Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich danke der Frau Berichterstatterin und gebe Ihnen davon Kenntnis, daß der Ältestenrat vorschlägt, dieses Gesetz ohne Aussprache zu verabschieden.
Ich darf zur zweiten Beratung aufrufen: § 1, —§ 2, — § 3, -- Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das scheint mir einstimmig zu sein.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Besprechung soll nicht stattfinden. Eine Einzelbesprechung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steigerung des Trinkmilchverbrauchs .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor, falls eine Aussprache gewünscht wird.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann zur Begründung der großen Anfrage!
Müller-Hermann , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich bei Einbringung der Großen Anfrage betreffend Steigerung des Trinkmilchverbrauchs sowohl von volkswirtschaftlichen als auch von volksgesundheitlichen Erwägungen leiten lassen. Wir haben im Plenum des Bundestages bereits verschiedentlich heftige Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit den Fragen der Buttereinlagerung, der Ernährungspolitik und Zollpolitik gehabt. Ich glaube, daß es bei der Frage „Steigerung des Milchkonsums" sowohl bei den Landwirten als auch bei den Vertretern der Industrie und der Verbraucherschaft nur Zustimmung geben wird, weil hier tatsächlich ein gemeinsames Interesse aller
beteiligten Berufs- und Bevölkerungsschichten vorliegt, abgesehen von all den Vorteilen für die Volksgesundheit.
Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft hat die Leistungen der deutschen Milchwirtschaft in den letzten Jahren auf etwa 110 °/o der Friedensleistung steigern können. Die Produktion erreicht damit in der Pro-Kuh-Leistung annähernd den Stand der Leistungen von Dänemark und Holland. Man kann also wohl feststellen, daß die Landwirte und die Kühe in der Bundesrepublik ihre Pflicht erfüllt haben.
Die Landwirte beanspruchen nun für ihre Produktion einen Schutz durch Zollmaßnahmen, denen von seiten der Industrie heftiger Widerstand geleistet wurde, weil die Industrie ein natürliches Interesse daran hat, gerade auch nach den Ländern zu exportieren, die nur dann bereit sind, deutsche Waren aufzunehmen, wenn auf der andern Seite ihre landwirtschaftlichen Produkte nach Deutschland abgesetzt werden können. Hier liegt ein Widerstreit vor, der unseres Erachtens am besten aus der Welt geschafft werden kann, wenn
es gelingt, den deutschen Milschverbrauch nur um
einiges zu steigern.
Der Trinkmilchverbrauch in Deutschland lag 1951 bei 75 bis 80 kg, wenn man den städtischen Verbrauch berücksichtigt, bei 115 kg pro Kopf der Bevölkerung, wenn man den Eigenverbrauch und den Abholverkauf mit einkalkuliert. Der Trinkmilchverbrauch in den Vereinigten Staaten ist doppelt so hoch wie in Deutschland. Ein ähnlicher erheblicher Mehrverbrauch liegt in England, in Dänemark, in Holland, in Schweden und in der Schweiz vor. Wenn es gelänge — ich glaube, diese Zahlen sind doch sehr eindrucksvoll —, den Trinkmilchverbrauch in Westdeutschland von 0,2 Liter pro Kopf und Tag nur um 1/10 Liter pro Tag zu steigern, würden hiermit 70 000 t Butter jährlich vom Markt genommen werden. Auf diesem Wege wären wir in der Lage, den nordischen Ländern ihren gesamten Butterüberschuß abzunehmen und so unserer eigenen Industrie für ihren Export ein erweitertes Absatzgebiet zu schaffen.
Diese Steigerung des Trinkmilchverbrauchs und die damit mögliche Exportsteigerung sind eine Aufgabe, die zweifellos nicht von der Landwirtschaft allein bewältigt werden kann, eine Aufgabe, bei der Bundesregierung, Landwirtschaft, Industrie und Verbraucherschaft gemeinsam die notwendigen Schritte unternehmen müssen. Ich glaube feststellen zu können, daß die finanziellen Mittel, die eingesetzt werden sollten, um eine Werbung für Trinkmilch zu veranstalten, sich wohl sehr bezahlt machen werden, wenn man auch die positiven Folgen, die sich für die Volksgesundheit daraus ergeben, nicht mit irgendwelchen Zahlenwerten messen kann. Wie kann das geschehen? Das ist die Frage, die wir auch an die Bundesregierung richten. Wir kennen alle die wunderbaren Plakate, wo ein schönes Mädchen, mit einem Glas Milch bewaffnet, für einen Mehrkonsum von Milch wirbt. Sicher wird sich mit diesen Plakaten nicht sehr viel und nicht sehr Entscheidendes erreichen lassen. Sie haben heute alle — wie ich auch — mit den Posteingängen ein umfangreiches Material von dem Verein zur Förderung des Milchverbrauchs in Frankfurt erhalten, der sich offensichtlich alle erdenkliche Mühe gegeben hat, mit Plakaten sowie Werbungs- und Aufklärungsschriften für eine Steigerung des Milchkonsums zu werben. Aber diese Maßnahmen haben nicht den gewünschten
Erfolg erzielt, auch nicht erzielen können, weil die Zahl der hergestellten Werbungsschriften nicht ausreichend ist. Dieser Verein muß mit so geringfügigen Mitteln arbeiten, daß er es einfach nicht schaffen kann. Ich glaube, man sollte hier vielleicht einmal entsprechende Maßnahmen, aber auch Ausgaben z. B. der Margarineindustrie als Richtschnur heranziehen, um einen Vergleichsmaßstab für die Mittel zu haben, die man für die Steigerung des Milchkonsums einsetzen sollte.
