a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Hebung des Fischkonsums ;
b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten der Fraktion der Deutschen Partei und Genossen betreffend Förderung der deutschen Fischerei .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von je 15 Minuten und, falls eine Aus-
Deutscher Bundestag — 21E. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Juni 1952 9585
sprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Herr Abgeordneter Brookmann!
Brookmann , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt die Drucksache Nr. 3324, eine Große Anfrage, die die Hebung des Fischkonsums betrifft. Gestatten Sie mir dazu einige Ausführungen. Wir haben uns in diesem Hohen Hause bereits wiederholt mit Fragen der Fischwirtschaft beschäftigt, insbesondere aber nur mit Fragen der Fischerei, also der Produktion. Die Fischereipolitik des Bundesernährungsministeriums ist bisher eine sogenannte reine Flottenpolitik gewesen, und sie konnte auch nichts anderes sein. Inzwischen haben sich aber auf dem Absatzmarkt Schwierigkeiten bemerkbar gemacht, die einer näheren Untersuchung bedürfen.
Die Fischereiflotte, die mit Hilfe der Bundesregierung aufgebaut worden ist, hat sich zu einer Leistungsfähigkeit entwickelt, wir wir sie 1938 gehabt haben. Seit dem vorigen Jahre aber macht sich nun mit wachsender Schärfe bemerkbar, daß Fische fangen wohl leicht, Fische essen aber sehr viel schwieriger ist. Jedenfalls haben sich Absatzschwierigkeiten eingestellt, die zutiefst bedauerlich sind. Im Jahre 1946 hatten wir in der Bundesrepublik Anlandungen in Höhe von ungefähr 250 000 t. Die Anlandungen haben im Jahre 1951 bereits eine Höhe von 600 000 t erreicht. Wenn man die Anlandungen im Jahre 1939 für das damalige deutsche Reichsgebiet mit 700 000 t vergleichsweise den Erfolgen unserer heutigen Fischerei gegenüberstellt, muß man anerkennend konstatieren. daß auf diesem Gebiete wirklich Hervorragendes geleistet worden ist. Darüber hinaus kann festgestellt werden, daß mit dem Neuaufbau auch eine beachtliche Modernisierung unserer Fischereiflotte verbunden gewesen ist. Es mag interessant sein, zu wissen. daß in Europa die Anlandungen der deutschen Fischereiflotte an dritter Stelle hinter Norwegen und England stehen. Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß das Schwergewicht der deutschen Fischerei im nordwestdeutschen Raum und in Schleswig-Holstein . liegt, insbesondere an den Anlandeplätzen Bremerhaven. Cuxhaven, Hamburg und seit 1949 auch in Kiel. Die Anlandungen in der heutigen sowjetisch besetzten Zone, die früher mit 50- bis 100 000 t veranschlagt werden konnten, stellten nur einen kleinen Prozentsatz der gesamten deutschen Produktion dar.
Die deutsche Verbraucherschaft ist mit der Spaltung Deutschlands kleiner geworden, und man könnte nun meinen, daß für die Aufnahme des gewaltig gesteigerten Fanges in der Bundesrepublik seit 1946 die verringerte Verbraucherschaft nicht ausreicht. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß das meiner Meinung nach ein Trugschluß ist. Dieser Zustand müßte bei richtiger Handhabung des gesamten Apparats des Fischabsatzes überwunden werden.
