer Anfrage — ersucht wird. Die Fraktionen waren sich über die Dringlichkeit und die Notwendigkeit der beschleunigten Indienststellung eines deutschen Fischereiforschungsschiffes einig. Die Fischereiforschung ist ein integrierender Bestandteil der modernen und leistungsfähigen Hochseefischerei. Genau wie früher das Deutsche Reich Fischereiforschungsschiffe unterhielt, fahren heute für die USA 6, für England 4 und für Norwegen 2 Fischereiforschungsschiffe, und weitere sind geplant. Auch andere europäische Länder haben derartige Schiffe eingesetzt. Die deutsche Fischerei wird auf lange Sicht gesehen erheblich zurückfallen, wenn deutsche Forschungsschiffe ihre Tätigkeit nicht sehr bald wieder aufnehmen, denn die alten Fanggründe reichen nicht mehr aus, es müssen neue, entferntere Fanggründe mit unbekannten Fischvorkommen aufgesucht werden. Dazu brauchen wir dringend das Forschungsschiff.
Die Tatsache, daß gestern zwei Fischdampfer einer deutschen Reederei mit Unterstützung des Bundesernährungsministeriums zur Durchführung
von Fischereiforschungsaufgaben für kurze Zeit — wohlgemerkt! — in die grönländischen Gewässer abgefahren sind, ist äußerst begrüßenswert; aber wir werden damit nicht der Notwendigkeit enthoben, alles zu tun, um in kürzester Frist wirkliche Forschungsschiffe wieder in Dienst zu stellen. Die Auffindung neuer Fanggründe für die deutsche Hochseeschifferei gehört zu den vordringlichsten Anliegen, und wir bitten die Bundesregierung, nunmehr die vom Herrn Bundesfinanzminister zugesagten 1 Million DM für den Neubau von Fischereiforschungsschiffen auch unverzüglich auszuschütten und den dann noch fehlenden Betrag von 1,5 Millionen DM in den neuen Etat einzusetzen.
Wenn die Bundesregierung auf allen Gebieten begrüßenswerterweise Anstrengungen unternimmt, um die berufliche Ausbildung der Jugend zu fördern, dann sollte sie dabei auch wieder stärker an die jungen Seeleute und die Jungfischer denken. Wir wünschen, daß in das Schiffsjungenheim, das jetzt in Bremerhaven für 45 bis 65 junge Seeleute aus Mitteln der Stadt, der Kirche, der Gewerkschaften, der Hochseefischerei und des Landes Bremen errichtet wird, auch die dort schon lange geplante Jungfischerschule mit einbezogen wird und dieser Neubau so ausgestaltet wird, daß von dort aus 80 und später 160 Jungfischer ausgebildet werden können. Eine Beteiligung der Bundesregierung an den Baukosten, und sei es nur in Höhe des noch bestehenden Fehlbetrages von 90 000 DM, erscheint uns dringend wünschenswert und notwendig.
Ein Teil dieser aktuellen Probleme in der deutschen Fischwirtschaft wäre vielleicht schon gelöst oder zumindest weiter behandelt, wenn die von diesem Hause beschlossene Errichtung der Abteilung „Fischwirtschaft" im Bundesernährungsministerium bereits durchgeführt wäre. Wir bedauern, bei dieser Gelegenheit unserem starken Befremden darüber Ausdruck geben zu müssen, daß die Bundesregierung diesem Beschluß des Plenums noch nicht nachgekommen ist. Die äußerst bescheidene Verstärkung des gegenwärtigen Fischereireferates durch zwei Beamte stellt nach unserer Kenntnis keineswegs die Schaffung einer ausreichenden Vertretung der Fischwirtschaft im Bundesernährungsministerium dar. Nicht nur die Tatsache, daß im Reichsernährungsministerium eine Abteilung „Fischwirtschaft" gearbeitet hat, auch nicht die Tatsache, daß es in den meisten nordatlantischen Küstenländern besondere Fischereiministerien gibt, ist dafür allein ausschlaggebend. Man darf nicht übersehen, daß heute bereits wieder Milliardenbeträge in der deutschen Fischerei investiert sind, daß 2 1/2 Tausend Fahrzeuge von den deutschen Küsten ausfahren, die in der Lage sind, mehr als 700 000 t Seefische zu fangen, und daß allein im vergangenen Jahr 140 Millionen DM aus den Anlandungen der Hochseefischereiflotte erlöst wurden. Zum Sektor Fischwirtschaft gehören ja nicht nur die Schiffe, sondern auch die gewaltigen Anlagen auf dem Lande, die modernen Anlagen der Verarbeitungsindustrie, die umfangreichen Spezialeinrichtungen des Handels, die Werften, die Zulieferindustrie. die zahlreichen anderen Sparten, die bis tief ins Binnenland für die Fischwirtschaft tätig sind.
