Rede von
Heinrich-Wilhelm
Ruhnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überschrift „Bundes-Jagdgesetz" bewirkt, daß in der Öffentlichkeit und vielleicht auch in diesem Hause manche vorhanden sind, die dafür kein Interesse haben. Sie glauben, es sei
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 9493. ein Gesetz für eine feudale Klasse und es sei für Menschen geschaffen, die sich nur der Jagd widmen.
— Ja, auch dieser Ausdruck ist bereits in der zweiten Lesung gebraucht worden, daß es sich um ein Vergnügen handle; ich komme noch darauf zu sprechen.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die lebhaften Zwischenrufe beweisen schon, welches Interesse für dieses Gesetz bei einzelnen Mitgliedern dieses Hauses besteht. Aber ich glaube, die Überschrift des Gesetzes müßte ganz anders heißen. Es müßte genannt werden: „Gesetz zur Erhaltung der freilebenden Tierwelt". Auch dieses Gesetz ist ein Teilstück der Gesetzgebung für den gesamten Naturschutz. Wenn Sie die Dinge von dieser Seite aus betrachten, bekommen Sie doch ein anderes Bild, als es ursprünglich der Fall ist. Durch das Vordringen der Zivilisation wird die freilebende Tierwelt immer mehr zurückgedrängt. Auf der Welt leben jetzt zweieinhalb Milliarden Menschen, und täglich haben wir einen Geburten-überschuß von rund 68 000 Menschen. Es ist ganz eindeutig, daß sich die Zivilisation immer mehr in das Land und immer mehr in den Wald hineinfrißt und daß kaum noch Raum für freilebende Tiere vorhanden ist. Wir laufen, wenn wir diese Dinge nicht ganz klar sehen, Gefahr — und Anzeichen dafür sind schon vorhanden —, Kultursteppe zu werden und unsere Landschaft langsam veröden zu lassen. Es ist eine unbestrittene Tatsache, daß schon ganze Wildarten ausgestorben sind. So geht z. B. auch der Bestand an Fasanen und Rebhühnern zurück. Das sind eben Erscheinungen der Zivilisation. Darüber besteht auch bei den Wissenschaftlern gar kein Streit.
Für dieses Jagdgesetz haben sich berechtigterweise die Jäger und die Landwirtschaft besonders interessiert. Es soll hier keinesfalls bestritten werden, daß die Land- und Forstwirtschaft an dieser Frage ein vordringliches Interesse hat und daß dieses vordringliche Interesse auch Berücksichtigung finden muß. Aber auch die Jäger müssen dafür ein Interesse haben, die ja auf diesem Gebiet auch etwas zu leisten haben. Dem Herrn Kollegen Kriedemann möchte ich auf seinen Zwischenruf antworten, daß das Vergnügen bei der Jagd, wie es einstmals gewesen ist, vorüber ist. Hörnerklang, Pferdegetrappel und Hundegebell der, Jagdmeute haben aufgehört. Die Jägerei ist eine sehr ernste und, ich glaube, auch eine ethische Aufgabe. Man kann der Auffassung sein, daß jemand nur schießt, um Fleisch zu haben. Ich glaube, die deutsche Jägerei ist anderer Auffassung. Sie ist der Auffassung, daß sie das Gewehr nehmen muß, um das auszugleichen, was wir an der Natur versündigt haben.
— Herr Kollege, vielleicht verstehen Sie nicht soviel davon und haben sich mit diesen Dingen noch nicht befaßt. Es ist doch klar, daß das Gewehr diese Dinge ausgleichen muß und der Jäger eine gewichtige Aufgabe zu erfüllen hat und bisher auch erfüllt hat. Das sei hier an dieser Stelle vermerkt. Das Überhandnehmen der Wildschweine liegt nur daran, daß der deutsche Jäger kein Gewehr hatte. Die Wildschweinbejagung ist schon
eine anstrengende Sache und kein Vergnügen, Herr Kollege Kriedemann. Die Besatzungstruppen hatten kein Interesse daran, Wildschweine zu bejagen, das war ihnen zu anstrengend. Der deutsche Jäger wird aber im Interesse der Land- und Forstwirtschaft wieder dafür sorgen, daß dieser Wildbestand entsprechend reduziert wird.
Lassen Sie mich nun zu dem Gesetz selber etwas sagen. Ich weiß genau, daß der Punkt, auf den ich jetzt zu sprechen komme, bei den Herren des Agrarausschusses Widerspruch finden wird. Die Bestimmungen der §§ 21 und 37 sind unmöglich, sie sind einfach nicht tragbar.
