Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn von dieser Stelle zu wirtschaftspolitischen Fragen Stellung genommen wird, dann können wir zur Freude nicht nur des Hohen Hauses, sondern zur Freude des deutschen Volkes immer berichten, daß die Erzeugung in zunehmendem Maße steigt und daß damit die Leistungen des deutschen Volkes den Vorkriegsstand nicht nur erreicht, sondern ihn zum Teil überschritten haben. Die heutige Debatte ist eigentlich durch Fragen ausgelöst, die eigenartig wirken. Es ist so, als ob der deutschen Landwirtschaft die in der Milchwirtschaft innerhalb von zwei Jahren um 100 O/o gesteigerte Leistung zum Verhängnis werden sollte. Tatsächlich ist sie im vergangenen Jahr der deutschen Landwirtschaft zum Verhängnis geworden, weil neben dieser Eigenerzeugung Einfuhren — nicht etwa in Form von Milch, sondern von Milchprodukten — erfolgen mußten, die über das Maß des Absetzbaren hinausgingen. Hier zeigen sich auch die Verquickungen, die der Fragesteller bei seiner Begründung erwähnt hat. Es scheint mir deshalb notwendig zu sein, immer wieder darauf hinzuweisen, daß es sich hier darum handelt, die Interessen einer aufwärtssteigenden Landwirtschaft in Deutschland mit den Exportwünschen der Industrie zu verbinden.
Wir müssen, wenn wir von der Leistungssteigerung sprechen, auch einmal daran erinnern, daß in den nahezu 13/4 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben, die sich mit der Milchwirtschaft befassen, die Landarbeiter- oder Bauersfrau tagtäglich, schon bevor der nach sozialen Grundsätzen festgelegte Achtstundentag beginnt, und abends, wenn der heute von allen Völkern anerkannte Achtstundentag längst beendet ist, an die Arbeitsstätte geht. Dieser Arbeitsvorgang wiederholt sich täglich, einerlei ob Werktag oder Feiertag ist, und er wiederholt sich, einerlei ob gutes oder schlechtes Wetter ist. Mir scheint es deshalb falsch, bei Behandlung dieses Problems allein nüchterne Geldrechnungen aufzumachen. Es handelt sich gleichzeitig um ein soziales Problem. Ich bedaure es sehr, daß es bis heute keine Fraktion fertiggebracht hat, eine Sprecherin dieser Landarbeiter- oder Bauersfrauen hierherzubringen. Woher kommt das? Die Antwort ist nicht schwer zu finden. Die deutsche Landwirtschaft hat es ja auch bis zur Stunde, wie zugegeben werden muß, nicht verstanden, die nötige Reklame für ihre Produkte zu machen. Ebenso haben wir es auch nicht verstanden, dafür zu sorgen, daß wir unbekümmert um die sich täglich wiederholende Arbeit diese Frauen auch in das Parlament bringen, damit hier mit dem nötigen Verständnis an die Behandlung solcher Fragen herangegangen wird.
Ich bin weiter der Meinung, daß die Zahlen, die der Herr Kollege Kriedemann hier angegeben hat, falsch sind. Es stimmt nicht, daß etwa 25 Millionen DM für die Absatzwerbung zur Verfügung gestellt worden sind, sondern die Mittel für die Absatzwerbung machen nur einen bescheidenen Teil dieses Betrages aus. Diese Beträge sind von der deutschen Landwirtschaft eingesetzt worden, um die Produktionsbedingungen zu verbessern, die Arbeit zu erleichtern und die Qualität zu verbessern.
Die Zeiten, daß in Deutschland die Milch nur nach Menge bezahlt wird, sind längst vorbei. Nebenbei sei bemerkt, daß auch nicht nur nach dem Fettgehalt bezahlt wird, sondern — hierfür wird die vom Herrn Bundesfinanzminister angekündigte
Bundesgüteverordnung die Voraussetzung schaffen — daß generell im Bundesgebiet auch nach Güte und nach Qualität bezahlt wird. Es ist selbstverständlich, daß diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn der Absatz von Trinkmilch in dem von uns für nötig gehaltenen Ausmaß gesteigert werden soll. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß in vielen Ländern diese Dinge heute schon Tatsachen sind.
