Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die überaus unerfreulichen Erörterungen,
will ich auf ihren sachlichen und politischen Gehalt zurückzuführen versuchen. Hier ist vorhin das Wort gefallen, daß die Demokratie ein schimpfliches Ende finden könnte. Meine Damen und Herren, es ist der sicherste Weg für dieses schimpfliche Ende, wenn diese Gewaltmethoden, Ver-
sammlungsstörungen und, ich möchte mal sagen, wenn diese Ausübung einer „volksdemokratischen Kontrolle"
fortgesetzt werden.
Sehen wir die Dinge einmal mit aller Ruhe und Klarheit an. Es sind gegen den Stadtverordneten Dr. Krebs in Frankfurt allerhand, Behauptungen in diesem Hohen Hause vorgebracht worden, das an und für sich nicht dafür da ist, über irgendwelche Personen Scherbengerichte abzuhalten. Es liegt im Falle Dr. Krebs ein sehr eingehend begründetes Urteil der Entnazifizierungskammer des Lagers Darmstadt vor.
Das genügt noch nicht; es liegt außerdem ein überaus sorgfältig begründetes Urteil des Disziplinargerichtshofes in Hessen vor, in dem die Hauptvorwürfe, die Sie gegen Herrn Dr. Krebs erhoben haben, ihre Widerlegung gefunden haben.
Natürlich sehen wir uns unsere Leute an, wenn wir sie anerkennen,
und wir haben gerade diesen Fall sehr eingehend durchgeprüft.
— Es ist hier nicht eine Frage des politischen Geschmacks, Herr Kollege Köhler,
sondern es handelt sich um die Durchsetzung eines klaren Rechts. Wir vertreten mit andern Freunden aus der Koalition die Auffassung,
daß wir bemüht sein sollten, unter die Vergangenheit einen Schlußstrich zu ziehen. Wir nehmen die Frage der Beendigung der Entnazifizierung außerordentlich ernst.
Wir wenden uns in dem Falle, in dem ein Mensch in seiner persönlichen Haltung keiner ehrenrührigen Handlung überführt ist,
dagegen, daß dieser deutsche Staatsbürger mit einer vorgefaßten Meinung und einem reinen Vorurteil diffamiert wird.
Das ist ein Grundsatz, den wir durchsetzen werden und für den wir zu stehen haben, weil wir glauben, daß damit eine der Grundlagen der Demokratie geschaffen wird.
Wir wenden uns dagegen auch, wenn gegen Personen, die nicht unserer Fraktion angehören, gegen irgendeinen Politiker in dieser Weise mit reinen Vorurteilen gearbeitet wird.
Es ist nötig, daß in dieser Welt wieder ein ruhiger
und ehrlicher rechtlicher Maßstab Geltung erlangt.
Wer sich im einzelnen über die Behauptungen orientieren will, die ich in bezug auf die Person des
Herrn Krebs aufgestellt habe, dem werde ich gerne die beiden Urteile zur Verfügung stellen, deren Abschriften in meiner Hand sind.
Meine Damen und Herren, es ist ein absolut falscher Weg, daß die eine Partei der andern Partei gewissermaßen Vorschriften darüber macht, was Demokratie ist oder was nicht Demokratie zu sein hat; so können wir nicht fortfahren.
— Wir nehmen es nicht so übermäßig ernst, wenn Sie uns von Ihrem Standpunkt aus die demokratische Legitimation versagen.
Es gibt in unserem deutschem Vaterland augenblicklich so viele Vorgänge, denen wir allerdings auch die demokratische Legitimation restlos zu verweigern genötigt sind.
Sie wissen, was ich meine.
Da ist der Fall Krebs, und an diesem Fall interessiert uns der Grundsatz,
daß ein ehemaliger Nationalsozialist, den wir nach seiner heutigen Haltung zu beurteilen haben, in der Öffentlichkeit nicht derart diffamiert werden darf. Darum geht es; das ist ein Grundsatz.
Im Grundgesetz sind nach einer Zeit der absuluten Staatswillkür, in der jede freie politische Meinungsäußerung verboten und unmöglich gemacht worden war, ganz klare Bestimmungen über die Ausübung der Meinungsäußerung und der demokratischen Grundrechte enthalten. Zur Abwehr etwaigen Mißbrauchs solcher Grundrechte sieht unser Grundgesetz ein rechtliches Verfahren vor. Wer also glaubt, daß eine Person oder eine politische Gruppe die Staatsgrundlagen gefährde, der mag sich mit dieser seiner Behauptung an das Bundesverfassungsgericht wenden, mag die in der Verfassung vorgesehenen Maßnahmen — und nur sie sind gesetzlich — ergreifen. Dann mag sich herausstellen, ob seine Behauptung wahr ist oder nicht. Meine politischen Freunde sind jedenfalls eisern entschlossen, unter allen Umständen diese klare rechtsstaatliche Grundlage in der Politik durchzusetzen.
– So, das ist Ihre Meinung. Unsere Meinung ist, daß ein ehemaliger Nationalsozialist, der den Beweis erbringt und die Gewähr dafür bietet, daß er ein anständiger Mensch ist und den heutigen Staatsgedanken bejaht, nicht durch Terrormaßnahmen behindert werden darf.
— Herr Abgeordneter Greve, Ihre Beleidigungen berühren mich absolut nicht. Lesen Sie das Urteil
des Ehrengerichtshofs der Anwaltskammer durch, dann werden Sie über Herrn Krebs das wirklich gültige, von besonnenen Männern gesprochene Urteil finden.
Es ist z. B. interessant, daß bei der Versammlung, die Herr Minister Seebohm abhalten wollte und bei der er überhaupt nicht zum Wort zugelassen worden ist, Herr Krebs gar nicht zugegen war, sondern daß die Bevölkerung Frankfurts offenbar Herrn Krebs gar nicht mehr gekannt hat. Denn der Mann, den sie da herausgeworfen haben wollten, war ein harmloser Sudetendeutscher, der auch äußerlich überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Statur des Herrn Krebs hat. Daraus sehen Sie ja doch, daß die ganze Sache eine vorab bestellte Terrormaßnahme war.
Wenn Sie diese Maßnahme rechtfertigen wollen, dann möchte ich wissen, worin diese Vorstellung von der Demokratie sich noch von der Volksdemokratie, gegen die Sie doch angeblich so Front gemacht haben, so wesentlich unterscheidet.
Herr Dr. Seebohm war gar nicht in der Lage, überhaupt ein Wort zu sprechen,
so daß er allmählich zu einer Zeichensprache gelangen mußte,
die der ganzen Narretei angemessen war, die auf der anderen Seite exerziert worden ist.
Nun noch zu dem sachlichen Gehalt. Der Herr Innenminister hat uns die Frage vorgelegt, warum in diesem Hohen Hause das Versammlungsordnungsgesetz, das doch eine wirklich legale, eine gesetzliche Maßnahme bietet, um solche Vorgänge zu verhindern, nicht verabschiedet wird. Ich glaube, es wäre interessant, Ihr eigenes demokratisches Gewissen einmal dahingehend zu prüfen, ob es nicht besser wäre, wenn Sie die Waffe der Versammlungsstörung für die Zukunft aus der Hand legten und wenn wir in diesen Fragen zu einer anständigen rechtsstaatlichen Ordnung kommen könnten.
Deshalb haben wir die Interpellation eingebracht.