Rede von
Dr.
R. Martin
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere, den Anträgen meiner beiden Herren Vorredner widersprechen zu müssen. Wir haben seit dem Januar 1950 das Gesetz in Bearbeitung. Ich kann heute schon voraussagen, daß aus weiteren Beratungen im Ernährungsausschuß nichts, aber auch gar nichts herauskommen wird. Der Ernährungsausschuß ist in seiner überwiegenden Mehrheit der Auffassung, daß die jetzige Vorlage vernünftig und sachlich begründet ist.
Mich wundert es gar nicht, daß bei der Behandlung von Jagdfragen die Leidenschaften so sehr aufgewühlt werden, und wo die Jagdleidenschaften, insbesondere, wenn sie Jäger erfassen, zu Hause sind, da hört bekanntlich jede Vernunft und vor allen Dingen auch jede Einsicht auf.
Bevor ich auf Einzelheiten dieses Gesetzes eingehe, gestatten Sie mir vorweg einige Bemerkungen, und zwar deshalb, weil es einige Jagdverbände gerade in letzter Zeit für nötig befunden haben, sich Dinge zu leisten, die man nicht so ohne weiteres hinnehmen kann.
Man hat uns nicht nur in Briefen und Zeitungsartikeln, sondern auch in Reden darauf aufmerksam gemacht, wir hätten hier parteipolitischen Unverstand walten lassen, wir seien rückschrittliche Politiker und hätten das Wild zu einem Schacherobjekt der Wirtschaft gemacht;
darüber hinaus sei das jetzige Gesetz, die Vorlage Drucksache Nr. 3240, ein Rückschritt gegenüber dem Reichsjagdgesetz. Es kommt aber noch etwas Schlimmeres: Man hat uns vorgeworfen, mit der jetzigen Vorlage würde das Ansehen der deutschen Jäger im Ausland gefährdet.
Nun, meine Damen und Herren, was den parteipolitischen Unverstand anbelangt, so kann ich wohl sagen, daß die Meinungsverschiedenheiten quer durch alle Fraktionen gegangen sind.
Was das Ansehen der deutschen Jäger im Ausland anbelangt, so möchte ich den deutschen Jägern doch raten, das Vertrauen wiederzugewinnen, das sie bei den deutschen Bauern und Forstwirten verloren haben. Ich glaube, das ist wertvoller als das Vertrauen der deutschen Jäger im Ausland.
Wenn man die Vorlage betrachtet, dann ist man gezwungen, auf zwei Vorgänge in der neueren Geschichte näher einzugehen. Vor rund 100 Jahren gab es schon einmal ein Aufbegehren der Bauern gegen die übermäßige Wildhege und Jagdausübung. Damals entstand das neue Jagdrecht, und in seiner Auswirkung wurden die Rotwild- und auch die Schwarzwildbestände ganz erheblich reduziert. Wir haben zwar heute nicht die gleiche Situation, aber fest steht doch, daß wir in vielen Gebieten — im Harz, im Soiling, in der Eifel, im Sauerland und im Schwarzwald — eine ähnliche Situation haben wie damals.
Der zweite größere Vorgang, den man in der neueren Geschichte verzeichnen und beachten muß, ist das Reichsjagdgesetz vom Jahre 1934 mit all dem Quatsch, dem Unsinn von Kreisjägermeister, Gaujägermeister usw. mehr und dem ungeheuren Papierkrieg, der damit verbunden war. Ich muß mich mit dem Reichsjagdgesetz schon deshalb etwas auseinandersetzen, weil nicht nur das Bundesernährungsministerium in seiner Begründung der Drucksache Nr. 1813 damals gesagt hat, es sei ein gutes Gesetz gewesen, sondern weil auch einige Kollegen unter uns der Meinung sind, das alte Reichsjagdgesetz sei wesentlich besser als unsere jetzige Vorlage.
Nun, ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen! Ich gebe zu: das Reichsjagdgesetz war ideal gedacht, und wenn man es nur unter rein jagdlichen Gesichtspunkten betrachtet, war es auch ein wirklich gutes Gesetz. Wenn Sie jetzt aber die Durchführung und die Auswirkungen dieses Reichsjagdgesetzes ansehen und beurteilen, dann müssen Sie feststellen, daß mit dem Reichsjagdgesetz der Rückschritt in Deutschland eingeführt worden Ist, der durch die ungeheuer verheerenden Folgen in der Landeskultur gekennzeichnet ist.