In einem Punkt, Herr Kollege Kriedemann, stimme ich Ihnen zu. Wir müssen bei der Beratung des Gesetzes überall da, wo in dieser Hinsicht gewisse Hemmungen vorhanden sind, dafür sorgen, daß die Frau, wenn sie es wünscht, die Milch frei Haus bekommt; selbstverständlich kostet sie dann mehr. Wir müssen die Voraussetzungen für die Sicherstellung des ambulanten Handels in Streusiedlungen, in Stadtrandsiedlungen, wie sie heute zur Auflockerung der Städte neu entstehen, schaffen. Wir können also die Novelle nicht etwa stur behandeln, als ob alles genau so bleiben müsse wie bisher. Eines muß ich dabei allerdings einschränkend sagen. Man darf die Verhältnisse in Deutschland nicht ohne weiteres mit denen in anderen Ländern vergleichen. Wenn sich in Deutschland der Milchhandel als Zwischenstufe zwischen Erzeuger und Verbraucher herausgebildet hat — im Gegensatz, meinetwegen, zu den Vereinigten Staaten, wo es ihn nicht gibt —, dann können wir uns nicht etwa dazu hergeben, einfach über eine solche Entwicklung hinwegzugehen. Wir müssen den Milchhändler, der den Dienst am Kunden richtig auslegt, auch weiterhin in Schutz nehmen. Genau so bin ich aber mit Ihnen der Ansicht, daß dort, wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, die entsprechenden Beschlüsse gefaßt und in der Novelle zum Ausdruck gebracht werden müssen, damit einem Übelstand abgeholfen wird.
Ich darf nun, Herr Bundesminister, noch einiges zu Ihren Ausführungen am Schluß Ihrer Antwort sagen. Sie haben davon gesprochen, daß 15 Millionen DM ERP-Kredite in die deutsche Milchwirtschaft geflossen sind. Wenn ich die wirtschaftliche Bedeutung der Milchwirtschaft etwa mit der des Kohlenbergbaus vergleiche, so ist dieser Vergleich ganz interessant. Die deutsche Milchwirtschaft kommt dann nicht etwa erst hinterher, sondern hat zumindest den gleichen Umfang. Schon mit Rücksicht auf einen solchen Vergleich möchte ich den Schluß ziehen, daß die bisher gegebenen ERP-Kredite keineswegs ausreichen, um die deutsche Milchwirtschaft auf den Stand zu bringen, den sie in umliegenden Ländern oder in Übersee hat. Die deutsche Milchwirtschaft muß darauf bestehen, daß ihr die entsprechenden Kredite zum entsprechenden Zinssatz zur Verfügung stehen, genau so wie der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft.
Ich bin weiter der Meinung, daß wir in Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister in gewissen Fragen weiterkommen müssen. Ich denke hier an die Steuerbegünstigung. Nach meinem Dafürhalten muß jegliche Schulmilchspeisung steuerfrei sein, damit wir dieses wertvolle Nahrungsmittel in die Schulen hineinbringen. Es muß möglich sein, daß neben den Ländern und Gemeinden, die sich erfreulicherweise für diese Dinge schon interessieren und finanzielle Beiträge leisten, auch der Bund hierfür Mittel zur Verfügung stellt, damit die Milch in die Schulen, Universitäten usw. zum richtigen Preis kommt. Hier sind verlorene Zuschüsse durchaus zu verantworten.
In diesem Punkte möchte ich besonders auch die Linke des Hauses ansprechen. Herr Kollege Kriedemann, ich weise auf den § 15 des Milchgesetzes hin, bei dem wir im Ausschuß die Einbeziehung der Margarinerohstoffe in die Einfuhrschleuse beschlossen haben. Ich bin mir darüber im klaren, daß hier noch alles mögliche in Bewegung gesetzt wird, um diesen Beschluß zunichte zu machen. Aber eins darf nicht verschwiegen werden: als im vergangenen Jahr die Preise für die Margarinerohstoffe am Weltmarkt — und unsere Margarine-Industrie ist zu über 90 % von der Einfuhr dieser
Rohstoffe abhängig — eine gewisse Höhe überschritten,war der Herr Finanzminister in der Lage,
täglich annähernd 1 Million DM an Subventionen in die Margarinefabrikation hineinzustecken.