Die Landwirtschaft und die Verteilerorganisationen werden sich jedoch nicht darauf beschränken dürfen, nur auf den Staat und auf die Mittel zu gucken, die von seiner Seite zur Verfügung gestellt werden können. Alle Maßnahmen zur Werbung werden nutzlos bleiben, solange nicht von allen Beteiligten gemeinsame Maßnahmen zur Qualitätssteigerung der Milch und für einen verbesserten Kundendienst ergriffen werden. Auf beiden Gebieten ist Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zweifellos erheblich zurück. Ich erinnere vor allem für die Damen und Herren auch dieses Hauses, die Gelegenheit hatten, sich in den Vereinigten Staaten einmal mit ähnlichen Problemen zu beschäftigen, an die drakonischen Qualitätsbestimmungen, die z. B. in den Vereinigten Staaten getroffen worden sind, an den Kundendienst, der dort herrscht, und an die vorzügliche, schmackhafte, gekühlte und Appetit anregende Weise, in der die Milch zum Angebot kommt. Die Bevölkerung muß die Gewähr dafür haben — ich glaube, hier sind in der Öffentlichkeit zum Teil noch Bedenken vorhanden —, daß wirklich nur einwandfreie Milch auf den Markt kommt, d. h. daß der Pasteurisierungszwang, soweit es sich nicht um Vorzugsmilch handelt, auf jeden Fall auch durchgeführt wird. Dazu kommen einwandfreie Gewinnung innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe, eine bessere Bezahlung und Ausbildung der Melkkräfte, eine Bezahlung der Milch in den Molkereien nach ihrer Güte und eine Steigerung des Fettgehalts, die, wie ich hörte, jetzt auch bereits durchgeführt werden soll.
Entscheidenden Einfluß auf die Steigerung des Milchkonsums kann der Milchhandel selbst nehmen, wenn er sich endlich dazu bequemt, einen verbesserten Kundendienst, vor allem auch eine freie Hauszustellung durchzuführen, wenn es ihm gelingt, den heute erforderlichen hygienischen Anforderungen in bezug auf die Läden, Berufskleidung, Fahrzeuge usw. gerecht zu werden.
Ich glaube aber, daß es — abgesehen davon, daß der Staat Mittel für die Milchwerbung zur Verfügung stellt — auch noch andere Möglichkeiten für den Staat gibt, den Milchkonsum in Deutschland nicht unerheblich zu fördern. Ich denke z. B. an die Durchführung der Schulmilchspeisungen, die zum Teil nur sehr zögernd behandelt werden, an den Milchausschank im Bergbau und an die Förderung des Milchausschanks in den Industriebetrieben. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß z. B. auch heute noch bei direkter Lieferung von Milch an die Schulen für die Schulmilchspeisung von den Molkereien eine Umsatzsteuer von 4 % für Trinkmilch und 7 % für Kakao gefordert wird.
Ein weiteres, entscheidendes Hindernis, das einer Steigerung des Milchkonsums offensichtlich entgegensteht, sind die Gemeindegetränkesteuer, die noch immer auf die Milchmischgetränke erhoben wird, und die Speiseeissteuer. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Milchmischgetränke, die sich offensichtlich zunehmender Beliebtheit erfreuen, zu 90 % aus Milch hergestellt sind und daß nur der Rest aus Früchten und Zucker besteht. Dabei liegen hier noch ganz ungeahnte Möglichkeiten, einen gesteigerten Milchabsatz in Deutschland zu erzielen.
Dazu gibt es noch von Staatsseite her Möglichkeiten, den Milchabsatz durch geeignete Verkaufsmöglichkeiten zu fördern, z. B. auf den Bahnsteigen der Bundesbahn, in den Speisewagen der Mitropa, durch Einrichtung von Milchtrinkhallen auf den Bahnsteigen der Bundesbahn zu günstigen Pachtbedingungen, den ambulanten Verkauf in und an den Zügen und durch entsprechende Maßnahmen gerade auch auf den Autobahnen.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns so bemühen, gerade auch den Milchkonsum in Deutschland zu fördern, so können wir vielleicht damit auch eine gute Konkurrenz gegen den übermäßigen Genuß von alkoholischen Getränken aufbauen,
womit nicht gesagt sein soll — Herr Dr. Horlacher sieht mich schon so strafend an —,
daß man ja auch am Abend ein gutes Glas Bier vertragen kann. Es läßt sich beides sehr gut miteinander vereinbaren, Herr Dr. Horlacher!
Ich glaube aber, daß es bei der umfassenden Bedeutung dieses — so nebensächlich erscheinenden — Problems für unsere Volkswirtschaft und für unsere Volksgesundheit richtig ist, daß sich der Bundestag einmal mit diesem Problem beschäftigt und von der Bundesregierung Auskunft darüber erhält, wie sie sich eine Förderung des Milchkonsums in der Bundesrepublik vorstellt und welche Maßnahmen von ihr auf diesem Gebiete bereits ergriffen worden oder geplant sind.