Ich weiß, woran das lag. Das lag daran, daß die Jägerschaft, als allein interessierte, die absoluten Vollmachten in der Behandlung des Wildbestandes hatte und die Landeskultur keinen Einfluß auf die Ausübung der Jagd gehabt hat.
Die Folgen dieses Reichsjagdgesetzes oder seiner Durchführung waren doch die beträchtlichen Zunahmen der Rotwildbestände in Gebieten, wo sie früher überhaupt nicht gewesen waren, insbesondere aber auch der Schwarzwildbestände. Und das alles, obwohl ein Abschußplan und eine Buchführung für den Abschußplan vorgeschrieben waren. Damit steht doch fest, daß dieser Abschußplan zu einer Schwindelangelegenheit geworden war. Vor allen Dingen hatte man auch das Vermehrungspotential des Wildes unterschätzt. Die Folgen der übermäßigen Zunahme waren grauenhafte Schäl- und Verbifischäden in den Wäldern. Dic Höhe dieser Schäden in unseren Wäldern ist
kaum feststellbar. Man schätzt sie auf 100 bis 200 Millionen Mark jährlich. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß z. B. im normalen Wald im Bundesgebiet im Durchschnitt eine Zuwachsminderung von einem Festmeter pro Jahr und Hektar eintritt bei einem Gesamtzuwachs von 4 bis 5 Festmetern. Ein erheblicher Prozentsatz geht also auf diese Art und Weise verloren.
Es interessiert uns hier die Frage, warum man bisher vor allem im Staatsforst keine Erhebungen über den Schaden angestellt hat. Ich weiß, wenn man den Schaden feststellen würde, dann käme man zu Erkenntnissen, die Veranlassung geben würden, Maßnahmen zur Bekämpfung der übermäßigen Rot- und Schwarzwildbestände einzuleiten. Es wäre meines Erachtens eine Aufgabe der Landtage, einmal in diese Dinge hineinzuleuchten. Ich könnte mir vorstellen, daß sogar die Finanz-und Wirtschaftsminister der Länder an diesen Dingen außerordentlich interessiert sind. Die Aufwendungen zur Verhütung der Schäden in den Forsten finden Sie doch immer in den Ausgaben für Kulturkosten enthalten. Sie können also niemals erkennen, was eigentliche Kulturkosten in unseren Forsten sind und was Kosten für die Verhütung von Wildschäden sind. In der Feldflur sieht es ähnlich aus. Auch hier haben wir die Schäden im größten Ausmaß zu verzeichnen. Es war höchste Zeit, daß auch die Schadenersatzfrage eindeutig und klarer geregelt wurde, als es beim Reichsjagd-gesetz der Fall war.
Die Vorlage, die uns die Regierung in der Drucksache Nr. 1813 vorgelegt hat, hat ganz erhebliche Veränderungen erfahren. Praktisch gesehen sind nur 5 Paragraphen unverändert geblieben. Daraus mögen Sie ersehen, daß der Ernährungsausschuß und sein Unterausschuß ein erhebliches Stück Arbeit daran geleistet haben. Was war unsere Aufgabe? Unsere Aufgabe, unser Ziel war, das Gleichgewicht der Kräfte wiederherzustellen. Wir waren bemüht, den Haushalt der Natur wieder in Ordnung zu bringen. Niemand von uns hat daran gedacht, ein sinnloses Abschlachten des Wildes zu verlangen. Jeder von uns sieht ein Stück Wild gern. Jeder ist daran interessiert, daß das Wild nicht ganz von der Bildfläche verschwindet. Aber wir sind andererseits auch daran interessiert, einen gesunden Wald wachsen zu sehen. Wir wissen, daß
das Wild ein Bestandteil der Natur ist und daß es die Aufgabe war, ein tragbares Verhältnis zwischen Wald, Landwirtschaft und Wildbestand zu schaffen. Ich weiß, daß die Wiederherstellung des biologischen Gleichgewichts der Natur nicht ganz leicht ist und daß wir noch andere Aufgaben bewältigen müssen, um es wiederherzustellen.
Die Vorlage ist ein Kompromiß. Ich selbst habe versucht — das wissen die Mitglieder des Ausschusses —, die Interessen der Land- und Forstwirtschaft allein in den Vordergrund zu stellen.
