Rede von
Dr.
Franz-Josef
Wuermeling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der wesentliche Tatbestand, der bei der heutigen Debatte im Vordergrunde steht, ist der, daß man sich in Frankfurt dagegen wehrt, daß der frühere Kreisleiter und Nazioberbürgermeister Krebs, der das von 1933 bis 1945 war, heute in Frankfurt wieder eine politische Rolle spielen will. In diesem Zusammenhang hat eine Versammlung, die offensichtlich mit diesem Herrn Krebs unter Beteiligung des Herrn Bundesministers Seebohm vorgesehen war, nicht durchgeführt werden können.
Die einen führen Beschwerde darüber, daß die Versammlungsfreiheit nicht gewährleistet gewesen sei; sie beschweren sich über die Behinderung der Redefreiheit in politischen Versammlungen und glauben, formal im Recht zu sein, weil die Demokratie die freie Meinungsäußerung gewährleistet.
Die andere Seite will unsere junge Demokratie gegen diejenigen geschützt sehen, die schon einmal ihre Totengräber gewesen sind,
die namenloses Elend und Leid über unser Volk, ja über die ganze Welt gebracht haben und sich heute schon wieder auf die politische Bühne drängen.
Wir sind der Meinung, daß nach der ausführlichen Debatte zu diesen Dingen jetzt nicht mehr sehr viel gesagt zu werden braucht, aber es muß meines Erachtens einiges Wenige sehr klar und deutlich gesagt werden. Man sollte meinen, daß diese politischen Führer von einst das Bedürfnis hätten, in aller Stille durch Arbeit und Fleiß ihren Lebensunterhalt zu verdienen
und den von ihnen angerichteten Schaden zu ihrem bescheidenen Teil wieder gutzumachen, anstatt dem von ihnen ins tiefste Elend gestürzten Volke erneut ihre politischen Verführungskünste anzubieten, jenem Volke, dessen neue Demokratie so unendlich gnädig mit ihnen umgegangen ist.
Es wirkt wie eine Verhöhnung der Millionen Notleidender unseres Volkes, wenn führende Träger des nationalsozialistischen Systems es heute wagen, die von ihnen verschuldete Not für ihre politischen Ziele zu mißbrauchen.
Wenn sie das tun, brauchen sie sich nicht über die Folgen zu wundern, die dann im politischen Raum entstehen.
Dabei interessiert es uns nicht entscheidend, ob diese führenden Nationalsozialisten damals gerade zu den Schlimmsten gehört haben oder nicht
oder ob sie sich heute mit Stapeln von Persilscheinen als Unschuldsengel präsentieren.
Wenn sie wirklich so anständig waren und wären, wie sie zu sein und gewesen zu sein vorgeben, dann wären sie der Geschmacklosigkeit und der politischen Taktlosigkeit nicht fähig, die darin besteht, daß sie unser gepeinigtes und geplagtes Volk heute durch ihr Wiederauftreten provozieren.
Art. 18 unseres Grundgesetzes besagt, daß die Vertreter eines undemokratischen Systems ihre Grundrechte verwirkt haben. Wenn die Existenz dieses Artikels allein nicht genügt, um in diesem Sinne geordnete Verhältnisse bei uns herbeizuführen,
dann werden wir rechtliche und gesetzliche Mittel und Wege finden und finden müssen, um die Dinge in Ordnung zu bringen.
Die deutsche Demokratie läßt sich nicht noch einmal überfahren,
und die demokratischen Rechte stehen nicht als Mittel zu ihrer Beseitigung zur Verfügung.
Der Herr Minister des Innern hat an die Erledigung des Versammlungsordnungsgesetzes erinnert. Ich möchte mich diesem Appell an unseren zuständigen Ausschuß eindringlich anschließen;
denn die Entwicklung der Dinge in den letzten Wochen und Monaten beweist, wie dringlich — nun von der anderen Seite her gesehen — die gesetzliche Regelung dieser Dinge ist. Es wird an uns in diesem Hause sein, die Dinge recht bald zu fördern. Unsere Bevölkerung aber — das möchte ich von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union her sagen — kann sicher sein, daß wir alles tun, um die Freiheit und die Rechte der Demokratie sicherzustellen.
Es ist beanstandet worden, daß ein aktiver Bundesminister durch Beteiligung an dieser mit Herrn Krebs vorgesehenen Versammlung in die Dinge hineingezogen worden ist.
Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, daß auch wir das aufrichtig bedauern, und ich möchte mit dem Faust-Wort an Herrn Minister Seebohm schließen: „Es tut mir in der Seele weh', daß ich dich in der Gesellschaft seh'" !