Rede von
Dr.
Rudolf
Vogel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erwarten Sie nicht von mir, daß ich Ihnen den Vorschlag mache, einen Milchwerbefilm drehen zu lassen, oder daß ich hier eine Rede über die Einwirkungen von Radiomusik auf die Steigerung der Milchleistungen halte. Nachdem eben mein sehr verehrter Vorredner das Kunststück fertiggebracht hat, die arme Milch auch noch mit der Wiederaufrüstung in Zusammenhang zu bringen, müssen wir hier doch irgendwie einmal nüchtern und ganz sachlich vom Standpunkt der Milchverbraucher zu dem Problem etwas sagen.
Ich will meinen verehrten Freunden von der Landwirtschaft keineswegs bestreiten, daß auch die Städter, vor alien Dingen diejenigen, die ein gutes Glas Wein oder auch einen Steinhäger lieben, ein sehr starkes Interesse daran haben können, am Abend nach einem solchen Genuß ein gutes Glas Milch zu sich zu nehmen, dieweil dies die beste Medizin ist. Aber das ist nicht das Entscheidende, sondern etwas ganz anderes. Wenn wir uns in anderen Ländern einmal umsehen und dort feststellen können, daß man z. B. in den Vereinigten Staaten, selbst in dem entferntesten Bauerndorf, daß man in Dänemark, in der Schweiz und überall, wo man sich um diese Dinge seit Jahrzehnten etwas energischer als bei uns gekümmert hat, eine wirklich gute, trinkbare Milch und keinen „blauen Heinrich" vorgesetzt bekommt, dann sagen wir uns doch, daß da in Deutschland bis jetzt etwas nicht richtig gelaufen ist.
Was wir bei uns brauchen, ist eine gute, hygienisch verpackte Milch, in der gleichen Qualität, mit der gleichen Temperatur an allen Orten Deutschlands unter demselben Gütezeichen geboten. Ich glaube, der Zustand in diesem Hause ist doch ein schlagender Beweis dafür, daß die Dinge bis jetzt nicht richtig gelaufen sind. Versuchen Sie doch, in unserem Bundeshauslokal einmal ein gutes Glas Milch zu bekommen: Sie werden vielleicht nach einigem Zögern und mit einiger Nachsicht des wohlwollenden Kellners dazu gelangen, daß er Ihnen etwas hinstellt, was ein Fachmann nur entfernt als Milch bezeichnen kann.
Die Dinge bedürfen keiner großen Reklamewerbung allein, sondern sie bedürfen einer konzentrischen Anstrengung von Regierung und Molkereigenossenschaften zusammen. Denn das, worauf wir draußen bei unseren Freunden und den Bauern immer wieder stoßen, ist folgendes: Es gibt heute eine Kluft zwischen dem Erzeuger und den Molkereigenossenschaften; die kann nicht geleugnet werden. Die Molkereigenossenschaften haben vielleicht in der Sicherheit ihrer staatlich gehegten Domäne etwas versäumt: nämlich sich rechtzeitig industriell umzustellen und dafür zu sorgen, daß in Deutschland nach einheitlichen Gesichtspunkten — ich möchte einmal sagen: auf rein industrieller Basis — überall ein gleichmäßig gutes Milchprodukt geboten wird. Darüber nachzudenken, wie das Versäumte nachgeholt und dem Schaden ab-
geholfen werden kann, das ist, glaube ich, die vornehmste Aufgabe, die wir uns hier zu stellen haben.
Wenn diese Debatte uns dabei einen Schritt weiterbringt — an Stelle von Deklamationen und anderen Dingen —, dann war sie nicht ohne Nutzen.