Ich habe mich bemüht, hier die Dinge klarer zu fassen, als sie gefaßt sind. Wenn dies auch nicht überall gelungen sein mag, so muß ich Ihnen dennoch empfehlen, dieser Vorlage zuzustimmen, einfach deshalb, weil die Kompromisse von jedermann, der es ernst nimmt, zu vertreten sind und vertreten werden können. Meine Fraktion wird daher als Fraktion keine Änderungsanträge stellen. Wir werden dem Gesetz zustimmen. Wir sehen in der Vorlage einen unverkennbaren Fortschritt gegenüber dem Reichsjagdgesetz.
Ich will hier auf die einzelnen Paragraphen nicht näher eingehen. Es wäre besonders der § 1 zu erörtern, ebenfalls der § 9 über die Jagdgenossenschaft. Sehr wichtig scheinen mir auch die §§ 21 und 37 zu sein, und nur dazu gestatten Sie mir einige Bemerkungen. Es geht hier um die Abschußregelung. Die jetzige Formulierung halte ich im Gegensatz zu meinem Kollegen Ruhnke für annehmbar, und zwar deshalb, weil die eigentlichen Jagdberechtigten, nämlich die Eigentümer an Grund und Boden, an dem Abschuß beteiligt werden, was früher nie der Fall war. Früher wurde der Abschußplan durch einen Kreisbeauftragten, durch einen Kreisjägermeister festgelegt. Jetzt endlich haben die Bauern das Recht, sich an der Aufstellung des Abschußplans zu beteiligen. Es bedarf der freien Vereinbarung zwischen dem Pächter und dem Bauern. Ich glaube, das wird nicht zum Schaden des Wildes sein. Im Gegenteil, ich bin felsenfest davon überzeugt, daß das zum Nutzen aller sein wird.
Die Wildschadensregelung hätte ich persönlich mir etwas einfacher und besser vorstellen können. Wir haben aber immerhin erreicht, daß das Verfahren besser geworden ist. Wir haben weiter erreicht, daß es hier kein Ausweichen durch die Jagdpächter mehr gibt.
Ich habe schon gesagt: die Vorlage ist das Beste, was in der Gegenwart zu erreichen gewesen ist. Das Gesamturteil darüber müßte als durchaus gut zu bezeichnen sein.
Ich darf zum Schluß einen Appell an die Beteiligten richten. An die Jägerschaft möchte ich die Bitte richten, sich in ihren Forderungen Mäßigung und Begrenzung aufzuerlegen.
Jagen heißt auch Verzichtenkönnen, und die Jäger sollten auf ihre früheren Vorteile im Interesse der Allgemeinheit verzichten. Eine weitere Bitte an die Land- und Forstwirtschaft: Die Land- und Forstwirtschaft sollte ihre Chancen, die in diesem Gesetz liegen, nützen. Sie sollte sich ihr Recht suchen. Sie sollte dafür Sorge tragen, daß die Jagdvorstände möglichst bald gewählt werden und dann auch funktionieren, daß die Abschußregelung im Sinne der Allgemeinheit getroffen wird und
daß sie auch bei der Bildung des Jagdbeirats ihre Gesichtspunkte zur Geltung bringen kann.
Die letzte Bitte richte ich an die Länder, und zwar deshalb, weil die Länder die Durchführung und die Ausfüllung des Rahmengesetzes als Aufgabe haben. Ich möchte sie bitten, nicht wieder Institutionen zu schaffen, die in der Vergangenheit schon einmal bestanden haben.
Was ihren Forstbereich anlangt, so möchte ich sie bitten, für eine Verringerung der ungeheuren Rotwildbestände Sorge zu tragen und ebenso im Kampf gegen das Schwarzwild führend zu sein. Sie sollten nicht nur den Jägern Gehör schenken — was leider oft der Fall ist —, sondern sie sollten auch nicht die Flüche und Verwünschungen der Bauern und Landwirte überhören, die von den durch das Rot- und Schwarzwild angerichteten Schäden betroffen werden.
Ich weiß, daß das Rotwild und Schwarzwild außerordentlich schwer zu jagen ist und daß es eine wirkliche Anstrengung des Jägers ist. ein Stück zu erlegen. Aber ich bin der Meinung, hier sollte man keine Mühe und Kosten scheuen, und ich bin der Überzeugung, daß das hundertfältig zurückgegeben wird.
Mein letzter Appell geht an das Hohe Haus, diesem Gesetz nach Möglichkeit einstimmig zuzustimmen. Denken Sie immer daran, daß Deutschland zwei Kriege verloren hat und daß wir ein armes Deutschland sind.