Die Seefischerei der Bundesrepublik ist auf dem Wege, hinter Norwegen und Großbritannien wieder die dritte Stelle in der europäischen Fischproduktion einzunehmen. Wenn wir bedenken, daß es noch gar nicht lange — ungefähr drei Jahre — her ist, daß die Existenzfrage der deutschen Hochseefischerei so gestellt war, daß man von der außenpolitischen Seite her ihr Verschwinden forderte, dann dürfen wir dies wohl als eine gewaltige Anstrengung ansehen, die auch aus diesem Grunde schon der Unterstützung der Bundesregierung wert ist. Die umfangreichen Aufgaben, die auf diesem Gebiete anfallen, können unmöglich durch einen einzigen Referenten und wenige Mitarbeiter erledigt werden. Wir betonen mit allem Nachdruck, daß hierfür eine entsprechend besetzte eigene Abteilung „Fischwirtschaft" geschaffen werden muß. Die ständige Intensivierung der deutschen Fischwirtschaft, die wiederhergestellte internationale Verflechtung der deutschen Fischerei mit der ausländischen, ihr ständiger Kampf gegen ausländische starke Konkurrenz, die sich reicher Unterstützung organisatorischer und finanzieller Art ihrer Regierungen erfreut, die Betreuung aller fischereiwissenschaftlichen Bundesinstitute, die diffizile Behandlung der Fischimportfragen in den Handelsverträgen halten den gegenwärtig aufs äußerste überlasteten Referenten des Ernährungsministeriums oft viele Wochen von Bonn weg — allein in letzter Zeit ist er mit einer kurzen Unterbrechung 16 Wochen von Bonn fortgewesen —, so daß die Bundesregierung einfach nicht umhin kann, dem Beschluß des Plenums zu folgen und die Fischerei-Abteilung in der erforderlichen Personalstärke auszubauen.
Wenn wir in diesem Rahmen die Aufmerksamkeit der Regierung noch besonders auf die kleine Hochseefischerei und die Küstenfischerei lenken, so hat das sehr ernste Gründe. Auch hier stehen an der Spitze die Sorgen, die durch die hohen Treibstoffpreise verursacht werden. Es ist nicht gelungen, die vor dem 1. April 1951 geltenden privilegierten Treibstoffpreise auf diesem Sektor wiederherzustellen. Die Fischerei erhält zwar eine Betriebsbeihilfe in Höhe von 7 DM pro 100 kg und die Kutter und Küstenfischer zusätzlich 3 DM Beförderungsbeihilfe. Trotzdem liegt der Preis bei 15 DM je 100 kg, während er früher bei 12 DM lag. Die Wiederherstellung dieses Kraftstoffpreises ist ein ernstes und bedeutendes Anliegen der Kutter und Küstenfischer. Wir halten es ferner für notwendig, daß die Bundesregierung sich mit der Schaffung eines ausreichenden Darlehensfonds für die kleine Hochseefischerei und die Küstenfischerei beschäftigt, der mit den vorgesehenen 1,5 Millionen DM nicht ausreichend ist, sondern wenigstens 3 Millionen DM betragen sollte.
Auch die dringend erforderliche Bildung von Rückversicherungsverbänden bedarf der Förderung durch die Bundesregierung, da es der Wirtschaft bis heute nicht gelungen ist und auch nicht gelingen konnte, die vor 1945 arbeitenden Rückversicherungsverbände wieder neu zu bilden.
Meine Damen und Herren, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit darf ich auf eine weitere Begründung verzichten. Ich hoffe, daß die Antwort der Regierung eine befriedigende sein wird.