Rede von
Josef
Eichner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, welches heute mit der Drucksache Nr. 3323 aufgeworfen worden ist, berührt nicht bloß die Erzeuger, sondern auch die Verbraucher. Wir wissen, daß zur Zeit zwischen dem Trinkmilchverbrauch und dem Werkmilchverbrauch eine ungesunde Relation besteht. Es ist ja so, daß zur Zeit im Bundesgebiet im Durchschnitt nur 35 bis 40 % der erzeugten Milchmenge als Trinkmilch abgesetzt werden können. Die als Werkmilch bestimmte Milch hat selbstverständlich nicht den Erfolg in finanzieller Hinsicht wie die Trinkmilch, und zwar infolge des bekannten ungleichen Preisverhältnisses zwischen Butter und Margarine, das naturgemäß dadurch entstehen muß, daß die Rohstoffe für die Margarine weit billiger zu stehen kommen als das Urprodukt Milch für die Butter.
Nun ist es ja so, daß schließlich intensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Betriebe, die allein auf Milchwirtschaft eingestellt sind, und auch gemischte Betriebe in die Gefahr geraten, in die extensive Wirtschaftsform gedrängt zu werden. Man weiß aber auch aus Erfahrung, daß es mehrerer Jahre bedarf, bis diese Betriebe dann wieder in die intensive Wirtschaftsform überführt werden können.
Wir alle wissen, daß die einheimische Erzeugung die sicherste Ernährungsgrundlage auch in Notzeiten darstellt. Ich glaube, wir haben das besonders in den letzten Jahren am eigenen Leib verspüren müssen.
Herr Kollege Kriedemann hat von dem Milchabsatz in den Städten, in den Verbrauchszentren gesprochen. Er hat unter anderem auch darauf verwiesen, daß hierbei eine gewisse Lockerung stattfinden müsse. Ich bin selbst demokratisch durch und durch, und es soll auch eine gesunde Konkurrenz gerade auf diesem Sektor bestehen; aber eins ist notwendig: die Ordnung, die aus bestimmten Gründen auf diesem Gebiet aufgebaut worden ist, muß erhalten bleiben. Wir können es uns natürlich nicht leisten, daß, wie früher möglich war, die Milch — dafür sorgen schon die städtischen Gesundheitsämter, die staatlichen Gesundheitsbehörden — unüberwacht in den Verkehr kommt.
— Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kriedemann. — Es ist so, daß auf diesem Gebiet für den
Trinkmilchabsatz auch werbungsmäßig etwas geschehen muß, und zwar mehr als bisher. Wir können uns ein Beispiel nehmen an der Werbung für
Coca-Cola oder dergleichen. Wir hätten es gar
nicht so nötig, darauf hinzuweisen, welche Vorzüge
die Milch hat. Ich möchte aber hier gewissen Journalisten etwas auf die Zehen treten
— ja, ja, es ist so! —, und zwar deswegen, weil immer wieder darauf verwiesen wird, wieviel Bakterien, menschentötende Bakterien usw. sich in der Milch befinden. Es wird auf die Tbc hingewiesen. Ich habe selbst ein Beispiel erlebt. Ich hatte im ersten Weltkrieg eine schwere Gasvergiftung und kam schwerkrank nach Hause. Ich habe einen oder zwei Monate lang nichts anderes als kuhwarme Milch genießen können, und die stand ja zur Verfügung. Ich wurde auf diese Weise wiederhergestellt und habe meine Gesundheit wiedererlangt.
Gerade Milch ist, wie wir schon gehört haben, das billigste, das gesündeste und das beste Nahrungsmittel in jeder Form. Ich möchte, daß gerade die städtischen Verbraucher immer wieder in die Betriebe geführt werden, nicht bloß in die neuzeitlichen Molkereibetriebe, wo man ihnen vor Augen führen kann, wie dieses Produkt mit allen Neuerungen hergerichtet wird, sondern vor allem auch in die Erzeugerbetriebe.
Selbstverständlich müssen die Preise auch dem angepaßt sein, so daß hierdurch die Möglichkeit besteht, weiter Milch in bester Qualität zu produzieren, nicht bloß mit föderativen Maßnahmen in Wort und Schrift für den Absatz von Milch zu werben, sondern auch dadurch zu werben, daß den Verbrauchern immer wieder vor Augen geführt wird, auf welche Weise die Milch gewonnen wird und daß man dieses kostbare Nahrungsmittel wirklich mit Appetit genießen kann.
Ich möchte auch darauf verweisen, daß gerade die Behörden, unter anderem auch die Bundesbahn, es ermöglichen könnten, sich auf diesem Gebiet Verdienste dadurch zu erwerben, daß man auf den großen und auch auf den kleinen Bahnhöfen Milchbars einrichtet, die zur Einkehr einladen. Ich glaube, wenn alle diese Momente zusammengefaßt werden und wenn immer wieder darauf verwiesen wird, was dem Menschen eigentlich am ehesten zu Nutz und Frommen gerade in der Ernährung ist, dann kann auch der Erfolg nicht ausbleiben.