Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das angesprochene Problem hat eine gewaltige Bedeutung für Verbraucher und Erzeuger. Ein Drittel des Einkommens der westdeutschen Landwirtschaft beruht auf der Milcherzeugung. Da diese ein wesentlicher Produktionszweig der bäuerlichen Betriebe ist., ist es nur angebracht, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um die Produktion und den Absatz der Milch zu steigern.
Herr Minister Professor Dr. Niklas hat uns nun das Geheimnis enthüllt, warum der Absatz nicht hinreichend ist. Er ist der Meinung, die Werbung sei schuld, und Herr Eichler ist gar der Meinung, die Journalisten und die Presse seien schuld. Ich könnte
jetzt sagen: nein, die Radfahrer sind schuld. In Wirklichkeit ist es dem Herrn Minister doch so gegangen wie dem französischen General, der seinem Oberkommando gemeldet hat: Armee marschbereit, Geschütze aufgefahren. Feind nicht da! Denn weder die Werbung noch die Presse ist an dem geringen Absatz schuld.
Es wurde hier heute mit Recht gesagt, daß die Milch einen hohen Nährwert habe und das billigste Getränk sei. Aber was haben wir in Westdeutschland zu verzeichnen? 6 Millionen Menschen müssen mit einem Einkommen von unter 100 Mark leben, und 7 Millionen Menschen müssen mit einem Einkommen von unter 200 Mark leben. Es ist selbstverständlich, daß diese Menschen Blümchenkaffee und schwarz trinken müssen, da sie sich die Milch nicht kaufen können, obwohl sie für die Volksgesundheit so wichtig ist. Die Ursache des geringen Milchverbrauchs in Westdeutschland ist also die geringe Kaufkraft von Millionen Menschen. Wenn man den Milchverbrauch erhöhen will, muß man diesen Menschen ein höheres Einkommen geben.
Der Herr Minister sagt: es sind keine Mittel vorhanden, um den Absatz zu steigern! Das ist ja altbekannt, das ist ja doch selbstverständlich, wenn man das Geld für andere Zwecke ausgibt wie z. B. für die Aufrüstung.
Dann hat man natürlich dafür nichts zur Verfügung.
Auf der anderen Seite hat diese Politik der Bundesregierung doch dazu geführt, daß die Steuerschraube ständig schärfer angezogen wird, daß die Preise für die Produktionsmittel und Bedarf s-artikel der Bauern steigen, was sich in einem erheblichen Ansteigen der Produktionskosten der Landwirtschaft auswirkt. Darüber hinaus sind wir aber der Meinung, daß es auch notwendig ist, die Handelsspannen zu verringern, denn auch die Handelsspannen sind zu einem Teil daran schuld, daß die Dinge heute so liegen.
In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß es nicht der Bauer ist, der den Nutzen aus der Milchpreiserhöhung zieht. Der westdeutsche Bauer erhält für Vollmilch 25 bis 26 Pfennig. Für die Anfuhr zur Meierei wird ihm hiervon noch 1 Pfennig pro Kilo in Abzug gebracht, und für den Rindergesundheitsdienst muß er pro Kilo einen weiteren halben Pfennig abgeben. Außerdem wird ihm noch ein halber Pfennig pro Kilo für den Buttereinlagerungsfonds, der 25 Millionen DM aufbringen soll, abgezogen. Die verbleibenden 24 Pfennig liegen unter dem Herstellungspreis. Der Bauer erhält somit den Herstellerpreis von 24 Pfennig pro Kilogramm, der Konsument muß aber 38 Pfennig für das Kilogramm oder den Liter bezahlen und für Flaschenmilch sogar einen Preis von 60 bis 70 Pfennig. Die überaus hohe Handelsspanne kommt besonders bei einem Vergleich mit den dänischen Verhältnissen zum Ausdruck. In Dänemark erhält der Bauer beispielsweise pro Kilogramm Milch mit 4 % Fettgehalt 22 Oere, der Konsument zahlt dort selbst für Flaschenmilch mit 3,8 % Fettgehalt nur 33 Oere anstatt 60 bis 70 Pfennig wie hier in Westdeutschland für Milch mit einem Fettgehalt von 3 % oder neuerdings von 3,2 oder 3,4 %.
Im Interesse der Ernährung und der Landwirtschaft wenden wir uns gegen die Überschwemmung Westdeutschlands mit Milchprodukten wie Butter und Käse und fordern den notwendigen Schutz für unsere deutsche Landwirtschaft.