Wir haben 'uns in diesem Hohen Hause wiederholt mit dem Aufbau der Flotte beschäftigt, und Sie alle haben diesen Aufbau auch stark unterstützt. Wir müssen dafür sorgen, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser wertvollen Flotte erhalten bleibt, und zwar dadurch, daß ein gesunder Absatz zu angemessenen Preisen sichergestellt wird. Das ist leider heute nicht der Fall, und zwar erstens deswegen nicht, weil die Betriebskosten für Fischdampfer, Kutter und Küstenfischereifahrzeuge zu hoch geworden sind — über diesen Punkt könnte noch in Verbindung mit der Drucksache Nr. 3347, die im Anschluß hieran behandelt wird, Ausführlicheres gesagt werden —, und zweitens deswegen nicht, weil kein ausreichender Absatz zu den den Betriebskosten gerecht werdenden Preisen vorhanden ist. Innerhalb der Fischwirtschaft herrscht im Augenblick ein gewisses Durcheinander, das zu Absatzstörungen und Absatzstopps geführt hat. Die Bemühungen innerhalb der Wirtschaft selbst, zu einer Ordnung zu kommen, sind bisher leider erfolglos gewesen. Wir müssen daher an die Bundesregierung die Forderung richten, hier endlich Wandel zu schaffen und entscheidende Schritte zur Förderung des Absatzes und damit auch zur Regulierung eines gesunden Preises für Produktion, Handel und Industrie zu unternehmen. Was nützen uns alle Anstrengungen zur Förderung und Steigerung der Produktion, wenn ihre Wirtschaftlichkeit nicht in gleicher Weise durch einen gesunden Absatz ermöglicht wird? Ich bin der Auffassung: es liegen entscheidende volkswirtschaftliche und besonders auch ernährungspolitische und gesundheitliche Gründe dafür vor, sehr viel mehr zu tun, um den Fischabsatz, den Fischverzehr erheblich zu steigern.
— Kommt noch! — Dies ist allgemein bekannt, und diese Erkenntnis sollte uns. zumal jetzt die hohe Fischproduktion zur Verfügung steht. die wir mit der Förderung der Flotte ja auch angestrebt haben, wirklich ernsthaft veranlassen, entscheidende Schritte zur Förderung des Fischabsatzes zu tun. Eine derartige Absatzwerbung, die auch aus gesundheitlichen Gründen wichtig ist, sollte bei dem heutigen Streben nach leichter Kost, die ja beim Fisch gegeben ist, nicht so schwierig sein. Wenn man 'darüber hinaus berücksichtigt, daß sich der Verbrauch bei uns um zirka 13 kg je Kopf und Jahr — 1939 waren es 15 kg — bewegt, während in Norwegen 50 bis 60 kg, in Island 50 kg, in Portugal 45 kg, in Großbritannien 24 kg, in Schweden 20 kg Fisch pro Kopf und Jahr verzehrt werden, dann sollte man beim Vorhandensein des Fischs in Deutschland und bei der Devisenarmut unserer Wirtschaft aus volkswirtschaftlichen Gründen eine derartige Absatzwerbung bei großzügiger und verantwortungsbewußter Handhabung anstreben.
Welche Methoden entscheidend und zweckmäßig sind, müßte wohl von der Bundesregierung am besten gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet werden. Die deutsche Fischwerbung hatte in den letzten anderthalb Jahren ihres Bestehens — allerdings wohl mit unzureichenden Mitteln — schon gewisse Erfolge zu verzeichnen. Der nach 1949 mit der Verbesserung der Fleischversorgung zurückgegangene Verbrauch ist auch schon wieder um zirka 1 bis 1,5 kg pro Kopf und Jahr angestiegen.
Die Ansätze dieser Fischwerbung lassen erkennen, daß durch Werbung, Kochkurse und ähnliches vieles erreicht werden kann, und es sollten wirklich für diesen Zweck größere Mittel bereitgestellt werden, damit der bisher nur bescheidene, aber erkennbare Erfolg wesentlich gesteigert werden kann.