Ich weiß, daß es sehr schwierig gewesen ist, hier zu einem Kompromiß zu kommen. Es fragt sich, ob man einen solchen schlechten Kompromiß hinnehmen soll oder ob man nicht versuchen soll, hier Besseres zu schaffen. Das Reichsjagdgesetz ist soviel gelästert worden. Es ist leider mit der Reminiszenz an den Nationalsozialismus behaftet. Man sollte sich aber darüber klar sein, daß es Bestimmungen enthalten hat, die viel beser waren
als das Bundesjagdgesetz, das uns heute vorgelegt wird.
Der Abschußplan in der vorgeschlagenen Form des § 121 ist also meines Erachtens unmöglich. Es besteht keine jagdliche Aufsicht, keine jagdliche Instanz, die die Möglichkeit hat, diesen Abschußplan zu korrigieren. Es besteht auch keine staatliche Lenkung. Eine Vereinbarung zwischen Pächter und Verpächter mit der Möglichkeit, daß ein Jagdbeirat später eine endgültige Entscheidung fällt, ist keine Lösung. Ich will Ihnen ein praktisches Beispiel sagen: zwei Privatjagden, dazwischen eine Staatsjagd; die beiden Privatjagden gehören verschiedenen Landkreisen an. Da wird es so weit kommen, daß 'in jeder dieser Jagden verschiedene Bedingungen für den Abschußplan gelten, also daß hier geschossen und dort geschont wird. Dann entsteht ein völliges Durcheinander, weil man ja dem Wild nicht ein Schild umhängen kann, wozu es gehört.
Der § 37 scheint mir verfassungswidrig zu sein.
Er greift in die Behördenorganisation der Länder ein und ist einseitig dahingehend aufzufassen, daß gewissen Interessen gedient werden soll. Wir hätten durchaus den Wunsch, ein wirkliches Rahmengesetz zu schaffen. Hier handelt es sich nicht um ein Rahmengesetz. Meines Erachtens ist man viel zu sehr in Einzelheiten gegangen und hat den Begriff des Rahmengesetzes verlassen.
Ich hätte noch sehr viele Dinge zu erörtern, möchte mich jedoch nur auf einige Punkte beschränken. In der Jagdgenossenschaft scheint mir z. B. die Behandlung des Kleinbesitzers völlig ungerecht zu sein. Hier müßte bei den Ländern noch ein Ausweg gefunden werden, um Möglichkeiten einer gerechten Lösung im Verhältnis zu den Großlandbesitzern zu finden. Auch die Frage 'der Mehrheitsbeschlüsse in 'der Jagdgenossenschaft hinsichtlich der Verteilung der Jagdnutzung scheint mir insofern unmöglich geregelt zu sein, als hier die Minderheit nicht zuzustimmen braucht. Ich weiß nicht, welche Gründe hierzu geführt haben. Auch die Regelung der Gebühren für die Jagdscheine dürfte Ländersache sein. Es ist nicht Angelegenheit des Bundes, dies zu regeln.
Ich möchte noch kurz erwähnen, daß man hätte Gelegenheit nehmen müssen, den § 19 Ziffer 10, der schon im Reichsjagdgesetz vorhanden gewesen ist und 'der Tierquälerei darstellt, dahingehend abzuändern, daß die Tiere in einer Weise getötet Werden, die human angebracht ist. Auch die Frage der Fanggeräte — eine sehr wichtige Frage — ist nicht zufriedenstellend gelöst worden. Sie können mit einem Tellereisen auf einer Stange oder auf einem Stab auch Vögel fangen. Dessen sollte man eingedenk sein und von seiten des Staates hier entsprechende Bestimmungen treffen.
Wir haben in einem Lande ein vorbildliches Jagdgesetz: in Bayern.
-- Sie sehen, es ist schon oft aus Bayern etwas Gutes gekommen! Dieses Jagdgesetz ist wirklich vorbildlich. Auch Hessen hat ein gutes Jagdgesetz. Ich bin überrascht, daß nun dieses Bundesjagdgesetz, 'das weit schlechter als die erwähnten Ländergesetze ist, erlassen werden soll.
Ich kann mir nicht denken, daß dieses Bundesgesetz bei den Ländern Eingang finden kann
Da so viele Änderungen vorgenommen werden sollen und so viele Bedenken — auch rechtlicher Art — gegen die Bestimmungen vorhanden sind, beantrage ich die Zurückverweisung an den Agrar-ausschuß und die Überweisung an den Rechtsausschuß.