Zur Zeit sind nun die Weltmarktpreise für die Margarinerohstoffe einmal sehr verlockend. Nun stelle ich die Frage: Ist die Bundesregierung bereit, jetzt nicht etwa die gleichen Beträge, sondern die unumgänglich notwendigen Beträge zur Verfügung zu stellen, um die Erhaltung der annähernd
2 Millionen bäuerlichen Familienexistenzen zu garantieren?
Die Umlage wurde angesprochen. Was ist die Umlage? Sie ist ein Abzug von Geld unter dem Strich, welches der Bauer zahlt. Herr Bundesminister, ich halte es nicht für richtig, daß Sie mit diesem den Bauern abgezogenen Geld in Frankfurt einen Verein zur Förderung der Milchwirtschaft unterhalten. Dieser Verein muß aus Bundesmitteln bezahlt werden!
Diese bescheidenen Beträge dürfen beim Bundeshaushalt absolut keine Rolle spielen. Ich bin der Auffassung, die Beträge, die dem deutschen Bauern von seinem Geld abgezogen werden, soll man ihm auch selbst überlassen, damit er sie nach eigenen Vorstellungen und Beschlüssen wieder einsetzt.
Die Buttereinlagerung ist zu einem Politikum ersten Ranges gemacht worden. Dabei hat sie im Rahmen unserer Marktordnungsgesetze lediglich den Zweck, die Versorgung sicherzustellen und zu verhindern, daß die Preise so wie am Weltmarkt auf und ab schwanken.
— Herr Kollege Greve, Sie meinen, sie sollen immer hoch bleiben. Sie werden diesen Standpunkt von keinem Vertreter der deutschen Landwirtschaft jemals gehört haben. Er ist auch- von dieser Stelle nie vertreten worden. Wir haben uns nur immer dafür ausgesprochen, die Preise stabil zu halten.
Das ist etwas ganz anderes. Wenn die deutsche
Landwirtschaft beim Getreide an Höchstpreisen
von 12 und 13 DM festgehalten hat, als der Weltmarkt 20 DM brachte, wenn der Brotpreis jahrelang — auch während der Jahre, in denen die Industrie den gewaltigen Aufschwung nehmen konnte
— auf 50 und 60 % des Weltmarktpreises gehalten
worden ist und wenn dies von der Landwirtschaft
nicht nur hingenommen, sondern damals für richtig gehalten worden ist, dann müssen Sie im Interesse dieser deutschen Landwirtschaft auch in den
Zeiten, in denen es umgekehrt ist, dafür sorgen,
daß eine gewisse Stufe nicht unterschritten wird.
— Sie haben es anscheinend noch gar nicht begriffen, daß die deutsche Agrarpolitik nach anderen Gesetzen bestimmt wird.
Ihre Fraktion hat ja doch die Marktordnungsgesetze selbst mitbeschlossen. Es scheint mir auch besser zu sein, daß man diese Dinge denen überläßt, die sich mit der Agrarpolitik zu beschäftigen haben.
Zum Schluß möchte ich die Ausführungen des Kollegen Dannemann unterstreichen und feststellen: die auf die Marktordnungsgesetze aufgebaute Agrarpolitik wird in der Bundesrepublik nur dann den nötigen Erfolg zeitigen, wenn man sie nicht nur in einer Zeit anwendet, in der die Weltmarktpreise uns davonlaufen, sondern wenn man diese Gesetze und die in diesen Gesetzen verankerten Einfuhr- und Vorratsstellen auch in einer Zeit wirksam werden läßt, in der es einmal umgekehrt ist.
Die sich aus diesen Gesetzen ergebende Stabilität ist nach wie vor das, was uns als Ziel einer beständigen und stetigen Agrarpolitik vorschwebt. Hoffen wir, daß man die entsprechenden Konsequenzen zieht. Hoffen wir, daß man nicht mit legalen Mitteln der Marktordnung, wie sie die Einlagerung, auch eine Buttereinlagerung, darstellt, weiterhin eine der Landwirtschaft schädliche Politik betreibt. Die Agrarpolitik hat keinen anderen Zweck, als auf der einen Seite die Quelle deutschen Bauernfleißes und deutschen Landarbeiterfleißes zu erhalten und auf der anderen Seite die Versorgung in Deutschland sicherzustellen.