Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Traditionskompanie des Nationalsozialismus in diesem Hause,
eine der wesentlichsten Stützen der Regierungskoalition, hat eine Große Anfrage eingebracht, in der sie Klage darüber führt, daß ihr nicht die erforderliche Meinungs- und Versammlungsfreiheit zugebilligt worden sei. Ich glaube, auf bessere Art könnte man nicht nachweisen, was die Regierungskoalition unter der „verfassungsmäßig zugesicherten Freiheit" versteht, und besser könnte man auch nicht nicht nachweisen, was sie unter Demokratie versteht. Ich vermisse nur eines. Ich vermisse, daß einer der feinen Herren der Fraktion der Deutschen Partei heute hier an diesem Pult die Große Anfrage vertreten hat: Herr Dr. von Merkatz, der uns doch sonst immer damit beglückt, uns philosophische Ergüsse über das Wesen der Demokratie vorzutragen. Ich wundere mich sehr, warum er sich die Gelegenheit hat entgehen lassen, seinen Parteifreund Dr. Krebs hier vor diesem Hause selbst zu vertreten.
Herr Dr. Krebs, um dessen demokratischen Schutz es hier geht, war in Frankfurt am Main Spitzenkandidat der Regierungspartei des Herrn Dr. Seebohm und des Herrn Hellwege. Herr Dr. Krebs, der ehemalige SS-Obersturmbannführer, der ehemalige erste Vorsitzende des Kampfbundes für deutsche Kultur in Frankfurt, der ehemalige Kreisleiter der NSDAP, der ehemalige Oberbürgermeister während der Nazizeit während der Dauer von zwölf Jahren, soll hier als Repräsentant der neuen demokratischen Ordnung gepriesen und verteidigt werden.
Es ist nötig, etwas in die Vergangenheit zurückzugreifen. Warum haben die Sprecher der Deutschen Partei nicht vom Juni 1933 gesprochen? Ich möchte hier an das Datum des 13. Juni 1933 erinnern. An jenem Tage war dieser Nazi-Krebs bereits Oberbürgermeister. An jenem Tage wurden die demokratischen Stadtverordneten aus dem Bürgersaal der Stadt Frankfurt mit Koppelschlössern hinausgetrieben,
und zwar unter der verantwortlichen Direktion des Herrn Krebs. Der heutige Vorsitzende der sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion in Frankfurt, Kirchhof, wurde von Krebs persönlich dazu abkommandiert, seinen Privatwagen unter Aufsicht seines mit einer Pistole bewaffneten und drohenden Fahrers zu waschen. Er wurde mit einem Gummischlauch traktiert und Tag und Nacht mit entwürdigender Arbeit beschäftigt.
Warum sprechen die Patentdemokraten der DP denn nicht von dieser „demokratischen" Vergangenheit ihrer Größen, die sie heute auf die Bühne der westdeutschen Politik stellen?
Herr Dr. Krebs hat tausendfach seinen Eid gebrochen, den er einst als Richter der Weimarer Republik abgelegt hat. Herr Dr. Krebs ist verantwortlich für einen unerhörten Terror gegenüber der Frankfurter Bevölkerung. Er ist verantwortlich für den Tod von 37 000 Frankfurter Juden. Er ist verantwortlich für die Zerstörung Frankfurts in den letzten Tagen und Wochen vor der Besetzung. Solch einen Mann stellen Sie hier als den Repräsentanten der Adenauer-Demokratie vor.
Der Fall Krebs steht nicht allein da. In den Städten Offenbach, Darmstadt und Wiesbaden hat man gleichfalls die ehemaligen Nazioberbürgermeister als Spitzenkandidaten der Deutschen Partei, eben dieser famosen Regierungspartei, präsentiert, ferner einen Dr. Derichsweiler, den ehemaligen Reichsstudentenführer, der schon in seiner ersten Rede vor der Stadtverordnetenversammlung von der Notwendigkeit sprach, „das alte Reich wieder zu erneuern".
Was hat sich in Wirklichkeit dort abgespielt, worüber sich die Herren von der Deutschen Partei beschweren? Das Volk hat bewiesen, daß es sich solche Provokationen einfach nicht gefallen läßt.
Es pfeift auf die Regeln der Demokratie, wenn sie dazu mißbraucht werden, notorische Verbrecher zu schützen. Es hat erwiesen, daß es sich nicht gefallen läßt, daß eine solche Sippschaft heute erneut versucht, wieder hochzukommen. Es hat erklärt, daß es nicht zuläßt, daß solche Leute erneut ein demokratisches Mandat ausüben.
Man könnte über diese Angelegenheit zur Tagesordnung übergehen; man könnte sich darüber freuen, welch guten Instinkt die Frankfurter Bevölkerung durch ihr Vorgehen bewiesen hat. Was aber den Fall politisch bedeutsam macht, ist die hohe Protektion, die diese Leute hier von dieser Bank aus genießen,
beispielsweise von dem Herrn Bundesminister des Innern, der seinen Revolver entsichert, wenn er das Wort Verfassung hört.
Man müßte jetzt die Frage behandeln, wer denn die Verantwortung dafür trägt, daß solche Leute auf die politische Bühne zurückkehren. Die Verantwortung trägt die Regierung Adenauer; die
Verantwortung tragen die führenden Regierungsleute. Die Verantwortung tragen ihre amerikanischen Hintermänner darum,
weil sie das Wiederaufleben der nazistischen Tradition brauchen, weil sie das Wiederaufleben der nazistischen Ideologie für ihren geplanten Marsch nach dem Ural, für ihre geplante „Neuordnung der Verhältnisse in Osteuropa" brauchen.
Darum brauchen sie auch die alte Goebbels-Propaganda. Sie brauchen die Nazi-Krebse auch in den Spitzen der Kommunen, nachdem sie die Nazi-Krebse hier in Bonn bereits seit langem in die höchsten Ämter eingeführt haben.
Sie brauchen die faschistischen Herrschaftsmethoden, um den Generalkriegsvertrag zu realisieren
und im ganzen Lande Kirchhofsruhe zu schaffen.