,Auch sollten in diesem Zusammenhang Mittel und Wege gefunden werden. um eine regelmäßige Oualitätskontrolle durchzuführen, da einwandfreie Qualität die Grundvoraussetzung für das Vertrauen zu dem Fisch und für die Steigerung des Absatzes
darstellt. Außerdem scheinen mir darüber hinaus gewisse zusätzliche Maßnahmen notwendig zu sein, um die Stabilisierung der Preise zu erreichen. Wir müssen es erreichen, daß wir sowohl mit dem Hering als auch mit dem Frischfisch zu einer gesunden Vorratswirtschaft kommen, genau so wie wir in den andern Sektoren der Ernährungswirtschaft über die bekannten Vorratsstellen Vorratswirtschaft betreiben, damit bei den saisonbedingten Schwankungen der Überfänge — natürlich nur, soweit es sich um erstklassige Qualitäten handelt — nichts mehr zu Schleuderpreisen an die Fischmehlfabriken abgegeben zu werden braucht, sondern der Ernährung und dem Verbraucher erhalten bleibt.
Im letzten Jahr mußten infolge Absatzmangels von den Fischmehlfabriken in einzelnen Monaten übernommen werden bis zu 40 % der Kabeljaufänge, bis zu 27 % der Schellfischfänge, bis zu 26 % der Seelachsfänge und bis zu 25 % der Heringsfänge. Eine planmäßige Lagerhaltung und Stapelung der Salzheringe z. B. ist in früheren Jahren schon wiederholt erfolgreich durchgeführt worden und läßt sich bei Einführung entsprechender Qualitätskontrollen auch wieder durchführen. Die hierzu aufzuwendenden Kosten für den Ankauf der Ware und der notwendige Verwaltungsapparat brauchten keine allzu hohen Aufwendungen zur Folge zu haben, wenn man z. B. einen Vergleich mit den Beträgen anstellt, die für andere Ernährungsgüter in ähnlichen Fällen aufgewandt werden müssen.
Auf dem Gebiet des Frischfisches ist durch die moderne Tiefkühlung ebenfalls die Möglichkeit einer einwandfreien Vorratshaltung geschaffen worden, was früher noch nicht in dem Umfang möglich war. Es wird in diesem Hohen Hause nicht allzu bekannt sein, daß gerade in den letzten Monaten auch an den deutschen Küstenplätzen erhebliche Mengen Frischfisch sowohl als Filet als auch als Fisch ohne Kopf eingefroren worden sind, um — neben dem Export nach benachbarten europäischen Ländern und nach Amerika — auch während des Frischfischmangels in der Heringssaison auf den Markt gebracht zu werden. Inwiefern im Zuge der Absatzwerbung die Bestrebungen zum weiteren Ausbau der Tiefkühlung noch besonders unterstützt werden müßten, müßte meines Erachtens ernstlich geprüft werden. Ebenso müßten meines Erachtens auch Wege dazu gefunden werden, daß Deutschland durch den Bau moderner kombinierter Fang- und Gefrierschiffe Anschluß an die Seegefrierung findet, die im Ausland bereits beachtliche Fortschritte gemacht hat.
Dann möchte ich mir noch die Anregung gestatten, daß durch Bund und Länder auch wohl noch manches getan werden kann, daß bei staatlichen Anstalten wie Krankenhäusern, Gefängnissen, Kantinen, Organisationen, bei der Polizei usw. usw. ein- bis zweimal in der Woche Fisch gegessen wird, und zwar nicht nur mittags, sondern auch abends, wo eine Fischkonserve oder Fischmarinade mehr und mehr Wurst- und Fleischauflagen ersetzen kann.
Diese meine Ausführungen sollen Anregung und Empfehlung an die Bundesregierung sein.
Abschließend möchte ich folgendes feststellen: Das, was bisher seitens der Bundesregierung -einmal vorn Bundesernährungsminister und zweitens auch vom Herrn Bundesfinanzminister — für die Fischerei getan worden ist, muß anerkannt werden. Ich muß aber darauf hinweisen, daß sie jetzt möglichst schnell einen Richtungswechsel in ihrer Fischereipolitik vornehmen und sich jetzt mehr oder weniger der Absatzfrage und der Konsumfrage zuwenden mögen, um damit vielleicht einmal über den Weg der Fischwerbung und zum zweiten über die Absatzförderung dem eigentlichen Sinn und Zweck unseres Antrags zu einem Erfolg zu verhelfen.